TomandlFürsorge- und Treuepflicht im Arbeitsverhältnis – Monografie

Verlag Österreich, Wien 2020, 164 Seiten, broschiert, € 27,–

GERT-PETERREISSNER (GRAZ)

Das vorliegende Buch wird vom Autor, dem hochverdienten Emeritus für Arbeitsrecht und Sozialrecht der Universität Wien, als Monografie bezeichnet und widmet sich demgemäß einem speziellen arbeitsrechtlichen Thema, nämlich den im Arbeitsverhältnis neben Arbeitsund Entgeltpflicht bestehenden Pflichten von AN und AG. Im Mittelpunkt der Abhandlung stehen dabei weniger theoretische Analysen über die Fürsorgepflicht bzw die Treuepflicht(en) als solche, das Hauptaugenmerk wird vielmehr auf die Judikatur zum Thema gelegt.

Die Arbeit ist folgendermaßen aufgebaut: Nach einer kurzen Einleitung „zu diesem Buch“ (S 1 ff) folgen in einem Kapitel 2. Ausführungen zu „Rechts entwicklung und Rechtsquellen“ (S 5-14). Kapitel 3. (S 15-30) betrifft die „Ansatzpunkte der Rechtsprechung“; hier geht es um die Verortung der gegenständlichen Pflichten in den Kategorien des allgemeinen Zivilrechts (als Schutzund Sorgfaltspflichten; S 15 ff, 27 ff), ihre Reichweite bzw ihren Umfang (S 21 ff) und ihre zeitlichen Dimensionen (S 25 f). Es folgen die beiden Hauptteile der Arbeit, das Kapitel 4. zu den „Anwendungsfällen der Fürsorgepflicht“ (S 31-80) und das Kapitel 5. über jene „der Treuepflicht“ (S 81-102), wo primär strukturierte Darstellungen und Analysen der Rsp geboten „[…] werden. Dabei finden auch Bereiche Behandlung, die nur […]“ mehr in einem weiteren Sinn der Fürsorgepflicht (zB Dienstzeugnispflicht, S 72 f; Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung, S 67-69) bzw einer Treuepflicht (zB Konkurrenzklausel als vertragliche Vereinbarung einer nachwirkenden Treuepflicht; S 86-88) zugeordnet werden können. Nach dem Kapitel 6. über die „Rechtsfolgen bei Verletzungen“ der gegenständlichen Pflichten (S 103-142) findet sich eine Anlage mit Gesetzestexten sowie ein Sachregister.

Bei der Lektüre der – wie die ganze Abhandlung – gewohnt flüssig und gut lesbar geschriebenen allgemeineren Ausführungen des Autors zeigt sich nach Auffassung des Unterzeichnenden, dass es sinnvoll wäre, sich wieder einmal mit der theoretischen Grundlegung der gegenständlichen Pflichten zu befassen. An einer entsprechenden Diskussion in den Siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts war Tomandl maßgeblich beteiligt (Tomandl [Hrsg], Treue- und Fürsorgepflicht im Arbeitsrecht [1975], dort der Beitrag des Autors über „Entwicklungstendenzen der Treue- und Fürsorgepflicht in Österreich“; weiters Schwarz/Holzer, Die Treuepflicht des Arbeitnehmers und ihre künftige Gestaltung [1975]; Kramer, Arbeitsvertragsrechtliche Verbindlichkeiten neben Lohnzahlung und Dienstleistung [1975]).

Die Grundfragen beginnen schon mit der völlig veralteten und wenig treffenden bzw aussagekräftigen Terminologie (laut Tomandl „unbestimmte Rechtsbegriffe, deren objektiver Sinn sich nicht sofort erschließt“; S 2), welche überwunden werden sollte. Im Falle der Treuepflichten wäre das wohl nicht weiter schwierig, das Wort „Treue“ findet sich bloß im nicht besonders ernst zu nehmenden § 76 GewO 1859. Der 77 Begriff „Fürsorgepflicht“ steht hingegen immerhin in den Marginalrubriken zu § 1157 ABGB und § 18 AngG (und anderen Sondergesetzen; zur Rechtsentwicklung siehe S 5 ff des zu besprechenden Werkes).

Weiters schwankt die Abhandlung in der Frage, ob von einer Treuepflicht als solcher – iS einer Generalklausel – oder bloß von einzelnen Treuepflichten auszugehen ist (zB schon S 2). Während es im Falle der Fürsorgepflicht zweifellos Generalklauseln in den zitierten Bestimmungen gibt, ist Derartiges in Bezug auf die Treuepflichten nicht zu sehen. Eine umfassende Generalklausel existiert daher mE nicht (so schon Firlei, Geheimhaltungspflichten und Informationsbedürfnis im österreichischen Arbeitsrecht [1976] 25 gegen Tomandl ua). Für die Rechtsanwendung bedeutet das, dass an den einzelnen gesetzlichen Ansatzpunkten, mögen diese auch – wie insb die Vertrauensunwürdigkeit iSd § 27 Z 1 Fall 3 AngG – (engere) Generalklauseln enthalten, anzusetzen ist. Einer rechtlich unrichtigen Überspannung von Nebenpflichten der AN wird damit vorgebeugt (genauer zu alldem auch Reissner, Die arbeitsrechtliche Konkurrenzklausel [1996] 79 ff mwN).

Alles in allem kann gesagt werden, dass das vorliegende Buch sowohl theoretisch als auch insb praktisch mit dem Arbeitsrecht befassten Personen zu empfehlen ist.