152Bildungsteilzeitgeld: Kein Verlust des Anspruchs auf Familienzeitbonus
Bildungsteilzeitgeld: Kein Verlust des Anspruchs auf Familienzeitbonus
Der Bezug von Bildungsteilzeitgeld gem § 26a AlVG ist keine (anspruchsschädliche) Leistung aus der Arbeitslosenversicherung iSd § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG.
Der Kl ist seit 1.1.2009 als DN beschäftigt und bezog von 2.10.2018 bis 16.6.2019 Bildungsteilzeitgeld. Anlässlich der Geburt seiner Tochter am 9.5.2019 beantragte er am 7.6.2019 die Leistung des Familienzeitbonus nach dem Familienzeitbonusgesetz (FamZeitbG) für den 28-tägigen Zeitraum von 17.6. bis 14.7.2019.
Die bekl Salzburger Gebietskrankenkasse lehnte den Antrag mit Bescheid vom 3.10.2019 mit der Begründung ab, dass der Kl innerhalb der vorangehenden 182 Tage durch den Bezug von Bildungsteilzeitgeld eine Leistung aus der AlV erhalten habe, weshalb die Anspruchsvoraussetzung des § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG – anders als jene des § 24 Abs 1 Z 2 KBGG – nicht erfüllt sei. Die Vorinstanzen sprachen dem Kl jedoch einen Anspruch auf Familienzeitbonus für den beantragten Zeitraum zu. Das Erwerbstätigkeitserfordernis des § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG entspreche jenem des § 24 Abs 1 Z 2 KBGG; der Judikatur zum einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld folgend sei daher auch § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass das Bildungsteilzeitgeld keine Leistung aus der AlV iS dieser Bestimmung sei. Die dagegen von der Bekl erhobene ordentliche Revision erachtete der OGH als nicht berechtigt.
[…] 1.2 Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass es sich beim Bildungsteilzeitgeld (§ 26a AlVG) um keine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung im Sinn des § 24 Abs 1 Z 2 2. Halbsatz KBGG handelt (10 ObS 153/15w, SSV-NF 30/21; […]).
1.3 Grund dafür ist der, vom Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien zur Novelle BGBl I 2011/139BGBl I 2011/139, mit dem die negative Anspruchsvoraussetzung in § 24 Abs 1 Z 2 2. Halbsatz KBGG geschaffen wurde (ErläutRV 1522 BlgNR 24. GP 1, 3 und 5), deutlich klargestellte Zweck, dass arbeitslose Eltern, oder solche, die vor der Geburt lediglich geringfügig beschäftigt sind, kein Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens erhalten sollten. Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung unterteilen sich jedoch gemäß § 6 Abs 1 AlVG in zwei Gruppen, nämlich in Leistungen bei Arbeitslosigkeit und an Arbeitslose sowie in arbeitsmarktpolitische Leistungen während eines aufrechten Beschäftigungsverhältnisses, zu denen auch das Bildungsteilzeitgeld gehört. BezieherInnen von Bildungsteilzeitgeld sind nicht arbeitslos und ihr aus der sozialversicherungspflichtigen Teilzeitbeschäftigung erzieltes Entgelt muss die Geringfügigkeitsgrenze übersteigen. Würde man Bildungsteilzeitgeld als Leistung aus der Arbeitslosenversicherung im Sinn des § 24 Abs 1 Z 2 2. Halbsatz KBGG ansehen, ergäbe dies einen direkten Widerspruch zu dem vom Gesetzgeber mit dem Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens verfolgten Zweck (ausführlich zu all dem 10 ObS 153/15w). […]
2.2 Nach den Gesetzesmaterialien [zum FamZeitbG] sollen erwerbstätige Väter, die sich direkt nach der Geburt ihres Kindes intensiv und aus315schließlich der Familie widmen, eine finanzielle Unterstützung erhalten. Wörtlich heißt es (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 1, 2):
„Das Erwerbstätigkeitserfordernis entspricht im Grunde jenem nach § 24 Abs 1 Z 2 Kinderbetreuungsgeldgesetz (KBGG) iVm § 24 Abs 2 erster Satz KBGG. Diese Erwerbstätigkeit muss im relevanten 182-Tage-Zeitraum – wie auch jene nach dem KBGG – tatsächlich (also Tag für Tag) und durchgehend ausgeübt werden, der Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung (zB Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Weiterbildungsgeld, Bildungsteilzeitgeld etc) vernichtet den Anspruch.“
[…] Der Oberste Gerichtshof hielt vor diesem Hintergrund in der Entscheidung 10 ObS 101/16z an seiner mit der Entscheidung 10 ObS 153/15w zum Bildungsteilzeitgeld begonnenen Rechtsprechung fest. Er führte aus, dass er in dieser Entscheidung die Bestimmung des § 24 Abs 1 Z 2 KBGG teleologisch reduziert habe. […] Der bloße Umstand, dass das Bildungsteilzeitgeld in den Gesetzesmaterialien als anspruchsschädigende Leistung aus der Arbeitslosenversicherung erwähnt werde, bilde keinen Anlass, von der Entscheidung 10 ObS 153/15w abzugehen.
[…] 3. Es besteht kein Grund, den Bezug von Bildungsteilzeitgeld im Hinblick auf das dem Erwerbstätigkeitserfordernis des § 24 Abs 1 Z 2 iVm Abs 2 KBGG nach Wortlaut und gesetzgeberischer Intention entsprechende Erwerbstätigkeitserfordernis des § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG unterschiedlich zu behandeln. Ebenso wie das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens nur im relevanten Zeitraum erwerbstätigen Elternteilen offen stehen soll, soll auch der Familienzeitbonus nur bis unmittelbar vor Bezugsbeginn erwerbstätigen Vätern offen stehen. Bezieher von Bildungsteilzeitgeld sind in diesem Sinn erwerbstätig. […]
4. Ergebnis: Der Bezug von Bildungsteilzeitgeld gemäß § 26a AlVG ist keine (anspruchsschädliche) Leistung aus der Arbeitslosenversicherung im Sinn des § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG.
Das FamZeitbG ermöglicht Vätern seit dessen Inkrafttreten im Jahr 2017, ihre bisherige Erwerbstätigkeit für eine „Familienzeit“ im Ausmaß von 28 bis 31 Tagen innerhalb eines Zeitraums von 91 Tagen ab dem Tag der Geburt des Kindes unter Bezug eines Familienzeitbonus iHv derzeit € 22,60 pro Tag zu unterbrechen. Im vorliegenden Fall hatte sich der OGH erneut mit einer der Grundvoraussetzungen für das Bestehen dieses Anspruchs, dem Erwerbstätigkeitserfordernis des § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG, auseinanderzusetzen. Entsprechend dieser Bestimmung ist der Vater schließlich nur dann anspruchsberechtigt, wenn „er in den letzten 182 Tagen unmittelbar vor Bezugsbeginn durchgehend eine in Österreich kranken- und pensionsversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit tatsächlich ausgeübt sowie in diesem Zeitraum keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhalten hat […]“. Damit normiert das FamZeitbG die Bedingung der Erwerbstätigkeit beinah wortgleich wie jene des § 24 Abs 1 Z 2 KBGG, welcher die Anspruchsberechtigung in Bezug auf das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld regelt. Mehrfach hat der OGH deshalb schon ausgesprochen, dass zur Auslegung des § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG die korrespondierende Judikatur zu § 24 KBGG herangezogen werden könne (so zB OGH 30.7.2019, 10 ObS 38/19i; OGH 13.10.2020, 10 ObS 99/20m), wobei sich die vorliegende E zur Frage, ob das Bildungsteilzeitgeld als eine dem Anspruch auf Familienzeitbonus entgegenstehende Leistung aus der AlV zu qualifizieren ist, ebenso in diese Riege einreihen lässt. Eine unterschiedliche Beurteilung des Anspruchskriteriums in FamZeitbG und KBGG aufgrund der Tatsache, dass die Bildungsteilzeit und das damit korrespondierende Bildungsteilzeitgeld durch das SRÄG 2013 erst nach Schaffung der negativen Anspruchsvoraussetzung in § 24 Abs 1 Z 2 KBGG mit BGBl I 2011/139BGBl I 2011/139, jedoch vor Verabschiedung des FamZeitbG (StF BGBl I 2016/53BGBl I 2016/53) eingeführt wurde, lehnte der OGH ausdrücklich ab.
Die Aufzählung der Leistungen der AlV in § 6 Abs 1 AlVG enthält neben dem Arbeitslosengeld und der Notstandshilfe ua auch das Weiterbildungsgeld sowie das gegenständliche Bildungsteilzeitgeld (Z 5), sodass der Wortlaut dieser negativen Anspruchsvoraussetzung zunächst klar erfüllt zu sein scheint. Die letztgenannte Leistung gebührt allerdings nur in Fällen, in welchen die Arbeitszeit bloß reduziert wird, nicht aber bei gänzlicher Karenzierung (so etwa bei der Bildungskarenz unter Bezug von Weiterbildungsgeld) oder der Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Zudem ist sicherzustellen, dass das während der Bildungsteilzeit gebührende Entgelt trotz Reduktion der Arbeitszeit die Geringfügigkeitsgrenze weiterhin überschreitet (vgl § 26a AlVG). Das Bildungsteilzeitgeld ist somit deutlich in jene Kategorie der Leistungen der AlV einzuordnen, die unter Verfolgung arbeitsmarktpolitischer Zielsetzungen während eines aufrechten Arbeitsverhältnisses und nicht aufgrund der Arbeitslosigkeit des Beziehers geleistet werden.
Der Zweck des Kinderbetreuungsgeldes nach den §§ 24 ff KBGG und jener des FamZeitbG liegt nach Ansicht des OGH jedoch im Ersatz des Erwerbseinkommens. Die Qualifikation des Bildungsteilzeitgeldes als „Leistung der Arbeitslosenversicherung“ iSd § 24 Abs 1 Z 2 KBGG und § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG stünde so angesichts der Aufrechterhaltung der Beschäftigung während der Bildungsteilzeit in klarem Widerspruch mit der Einkommensersatzfunktion beider Leistungen. Dafür spreche dem Gericht zufolge auch der in den Materialien zur Novelle des § 24 KBGG geschilderte Anlass zur Einführung die316ser negativen Anspruchsvoraussetzung: Durch diese Maßnahme sollten schließlich bloß jene Eltern vom Bezug des einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeldes ausgeschlossen werden, die eine Leistung der AlV aufgrund ihrer Arbeitslosigkeit bezogen haben, aber zugleich in einem (für diese Leistung unschädlichen) geringfügigen Ausmaß erwerbstätig waren. Die Ausübung einer so geringen Erwerbstätigkeit ändere nämlich grundsätzlich nichts am Status der Arbeitslosigkeit (vgl ErläutRV 1522 BlgNR 24. GP 5). Bezieher des Bildungsteilzeitgeldes, die weiterhin über der Geringfügigkeitsgrenze (teilzeit-)beschäftigt sind, seien von dieser Zielsetzung folglich nicht erfasst. Der Begriff „Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung“ in § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG ist daher nach Ansicht des Gerichts entsprechend einschränkend auszulegen, sodass der Bezug von Bildungsteilzeitgeld in den letzten 182 Tagen vor der Familienzeit dem Anspruch auf Familienzeitbonus nicht entgegensteht.