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Gleitzeitvereinbarung ohne Gleitzeitperiode

FLORIANMOSING (GRAZ)
  1. Eine rechtswirksame Gleitzeitvereinbarung muss schriftlich getroffen werden.

  2. Das Fehlen einer Gleitzeitperiode führt zur Rechtsunwirksamkeit der Gleitzeitvereinbarung.

  3. Durch die Rechtsunwirksamkeit der Gleitzeitvereinbarung gelten die Normalarbeitszeitgrenzen gem § 3 Abs 1 AZG.

  4. Der Normzweck des § 10 Abs 1 Z 2 AZG verbietet das alleinige Horten von Überstundenzeitzuschlägen.

  5. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass kollektivvertragliche Verfallsfristen das Wahlrecht nach § 19f Abs 3 AZG umfassen.

Die Kl war vom 16.9.2002 bis zur einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses per 14.12.2018 als Angestellte beim späteren Schuldner, dem Inhaber eines Architekturbüros, beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis gelangte der KollV der Architekten und Ingenieurskonsulenten zur Anwendung. Zudem bestand eine Gleitzeitvereinbarung, welche schriftlich zu den einzelnen Dienstverträgen [der AN] vereinbart wurde. Darin war jedoch kein Durchrechnungszeitraum, sondern lediglich eine Kernzeit vereinbart. Des Weiteren hatte die Kl ab Beginn des Arbeitsverhältnisses mit ihrem AG vereinbart, dass Überstunden in Form von Zeitausgleich abzugelten sind. Offene Überstunden bzw Zeitausgleichsstunden wurden nur bei Beendigung von Dienstverhältnissen ausbezahlt.

Die Kl leistete vom 16.9.2002 bis 14.12.2018 Überstunden im Ausmaß von 987,88 Stunden. Der Zeitausgleich wurde immer nur im Verhältnis 1:1 gewährt, weshalb sich diese offenen Stunden aus den nicht abgegoltenen Zuschlägen von 50 % und 100 % ergeben.

Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 25.2.2019 wurde über das Vermögen des AG das Insolvenzverfahren eröffnet.

Mit Bescheid vom 26.9.2019 lehnte die Bekl das von der Kl für 987,88 Überstunden beantragte Insolvenzentgelt ab, weil das Zeitausgleichsguthaben verfallen sei und dessen Sicherung dem Schutzzweck des IESG widerspreche. Der Anspruch für das Entgelt für Überstunden in den letzten drei Jahren ist unstrittig.

Die Kl begehrte zuletzt die Zahlung von 18.490 € netto für die nicht durch Zeitausgleich abgegoltenen Überstundenzuschläge. Da der Zeitausgleich von der Kl nicht zur Gänze verbraucht worden sei, sei dieser – als Entgeltanspruch – erst mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig geworden. Auch der mehrjährige Aufbau von Zeitguthaben sei entsprechend der Intention des Gesetzgebers nach § 3a IESG gesichert.

Die Bekl wandte insb auch Verjährung bzw Verfall der Ansprüche ein. Zudem seien längst zurückzurückliegende Ansprüche, die mit der Sicherung des laufenden Lebensunterhalts in keinerlei Zusammenhang gebracht werden könnten, nicht dem Schutzzweck des IESG zu unterstellen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. [...] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl nicht Folge. [...]

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei.

Gegen das Berufungsurteil richtet sich die außerordentliche Revision der Bekl aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene E iS einer Klagsabweisung abzuändern.

Die Kl beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision der Bekl zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Hierzu hat der OGH erwogen:

Die Revision ist – entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts – zulässig, weil die Rechtslage einer Klarstellung bedarf. Sie ist auch berechtigt.

1.1 Die Bekl stützt sich im Revisionsverfahren nach wie vor auf das Vorliegen einer gültigen Gleitzeitvereinbarung, weil innerhalb der Gleitzeit grundsätzlich im weiteren Rahmen eine 1:1-Abgeltung von Zeitguthaben in Zeitausgleich möglich ist (vgl 9 ObA 75/19y; vgl Klein in Gasteiger/Heilegger/Klein, AZG5 [2019] §§ 3 bis 4c Rz 50). Sie beruft sich insb darauf, dass eine solche Vereinbarung nicht nur schriftlich, sondern auch schlüssig geschlossen werden könnte, und dass das Berufungsgericht von der festgestellten Gleitzeitvereinbarung abgegangen wäre.

1.2 Nach § 4b Abs 2 AZG muss in Betrieben, in denen kein BR errichtet ist, die Gleitzeit durch schriftliche Vereinbarung geregelt werden. Das Schriftformgebot ist konstitutiv (Pfeil in Auer-Mayer/Felten/Pfeil, AZG4 § 4b Rz 13). Zu den Mindestinhalten einer Gleitzeitvereinbarung gehört nach § 4b Abs 3 AZG ua die Festlegung der Dauer der Gleitzeitperiode (Z 1).

1.3 Fehlt ein Element des Mindestinhalts, so ist die Gleitzeitvereinbarung unwirksam und es gelten die Normalarbeitszeitgrenzen gem § 3 Abs 1 AZG. Insoweit sind Überschreitungen der Arbeitszeit wieder als zuschlagspflichtige Überstunden zu werten (Pfeil in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 4c AZG Rz 46 f; Marhold-Weinmeier, Die Gleitzeitvereinbarung [§ 4b AZG], ASoK 1998, 218). Gerade der Durchrechnungszeitraum muss festgelegt werden. Eine rechtlich korrekte Gleitzeitregelung ist mit „offenem Durchrechnungszeitraum“ nicht möglich (so Klein in Gasteiger/Heilegger/Klein, AZG5 [2019] §§ 3 bis 4c Rz 60).

1.4 Da hier kein Durchrechnungszeitraum vereinbart wurde, ist das Berufungsgericht daher zutreffend 480 zu dem Ergebnis gelangt, dass die vom Erstgericht festgestellte Gleitzeitvereinbarung unwirksam ist. Dem setzt die Bekl auch nichts Stichhältiges entgegen, weil nicht einmal sie einen Durchrechnungszeitraum anzugeben vermag. [...]

1.5 Damit ist dem Berufungsgericht dahin zu folgen, dass hier die herkömmlichen Regelungen des AZG zur Normalarbeitszeit zur Anwendung gelangen, dies unter Bedachtnahme auf den anwendbaren KollV und die zwischen den Parteien geschlossene Zeitausgleichsvereinbarung.

2.1 Nach § 10 Abs 1 AZG gebührt für Überstunden (Z 1) ein Zuschlag von 50 % oder (Z 2) eine Abgeltung durch Zeitausgleich. Der Überstundenzuschlag ist bei der Bemessung des Zeitausgleichs zu berücksichtigen oder gesondert auszuzahlen.

[...]

2.2 Dem AN kommt gem § 19f Abs 3 AZG idF BGBl I 2007/61ein Wahlrecht zu, ob er die Überstunden in Entgelt oder in Zeitausgleich abgegolten haben möchte (9 ObA 44/14g; Schrank, Arbeitszeit5 § 19f Rz 22). An seine Auswahl ist der AN gebunden (RIS-Justiz RS0051642). Trifft der AN keine Auswahl, bleibt das – unstrittige – Zeitguthaben als solches grundsätzlich unverändert bestehen, bis feststeht, dass der Naturalausgleich nicht mehr möglich ist, im Regelfall also bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses (9 ObA 44/14g; 9 ObA 89/12x; Heilegger in Gasteiger/Heilegger/Klein, AZG5 [2019] §§ 19e und 19f Rz 50). Zu einer automatischen Umwandlung des Zuschlags in Geld soll es nach den Gesetzesmaterialien (ErlRV 141 23. GP 7) nicht mehr kommen.

2.3 Bedeutend ist dies vor allem für den Verfall und die Verjährung: Der OGH hat bereits festgehalten, dass seit der Novelle BGBl I 2007/61die Fälligkeit des Geldanspruchs mangels Ausübung des Wahlrechts gem § 19f Abs 3 AZG nicht vor der endgültigen Unmöglichkeit des Naturalausgleichs durch Beendigung des Dienstverhältnisses eintritt (RS0118916 [T8]).

Davon zu unterscheiden ist aber die Frage, ob sich die kollektivvertraglichen Verfallsfristen auch auf die Geltendmachung des Anspruchs auf das Wahlrecht, also die Feststellung der Mehr- bzw Überstunden beziehen. In den herangezogenen Entscheidungen (9 ObA 44/14g, 9 ObA 89/12x, 8 ObA 53/12w) waren diese regelmäßig unstrittig. Zum wesentlichen Zweck der kollektivvertraglichen Verfallsbestimmungen hat der OGH wiederholt festgehalten, dass dieser in der Klarstellung der offenen Ansprüche der AN besteht (vgl ausführlich zur Bedeutung für die Einschätzung der Kostenstruktur einerseits 9 ObA 1/14h und zur Erwirkung als Anerkenntnis andererseits 8 ObA 34/07v). Es ist daher grundsätzlich davon auszugehen, dass auch der Anspruch auf das Wahlrecht – Überstundenentgelt oder Zeitausgleich – von den kollektivvertraglichen Verfallsbestimmungen erfasst ist, mag dieses auch viel später ausgeübt werden.

3.1 Entscheidend ist hier aber schon, dass die Kl Zeitausgleich im Verhältnis 1:1 konsumiert hat und gegenüber der Bekl kein Grundstundengehalt, sondern ausdrücklich nur mehr die offenen Überstundenzuschläge geltend macht. Die Kl hat daher ihr Wahlrecht insofern ohnehin schon ausgeübt, als sie die Überstunden – ausgenommen die Zuschläge – durch Zeitausgleich abgebaut hat, wie sie selbst in ihrer Revisionsbeantwortung betont. § 10 Abs 1 Z 2 AZG bestimmt nun, dass die Zuschläge bei der Bemessung des Zeitausgleichs zu berücksichtigen oder gesondert auszuzahlen sind. Da die Zuschläge bei der erfolgten Konsumation des Zeitausgleichs für die Grundstunde nicht berücksichtigt wurden, waren sie auszuzahlen. Ein Horten der bloßen Überstundenzuschläge, und zwar losgelöst von bereits ausgeglichenen Grundstunden, steht dem Gesetz nicht vor Augen. Im Übrigen steht damit auch in Einklang, dass die Gesetzesmaterialien zu § 3a Abs 1 IESG ein Interesse sowohl der AG als auch der AN an mehrjährigem Aufbau von – unstrittigen – Zeitguthaben anerkennen, etwa um im Falle betrieblicher Unterauslastung Kündigungen vermeiden zu können oder um Zeitguthaben für Sabbaticals und ähnliche längere Perioden der Freizeit oder Weiterbildung erwerben zu können (AB 1691 25. GP 2). Ein derartiges Interesse an der Ansammlung allein der Zuschläge besteht aber nicht. Das bedeutet, dass der Anspruch auf geldwerte Vergütung der Überstundenzuschläge von 50 % bzw 100 % hier keineswegs erst mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig geworden ist.

3.2 Die Bekl beruft sich auf die Bestimmung des § 7 Abs 6 des KollV, wonach Ansprüche auf Überstundenvergütung spätestens am Ende der ihrer Leistung folgenden Gehaltsperiode schriftlich beim AG geltend gemacht werden müssen, widrigenfalls die Ansprüche verfallen.

Diese Kollektivvertragsbestimmung ist zwar nicht auf unstrittige Zeitguthaben, die ein entsprechendes Wahlrecht vermitteln, zugeschnitten, sehr wohl ist sie aber auf Auszahlungsansprüche anwendbar, wovon auch das Berufungsgericht ausgeht. Die Vereinbarung von Zeitausgleich schließt die Möglichkeit einer Überstundenvergütung in Geld nicht aus. Mit der Konsumation des der Grundstunde entsprechenden Zeitguthabens ist der Anspruch der Kl auf Zahlung des dazugehörigen Überstundenzuschlags entstanden. Auf diesen kommt – wie die Bekl im Ergebnis zu Recht releviert – die kollektivvertragliche Verfallsbestimmung zur Anwendung.

4.1 Gem § 1 Abs 2 IESG sind nur AN-Ansprüche gesichert, die aufrecht, nicht verjährt bzw verfallen und nicht ausgeschlossen sind. Es handelt sich dabei nach stRsp um von Amts wegen zu prüfende Anspruchsvoraussetzungen, deren Fehlen auch ohne darauf abzielende Einwendungen wahrzunehmen ist (RS0076711).

Die Kl hat die Abgeltung ihrer gehorteten Ansprüche in Bezug auf die Überstundenzuschläge erstmals mehrere Monate nach der einvernehmlichen Beendigung des Dienstverhältnisses in der Insolvenz des AG verlangt. Damit sind diese Auszahlungsansprüche nach § 7 Abs 6 des anwendbaren KollV verfallen. Die dreijährige Verjährungsfrist für Ansprüche auf Überstundenentgelt einschließlich von Überstundenzuschlägen gilt nur für fristgerecht geltend gemachte Ansprüche (§ 7 Abs 6 zweiter Satz des KollV). 481

4.2 Auf den Einwand der Bekl, mit dem Zweck des IESG sei nicht vereinbar, längst zurückliegende (weil lange stehen gelassene) Ansprüche, die – wie hier – mit der Sicherung des laufenden Lebensunterhalts in keinerlei Zusammenhang mehr gebracht werden können, dem Schutzzweck des IESG zu unterstellen (vgl RS0076409 [T14]), kommt es nicht mehr an.

5. Die Ansprüche sind daher entgegen der Ansicht der Vorinstanzen nicht durch das IESG gesichert, sodass der Revision iS einer Klageabweisung Folge zu geben war. [...]

ANMERKUNG

Dem OGH lag ein Sachverhalt zur Entscheidung vor, der in der Praxis nicht selten vorkommt. In einem Betrieb wird eine Gleitzeitvereinbarung abgeschlossen, die den zwingenden Rechtsvorgaben des § 4b AZG nicht gerecht wird. Im Anlassfall wurde die Dauer der Gleitzeitperiode „vergessen“. Aus diesem Umstand folgert das Höchstgericht die Rechtsunwirksamkeit der Gleitzeitvereinbarung, welche dazu führt, dass „die herkömmlichen Regelungen des AZG zur Normalarbeitszeit“ zur Anwendung gelangen.

Dies ist vor allem deswegen problematisch, weil eine rechtsgültige Gleitzeitvereinbarung innerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen einen 1:1- Zeitausgleich von Arbeitszeiten erlaubt, die innerhalb einer klassischen Normalarbeitszeitverteilung schon Überstunden darstellen würden. Tritt daher eine klassische Normalarbeitszeitverteilung an die Stelle einer rechtswidrigen Gleitzeitvereinbarung, so sind frühere 1:1-Zeitausgleiche mit einem Überstundenzuschlag zu versehen. Dementsprechend war die IEF-Service GmbH mit einer zusätzlichen Überstundenzuschlagsforderung konfrontiert, die der OGH in Folge als verfallen angesehen hat.

1.
§ 4b AZG

§ 4b Abs 2 AZG statuiert ein Schriftlichkeitsgebot für die Gleitzeitvereinbarung, Abs 3 legt gewisse (Mindest-)Inhalte (Dauer der Gleitzeitperiode, Gleitzeitrahmen, allfällige Übertragungsmöglichkeiten von Zeitguthaben und Zeitschulden, Dauer und Lage der fiktiven Normalarbeitszeit) fest. Die streitgegenständliche Gleitzeitvereinbarung enthielt keine Gleitzeitperiode. Dadurch fehlte nicht nur ein Mindestinhalt, sondern es wurde für diesen Bereich auch nicht dem Schriftlichkeitsgebot entsprochen. Zu Recht geht der OGH daher von der Rechtsunwirksamkeit der Gleitzeitvereinbarung aus (vgl auch Klein in Gasteiger/Heilegger/Klein, Arbeitszeitgesetz5 [2019] §§ 3 bis 4c Rz 53 ff; Pfeil in Auer-Mayer/Felten/Pfeil, AZG4 [2019] § 4b Rz 11 ff; ders in Neumayr/Reissner [Hrsg], Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht3 [2018] §§ 3-4c AZG Rz 43 ff; Schrank, Arbeitszeit – Kommentar5 [2018] § 4b Rz 32 ff).

Losgelöst vom Anlassfall ist allerdings anzumerken, dass nicht alle in § 4b Abs 3 AZG angeführten möglichen Inhalte einer Gleitzeitvereinbarung zwingende Mindestinhalte einer solchen sind. Z 3 sieht nämlich nur eine Übertragungsmöglichkeit und keine Übertragungspflicht von Zeitguthaben und Zeitschulden vor. Dementsprechend führt das Nichtnutzen dieser Option nicht zur Rechtsunwirksamkeit der Gleitzeitvereinbarung (vgl idZ auch Klein in Gasteiger/Heilegger/Klein, Arbeitszeitgesetz5 §§ 3 bis 4c Rz 57; Pfeil in Auer-Mayer/Felten/Pfeil, AZG4 § 4b Rz 20; ders in Neumayr/Reissner [Hrsg], ZellKomm3 §§ 3-4c AZG Rz 49; Schrank, Arbeitszeit-Kommentar5 § 4b Rz 44).

Unter Bezugnahme auf die diesbezüglichen Lehrmeinungen (Marhold-Weinmeier, Die Gleitzeitvereinbarung [§ 4b AZG], ASoK 1998, 218; Pfeil in Neumayr/Reissner [Hrsg], ZellKomm3 §§ 3-4c AZG Rz 46) kommt das Höchstgericht zum Ergebnis, dass durch die Rechtsunwirksamkeit der Gleitzeitvereinbarung die klassischen Normalarbeitszeitgrenzen (§ 3 Abs 1 AZG) in Kraft treten. Auch diese Meinung ist zu teilen, sofern die Vertragsparteien nicht für den Fall einer ungültigen Gleitzeitvereinbarung rechtsgültig ein anderes Arbeitszeitsystem vereinbart haben.

Durch die Ungültigkeit der Gleitzeitvereinbarung und das Inkrafttreten der klassischen Normalarbeitszeitgrenzen stellt sich die zusätzliche und durch die Entscheidung unbeantwortete Frage, wie sich die Lage der Arbeitszeit hinsichtlich der klassischen Normalarbeitszeitverteilung gestaltet. Diese ist ja nach § 19c Abs 1 AZG zu vereinbaren und spielt für die Überstundenermittlung etwa dann eine Rolle, wenn die maximal zulässige Normalarbeitszeittagesgrenze nicht überschritten, aber eine Arbeitsleistung außerhalb der täglichen Arbeitszeitlage erfolgt (zu Arbeitszeiten außerhalb der eingeteilten Normalarbeitszeit vgl Pfeil in Neumayr/Reissner [Hrsg], ZellKomm3 §§ 6-8 AZG Rz 49; Felten in Auer-Mayer/Felten/Pfeil, AZG4 § 6 Rz 9; Schrank, Arbeitszeit-Kommentar5 § 4b Rz 44). Eine nachträgliche Arbeitszeitlagefeststellung (im Regelfall wohl anhand der fiktiven Normalarbeitszeit der ungültigen Gleitzeitvereinbarung) im Zuge der Überstundeneruierung kann daher zu zusätzlichen Überstunden führen, die nicht gegeben wären, würde nur auf die täglichen und wöchentlichen Normalarbeitszeitgrenzen abgestellt werden.

ME besteht hierfür aber in Hinblick auf den Zweck des § 19c Abs 1 AZG keine Notwendigkeit. Dieser liegt darin, das Weisungsrecht des AG hinsichtlich der Bestimmung der Lage der Arbeitszeit einzuschränken (Felten in Auer-Mayer/Felten/Pfeil, AZG4 § 19c Rz 2). Im Nachhinein besteht keine Notwendigkeit, das Weisungsrecht hinsichtlich einer klassischen Normalarbeitszeitverteilung zu beschränken, weil der AG ein solches ohnehin nicht rückwirkend ausüben kann. Aus diesem Grund ist im Zuge der Überstundeneruierung das vereinbarte Arbeitszeitausmaß nur gleichmäßig und uhrzeitunabhängig auf die Arbeitstage zu verteilen. Ergibt die zurückschauende Betrachtung, dass an einzelnen Arbeitstagen das tägliche bzw wöchentliche Arbeitsausmaß überschritten wurde, liegen Überstunden- bzw Mehrarbeitsleistungen vor. 482

2.

Zentral für den Verfahrensausgang war die Frage, ob die Überstundenzuschläge verfallen sind oder nicht. Dies hängt davon ab, ob auch für den Überstundenzuschlag Zeitausgleich oder eine Abgeltung in Geld vereinbart wurde. Im ersten Fall wäre die Forderung als verfallen anzusehen, im zweiten Fall nicht.

Im Dienstvertrag wurde festgehalten, dass für Überstunden Zeitausgleich gebührt. Auf den ersten Blick scheint somit eine Zeitausgleichsvereinbarung hinsichtlich des Zuschlages naheliegender. Dass der Zeitausgleich für die Grundstunde und den Zuschlag nicht unter einem erfolgt ist, ließe sich auch einfach erklären: Die Vertragsparteien sind von der rechtlichen Gültigkeit einer Gleitzeitvereinbarung ausgegangen. Nach ihrem Verständnis war daher ein 1:1-Zeitausgleich innerhalb des Gleitzeitsystems möglich, weswegen sich für sie die Frage einer Zuschlagspflicht im Zeitpunkt des Zeitausgleichs nicht gestellt hat.

Der OGH kommt aber zum anderen Ergebnis (Zuschlagsabgeltung in Geld) und begründet dies mit dem Normzweck des § 10 Abs 1 Z 2 AZG. Dieser würde gebieten, dass der Zeitausgleich für Grundstunde und Zuschlag immer unter einem stattzufinden habe. Ist dies nicht der Fall, gebühre der Zuschlag in Geld und daher sei die Zuschlagsforderung als verfallen anzusehen. Das Höchstgericht stützt sich zu Untermauerung dieser Ansicht weder auf Literatur (soweit ersichtlich, gibt es keine) noch auf Materialien (diese äußern sich zum vorliegenden Rechtsproblem nicht; vgl IA 408/A 20. GP 29; AB 622 BlgNR 20. GP 5). Es wird lediglich auf einen Einklang mit den Gesetzesmaterialien zu § 3a Abs 1 IESG verwiesen, der aber mE gar nicht gegeben ist: Freistellungen der dort beschriebenen Art setzen nur Zeitguthaben des AN voraus; ob diese aufgrund von Grundstunden und Überstundenzuschlägen oder lediglich aufgrund von Überstundenzuschlägen bestehen, ist vollkommen irrelevant! Auch der Wortlaut des § 10 Abs 1 Z 2 AZG fordert nur, dass der Zuschlag beim Zeitausgleich berücksichtigt wird. Ein zwingendes Zusammenhangerfordernis ist somit nicht niedergeschrieben. Warum dann der Normzweck ein solches für den Zeitausgleich von Grundstunde und Überstundenzuschlag gebieten sollte, ist mE nicht ersichtlich. Vielmehr erschöpft sich dieser darin, dass auch im Falle eines (teilweisen) Zeitausgleichs der Überstundenzuschlag irgendwann berücksichtigt werden muss. Die Möglichkeit eines von der Grundstunde losgelösten Zeitausgleichs für den Überstundenzuschlag erscheint zudem stimmiger in Hinblick auf die AN- und AG-Interessen: AN werden oftmals an einem getrennten Zeitausgleich interessiert sein (zB für kurze private Wege während der Dienstzeit, die keine Dienstverhinderungsgründe sind) und für AG sind kürzere Abwesenheiten oftmals leichter zu administrieren. Der Vollständigkeit halber sei zusätzlich erwähnt, dass auch nicht das Erholungsargument längerer Freizeiten zur Stützung der Gegenansicht vorgebracht werden kann, weil Überstunden immer zur Gänze in Geld abgelöst werden können.

Folgt man daher der hier vertretenen Rechtsansicht, wären die Überstundenzuschläge nicht als verfallen anzusehen gewesen, weil sie ein Zeitguthaben bleiben, das sich erst mit der Beendigung des Dienstverhältnisses in eine Geldforderung verwandelt.

3.
§ 19f Abs 3 AZG und kollektivvertragliche Verfallsbestimmungen

Unklar ist die Aussage des OGH, „ob sich die kollektivvertraglichen Verfallsfristen auch auf die Geltendmachung des Anspruchs auf das Wahlrecht, also die Feststellung der Mehr- bzw Überstunden beziehen“. Die Feststellung, ob ein Anspruch auf Mehr- bzw Überstunden besteht, hat nämlich nichts mit dem Wahlrecht nach § 19f Abs 3 AZG zu tun. Dieses ist ein Anspruch anderer Art.

Tatsächlich will das Höchstgericht wohl nur sagen, dass die kollektivvertraglichen Verfallsfristen auch auf das Wahlrecht des § 19f Abs 3 AZG Anwendung finden können. Dazu passt dann die Äußerung: „Es ist daher grundsätzlich davon auszugehen, dass auch der Anspruch auf das Wahlrecht – Überstundenentgelt oder Zeitausgleich – von den kollektivvertraglichen Verfallsbestimmungen erfasst ist, mag dieses auch viel später ausgeübt werden.“

Wurde daher Zeitausgleich für Überstunden nicht innerhalb der Frist nach § 19f Abs 2 Z 2 AZG gewährt, so muss der AN nach Ablauf dieser Sechsmonatsfrist binnen der kollektivvertraglichen Verfallsfrist sein Wahlrecht geltend machen. Macht er von diesem keinen Gebrauch, bleibt weiterhin ein Zeitguthaben bestehen; und zwar so lange, bis feststeht, dass der Naturalausgleich nicht mehr möglich ist. Spätestens dann besteht eine Geldforderung, außer die Vertragsparteien haben sich schon vor diesem Zeitpunkt auf eine Auszahlung der Überstunden geeinigt.

Abschließend ist anzumerken, dass die Ausführungen des OGH nur den Verfall des Wahlrechts betreffen. Offen bleibt somit, ob kollektivvertragliche Verfallsfristen auch das einseitige Gestaltungsrecht hinsichtlich des Zeitverbrauchs umfassen können, welches § 19f Abs 3 AZG ebenfalls vermittelt. Dies ist mE zu bejahen, da es sich um ein Recht aus dem Arbeitsverhältnis handelt. 483