157Die mangelnde Kenntnis der Verpflichtung, Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen fristgerecht nachzuweisen, ist von den Eltern zu vertreten
Die mangelnde Kenntnis der Verpflichtung, Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen fristgerecht nachzuweisen, ist von den Eltern zu vertreten
Die Kl bezog das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens. Die zweite bis fünfte Mutter-Kind-Pass-Untersuchung ließ die Kl zwar durchführen, legte der Bekl den Nachweis aber erst mit Einbringung der Klage – nach Fristablauf – vor. Im Verfahren war unstrittig, dass die Fristen des § 24c Abs 1 und 2 KBGG versäumt wurden.
Die alleinerziehende Kl ist Rechtsanwältin mit eigener Kanzlei. Sie erkundigte sich vor Antragstel321lung telefonisch bei der Bekl über die Beantragung des Kinderbetreuungsgeldes. Hierbei wurde sie weder auf eine Frist zum Nachweis der zweiten bis fünften Untersuchung hingewiesen, noch erhielt sie ein Erinnerungsschreiben zur Vorlage der Untersuchungsnachweise. Der Sohn der Kl wurde in der 25. Schwangerschaftswoche geboren. Sein Gesundheitszustand war über Monate hinweg lebensbedrohlich. Während dieser Zeit war die Kl täglich auf der neonatologischen Station, danach musste sie eine Kinderbetreuung durch zwei Krankenschwestern organisieren und konnte somit nur zwei Tage pro Woche in der Kanzlei arbeiten. Die Kl befand sich im Jahr nach der Geburt ihres Sohnes in einem emotionalen Ausnahmezustand. Aus diesem Grund übersah sie, sich darüber zu informieren, wann genau sie die zweite bis fünfte Untersuchung des Kindes nachzuweisen hatte.
Die Bekl reduzierte den Anspruch der Kl auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld um € 1.300,- und verpflichtete die Kl zum Rückersatz und verwies auf entsprechende Hinweise zum fristgerechten Nachweis der Untersuchungen in Antragsformular, Infoblatt und Mutter-Kind-Pass, sowie auf die – auch rechtsunkundige Antragsteller treffende – Informationspflicht. In ihrer dagegen gerichteten Klage begehrte die Kl, nicht zum Rückersatz verpflichtet zu sein. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl Folge und führte aus, dass der extrem belastende Ausnahmezustand der Kl nur das erste Jahr nach der Geburt bestanden habe. Danach seien noch mehrere Monate verblieben, um sich über die Nachweispflicht zu informieren. Wenn sogar bei einer nicht rechtskundigen Kinderbetreuungsgeldbezieherin Unkenntnis oder ein Übersehen der Frist zur Kürzung des Kinderbetreuungsgeldes führe, so müsse dies gleichermaßen auf die Kl als Rechtsanwältin zutreffen.
Im Revisionsverfahren war zu klären, ob der nicht fristgerecht erbrachte Nachweis der Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen von der Kl zu vertreten war oder nicht (§ 24c Abs 2 Z 1 KBGG). Die Revision der Kl wurde vom OGH zurückgewiesen.
Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens in voller Höhe besteht nur, wenn die in § 24c KBGG vorgesehenen Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen gemäß der Mutter-Kind-Pass-Verordnung 2002 durchgeführt und durch Vorlage der entsprechenden Untersuchungsbestätigung nachgewiesen werden. Widrigenfalls reduziert sich der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld gem § 24a Abs 4 KBGG für jeden Elternteil um € 1.300,-. Nach § 24c Abs 2 Z 1 KBGG besteht dennoch ein Anspruch in voller Höhe, wenn die Vornahme oder der Nachweis der Untersuchungen aus Gründen, die nicht von den Eltern zu vertreten sind, unterbleibt. Ausschlaggebend ist, dass die Gründe, die den Nachweis verhindern, vom beziehenden Elternteil nicht zu vertreten sind und diesem kein rechtlich relevanter Vorwurf iSd § 24c Abs 2 Z 1 KBGG gemacht werden kann (OGH 13.10.2020, 10 ObS 122/20v).
Nach der Rsp reicht das bloße Übersehen der Verpflichtung zur Erbringung eines rechtzeitigen Nachweises einer Mutter-Kind-Pass-Untersuchung nicht aus (OGH 30.6.2015, 10 ObS 157/14g).
Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält sich daher im Rahmen der Rsp des OGH. Nach diesen Überlegungen standen nach Ablauf des ersten Jahres noch mindestens vier Monate zur Erbringung des Nachweises zur Verfügung. Dass die Kl in diesem Zeitraum den Nachweis über die tatsächlich durchgeführten Untersuchungen nicht übermittelte, rechtfertigte sie mit der fehlenden Kenntnis von den nach § 24c Abs 1 iVm Abs 2 KBGG einzuhaltenden Fristen. Nach der Rsp entschuldigt aber die mangelnde Kenntnis von der Verpflichtung, Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen fristgerecht nachzuweisen, grundsätzlich auch bei rechtsunkundigen Bezieherinnen von Kinderbetreuungsgeld nicht die Annahme, die Fristversäumnis sei nicht zu vertreten (10 ObS 157/14g). Es ist somit nicht entscheidend, ob die Kl den Inhalt eines „Info-Blatts“ mit dem Hinweis auf die fristgerechte Übermittlung von Nachweisen kannte.