Löschnigg (Hrsg)Personalrechtliche Fragestellungen an der Universität
Verlag des ÖGB, Wien 2020, 208 Seiten, broschiert, € 36,–
Löschnigg (Hrsg)Personalrechtliche Fragestellungen an der Universität
Das Personalrecht der Universitäten und der dort Beschäftigten ist nach wie vor eine eher exotische Materie, auch wenn nach dem Universitätsgesetz 2002 (UG) für alle Neuaufnahmen seit dem 1.1.2004 das Angestelltengesetz (AngG) und die meisten anderen gesetzlichen Arbeitsrechtsvorschriften zur Anwendung kommen. Seit 1.10.2009 steht sogar ein eigener KollV für die AN der Universitäten in Geltung.
Um die Aufbereitung all dieser Regelungen für die Praxis und deren Umsetzung hat sich das Institut für Universitätsrecht an der Johannes-Kepler-Universität (JKU) Linz besonders verdient gemacht. Dies erfolgt insb durch regelmäßige Tagungen und die (erfreulicherweise meist recht zeitnah) nachfolgende Publikation der dortigen Referate in Sammelbänden, herausgegeben von Günther Löschnigg, einem der führenden Experten des Universitätspersonalrechts. Der vorliegende Band, mittlerweile der zehnte in der einschlägigen Schriftenreihe, enthält die Schriftfassungen der im Rahmen der am 21.11.2019 abgehaltenen „Universitätspersonalrechtlichen Gespräche“ präsentierten Vorträge. Die vier Beiträge betreffen durchwegs aktuelle Themen, die teilweise weit über den Universitätsbereich hinaus Bedeutung haben.
Das gilt bereits für die erste Untersuchung, in der Johanna Kerschbaumer (Mitarbeiterin im Büro des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen an der Karl-Franzens-Universität [KFU] Graz) Fragen der Konkurrenzverbote bzw erlaubter Nebenbeschäftigungen beleuchtet (15 ff). Entsprechend der nach wie vor „gemischten“ Zusammensetzung des Universitätspersonals werden die jeweiligen Regelungen für BeamtInnen, Vertragsbedienstete (zumindest im materiellen Sinn, vgl § 126 Abs 4 UG) und Angestellte gegenübergestellt. Die Herausarbeitung der hier bestehenden Unterschiede und Gemeinsamkeiten ist wertvoll, angesichts der an den meisten Universitäten mittlerweile weit überwiegenden Zahl von Angestellten kommen die für diese Personen maßgebenden Regelungen aber fast ein wenig zu kurz. Dies ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil der KollV hier auf strengere Melde- und Unterlassungspflichten setzt, von einer Genehmigungspflicht dagegen bewusst Abstand genommen hat. Auch die für die Angestellten ebenso wie für die nach altem Recht Bediensteten geltenden Relativierungen dieser Pflichten insb im Hinblick auf Praxiskontakte (59 f) hätten – insb auch im Hinblick auf den „third mission“-Auftrag der Universitäten – noch eine Vertiefung verdient.
Der zweite Beitrag stammt von Günther Löschnigg selbst und ist Fragen rund um die Ausschreibungspflicht 531von universitären Stellen gewidmet (65 ff). Nach einem instruktiven Vergleich mit anderen Bereichen wird hier die Vorgabe des § 107 Abs 1 UG eingehend erörtert. Dabei werden auch überzeugende Beiträge zur Klärung offener Fragen geleistet, etwa dass die Ausnahme in Abs 2 Z 1 der genannten Bestimmung im Hinblick auf Stellen in der Lehre mit einem geringen Stundenausmaß im Lichte der Vier-Stunden-Grenze des § 100 Abs 4 Z 2 UG zu verstehen ist (77). Nicht nur praktisch wichtig, sondern auch dogmatisch spannend, ist die Auseinandersetzung mit der Judikatur zur Beurteilung der Folgen fehlerhafter Ausschreibungen. Dem Sukkus aus der dort vertretenen Ansicht, dass eine Nichtigkeit des Arbeitsverhältnisses nur ausnahmsweise, namentlich bei Berufungsverfahren nach § 98 UG (nicht aber etwa auch Überleitungen nach § 99 Abs 5 UG), in Betracht kommen kann (83 ff), ist beizupflichten.
Christina Schnittler (damals noch Projektassistentin an der JKU Linz, inzwischen an der KFU Graz) setzt sich im dritten Beitrag mit den Auswirkungen einiger aktueller EuGH-Entscheidungen auf das Personalrecht der Universitäten auseinander (101 ff). Im Hinblick auf die auf Art 31 Abs 2 GRC und die (Arbeitszeit-) RL 2003/88/EG gestützte Verpflichtung der AG zur Kontrolle und Messung der Arbeitszeit (vgl EuGH 14.5.2019, C-55/18, CCOO/Deutsche Bank) wird zu Recht auch ein Handlungsbedarf für eine Anpassung des § 110 UG geortet, von dem allenfalls ProfessorInnen ausgenommen sein könnten. Im Urlaubsrecht geht es insb um den „Dauerbrenner“ der Diskrepanz zwischen dem „kalendarischen“ Urlaubsbegriff, den der OGH vertritt, und dem eher „freistellungsorientierten“ Urlaubsverständnis des EuGH (138 ff). Und bei den Auswirkungen der „Karfreitags-Entscheidung“ in der Rs Cresco (22.1.2019, C-193/17) plädiert die Autorin für eine unionsrechtskonforme Auslegung der – eigentlich gerade zur Vermeidung von Diskriminierungen geschaffenen – Regelung in § 16 Abs 7 Uni-KollV.
Der KollV steht auch im Mittelpunkt des letzten Beitrags, in welchem Monika Drs (Professorin an der Wirtschaftsuniversität Wien) die dort normierten Beschäftigungstypen und die daraus allenfalls resultierenden Spielräume analysiert (161 ff). Die in der Praxis wohl heikelsten Fragen betreffen die Verwendungsgruppen für das wissenschaftliche/künstlerische Personal, welche eine Differenzierung der sehr groben Kategorisierung in § 94 Abs 2 UG gebracht haben. Daraus resultieren dann – wie auch sonst in Kollektivverträgen – unterschiedliche Rechte und Pflichten, die dann (allenfalls auch nachträglich durch entsprechende Kompensationen) anzupassen sind, wenn eine falsche Einstufung vorgenommen wurde. Als besonders problematisch gelten hier zum einen – vor allem wegen der regelmäßig gewährten (und angesichts der Verdrängung des AZG und seiner Überstundenregelungen durch § 110 UG auch grundsätzlich zulässigen) All-In-Abgeltungen – das Ausmaß der Arbeitszeit und der in dieser enthaltene Anteil für die Lehre (170 f). Zum anderen werden Modelle kritisch beleuchtet, durch die neue Verwendungsgruppen geschaffen werden, insb um dann gesetzlich angeordnete Konsequenzen zu vermeiden, wie das an etlichen Universitäten im Hinblick auf die sonst nach § 99 UG Abs 5 und 6 erfolgende „Beförderung“ von assoziierten ProfessorInnen nach § 25 Abs 7 ff KollV in die Kurie der ProfessorInnen der Fall ist. Solche Abweichungen durch universitätsspezifische „Entwicklungs-“ oder „Entfristungsvereinbarungen“ oä sind in der Tat nur dann zulässig, wenn sie für die AN objektiv günstiger sind (§ 3 ArbVG) als das im KollV vorgesehene Modell.
Gerade die zuletzt angesprochene Frage zeigt, dass ungeachtet der Besonderheiten der Arbeitsverhältnisse an und zu Universitäten die meisten Fragen dann doch wieder unter Rückgriff auf das allgemeine Arbeitsrecht gelöst werden müssen und wohl auch gelöst werden können. Der vorliegende Band versucht durchwegs mit Erfolg, diese Verbindung zwischen allgemeinen und speziellen Regelungen herzustellen. Ihn zur Hand zu nehmen, ist daher nicht nur für SpezialistInnen des Universitätsrechts von Nutzen (vgl nur die zahlreichen Verweise in Pfeil/Grimm/Schöberl, Personalrecht der Universitäten2 [2021]), sondern allen an aktuellen Problemen und Strukturfragen des Arbeitsrechts Interessierten zu empfehlen.