148Kein Unfallversicherungsschutz bei Verlassen des geschützten Arbeitswegs
Kein Unfallversicherungsschutz bei Verlassen des geschützten Arbeitswegs
Der Kl ist als Dachdecker und Zimmerer bei der H-GmbH beschäftigt. Am Unfalltag wurden die Arbeiten auf einer Baustelle wegen Schlechtwetters gegen 16.15 Uhr beendet. Der Kl machte sich zusammen mit seinen Kollegen auf den Weg zurück zur H-GmbH, wo nach Dienstende noch ein Geburtstagsumtrunk im Sozialraum stattfand. Der Kl konsumierte dort alkoholische Getränke, was zu einem (später gemessenen) Alkoholisierungsgrad von 1,6 Promille führte. Der Kl beabsichtigte, um 18:15 Uhr den Bus nach Hause zu nehmen, als er jedoch in Richtung Bushaltestelle ging, sah er, dass er diesen soeben verpasst hatte. Er beschloss daher zu einer anderen Bushaltestelle (im Ortszentrum) zu gehen, um dort den Bus einer anderen Linie zu erwischen. Um zu dieser Bushaltestelle zu gelangen musste der Kl einmal eine Bundesstraße überqueren. In weiterer Folge überquerte der Kl die Bundesstraße insgesamt jedoch vier Mal, wobei er etwa um 19:00 Uhr beim letzten Überqueren im Bereich des Schutzweges von einem PKW angefahren und verletzt wurde. Warum der Kl die Bundesstraße so oft überquerte und sich letztlich wieder von der Bushaltestelle (von welcher der Bus nach Hause abfuhr) wegbewegte, konnte nicht mehr festgestellt werden.
Die Unfallversicherungsanstalt lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalles (Wegunfalles) sowie die daraus resultierenden Leistungen ab. Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab und bestätigten die Entscheidung der Unfallversicherungsanstalt im Wesentlichen mit der Begründung, dass sich der Unfall des Kl auf dem Stück des Weges, welches er aus eigenwirtschaftlichen Gründen betreten hatte, ereignet hat und daher kein Zusammenhang mit der geschützten Erwerbstätigkeit mehr bestehe.307
Der OGH wies die außerordentliche Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zurück.
In seinem Zurückweisungsbeschluss führte das Höchstgericht aus, dass es nicht alleine ausreichend sei, sich in geografischer Hinsicht am geschützten Heimweg zu befinden, zusätzlich muss auch die Absicht vorliegen, das geschützte Ziel (Wohnort) zu erreichen. Nach § 175 Abs 2 Z 1 ASVG ist nur der direkte Weg zwischen Arbeitsstätte und Wohnung geschützt. In der Regel handelt es sich dabei um den streckenmäßig oder zeitlich kürzesten Weg. Auf einem Umweg besteht daher grundsätzlich kein Versicherungsschutz. In Einzelfällen kann jedoch bei Vorliegen bestimmter Gründe für die Wahl eines anderen (längeren) Weges, dennoch Versicherungsschutz bestehen. Solche Gründe sind – nach der bisherigen Rsp –, den Weg möglichst störungsfrei und zweckmäßig zurückzulegen, wobei auch objektive Kriterien zu berücksichtigen sind.
Dennoch bestätigte der OGH die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, das nicht den zeitlichen Zusammenhang (aufgrund der einstündigen Geburtstagsfeier nach Dienstschluss) oder die Wahl des Weges, sondern das – aus nicht feststellbaren Gründen erfolgte – Verlassen der Bushaltestelle als hinderlich für die Anerkennung eines Arbeitsunfalles ansah. Nach Ansicht des OGH befand sich der Kl nach dem Verlassen der Bushaltestelle objektiv nicht mehr auf dem geschützten Weg, weshalb auf diesem letzten Wegstück (auf welchem sich der Unfall ereignete) kein innerer Zusammenhang mehr mit dem Heimweg bestand.