151Kinderbetreuungsgeld: Keine Rückzahlungspflicht bei Nichteinlangen des per E-Mail übermittelten Nachweises der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen
Kinderbetreuungsgeld: Keine Rückzahlungspflicht bei Nichteinlangen des per E-Mail übermittelten Nachweises der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen
Die Zulässigkeit der Übermittlung der Nachweise über die Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen mit E-Mail findet in § 13 Abs 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) eine gesetzliche Grundlage. § 24c Kinderbetreuungsgeldgesetz (KBGG) schreibt keine bestimmte Form vor, in der die Nachweise zu erbringen sind.
Hat die Versicherte keinen Fehlbericht nach Absendung des E-Mails erhalten, sodass sie im konkreten Fall nicht veranlasst war, Zweifeln am Gelingen der Sendung oder der Zustellung des E-Mails nachzugehen, so stellt das Nichteinlangen des per E-Mail übermittelten Nachweises der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen keinen vom beziehenden Elternteil zu vertretenden Umstand dar.
Die Kl bezog anlässlich der Geburt ihres Sohnes am 11.2.2018 Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens im Zeitraum von 12.4.2018 bis 10.2.2019. Die Kl ließ alle Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen rechtzeitig durchführen. Am 27.2.2019 erkundigte sich die Kl telefonisch bei der Bekl, ob die Nachweise über die durchgeführten Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen auch per313 E-Mail übermittelt werden könnten, die Bekl bejahte dies und teilte ihr auch eine entsprechende E-Mail-Adresse mit. Die Kl sandte daher einen Tag später, am 28.2.2019, die Nachweise über die durchgeführten Untersuchungen per E-Mail an die zuvor bekanntgegebene Adresse. Die Kl erhielt keine Fehlermeldung, dennoch forderte die Bekl per Bescheid vom 11.10.2019 das Kinderbetreuungsgeld, als Ersatz des Erwerbseinkommens in Höhe von € 1.300,- wegen fehlender Nachweise der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen, zurück.
Das Erstgericht gab der Klage der Versicherten statt. Es sah den Umstand, dass das E-Mail der Kl vom 28.2.2019 nie bei der Bekl eingelangt sei, als nicht von der Kl zu vertreten an. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl nicht Folge und stellte fest, dass die Kl die Nachweise rechtzeitig an die Bekl gesendet habe und die Übermittlung der Untersuchungsnachweise per E-Mail an die Bekl gem § 25a KBGG iVm § 360b ASVG und § 13 Abs 2 AVG zulässig sei.
Der OGH wies die außerordentliche Revision der Bekl wegen Fehlens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zurück.
„1.1 Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens in voller Höhe besteht nur, wenn die in § 24c KBGG vorgesehenen Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen gemäß der Mutter-Kind-Pass Verordnung 2002 durchgeführt und durch Vorlage der entsprechenden Untersuchungsbestätigung nachgewiesen werden. Werden die in § 24c KBGG vorgesehenen Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen nicht bis zu den vorgesehenen Zeitpunkten nachgewiesen, so reduziert sich gemäß § 24a Abs 4 KBGG der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens für jeden Elternteil um 1.300 €. […]
2.1 Gemäß § 24c Abs 2 Z 1 KBGG besteht trotzdem Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld in voller Höhe, wenn die Vornahme oder der Nachweis der Untersuchungen nur aus Gründen, die nicht von den Eltern zu vertreten sind, unterbleibt.
2.2 Ausschlaggebend ist, dass die Gründe, die den Nachweis verhindern, vom beziehenden Elternteil nicht zu vertreten sind und diesem kein rechtlich relevanter Vorwurf im Sinne des § 24c Abs 2 Z 1 KBGG gemacht werden kann (10 ObS 122/20v). Nach der Rechtsprechung reicht beispielsweise das bloße Übersehen der Verpflichtung zur Erbringung eines rechtzeitigen Nachweises einer Mutter-Kind-Pass-Untersuchung nicht aus, um einen nicht von den Eltern zu vertretenden Grund annehmen zu können (10 ObS 157/14g SSV-NF 29/31). Hingegen haben die Eltern nicht zu vertreten, dass der mit der Post abgeschickte Nachweis über die durchgeführte Untersuchung beim Versicherungsträger nicht einlangt (10 ObS 88/16p SSV-NF 30/53). Die Frage, ob der das Kinderbetreuungsgeld beziehende Elternteil den nicht rechtzeitigen Nachweis einer Mutter-Kind-Pass-Untersuchung zu vertreten hat, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0130213 [T2]). Eine die Revision dennoch rechtfertigende Unvertretbarkeit der Entscheidung des Berufungsgerichts zeigt die Beklagte nicht auf:
3.1 Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Klägerin sei berechtigt gewesen, die Nachweise über die Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen mit E-Mail an die Beklagte zu senden, wird von der Revisionswerberin nicht bestritten. Sie findet darüber hinaus in § 13 Abs 2 AVG iVm der – von der Revisionswerberin selbst zitierten – Kundmachung der Adressen, Amtsstunden und Parteienverkehrszeiten (Erreichbarkeitskundmachung, AVSV 2019/156) eine gesetzliche Grundlage.
Schriftliche Anbringen können der Behörde gemäß § 13 Abs 2 AVG auch mit E-Mail insoweit übermittelt werden, als für den elektronischen Verkehr zwischen der Behörde und den Beteiligten nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen sind. Etwaige technische Voraussetzungen oder organisatorische Beschränkungen des elektronischen Verkehrs zwischen der Behörde und den Beteiligten sind im Internet bekanntzumachen.
Für die elektronische Zustellung stellt die Beklagte gemäß § 3 Abs 2 Z 1 der Erreichbarkeitskundmachung entsprechende E-Mail-Adressen zur Verfügung […]. Sendungen per E-Mail werden rund um die Uhr empfangen und gelten daher als noch rechtzeitig eingelangt, wenn sie am letzten Tag der zu wahrenden Frist bis 23:59:59 Uhr einlangen (§ 2 Abs 5 der Kundmachung). E-Mails werden gemäß § 2 Abs 6 der Kundmachung nur bis zu einer Gesamtgröße von 50 MB entgegengenommen. Hinweise darauf, dass das von der Klägerin gesendete E-Mail diese Größe überstiegen hätte, sind nicht vorhanden, ebenso wenig Hinweise darauf, dass das von der Klägerin gesendete E-Mail virenverseucht oder wegen einer Schadsoftware schädlich gewesen wäre, sodass auch dem Hinweis der beklagten Partei auf § 2 Abs 6 der Erreichbarkeitskundmachung, wonach E-Mails mit Schadsoftware oder Virenverseuchung nicht entgegengenommen werden, kein entsprechendes Tatsachensubstrat zugrunde liegt.
3.2 Mit ihrem zentralen Vorwurf, dass sich die Klägerin für die Übersendung der Nachweise nicht eines E-Mails bedienen hätte dürfen, zeigt die Beklagte schon vor dem dargestellten rechtlichen Hintergrund keine Korrekturbedürftigkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts auf. Auch die Argumentation der Beklagten, die Verwendung eines E-Mails schließe die Klägerin vom Ausnahmetatbestand des § 24c Abs 2 Z 1 KBGG aus, ist nicht nachvollziehbar. […]“314
Zeitgleich mit der vorliegenden E hatte der OGH zwei weitere Sachverhalte (OGH 26.2.2021, 10 ObS 140/20s; OGH 30.3.2021, 10 ObS 32/21k) zur Frage der Zulässigkeit der Übermittlungen der Untersuchungsnachweise per E-Mail bzw zur Frage, ob bei Nicht-Einlangen bei der Bekl von den Eltern zu vertretende Gründe vorlägen, zu entscheiden. Der OGH wies alle drei Entscheidungen mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zurück und begründete seine Beschlüsse gleichermaßen.
Der OGH stellt mit diesen Entscheidungen klar, dass im Fall der Übermittlung der Nachweise von Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen per E-Mail und dem Nicht-Einlangen dieses E-Mails bei der Bekl bei nachweisbarer Absendung und mangels Fehlermeldung kein von den Eltern zu vertretender Grund und damit keine Pflicht zum Rückersatz des Kinderbetreuungsgeldes besteht.
Vergleichbar mit den Fällen der Postaufgabe der Nachweise und unterbliebenem Eintreffen bei der Bekl reicht es also aus, wenn aus Sicht der Eltern eine Übermittlung erfolgt ist und keine Hinweise auf eine fehlerhafte Zustellung bestehen. In der OGH-E 10 ObS 140/20s wurde nochmals ausdrücklich klargestellt, dass keine Pflicht zur Nachfrage, ob eine korrekte Übermittlung erfolgt ist, seitens der Eltern besteht, wenn keinerlei Hinweis (Fehlermeldung) dafür vorliegt.