Kietaibl/ReschBesondere Beschäftigungsverhältnisse – besondere Arbeitsrechtsvorschriften

Verlag des ÖGB, Wien 2020, 120 Seiten, broschiert, € 29,90

DIETERWEIß (LINZ)

Der Band vereint die schriftlichen Fassungen der drei beim 43.Praktikerseminar an der Universität Klagenfurt unter dem titelgebenden Generalthema gehaltenen Vorträge. Die Beiträge verbindet nicht nur das Generalthema, sondern auch die ausgeprägte Bezugnahme auf die unionsrechtlichen Bestimmungen zu den einzelnen Themenbereichen und deren Umsetzung im österreichischen Recht verbunden mit der Prüfung, ob die österreichische Rechtslage dem Unionsrecht entspricht oder ob noch Anpassungsbedarf besteht. Im Grunde genommen mit Gültigkeit für alle drei Themenbereiche weist Burger dabei zutreffend darauf hin, dass der EuGH – anders als im österreichischen Recht üblich – keinen Gruppenvergleich vornimmt, sondern jede einzelne Bestimmung gesondert überprüft (vgl zu Entgeltbestandteilen EuGH 17.5.1990, C-262/88, Barber, Rn 34, 35; EuGH 26.6.2001, C-381/99, Brunnhofer, Rn 35; EuGH 27.5.2004, C-285/02, Elsner-Lakeberg, Rn 15).

Bemerkenswert ist, dass zwei der drei Rechtsgrundlagen, die in den Beiträgen eine zentrale Rolle spielen, nicht vom Europäischen Parlament bzw Rat geschaffen wurden, sondern der Durchführung von zwischen den allgemeinen branchenübergreifenden Organisationen EGB, CEEP und UNICE abgeschlossenen Rahmenvereinbarungen dienen und damit die Bedeutung der Sozialpartner auf europäischer Ebene dokumentieren, und eine solche Rahmenvereinbarung Vorläufer der dritten Rechtsgrundlage war.

Auer-Mayer geht in ihrem Beitrag („Schutz von ArbeitnehmerInnen in befristeten Arbeitsverträgen“) der Frage der Umsetzung der RL 1999/70/EG des Rates vom 28.6.1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (RVBA) nach.

Einleitend weist sie darauf hin, in Österreich sei „anders als in Deutschland [...] im Allgemeinen keine sachliche Rechtfertigung der (erstmaligen) Befristung“ erforderlich. Ganz zutreffend erscheint dieser Vergleich freilich nicht: § 14 Abs 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) fordert zwar einen sachlichen Grund für die 537 Befristung, nach Abs 2 dieser Bestimmung bedarf es jedoch in den ersten zwei Jahren eines Arbeitsverhältnisses nicht nur keines sachlichen Grundes, es sind auch bis zu drei Verlängerungen eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrages zulässig.

Wiewohl die RL keine Aussage zum Verhältnis von Befristung und Kündbarkeit enthält, wiederholt die Autorin ihre bereits im Jahr 2008 an der hA geäußerte Kritik und plädiert in Fällen einer unzulässigen Kombination von Befristung und Kündigung für die Annahme der Nichtigkeit der Befristung, wenn kein sachlicher Grund dafür vorliegt. Diese Rechtsfolge mag de lege ferenda wünschenswert sein. De lege lata ist freilich nicht ganz erkennbar, inwiefern der Eintritt des allgemeinen Kündigungsschutzes nach sechs Monaten bewirken könnte, dass „AN durch die Kombination der Befristung mit einer Kündigungsklausel bei längeren Befristungen uU sogar stärkere Nachteile erleiden als bei kürzeren“; prima facie scheint eher das Gegenteil der Fall zu sein. Überdies zielt die Forderung von Maßnahmen – nämlich sachlicher Gründe, einer insgesamt maximal zulässigen Dauer bzw einer (höchst-) zulässigen Anzahl von Verlängerungen – in § 5 RVBA ausdrücklich auf die Verhinderung von „Missbrauch betreffend aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverhältnisse“ ab, nicht aber auf den erstmaligen Abschluss befristeter Arbeitsverhältnisse. Dem entsprechend befindet die Autorin in ihren Überlegungen zur Frage, ob das Fehlen eines Kündigungsschutzes bei befristeten Arbeitsverhältnissen als unzulässige Diskriminierung zu qualifizieren sei, in Anbetracht des § 5 RVBA die Annahme eines Erfordernisses der Rechtfertigung auch der erstmaligen Befristung als kaum begründbar.

Wohl zutreffend erachtet sie es freilich als problematisch, dass ein Anspruch auf Freizeit während der Kündigungsfrist (sogenannte „Postensuchtage“) nach § 1160 ABGB bzw § 22 AngG nur bei Kündigung durch den AG besteht; ein sachlicher Grund, der eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnte (§ 4 Abs 1 RVBA), ist tatsächlich wohl nur dann ersichtlich, wenn die Befristung vom AN ausgegangen ist.

In ihren Ausführungen zur Missbrauchskontrolle widerspricht die Autorin der Einschätzung der ErläutRV zu § 2b AVRAG (951 BlgNR 21. GP), es bedürfe keiner Umsetzung des § 5 RVBA, weil § 879 ABGB eine derartige gleichwertige gesetzliche Maßnahme darstelle. Dies wohl zu Recht, zumal in einem Mitgliedstaat bestehende allgemeine Grundsätze nach der gefestigten Rsp des EuGH die Umsetzung durch besondere Vorschriften nur dann überflüssig machen, wenn die sich aus diesen Grundsätzen ergebende Rechtslage – soweit die RL Ansprüche der Einzelnen begründen soll – hinreichend bestimmt, klar und transparent ist und die Begünstigten in die Lage versetzt werden, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen und diese gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten geltend zu machen (vgl bereits EuGH 23.5.1985, 29/84, Kommission/Deutschland, Rn 23). An der erforderlichen Transparenz fehlt es wohl bereits deshalb, weil schon die Frage der ausreichenden sachlichen Rechtfertigung, aber auch die Grenze, wann zwei nicht unmittelbar aneinander anschließende befristete Arbeitsverhältnisse als „aufeinanderfolgend“ gelten, von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Ein Ersetzen der Regel, die ein „Aufeinanderfolgen“ von Arbeitsverhältnissen tendenziell verneint, wenn die Dauer der Unterbrechung die Dauer der Beschäftigung deutlich übersteigt, durch einen stärkeren Fokus auf die – in einem Beweisverfahren ungleich schwieriger festzustellende – Intention der Vertragsparteien, das erste Arbeitsverhältnis fortzusetzen, wird wohl kaum zu mehr Transparenz führen.

Burger legt in seinem Beitrag („Schutz von Teilzeitbeschäftigten“) den Fokus der Prüfung der Umsetzung der RL 97/81/EG des Rates vom 15.12.1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinigung über Teilzeitarbeit (RVTZ) auf den in § 4 normierten Grundsatz der Nichtdiskriminierung und weist dabei – untermauert durch statistische Daten – zutreffend darauf hin, dass der Grundsatz der Nichtdiskriminierung von Teilzeitarbeit (weitgehend) im Schatten des Gleichbehandlungsgebotes von Mann und Frau steht.

Dabei stellt er nicht nur die geschichtliche Entwicklung der RL samt „vorzeitiger“ Umsetzung durch den österreichischen Gesetzgeber durch den mit dem Arbeitsrechtlichen Begleitgesetz, BGBl 1992/833, eingeführten § 19c Abs 6 AZG (nunmehr § 19d Abs 6 AZG) dar, sondern auch die retrospektiv durchaus bemerkenswerte Rsp des EuGH, der in den 1980er-Jahren eine verhältnismäßig geringere Entlohnung für Teilzeit- AN bzw deren Ausschluss von betrieblichen Ruhegeldzusagen als durch den Anreiz zur Vollbeschäftigung gerechtfertigt erachtet hat.

Bei der Beantwortung der Frage, wer verglichen wird, weist der Autor – im Anschluss an die Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen vom 8.9.2011, C-177/10, Rosado Santana (zur Nichtdiskriminierung befristeter Arbeitsverhältnisse) und 13.1.2004, C-256/01, Allonby – darauf hin, dass nicht allein die Tatsache der Teilzeitbeschäftigung maßgeblich ist, sondern es vielmehr auf eine „vergleichbare Lage“ im Hinblick auf die Art der Arbeit, die Ausbildungsanforderungen und Arbeitsbedingungen, die Betriebszugehörigkeitsdauer und die Regelungsquelle ankommt. Strukturell nimmt damit die Bestimmung der zu vergleichenden AN die Frage der sachlichen Rechtfertigung unterschiedlicher Behandlung (teilweise) vorweg.

Nahe liegt wiederum der Befund, dass zur Frage, was verglichen wird, der Begriff der „Beschäftigungsbedingungen“ weit zu verstehen ist, und daher nicht nur die unterschiedlichsten Entgeltbestandteile (zur Kinderzulage EuGH 5.11.2014, C-476/12, ÖGB), sondern auch sonstige Arbeitsbedingungen zu berücksichtigen sind; dabei ist durchaus auch § 20 Abs 1 AngG idF vor der Änderung durch BGBl I 2017/153BGBl I 2017/153zu erwähnen (vgl dazu schon Resch, Rechtsfragen der Teilzeitbeschäftigung,

zur RL 76/207/EWG).

Nicht jede unterschiedliche Behandlung ist freilich in verpöntem Sinne diskriminierend; vielmehr kann – wie der Autor am Beispiel einer Gratispizza für am späten Abend arbeitende Vollzeitbeschäftigte darlegt – auch der gänzliche Ausschluss von einer Leistung angemessen sein. Dabei stellt sich freilich die Frage, ob am Abend nicht arbeitende Teilzeitbeschäftigte tatsächlich in einer „vergleichbaren Lage“ sind wie am späten Abend arbeitende Vollzeitbeschäftigte. Letztlich wird in der Regel bei Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten in vergleichbarer Lage als „angemessene“ Regelung nur die Gleichbehandlung – allenfalls pro rata temporis – in Betracht kommen. 538

Im dritten Beitrag des Bandes überprüft Schnittler („Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben: Entspricht das österreichische Recht der neuen europäischen Work-Life-Balance-Richtlinie?“), ob die nach ihrem Art 20 Abs 1 (erst) bis 2.8.2022 ins nationale Recht umzusetzende RL (EU) 2019/1158 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige – bekannt unter der aus dem englischsprachigen Titel entlehnten Bezeichnung „Work-Life-Balance-RL“ (WLB-RL) – bereits umgesetzt ist.

Im Zusammenhang mit dem in Art 4 WLB-RL vorgesehenen „Vaterschaftsurlaub“ weist die Autorin zwar zutreffend darauf hin, dass die darin enthaltenen Anforderungen – nämlich ein Anspruch auf zehn Arbeitstage – durch den in § 1a Väter-Karenzgesetz (VKG) normierten Anspruch auf Freistellung anlässlich der Geburt eines Kindes übererfüllt werden. Aufgrund des Umstands, dass das Krankengeld im Jahr 2019 durchschnittlich € 40,44 täglich betragen hat (vgl Statistisches Handbuch der österreichischen Sozialversicherung 2020, Tabelle 2.15 [68]), weist die Autorin aber wohl ebenfalls zutreffend darauf hin, dass der Familienzeitbonus im Hinblick auf die vorgesehene Höhe von € 22,60 täglich (§ 3 Abs 1 FamZeitbG) hinter der unionsrechtlichen Forderung einer Vergütung in Höhe des Krankengeldes (Art 8 Abs 2 WLB-RL) zurückbleiben dürfte, auch wenn dort die Möglichkeit vorgesehen ist, den Vergütungsanspruch von einer vorherigen Beschäftigungsdauer abhängig zu machen. Aus Sicht der Praxis ist überdies auf die Hürden hinzuweisen, mit denen der Zugang zum Familienzeitbonus aufgrund des Erfordernisses eines – durchgängig – gemeinsamen Haushalts während des gesamten unabänderlich gewählten Zeitraums (vgl RIS-Justiz RS0132377, RS0133088) verbunden ist.

Ob – wie von der Autorin entgegen dem OGH (29.3.2012, 9 ObA 58/11m) und Auer-Mayer (Unionsrechtliche Auswirkungen auf das Urlaubsrecht, ZAS 2018/3 [15]) angenommen – die in § 15f Abs 2 MSchG vorgesehene Aliquotierung nicht verbrauchten Urlaubs bei Karenzen tatsächlich dem Gebot des Art 10 Abs 1 WLBRL widerspricht, wonach zu Beginn auch eines Elternurlaubs bereits erworbene Ansprüche bis zum Ende eines solchen Urlaubs aufrecht bleiben, erscheint in Anbetracht des Umstands zweifelhaft, dass diese Bestimmung nicht die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis während der Dauer des Elternurlaubs regelt (vgl EuGH 16.7.2009, C-537/07, Gómez-Limón Sánchez-Camacho, Rn 40 zum gleichlautenden § 2 Z 6 der Rahmenvereinbarung über Elternurlaub; vgl auch Rebhahn, Glosse zu OGH9 ObA 58/11m EvBl 2012/117 [814]) und dem Urlaubsgesetz (UrlG) seit der (einen Systembruch bewirkenden) Änderung seines § 10 durch das Arbeitsrechtsänderungsgesetz (ARÄG) 2000 – gerade bei „Änderungen“ im Arbeitsverhältnis – auch das Konzept eines bloß aliquoten Anwachsens noch nicht konsumierten Urlaubs entnommen werden kann.

Zutreffend weist die Autorin jedoch darauf hin, dass Art 9 Abs 1 WLB-RL die Möglichkeit der Beantragung flexibler Arbeitsregelungen für AN von Kindern bis zum Alter von acht Jahren vorsieht, während § 15h MSchG bzw § 8 VKG zwar – darüber hinausgehend – einen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung einräumen, dies jedoch (nur) bis zur Vollendung des siebenten Lebensjahres.

Insgesamt bietet der vorliegende Sammelband einen guten Einblick in die drei behandelten Richtlinien und ihre – teilweise die Anforderungen übererfüllende, teilweise aber auch verbesserungsbedürftige – Umsetzung in das österreichische Recht.