142Befristetes Arbeitsverhältnis: Kein verpflichtender Urlaubsverbrauch während der Dienstfreistellung
Befristetes Arbeitsverhältnis: Kein verpflichtender Urlaubsverbrauch während der Dienstfreistellung
Die Kl stand vom 1.5.2019 bis 30.4.2020 in einem befristeten Dienstverhältnis zum Bekl. Am 4.12.2019 wurde sie für die restliche Dienstzeit dienstfrei gestellt. Die vom Bekl angebotene Vereinbarung über den Verbrauch des Resturlaubs wurde von ihr abgelehnt. Die Kl begehrte eine Urlaubsersatzleistung.
Die Vorinstanzen gaben dem Begehren der Kl statt.
Der OGH wies die Revision der Bekl zurück und führte aus, dass nach Aufhebung des § 9 UrlG aF durch das ARÄG 2000 grundsätzlich keine Obliegenheit des AN mehr besteht, den Urlaub in einer längeren Kündigungsfrist zu verbrauchen. Der Nichtabschluss der Urlaubsvereinbarung durch den AN steht im Allgemeinen nur mehr unter der „Sanktion“ der Verjährung des Urlaubsanspruchs nach § 4 Abs 5 UrlG. Eine Obliegenheit des AN, seinen Urlaub im Fall einer Dienstfreistellung innerhalb einer längeren Kündigungsfrist zu verbrauchen, besteht nur im Fall einer Verletzung der Treuepflicht oder eines Rechtsmissbrauchs.
Der Bekl wirft in seiner Zulassungsbeschwerde die Frage auf, ob die gleichen Erwägungen im Fall der Beendigung des Dienstverhältnisses durch Fristablauf und vorangegangener Dienstfreistellung anzustellen sind, nennt allerdings keinen Grund, warum eine solche Differenzierung vorgenommen werden sollte. Sie widerspräche auch § 10 UrlG, der für den Anspruch auf Urlaubsersatzleistung nicht zwischen befristeten und unbefristeten Dienstverhältnissen differenziert, und verkennt, dass der Entfall der Urlaubsersatzleistung infolge Rechtsmissbrauchs bereits Gegenstand der ebenso ein befristetes Dienstverhältnis betreffenden OGH-E vom 30.7.2009, 8 ObA 81/08g, war.
Nach Ansicht des Bekl sei auch ungeklärt, unter welchen Umständen die Schädigungsabsicht den einzigen oder überwiegenden Grund der Rechtsausübung darstelle.
Schikane liegt nach der Rsp nicht nur dann vor, wenn die Schädigungsabsicht den einzigen Grund der Rechtsausübung bildet, sondern auch dann, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein ganz krasses Missverhältnis besteht. Nur dann, wenn sich unter Berücksichtigung der gesetzlichen Wertungen ein völlig eindeutiges, krasses Überwiegen der benachteiligten Interessen des AG in einer vom Gesetz wegen der Besonderheiten des Falls nicht geregelten Konstellation ergibt, kann ein Rechtsmissbrauch des AN in seiner mangelnden Bereitschaft, Urlaub zu verbrauchen, erblickt werden. Ob Rechtsmissbrauch vorliegt, ist eine nach den Umständen des Einzelfalls zu klärende Rechtsfrage. Wie schon zu OGH vom 16.12.2005, 9 ObA 144/05z, ausgeführt, erfordert diese Beurteilung eine Gesamtschau unter Einbeziehung insb von Dauer der Kündigungsfrist, Anzahl der Urlaubstage, Verhalten des AN in der Kündigungsfrist sowie Erholungsmöglichkeit des AN und Erfordernisse des Betriebs. Auch das Urlaubsverhalten in der Vergangenheit ist zu berücksichtigen. Allein, dass der Urlaubsverbrauch unter Berücksichtigung der Jahreszeit, in der die Kündigungsfrist liegt, zumutbar wäre, reicht noch nicht aus, um bereits einen Missbrauchsfall als gegeben anzunehmen (dort: iE kein Rechtsmissbrauch bei zweijähriger Dienstfreistellung).
Wenn das Berufungsgericht im vorliegenden Fall kein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Kl erkennen konnte, ist dies bei einer knapp fünfmonatigen Dienstfreistellung, (letztlich verbliebenen) 14 Tagen Resturlaub, einem schulpflichtigen, während der Dienstfreistellung von der Kl betreuten Kind und dem in der Zeit der Dienstfreistellung eingesetzten ersten „Lockdown“, der bekanntermaßen jegliche Urlaubsgestaltung massiv einschränkte, nicht korrekturbedürftig.
Für die vom Bekl in der Zulassungsbeschwerde aufgeworfene Frage, ob einen DN eine Darle301gungslast im Hinblick auf die Erholungsmöglichkeit trifft, ist zwischen den Erfordernissen des Abschlusses einer Urlaubsvereinbarung und der Beurteilung von Rechtsmissbrauch zu unterscheiden:
Beim Abschluss einer Urlaubsvereinbarung ist gem § 4 Abs 1 UrlG auf die Erfordernisse des Betriebs einerseits und auf die Erholungsmöglichkeiten des AN andererseits abzustellen. Die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen von Betriebserfordernissen trifft den AG, jene über die Erholungsmöglichkeiten den AN (OGH 25.9.2014, 9 ObA 79/14d). Die Beurteilung des Rechtsmissbrauchs erfordert bei der genannten Gesamtschau zwar auch die Einbeziehung der Erholungsmöglichkeit des AN, doch trifft die Beweislast dafür denjenigen, der sich auf Rechtsmissbrauch beruft. Für die Behauptung des Bekl eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der Kl traf sie daher keine Darlegungs- und Beweislast.