EichenhoferWirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte

Bund-Verlag, Frankfurt am Main 2020, 128 Seiten, kartoniert, € 19,80

ANDREASRAFFEINER (BOZEN)

Das zu besprechende schmale Büchlein, das sich thematisch mit den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten beschäftigt und von Eberhard Eichenhofer geschrieben wurde, beinhaltet einen für das Arbeits- und Sozialrecht aller Staaten tonangebenden global anerkannten Regelkomplex. Das klingt in der Tat zu Beginn ein wenig kompliziert und nach schwer-diffiziler Kost. Dieser Regelkomplex, so der Autor in seinem Prolog, findet einen keineswegs zu unterschätzenden Ausgangspunkt in der Weimarer Reichsverfassung. Die deutsche Verfassung nach dem Ersten Weltkrieg enthielt als eine der ersten überhaupt Menschenrechte auf Arbeit und sozialen Schutz. Selbst wenn die vor gut einem Jahrhundert herrschende Situation, sozioökonomisch gesehen, alles andere als gut war, kann die Verfassung der damaligen Zeit durchaus als Pionierin mit Vorbildcharakter bezeichnet werden.

Da Hugo Sinzheimer als Mitglied der Nationalversammlung – so hieß das Parlament dazumal – federführend an der Abfassung besagter Weimarer Reichsverfassung tätig war, findet es der Autor als eine große Ehre, dass sein etwas mehr als 120 Seiten umfassendes und mit einem reichen Literaturverzeichnis ausgestattetes Werk in die Reihe des Hugo Sinzheimer Instituts für Arbeit- und Sozialrecht aufgenommen wurde. Sinzheimers weitblickende und vorsorgliche Worte, wonach arbeitsrechtliche Grundbedingungen durch internationale Abmachungen zu vereinheitlichen seien, betonen mehr als nur deutlich, dass die Entwicklung des Arbeitsund Sozialrechts keinesfalls stehen bleiben darf. Mehr noch: Es ist nur aufgrund internationaler Kooperation entstanden; die ursprünglich wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte stellen im wahrsten Sinn des Wortes sowohl die Leitgedanken als auch die Maximen heraus, welche diese Teildisziplinen der Rechtswissenschaften auf nachhaltige und fortwährende Art prägen und unmissverständlich belegen, was sie zur Durchführung der Menschenrechte per se leisten können.

Eichenhofer unterteilt sein interessantes und lesenswertes Buch, auch wenn es sehr klein ist, in sechs gehaltvolle und aussagekräftige Kapitel, die dagegen mit Unteroder bisweilen auch mit Unterunterkapiteln angereichert sind. Die Gliederung ist überaus nachvollziehbar und es bedarf einer klein wenig juristischen Fachkenntnis, um das Ganze als Sammelsurium unterschiedlicher Aspekte der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte zu verstehen. Der Autor wäre gut beraten gewesen, wenn er die sehr oft verwendeten Abkürzungen mithilfe einer Übersicht vor Beginn entschlüsselt hätte.

Im ersten Abschnitt (Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte als Menschenrechte) umreißt Eichenhofer die Antwort auf die Frage, ob besagte Rechte als Menschenrechte der „zweiten Generation“ anzusehen seien oder nicht. Er unterstreicht, dass diese Rechte zu einem freien und unabhängigen Leben in Sicherheit, Wohlbefinden und Erfüllung beitragen sollen. Nach einem Unterkapitel, in dem die Herkunft und Entwicklungsgeschichte der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte positiv dokumentiert werden, wird dieser Abschnitt mit zwei historischen Unterkapiteln, diese Rechte in der Weimarer Reichsverfassung und in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte beinhaltend, angeschnitten.

Im zweiten Kapitel will der Autor den Fragen nachgehen, was die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte kennzeichnet und wann sie vonnöten sind. Ausgehend von den konzeptionellen Eigenschaften und den geistesgeschichtlichen Traditionslinien spannt Eichenhofer den Bogen von einer Kritik an den Rechten bis hin zum Sinn und Grund dieser Rechte. Auch der zweite Abschnitt hat mit den internationalen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten und der Entstehung des Sozialstaats, historische Unterkapitel, die zwar nur kurz, aber trotzdem einen Blick in die mitunter komplexe Forschungsthematik gewähren.

Spannend ist der dritte Abschnitt, der für Freunde des Europa- und des Völkerrechts aufschlussreiche Ansichten ans Tageslicht befördert. Ausgehend von den Vereinten Nationen, hier seien explizit die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die Menschenrechts- Pakte und die einhergehenden Konventionen anzuführen, spricht der Autor die vor etwas mehr als 100 Jahren gegründete Internationale Arbeitsrechtsorganisation, den Europarat und die Europäische Union an. Nicht unwesentlich dabei ist auch hier die Beantwortung der Frage, was international gesetzte wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte leisten.

Im vierten Kapitel beginnt das Herz des Verfassungsrechtlers höher zu schlagen. Anhand der französischen, italienischen und deutschen Verfassung versucht der Autor, die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte festzumachen. Während Frankreich diese Rechte in den Katalog herkömmlicher Menschenrechte einbezieht, findet man sie in Italien in der Arbeitsgesellschaft. Deutschland weist anstatt dieser Rechte das Sozialstaatsprinzip auf. Darüber hinaus werden im ersten Abschnitt ganz kurz Verfassungen ohne diese Rechte umrissen. Allgemeine Kennzeichen in den Verfassungen, die Rechte auf Arbeit, sozialen Schutz, wie etwa auf soziale Sicherheit und Gesundheit, werden offensichtlich erklärt.

Eichenhofer hebt im vorletzten Kapitel einmal mehr hervor, dass die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte als Grundrechte anzusehen und als solche auszuweisen seien. Abgerundet wird dieser Abschnitt mit einem Blick auf den unterbewerteten und oft ungewürdigten Art 1 II des deutschen Grundgesetzes, aber auch auf das Grundgesetz, das gemäß der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte, die nicht aus der Naturrechtstradition folgen, international einmalig und unklar seien. Letztere wären, so der Autor, in Deutschland kaum bekannt und es besteht außerdem der Einklang, dass sie niemals sinnvoll umschrieben werden könnten, weshalb es sich kaum lohne, sich ihrer anzunehmen. 75

Abgerundet wird das sehr gute Buch mit einem Fokus auf die rechtspolitische Praxis und dem Antwortversuch auf die Frage, warum die Rechtspraxis sich für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte zu interessieren habe. Bedeutende Beispiele für das Arbeits- und Sozialrecht und das Heben des Horizonts, um den eigenen Blick zu weiten und schärfen, dürfen selbstredend nicht fehlen. Alles in allem muss man betonen, dass die Aufnahme dieser Rechte für die Praxis der Judikatur, Verwaltung und Gerichtsbarkeit von enormer Bedeutung seien.

Die Leitfrage, inwiefern das Grundgesetz keine wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte aufweist, zieht sich wie ein roter Faden durch das ganze Buch. Man kann selbstredend die Übereinkünfte der Entstehungsgeschichte miteinbeziehen, aber gerechtfertigt wird die teilweise markante Ignoranz deswegen nicht. Schenkt man dem deutschen Verfassungsrecht Glauben, so seien die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte des planmäßigen Standorts zuwider und eher widerspruchsvoll oder gar subjektivrechtlich zu deuten. Wer sie fordert oder verständlich machen möchte, muss klar aufzeigen, dass sie vom übernationalen Geist erfüllt sind und als solche zu verstehen sind. Eine ausführliche Durchführung dieser Menschenrechte muss ein Bedürfnis aller sein, da sie mehr als nur die Lebensbedingungen der Menschen entfalten und ihre Autonomie sichern können.

Zudem muss man zur Erkenntnis gelangen, dass die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte nicht das Ziel verfolgen, die innere Staatskohäsion zu sichern und die Gesellschaft von einer bilateral stützenden Gesellschaft abhängig zu machen. Vielmehr ist es zweckmäßig, das eigene Leben selbstbestimmt, sicher, soldidarisch und würdevoll zu gestalten und nach diesen Prinzipien das eigene Dasein auszurichten. Es gibt in jedem Land ein Arbeits- und Sozialrecht, das bisweilen menschenrechtliche Züge aufweist und demnach ausgerichtet ist. Dank des Rechtsvergleichs kann man zur Einsicht gelangen, dass die staatsrechtliche Gestaltung eine Ausdehnung der Modifikation ans Tageslicht befördert, die dem gegenüber eher klein und überschaubar ist.

So schließt Eichenhofer in seiner keineswegs zu klein geratenen und dessen ungeachtet sehr guten Studie mit dem Hinweis, dass die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte in ihren Fundamenten internationales Recht seien. Sie bestimmen für die Weltgesellschaft durch das Recht den Rahmen, in dem sie als eine belangvolle Materie aller Menschenrechte für alle zu sichern wären und gesichert seien. Erst so kann eine ihr Leben prägende Wirklichkeit werden.