WalzerDer arbeitsrechtliche Schutz der Crowdworker

Nomos Verlag, Baden-Baden 2019, 380 Seiten, kartoniert, € 99,–

JOHANNESWARTER (SALZBURG)

Zu den spannenden Rechtsfragen plattformbasierter Arbeit liegen mittlerweile nicht nur erste Entscheidungen vor, es gibt auch zunehmend Literatur zu diesem Thema. Beim hier zu besprechenden Werk handelt es sich um eine Monographie aus Deutschland zum arbeitsrechtlichen Schutz der Crowdworker. Angenommen wurde die Arbeit im Frühjahr 2019 als Dissertation von der Bucerius Law School, einer privaten Hochschule für Rechtswissenschaft in Hamburg. Stand der Arbeit betreffend Literatur und Judikatur ist August 2019, weshalb das richtungsweisende Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG 1.12.2020, 9 AZR 102/20) nicht enthalten ist, worauf noch zurückzukommen sein wird.

Das zu rezensierende Werk gliedert sich in fünf Teile: Nach einer kurzen Einleitung wird dem Leser im ersten Teil (Teil B.) ein Überblick über die Grundlagen (Begriffe, tatsächliche und rechtliche Rahmenbedingungen) vermittelt. Im zweiten Teil wird die Anwendung von Schutzvorschriften des allgemeinen Zivil- und Unternehmensrechts auf den vorliegenden Sachverhalt geprüft. Kern der Arbeit ist freilich der dritte Teil, der sich dem arbeitsrechtlichen Status der Crowdworker widmet. Im vierten Teil wird der Frage nachgegangen, inwieweit die in der Literatur vorhandenen Überlegungen zur Ausdehnung des AN-Begriffs auch auf Crowdworker vorgenommen werden können. Im fünften Teil wird ein eigener Ansatz zum Schutz der Crowdworker vorgeschlagen. Nach einer abschließenden Zusammenfassung der Ergebnisse werden die verwendeten AGB der beispielhaft beschriebenen Plattformen abgedruckt.

Dem Titel nach behandelt die Arbeit den arbeitsrechtlichen Schutz der Crowdworker. Leider hat sich (bislang) weder in der Literatur noch in der Judikatur ein einheitliches Verständnis des Begriffs „Crowdwork“ herauskristallisiert. Walzer geht in ihrer Arbeit von einem engen Verständnis von Crowdwork als plattform-basierte Online-Arbeit aus. Nicht behandelt werden in ihrer Arbeit folglich Sachverhalte, bei denen Arbeiten zwar über digitale Plattformen organisiert, aber in der realen Welt ausgeführt werden. Das BAG bezeichnet hingegen auch solche Tätigkeiten als Crowdwork. Auf diese Definitionsunterschiede wird mit Ausnahme einer Fußnote (FN 96) nicht näher eingegangen. Gleichwohl lassen sich die Fragestellungen und Ergebnisse wechselseitig übertragen, wenngleich die Rechtsprobleme im Online-Bereich aufgrund der kürzeren Dauer der einzelnen Aufträge, der größeren Anzahl an Auftraggebern und der gesteigerten Internationalität besonders sichtbar werden. 539

1. Rahmenverträge und Einzelverträge

In ihrer rechtlichen Beurteilung geht Walzer zunächst zutreffend davon aus, dass bei formaler Betrachtung der Vertragsbeziehungen zwischen Rahmenverträgen und Einzelverträgen zu unterscheiden ist, wobei der Rahmenvertrag stets mit der Plattform zustande kommt. Der Einzelvertrag wird – abhängig von der Ausgestaltung im Einzelfall – entweder mit dem Auftraggeber oder der Plattform abgeschlossen. In diesem Fall handelt es sich bei der Plattform um einen bloßen Vermittler.

2. Anbot oder Invitatio ad offerendum

Nicht konsistent sind die Ausführungen, wonach die eingestellten Arbeitsangebote der Plattformen bloß eine invitatio ad offerendum seien. Die Einzelverträge kommen nach Ansicht von Walzer (erst) durch die bereits erbrachte Arbeitsleistung des Crowdworkers (Angebot) und Annahme des Arbeitsangebots durch die Plattform zustande. Begründet wird diese Ansicht mit dem fehlenden Bindungswillen, haben die Plattformen doch ein Interesse, zu überprüfen, wer die Aufgabe ausführen soll. Plattformen wollen sich zudem nicht mehrfach binden. Die Plattform kann zwischen den eingereichten Angeboten eines auswählen und annehmen (S 75, 77).

Diese Ansicht halte ich aus mehreren Gründen für nicht überzeugend (siehe hierzu schon ausführlich Warter, Crowdwork [2016] 119 ff). Zunächst ist ein allenfalls fehlender Bindungswille – auch in Deutschland – nicht nach subjektiven (Willenstheorie), sondern nach objektiven Maßstäben zu beurteilen (vgl nur Bundesgerichtshof [BGH] 7.6.1984, 9 ZR 66/83). Das Fehlen eines Bindungswillens hängt somit von der (objektiven) Ausgestaltung auf der jeweiligen Plattform ab. Ist für einen redlichen Erklärungsempfänger ein Bindungswille erkennbar, so haben subjektive Merkmale unberücksichtigt zu bleiben. Aber auch inhaltlich würde das Interpretationsergebnis von Walzer zu Problemen führen, hätte es doch konsequenterweise zur Folge, dass Crowdworker die komplette Leistung erbringen und die Gegenseite bis zuletzt die Möglichkeit hätte, die „angebotene Leistung“ ohne Entgeltpflicht abzulehnen. Dieses System erinnert aber eher an ein Preisausschreiben als an ein Vertragsverhältnis. Sie würde darüber hinaus auch zur faktischen Aufhebung sämtlicher gewährleistungsrechtlicher Bestimmungen führen. Auf diese Argumente wird trotz Hinweis auf meine andere Ansicht (FN 206) nicht eingegangen. Vielmehr widerspricht sich die Autorin in weiterer Folge selbst. Im Kapitel zum wirtschaftsrechtlichen Schutz der Crowdworker wird ausgeführt, dass nach den werkvertraglichen Bestimmungen eine Verpflichtung des Werkbestellers zur Abnahme des vertragsgemäß hergestellten Werks besteht (S 91). Eine Abnahmepflicht setzt aber freilich das Vorliegen eines Vertrags voraus. Walzer übersieht, dass nach ihrer Argumentation gar kein Vertrag zustande kam. Es fragt sich, warum Plattformen bzw Auftraggeber etwa fehlerhafte Angebote überhaupt annehmen sollen. In diesen Fällen würde man wohl nicht über vertragliche Abnahmepflichten, sondern über vorvertragliche Schutz- und Sorgfaltspflichten, Schadenersatz und Bereicherungsrecht sprechen müssen.

Der Ansicht von Walzer scheint aber auch der BGH nicht gefolgt zu sein, der in seiner jüngsten Entscheidung zu Crowdwork ebenso davon ausgeht, dass es sich um Angebote der Plattform handelt (vgl BAG 1.12.2020, 9 AZR 102/20, Rn 4, was dort allerdings unstrittig war).

3. Crowdwork als AN

Wesentlicher Inhalt des Werkes ist aber freilich die Frage nach dem arbeitsrechtlichen Status der Crowdworker. Walzer geht hier zunächst davon aus, dass eine Rahmenvereinbarung, die nur die Bedingungen der erst abzuschließenden „Arbeitsverträge“ wiedergäbe und selbst keine Verpflichtung zur Arbeitsleistung enthalte, keinen Arbeitsvertrag begründen könne (S 134). Zudem handle es sich auch bei den Einzelverträgen um keine Arbeitsverträge, denn Crowdworker seien weder fachlich noch zeitlich oder örtlich an Weisungen gebunden.

Der Crowdworker stelle nicht seine Arbeitskraft zur Verfügung, sondern erledige eine zuvor konkret definierte Aufgabe. Die Argumentation, wonach es sich bei den detaillierten Aufgabenbeschreibungen um vorweggenommene Weisungen handelt, verwirft Walzer mit dem Argument, dass es sich nicht um einseitig vom AG erteilte Weisungen handelt, bei denen der AN keine Möglichkeit hat, sich diesen zu entziehen. Vielmehr hat der Crowdworker von Anfang an die Wahl, ob er den ihm vor Auftragsannahme bekannten Arbeitsanweisungen zustimmt oder nicht und die Aufgabe annimmt oder ablehnt. Walzer lehnt zudem den Hinweis auf etwaige Kontrollmechanismen ab. Einerseits dürfen dabei ohnehin nur arbeitsleistungsbezogene Kontrollmechanismen berücksichtigt werden, andererseits fand die Autorin bei der von ihr untersuchten Plattform keine Anhaltspunkte für ein derartiges Verhalten vor (S 140 ff).

Auch hinsichtlich der Arbeitszeit würden Crowdworker keinem Weisungsrecht des Auftraggebers unterliegen. Zwar wird in der Regel eine bestimmte Frist zur Ausführung der Aufgabe vereinbart, dies ist im Rahmen eines Werk- oder freien Dienstvertrags aber typisch. Innerhalb dieser Frist sei der Crowdworker frei. Dies gilt auch bei vergleichsweise kurzen Fristen, welche auch bei Werk- und Dienstverträgen nicht grundsätzlich unüblich seien. Zum einen könne sich der Crowdworker frei entscheiden, ob er Aufträge mit kurzer Ausführungsfrist überhaupt annehmen könne und möchte, die Zeitsouveränität liege beim Crowdworker (S 142 f). Zum anderen kann der Crowdworker auch den Ort der Auftragserfüllung selbst wählen (S 143).

Des Weiteren verneint Walzer eine Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation. Die bloße Nutzung der Plattform sei keine Eingliederung, auch nicht die Überlassung der erforderlichen Daten oder die für den Auftrag notwendige Kommunikation. Darüber hinaus verwenden Crowdworker ausschließlich eigene Arbeitsmittel (Computer, Handy, Internetanschluss, S 143 f).

4. Crowdwork als arbeitnehmerähnliche Personen

Anschließend prüft Walzer, ob es sich bei Crowdworkern um arbeitnehmerähnliche Personen handelt. Während in Österreich für arbeitnehmerähnliche Personen auf das Element der wirtschaftlichen Unselbständigkeit abgestellt wird, wird in Deutschland eine AN-Ähnlichkeit (nur) im Falle einer wirtschaftlichen Abhängigkeit bejaht. Nach Ansicht Walzers kann es – abhängig von der konkreten Vertragskonstellation, also ob die Plattform lediglich Vermittler ist oder nicht – 540 sein, dass eine wirtschaftliche Abhängigkeit und damit eine AN-Ähnlichkeit vorliegt. Bei einer Vermittlertätigkeit sei dies hingegen – nach dem bisherigen Verständnis – nicht der Fall (S 149 f).

5. Crowdwork als Heimarbeiter

Auch eine Subsumtion unter das deutsche Heimarbeitsgesetz (HAG) lehnt Walzer ab. Crowdworker dürfen ihre Familienmitglieder nicht heranziehen, bei Vermittlungsplattformen fehle es an der notwendigen Dauerhaftigkeit der Tätigkeit, ferner könne die Erfüllung von Aufträgen von Privatpersonen oder Freiberuflern kein Heimarbeitsverhältnis begründen. Einige im HAG vorgesehene Rechtsfolgen würden nicht auf Crowdwork passen und insgesamt wirke die Subsumtion der Crowdworker unter das HAG „sehr künstlich“ (S 163).

6. Erweiterung des (arbeits-)rechtlichen Schutzes auf Crowdworker

Anschließend wird eine mögliche Erweiterung des AN-Begriffs diskutiert. Dabei wird zunächst die deutsche Diskussion zur Erweiterung des AN-Begriffs (sehr lesenswert) dargestellt. Sowohl die Vorschläge von Wank (de lege lata) als auch von Däubler (de lege ferenda) werden allerdings verworfen. Im Ergebnis seien beide Ansätze nicht geeignet, den Crowdworker zum AN zu machen, denn sie würden die bestehenden normativen Werteentscheidungen ignorieren und seien nicht in der Lage, für mehr Trennschärfe und Bestimmtheit bei der Einordnung zu sorgen. Vielmehr lassen sich nach Walzer zahlreiche Argumente finden, die gegen eine neue Begriffsbestimmung sprechen. So habe das Kernkriterium der persönlichen Abhängigkeit, das durch Weisungsgebundenheit gekennzeichnet ist, eine lange Tradition und sich im Laufe der Zeit bewährt (S 190). Entgegen vielfacher Kritik entspreche der herrschende AN-Begriff auch dem Schutzzweck des Arbeitsrechts, der nicht in der typischen Unterlegenheit des AN liegen könne, sondern vielmehr darin besteht, den Verzicht des AN auf unternehmerische Chancen und das Unterstellen seiner Person unter einer fremden Führung auszugleichen (S 194). Für diesen Schutzzweck sei das Merkmal der Weisungsgebundenheit indiziell. Darüber hinaus sprächen arbeitsmarktpolitische Gründe gegen eine angedachte AN-Eigenschaft (eine Ausdehnung des AN-Begriffs führe zur Abschottung des Dienstleistungsmarkts für Gründer; es würde sich um eine bevormundende Beschränkung individueller Freiheit durch das Arbeitsrecht handeln [205]). Abschließend würden auch die Rechtsfolgen des Arbeitsrechts nicht zum Phänomen Crowdwork passen. Gerechtfertigt wird die eigene Ansicht zudem dadurch, dass die Selbstbestimmung der Crowdworker gewahrt werden soll. Insgesamt vermisst die Autorin die Freiheit vom Arbeitsverhältnis als Argument in der Diskussion (S 209).

7. Ansatz von Walzer

Im letzten Teil versucht die Autorin einen eigenen Ansatz für einen angemessenen Schutz der Crowdworker zu präsentieren. Nach Ansicht von Walzer liegt das besondere Schutzbedürfnis von Crowdworkern in jenen Punkten, die sie von normalen Selbständigen unterscheiden. Diese liegen ihrer Ansicht nach zunächst darin, dass die Plattform ein für Crowdworker notwendiges Zugangsinstrument zum Markt darstellt. Der Marktzugang wird über die Plattform gesteuert und eingeschränkt (S 226). Ferner haben Bewertungs- und Qualifikationssysteme das Potenzial, Crowdworker an die jeweilige Plattform zu binden. Der Vergleich zeige zudem, dass Crowdworker auf den Plattformen im Ergebnis zu ähnlichen ökonomischen Bedingungen arbeiten wie AN. Die Situation erinnere an die arbeitnehmerähnlichen Personen (S 229). Der Status der AN-Ähnlichkeit hänge allerdings maßgeblich davon ab, zu welcher Partei Vertragsbeziehungen bestehen (siehe die Ausführungen oben). Dies führe zu dem seltsamen Ergebnis, dass abhängig von der Vertragsgestaltung (Stichwort Vermittlungsplattform) Crowdworker als Arbeitnehmerähnliche zu qualifizieren sind oder eben nicht, obwohl die Schutzbedürftigkeit in beiden Fällen gleich liegt. Walzer schlägt deshalb unter Verweis auf die von mir vertretene Ansicht (Warter, Crowdwork 182 f) auch für den deutschen Rechtsraum eine von den Verträgen losgelöste Prüfungsform für die AN-Ähnlichkeit vor (S 234). Des Weiteren schlägt Walzer auch einen gewissen Bestandsschutz (Verbot der Kündigung des Rahmenvertrags zur Unzeit, S 241), einheitliche und übertragbare Qualifikations- und Bewertungssysteme (S 242 f), einen Anspruch auf Nachweis der Qualifikation/Bewertung (S 243) und eine Ausweitung der Bestimmungen auch für ausländische Plattformen (S 244) vor.

8. Kurze inhaltliche Beurteilung

Nachdem ich bei vielen der oben geschilderten Aussagen anderer Meinung bin und mich die dargelegten Argumente oft nicht überzeugen, die vorliegende Rezension aber nicht der Ort für eine ausführliche „Gegendarstellung“ ist, möchte ich nachfolgend nur auf die aus meiner Sicht zentralen Punkte und Mängel des zu besprechenden Werks eingehen.

Die Autorin schlägt beim Gang ihrer Prüfung zunächst einen sehr formalen Weg ein, bei dem den ausformulierten Verträgen und Vertragskonstruktionen überragende Bedeutung beigemessen wird. Relativ ähnlich zum Fall des EuGHC-692/19 (yodel delivery, Warter, DRdA 2021/02) gelangt die Autorin zum Ergebnis, dass es sich bei Crowdworkern um Selbständige handeln müsse, da diese frei entscheiden können, wo, wann und wie lange sie arbeiten wollen und welche Tätigkeiten sie annehmen oder ablehnen möchten. Der EuGH hat seine Entscheidung aber zumindest mit der Einschränkung versehen, dass diese Unabhängigkeit nicht fiktiv sein und auch sonst kein Unterordnungsverhältnis vorliegen dürfe.

Erst im fünften und letzten Teil verlässt die Autorin ihren formalen Weg und versucht herauszuarbeiten, inwieweit sich Crowdworker doch von Selbständigen unterscheiden, um zum Ergebnis zu kommen, dass infolge der internetbasierten Durchführung von Crowdwork auch bei Vermittlungskonstellationen von einer AN-Ähnlichkeit (schon de lege lata) auszugehen ist. Erst dort (S 230) werden erstmals (!) die Bewertungsund Sanktionsmechanismen und die „Gate-Keeper- Funktion“ der Plattform angesprochen, die geradezu charakteristisch für plattformbasierte Geschäftsmodelle sind. Diese Überlegungen müssten freilich bereits bei der Prüfung des Vorliegens eines Arbeitsvertrags geprüft werden, zumal die Argumentationen zahlreicher AutorInnen für eine AN-Eigenschaft der Crowdworker gerade auf diesen informellen und indirekten Steuerungselementen fußen. Insb bei Vermittlungskonstellation muss eine Prüfung einer allenfalls vorliegenden 541 Fremdbestimmtheit in einer (von den Verträgen losgelösten) Gesamtbetrachtung (siehe Warter, Crowdwork – Eine erste arbeitsrechtliche Beurteilung, in Reichel/Pfeil/Urnik [Hrsg], Crowdinvesting und Crowdworking: Herausforderungen und Chancen [2018] 137, [158 f]) vorgenommen werden, wie dies Walzer erst im letzten Teil und nur zur AN-Ähnlichkeit vornimmt.

Die Ansichten Walzers haben den Rezensenten nicht überzeugt, vielmehr ist ihnen aber auch das BAG in seiner jüngsten Entscheidung zu Crowdwork (BAG 1.12.2020, 9 AZR 102/20) nicht gefolgt. Eine vorzunehmende Gesamtabwägung kann ergeben, dass auch Crowdworker als AN anzusehen sind. Das BAG betont, dass sich aus der tatsächlichen Handhabung der wirkliche Geschäftsinhalt ergebe (Rn 39). Dabei müssen nicht nur rechtliche Anhaltspunkte in den AGB, sondern vor allem die tatsächliche Durchführung und tatsächlichen Zwänge berücksichtigt werden (Rn 36). Das BAG verwirft zudem den von (ua) Walzer vertretenen formalen Weisungsbegriff und setzt das Merkmal der Weisungsgebundenheit vielmehr in die Nähe der Fremdbestimmung (vgl Rn 31). Unter Weisungsgebundenheit ist deshalb auch zu berücksichtigen, inwieweit der Arbeitsvorgang durch verbindliche Anweisungen vorstrukturiert ist (Rn 35, 37). Weisungsgebundenheit kann sich aus detaillierten und den Freiraum für die Erbringung der geschuldeten Leistung stark einschränkenden rechtlichen Vertragsgestaltungen oder der tatsächlichen Vertragsdurchführung ergeben (Rn 33). Dabei sind auch die tatsächlichen Zwänge zu berücksichtigen, etwa auch eine vom Auftraggeber geschaffene Organisationsstruktur, die geeignet sein können, den Beschäftigten zu dem gewünschten Verhalten zu veranlassen, ohne dass dazu konkrete Weisungen ausgesprochen werden müssen (Rn 39). Geringe Gestaltungsmöglichkeiten, wie die Freiheit des Plattformbeschäftigten zu entscheiden, ob er zuerst die geforderten Fotos anfertigt und dann die Fragen an die Ansprechperson richtet oder andersherum verfährt oder seine Befugnis, die Reihenfolge der inhaltlich vorgegebenen Fragen selbst festzulegen, sind dabei unschädlich (Rn 47). Dies gilt selbst dann, wenn der Crowdworker vertraglich nicht zur Annahme von Angeboten der Bekl verpflichtet, aber die Plattform darauf ausgerichtet ist, dass über einen Account angemeldete und eingearbeitete NutzerInnen kontinuierlich Bündel einfacher, Schritt für Schritt vertraglich vorgegebener Kleinstaufträge annehmen und persönlich zu erledigen haben (Rn 49). Eine rechtlich isolierte Betrachtung der einzelnen Einzelverträge würde die Konzeption der Plattform außer Acht lassen, die ua durch die Anreizsysteme auf eine verstetigte Beschäftigung von Crowdworkern ausgerichtet ist, weshalb schon der Rahmenvertrag als Arbeitsvertrag zu bewerten sein kann (Rn 54).

9. Resümee

Insgesamt ist das Werk ansprechend, auch wenn der Rezensent inhaltlich häufig anderer Meinung ist. Vielleicht haben den Rezensenten auch deshalb manche übertriebenen Formulierungen (völlig fernliegend S 142; diese Argumentation kann nicht überzeugen S 110) gestört, denen anschließend allzu oft nicht überzeugende oder gar unzulässige eigene Argumente, wie etwa das ins Treffen führen der Unvereinbarkeit der Rechtsfolgen mit dem Geschäftsmodell (jo eh, darum geht‘s ja) oder „In der Natur der Sache-Argumentationen“, angeschlossen wurden. Zuweilen finden sich im Werk auch bestenfalls umstrittene Aussagen wie: „Wer seine Arbeitszeit selbst bestimmen kann, bedarf nicht des Schutzes durch Vorgaben von Höchstarbeitszeiten und Pausenregelungen“ (S 208). Häufig wird die einseitige Darstellung dieser neuen Erwerbsform durch Gewerkschaften und Literatur kritisiert (etwa S 206), gleichzeitig wird mit großem Verve und in pauschaler Weise die Schutzbedürftigkeit der Crowdworker verneint und behauptet, eine Anwendbarkeit des Arbeitsrechts wäre nicht gerechtfertigt (S 207) bzw dass das Arbeitsrecht einen Schutzrahmen schaffen würde, der für Crowdworker viel zu weit wäre (S 210, 220). In Anbetracht der angesprochenen Mängel (fehlende Auseinandersetzung mit indirekten Steuerungsmethoden und tatsächlichen Zwängen etc) halte ich derartige Aussagen für nicht angebracht.

Trotz dieser Kritik und meiner von der Autorin divergierenden Meinungen habe ich bei der Lektüre sehr viel gelernt, wofür ich der Autorin an dieser Stelle herzlich danken möchte.