LöfflerDer Schutz von Whistleblowern in der Europäischen Union

Jan Sramek Verlag, Wien 2020, XIV, 132 Seiten, broschiert, € 35,–

JOHANNANADERHIRN (LINZ)

Beim vorliegenden Buch handelt es sich um die erweiterte und aktualisierte Fassung der Diplomarbeit des Autors, die an der Universität Innsbruck geschrieben wurde. Das Werk setzt sich mit dem rechtlichen Schutz von Whistleblowern innerhalb der Europäischen Union auseinander, wobei ein Schwerpunkt auf der Whistleblowing-RL liegt. Es soll ausweislich der Angaben im Vorwort ein Einblick in die rechtlichen Aspekte des Whistleblowings gegeben und das Interesse der LeserInnen für dieses spannende und hochaktuelle Thema geweckt werden. Diesen Zielsetzungen wird das Werk jedenfalls gerecht. Bereits in der Einleitung wird festgehalten, dass die Tätigkeit eines Whistleblowers von enormer Wichtigkeit sein kann und sie oftmals den entscheidenden Hinweis für die Aufdeckung von schwerwiegenden Missständen liefern. Auf der anderen Seite gelten Whistleblower häufig als Denunzianten, die sich – wenig überraschend – immer wieder mit Vergeltungsmaßnahmen konfrontiert sehen. David Löffler zeigt auf, dass der Rechtsschutz für Whistleblower (auch) in den Ländern der Europäischen Union noch ausbaufähig ist. Gemäß der Kommission verfügen lediglich zehn Mitgliedstaaten (darunter das mittlerweile aus der EU ausgetretene Vereinigte Königreich) über ausreichende Rechtsvorschriften zum Schutz von Whistleblowern, wobei Österreich hier nicht dabei ist.

Im I. Kapitel geht der Autor ausführlich auf den Begriff des Whistleblowings ein. Hier fällt bereits die Vielfalt der verarbeiteten Literatur positiv auf. Eine Frage ist, ob die Motivation des Whistleblowers bei der Beurteilung seiner Schutzwürdigkeit eine Rolle spielen soll. Der Autor verneint dies im Anschluss an Lehrmeinungen, wobei das Argument herangezogen wird, dass es für das öffentliche Interesse unerheblich ist, aus welchen Gründen ein Whistleblower handelt. Dieser solle geschützt werden, sofern der gemeldete Verstoß sachlich zutrifft oder zumindest ein begründeter Verdacht besteht. ME ist gerade im vorliegenden Zusammenhang auch von besonderer Bedeutung, ob der Whistleblower – soweit möglich und zumutbar – bei der Aufdeckung eines Missstandes schonend vorgegangen ist und sich nicht etwa gleich an die Presse gewandt hat. Letzteres wäre gerade bei einem auf Rache sinnenden Whistleblower denkbar. Auch die Whistleblowing-RL trägt diesem Aspekt dadurch Rechnung, dass der Whistleblower gem Art 15 bei Offenlegung (= öffentliches Zugänglichmachen) von Informationen über Verstöße nur unter bestimmten Voraussetzungen Schutz im Rahmen der RL genießt. Eine Voraussetzung ist hier, dass er zunächst erfolglos intern bzw extern Meldung erstattet hat. Problematisch sind aber insb auch Fälle, in denen der AN dem AG mit einer Anzeige droht, um gegenüber ihm Vorteile zu erlangen (vgl näher Naderhirn, DRdA 2014, 20 f). Löffler zeigt in der Folge die verschiedenen Arten des Whistleblowings auf. Während internes Whistleblowing häufig „ins Leere geht“, ist externes Whistleblowing aus offensichtlichen Gründen ungleich effektiver. Der Autor verweist jedoch auf Studien, die zeigen, dass externes Whistleblowing eher die Ausnahme darstellt. Bemerkenswert ist, dass entgegen naheliegender Annahmen anonymes Whistleblowing zumindest nach den letzten Whistleblowing-Reports zu keiner höheren Anzahl an missbräuchlichen Meldungen führen dürfte. Interessant sind auch die Ausführungen zu den Whistleblowing-Regelungen im „Mutterland des Whistleblowings“, nämlich den USA.

In der Folge widmet sich der Autor der Implementierung von Hinweisgebersystemen in Unternehmen und zeigt die diversen Arten und Vorteile solcher Systeme auf.

Im II. Kapitel steht der Schutz von Whistleblowern auf internationaler Ebene im Mittelpunkt. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass gemäß des – auch von Österreich ratifizierten – Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Korruption (UNCAC) die Vertragsparteien lediglich „erwägen“ sollen, Bestimmungen zum Schutz von Whistleblowern zu verankern. Zudem bezieht sich das Übereinkommen nur auf bestimmte Straftaten. Schutz bietet jedoch auch das Zivilrechtsübereinkommen über Korruption. Breiten Raum nimmt im II. Kapitel die Entscheidung des EGMR im Fall Brigitte Heinisch ein. Zutreffend ist dabei der Hinweis des Autors, dass die Verfahrensdauer von mehr als sieben Jahren in diesem Fall zeigt, welchen Belastungen Whistleblower infolge ihrer Meldungen ausgesetzt sein können. Von besonderer Bedeutung ist, dass der EGMR Whistleblowing ausdrücklich als in den Anwendungsbereich von Art 10 EMRK fallend angesehen hat. Dies ist für Österreich speziell relevant, da die EMRK hier im Verfassungsrang steht. Ausführlich beleuchtet der Autor die Bedeutung der E Heinisch für die Europäische Union. Diese Rsp des EGMR ist aufgrund von Art 52 Abs 3 GRC auch für die EU von Relevanz. Nach den Erläuterungen des Präsidiums des Europäischen Konvents zu Art 52 GRC entspricht Art 11 GRC dem Art 10 EMRK. Daraus lässt sich nach überzeugender Ansicht des Autors ableiten, dass Hinweisgeber auch durch Art 11 GRC geschützt werden.

Im III. Kapitel geht Löffler ausführlich auf die Rechtslage in der Europäischen Union ein. Er zeigt zunächst auf, dass es im Unionsrecht vor allem auf dem Finanzdienstleistungssektor einige – gar nicht so wenige – Rechtsakte gibt, die einzelne Regelungen zum Whistleblowing enthalten. Genauer wird hier etwa auf die Marktmissbrauchs-VO eingegangen und dabei auch darauf hingewiesen, dass Art 32 Abs 4 Marktmissbrauchs-VO den Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen die Einführung einer finanziellen Belohnung für Whistleblower ermöglicht. Nach Ansichten in der Lehre, denen sich die Rezensentin prinzipiell anschließt, sind solche Belohnungen aus verschiedenen Gründen problematisch. Der Autor wägt Vor- und Nachteile einer finanziellen Belohnung ab, steht einer solchen aber durchaus positiv gegenüber, wobei er unter Heranziehung von Lehrmeinungen Möglichkeiten zur Hintanhaltung von Missbräuchen präsentiert. Auch die Geschäftsgeheimnis- RL findet Beachtung. Der Schutz des Whistleblowers gilt gem Art 5 lit b dieser RL nur, wenn die Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses zur Aufdeckung eines beruflichen oder sonstigen Fehlverhaltens oder einer illegalen Tätigkeit erfolgt ist und der Whistleblower in der Absicht handelte, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen. Aufgrund des Abstellens auf die Motiva- 81tion von Whistleblowern eignet sich die Bestimmung des Art 5 lit b nach Ansicht des Autors allerdings nur bedingt dazu, ihnen Schutz zu bieten. Auch hier stellt sich natürlich wieder die Frage nach der praktischen Beweisbarkeit der Motivation des Whistleblowers. Löffler weist darauf hin, dass bei einem engen Verständnis des Wortlauts Art 5 lit b tatsächlich ein Fehlverhalten oder eine illegale Tätigkeit voraussetzt, wobei mE eine solche Lesart nicht zwingend ist. Der Autor kommt in Anlehnung an Lehrmeinungen zu Recht zum Ergebnis, dass schon der gutgläubige Whistleblower geschützt ist. Er beruft sich dabei auf ErwG 20 der Geschäftsgeheimnis-RL sowie auf Art 10 EMRK.

Im Anschluss daran geht der Autor auf die Rechtslage in den Mitgliedstaaten ein. Für österreichische LeserInnen besonders interessant sind die Ausführungen zur Rechtslage in Österreich, die auf S 47 beginnen. Für den Schutz von Whistleblowern spielt hierzulande insb die Rsp des OGH zur Verschwiegenheitspflicht des AN eine wichtige Rolle. Der OGH sieht in der Meldung an einen Geschäftspartner ein gelinderes Vorgehen als im Erstatten einer Strafanzeige. Dies bezweifelt der Autor mit dem Hinweis, dass im ersten Fall die größere Gefahr besteht, dass ein vermeintlicher Missstand an die Öffentlichkeit gelangt und es zu einer Rufschädigung kommt. Im österreichischen Recht gibt es einen konkreten Schutz für Whistleblower vor Vergeltungsmaßnahmen etwa nach § 99g Bankwesengesetz (BWG), § 159 BörseG und § 26d UWG (BG gegen den unlauteren Wettbewerb). Im Übrigen müsse ein AN als Whistleblower auf das allgemeine Arbeitsrecht zurückgreifen, um Vergeltungsmaßnahmen zu bekämpfen. So kann eine Entlassung unberechtigt oder eine Kündigung sittenwidrig sein. Auch § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG kommt in Betracht. Diese Ausführungen des Autors zum Arbeitsrecht sind eher knapp gehalten, was angesichts der Schwerpunktsetzung des Buches aber auch verständlich ist. Nach einem Überblick über behördliche Hinweisgebersysteme in Österreich folgt ein Zwischenfazit, ehe im V. und VI. Kapitel ausführlich auf die Whistleblowing-RL eingegangen wird. Interessant und gut recherchiert sind die Ausführungen des Autors zur Entstehungsgeschichte dieser RL.

Im VI. Kapitel stehen die einzelnen Bestimmungen der Whistleblowing-RL im Mittelpunkt. Der Autor zeigt das Problem auf, dass nur die Meldung von Verstößen in Bezug auf bestimmte Rechtsbereiche von der Whistleblowing-RL erfasst ist (vgl Art 2 Abs 1), wobei bei den Bereichen nach lit a (zB Finanzdienstleistungen, Umweltschutz, öffentliche Gesundheit etc) der gemeldete Verstoß zusätzlich in den Anwendungsbereich eines der im Anhang der RL aufgezählten Unionsrechtsakte fallen muss (etwa der Produktsicherheits-RL oder der Umwelthaftungs-RL). Richtig weist der Autor darauf hin, dass dies für einen Whistleblower häufig nicht leicht erkennbar ist. Allerdings reicht gemäß der Whistleblowing- RL Gutgläubigkeit auch hinsichtlich des sachlichen Anwendungsbereichs aus. Dass der AN-Schutz nicht in der Aufzählung des Art 2 Abs 1 Whistleblowing-RL enthalten ist, verwundert. Dem Verfasser ist Recht zu geben, dass es zweifelhaft ist, ob die Arbeitsschutz-Rahmen-RL hier ausreichenden Schutz für den Whistleblower bietet. Mit Spannung bleibt abzuwarten, ob es tatsächlich zu einer entsprechenden Ausweitung der RL kommt. Nach Ausführungen beispielsweise zum Verhältnis der Whistleblowing-RL zu anderen Rechtsakten, wendet sich Löffler dem persönlichen Anwendungsbereich der RL zu. In der Folge wird ausführlich auf die Pflicht zur Implementierung interner Meldesysteme eingegangen. Besonders bedeutsam für die Praxis ist die Tatsache, dass dem Whistleblower nach Eingang seiner Anzeige eine Empfangsbestätigung zu übersenden und ihm innerhalb einer Frist von höchstens drei Monaten ab Übersendung der Empfangsbestätigung Rückmeldung über die weitere Vorgehensweise bezüglich seines Hinweises zu geben ist. Damit wird zumindest in bestimmtem Umfang sichergestellt, dass die Meldung des Whistleblowers nicht von vornherein „im Sand verläuft“. In seinen weiteren Ausführungen legt der Autor dar, dass einer der meistdiskutierten Punkte bei der Entstehung der RL war, ob der Whistleblower zunächst prinzipiell das interne Meldesystem benützen muss. Er begrüßt das in der RL letztlich statuierte Wahlrecht des Whistleblowers zwischen internen und externen Meldekanälen.

Wegen der in Österreich diesbezüglich nicht eindeutigen Rechtslage weist Goricnik (DRdA 2021, 359) hier zu Recht auf die Notwendigkeit einer klaren gesetzlichen Umsetzung der RL hin. Ein Kern der RL ist auch das Verbot von Vergeltungsmaßnahmen. Es gibt hier einen demonstrativen Katalog von verbotenen Maßnahmen, bei dem arbeitsrechtliche Aspekte – naturgemäß – stark im Vordergrund stehen (Verbot von Kündigungen, Versetzungen, negativen Leistungsbeurteilungen etc). Zu Recht hebt der Autor in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit einer sorgfältigen und umsichtigen Umsetzung durch die Mitgliedstaaten hervor. IdR wird es tatsächlich so sein, dass ein Whistleblower, dessen Arbeitsverhältnis vom AG aufgrund des Whistleblowings beendet wurde, kein Interesse an einer Rückkehr an seinen Arbeitsplatz hat. Die Einräumung eines Wahlrechts des AN zwischen dem Begehren auf Wiedereinstellung und Schadenersatz (der von Löffler gebrauchte Begriff der Kündigungsentschädigung ist hier etwas irreführend, wenn dies nicht näher erklärt wird) wäre jedenfalls zu begrüßen, wobei sich wie im Gleichbehandlungsrecht die Frage nach der Höhe des Schadenersatzes sowie nach dem Schadenersatzanspruch bei erfolgreicher Anfechtung stellen würde (vgl Hopf/Mayr/Eichinger/Erler, GlBG2 § 12 GlBG Rz 85 ff). In einem früheren Initiativantrag ua zur Einführung eines § 7a AVRAG, in welchem ein Schutz für Whistleblower geregelt werden sollte, war allerdings nur die Anfechtbarkeit von Kündigungen und Entlassungen vorgesehen (vgl 8/A 26. GP – Textgegenüberstellung zum Initiativantrag der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/A/A_00008/fnameorig_695894.htmlhttps://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVI/A/A_00008/fnameorig_695894.html). Ausführungen zur Umsetzung der RL und ein Resümee sowie diverse Verzeichnisse runden das Werk ab. Das besondere Verdienst des Autors ist die Zusammenstellung der doch sehr zahlreichen, aber zersplitterten Regelungen betreffend Whistleblowing, deren Vielfalt dem/ der LeserIn dadurch deutlich bewusst wird. Die Arbeit ist verständlich und gut geschrieben und nachvollziehbar aufgebaut. Kleine Kritikpunkte sind das Fehlen des Kommentars von Holoubek/Lienbacher zur GRC sowie der Umstand, dass – wie so oft – der Name von Wolligger falsch geschrieben wird. Insgesamt lässt sich festhalten, dass Löffler eine sehr beachtenswerte Diplomarbeit vorgelegt hat. 82