145Ablehnung einer Vorbereitungsmaßnahme bei einem sozialökonomischen Betrieb: Kein Anspruchsverlust wegen Verweigerung einer zumutbaren Beschäftigung
Ablehnung einer Vorbereitungsmaßnahme bei einem sozialökonomischen Betrieb: Kein Anspruchsverlust wegen Verweigerung einer zumutbaren Beschäftigung
Eine Notstandshilfebezieherin wurde vom Arbeitsmarktservice (AMS) zur Teilnahme an einer Veranstaltung mit dem Titel „Vorbereitungsmaßnahme für [I GmbH] – Vorauswahltermin“ aufgefordert. Im Einladungsschreiben wurde ihr mitgeteilt, dass im Rahmen eines vom AMS geförderten sozialökonomischen Betriebes – der I GmbH – eine „Vorbereitungsmaßnahme“ angeboten werde, die dazu diene, ein anschließendes befristetes Dienstverhältnis bei der I GmbH vorzubereiten. Im Zuge dieses anschließenden befristeten Dienstverhältnisses war ein Einsatz am allgemeinen Arbeitsmarkt im Weg einer Arbeitskräfteüberlassung beabsichtigt. Während der Vorbereitungsphase wäre weiterhin die bisherige Leistung aus der AlV oder eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes in der Höhe der bisherigen Leistung erbracht worden. Die Arbeitslose erschien zum angegebenen Termin bei der I GmbH und teilte dort im Zuge eines Erstgespräches mit, dass sie eine Aus- oder Weiterbildung absolvieren wolle. Da ihr mitgeteilt wurde, dass es das Ziel der I GmbH sei, die Teilnehmer bei der Suche eines Arbeitsplatzes zu unterstützen, eine Möglichkeit zur Absolvierung einer Weiterbildung aber nicht bestehe, lehnte die Arbeitslose die Teilnahme ab. Mit Bescheid vom 5.3.2018 verhängte das AMS daraufhin eine sechswöchige Sperre des Leistungsbezuges gem § 38 iVm § 10 AlVG. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 2.5.2018 wies das AMS die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde ab und begründet diese Abweisung damit, dass der Arbeitslosen eine Beschäftigung als Transitarbeitskraft angeboten worden sei, welches sie abgelehnt habe.
Das BVwG gab der gegen die Entscheidung des AMS gerichteten Beschwerde statt. Der Arbeitslosen sei lediglich eine „Vorbereitungsmaßnahme“ mit dem Ziel der Unterstützung beim Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt, nicht aber eine Beschäftigung angeboten worden.
Gegen dieses Erk richtet sich die außerordentliche Revision des AMS. Aus der Einladung sei hervorgegangen, dass nach einer Einstiegsphase von maximal drei Monaten ein Transitdienstverhältnis angeboten würde. Die Ablehnung einer derartigen Beschäftigung bei einem sozialökonomischen Betrieb sei nach § 10 AlVG zu sanktionieren. Aus § 9 Abs 7 AlVG sei abzuleiten, dass Beschäftigungen am zweiten Arbeitsmarkt auch „Maßnahmeninhalte“ aufweisen dürften. Soweit das BVwG bemängelt habe, dass das Stellenangebot noch keine konkrete Beschreibung des Arbeitsplatzes beinhaltet hätte, werde übersehen, dass die Suche nach einem geeigneten Arbeitsplatz erst Gegenstand der angebotenen Beschäftigung bei der I GmbH gewesen wäre.
Der VwGH wies die Revision mit Beschluss zurück und begründete seine Entscheidung folgendermaßen:
Der Gesetzgeber hat in § 9 Abs 7 AlVG ausdrücklich auch „ein der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt dienendes Arbeitsverhältnis im Rahmen eines Sozialökonomischen Betriebes (SÖB) oder eines Gemeinnützigen Beschäftigungsprojektes (GBP)“ als (zumutbare) Beschäftigung erklärt. Ein Verhalten iS von § 10 Abs 1 Z 1 AlVG im Hinblick auf einen sozialökonomischen Betrieb – somit die Verweigerung oder Vereitelung einer Beschäftigung bzw die Nichtannahme einer vom sozialökonomischen Betrieb angebotenen Beschäftigung – kann daher zum Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld bzw Notstandshilfe führen. Voraussetzung der Verhängung der Sanktion ist insb, dass eine derartige angebotene Beschäftigung der Prüfung der Zumutbarkeit im Einzelfall (vgl § 9 Abs 7 AlVG) standhält, somit insb den Kriterien des § 9 Abs 2 AlVG entspricht.
Eine Erfüllung des Tatbestandes nach § 10 Abs 1 Z 1 AlVG kommt aber jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn überhaupt keine Zuweisung zu einer Beschäftigung – somit kein Angebot eines konkreten Dienstverhältnisses – erfolgt ist. Im vorliegenden Fall hat das AMS der Arbeitslosen eine „Vorbereitungsmaßnahme“ angeboten. Es ist nach den Feststellungen nicht zweifelhaft, dass diese Maßnahme nicht – wie dies etwa bei einer Einschulung zu Beginn eines Dienstverhältnisses denkbar wäre – Teil eines Beschäftigungsverhältnisses gewesen wäre. Durch die Verweigerung der Teilnahme an der Maßnahme wird, wie das BVwG zutreffend erkannt hat, der Tatbestand des § 10 Abs 1 Z 1 AlVG somit schon mangels Zuweisung zu einer Beschäftigung nicht erfüllt.
Eine Maßnahme, mit der eine Beschäftigung durch die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten vorbereitet wird, könnte allenfalls eine Wiedereingliederungsmaßnahme darstellen und bei ihrer Verweigerung bzw Vereitelung nach § 10 Abs 1 Z 3 AlVG zum Anspruchsverlust führen. Dass die von der Mitbeteiligten verweigerte „Vorbereitungsmaßnahme“ eine Wiedereingliederungsmaßnahme in diesem Sinn gewesen wäre bzw die Voraussetzungen einer Zuweisung zu einer solchen Maßnahme vorgelegen wären, wurde jedoch weder im verwaltungsgerichtlichen Verfahren dargetan noch in der Revision behauptet.
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