BitzenhoferGrundlagen des Weisungsrechts

Duncker & Humblot Verlag, Berlin 2020, 306 Seiten, broschiert, € 89,90

HARUN(WIEN) PAČIĆ

Die von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn im Jahr 2020 als Dissertation angenommene Arbeit von Dominik Bitzenhofer ist eine rechtsdogmatische Untersuchung zu den rechtlichen Grundlagen für die Ausgestaltung des Arbeitsverhältnisses im Anwendungsbereich der deutschen Gewerbeordnung, die seit 1.1.2003 in ihrem § 106 normiert, dass der AG „Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen“ kann.

Der Autor hebt die Bedeutung des Weisungsrechts als „Transmissionsriemen der abstrakten Arbeitspflicht zur konkreten Arbeitsleistung“ hervor und weist darauf hin, dass es zwar keine Änderung, aber eine Ausfüllung des Arbeitsvertrages gestattet und damit eine Änderung von Arbeitsbedingungen ermöglicht, wodurch es sich als Hauptinstrument der Anpassung der geschuldeten Tätigkeit an „wechselnde Marktbedingungen, neue Produktionstechniken oder andere Organisationsformen“ erweist (10 f). Er hält das Weisungsrecht zwar für notwendig, um arbeitsteilige Prozesse zu koordinieren, verfällt aber nicht der Verwechslung von „Grund und Rechtsgrund“ (36) und vermeidet damit den Fehlschluss von Sein auf Sollen. Eine Begründung aus der „Natur der Sache“ oder aus dem „Wesen“ des Arbeitsverhältnisses lehnt er gleichfalls ab (44 ff) und prüft stattdessen, ob das Weisungsrecht gesetzlich oder vertraglich begründet wird (56 ff).

§ 106 GewO legt nach Auffassung des Autors den Umfang eines „vorausgesetzten“ Weisungsrechts fest und hat daher lediglich die Funktion einer „Schablone“. Wenn es vertraglich begründet worden sei, dann habe das Weisungsrecht den gesetzlich festgelegten und von der Rsp konturierten Umfang, welchen die Vertragsparteien modifizieren können. Das Weisungsrecht trete weder durch einen „Weisungsvertrag“ zum Arbeitsvertrag hinzu noch werde es im Arbeitsvertrag „mitvereinbart“; abgesehen davon gebe es gesetzlich 533 gesondert geregelte „Arbeitsverhältnisse ohne Arbeitsvertrag“ (71 ff). Bitzenhofer fasst das Weisungsrecht als Ausfluss der „essentiale negotii der Arbeitspflicht“ auf (96). Rechtsgrundlage sei im „Regelfall“ der Arbeitsvertrag, aber nur insofern, als er ein „die Arbeitspflicht begründender Tatbestand“ sei, denn die Parteien einigen sich nicht über das Weisungsrecht, sondern über die abstrakte Arbeitspflicht, deren Konkretisierung ein Weisungsrecht voraussetze (86). Aus österreichischer Perspektive ist dieser Rechtsansicht zuzustimmen: Das Weisungsrecht ist die Kehrseite der Pflicht zur „Dienstleistung für einen anderen“ (§ 1151 Abs 1 ABGB).

Bitzenhofer qualifiziert es zutreffend als Gestaltungsrecht (110 ff), das durch eine Willenserklärung ausgeübt wird, die darauf gerichtet ist, die Konkretisierung der Arbeitspflicht herbeizuführen (115 ff). Da sich der Gestaltungsgegner darauf verlassen können müsse, dass es bei der Gestaltung „bleibe“ (124), werde ein ausgeübtes Gestaltungsrecht verbraucht und könne nicht mehr widerrufen werden. Aufgrund des Dauerschuldverhältnischarakters des Arbeitsverhältnisses könne der AG jedoch alte Weisungen durch neue „ablösen“ (136, Derogation).

Nicht individuell ausgehandelte Weisungsklauseln in Arbeitsverträgen unterliegen dem Autor zufolge einer Inhaltskontrolle; die AGB-Kontrolle für „allgemeine Arbeitsbedingungen“ wird auch in Österreich vertreten. Klauseln, die die Zuweisung geringwertiger Tätigkeiten bei gleichzeitiger Vergütungssenkung ermöglichen, seien unzulässig (177). Abgesehen davon, dass die Rede von der „Wertigkeit“ der Tätigkeit im Lichte der grundrechtlich gesicherten Würde des Menschen problematisch ist, wird die Zulässigkeit der Zuweisung geringer entlohnter Aufgaben in Österreich wohl von den Gründen und vom Ausmaß abhängen.

Die einzelne Weisung unterliege der – auch von der österreichischen Rsp geforderten – einzelfallbezogenen Ausübungskontrolle (billiges Ermessen 155 ff). Unter Berufung auf eine „gerechte Risikoverteilung“ legt der Autor dem AN als Gläubiger des Anspruchs auf Beschäftigung die Nebenleistungspflicht auf, auf eine etwaige Unbilligkeit aufmerksam zu machen (233); diese Mitwirkungspflicht entfalle nur bei „offenbar“ unbilligen Weisungen (237). Dies ist nach österreichischer Rechtslage insoweit richtig, als der AG die Umstände, die er bei seinen Billigkeitserwägungen zu berücksichtigen hat, kennen muss – soweit sie ihm nicht bekannt sind, ist es eine Treuepflicht des AN, Auskunft darüber zu geben.

Insgesamt ist festzuhalten, dass es sich „auch“ aus österreichischer Sicht lohnt, sich mit der Arbeit von Bitzenhofer zu „Grundlagen des Weisungsrechts“ nach deutschem Recht auseinanderzusetzen.