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Anrechnung der Arbeiterdienstzeiten für die Entgeltfortzahlung bei Übernahme ins Angestelltenverhältnis

REINHARDMINDEROCK (LINZ)
  1. Für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall eines AN sind als Dienstzeiten iSd § 8 Abs 1 AngG sämtliche Zeiten des aufrechten ununterbrochenen Dienstverhältnisses zum selben AG zu berücksichtigen, also auch Zeiten des AN als Arbeiter.

  2. Eine unterschiedliche Behandlung von Arbeiterund Angestelltendienstzeiten ergibt sich weder aus dem Wortlaut des § 8 AngG, der nicht einschränkend auf „Dienstzeiten als Angestellter“ abstellt, noch aus der mit der Gesetzesänderung BGBl I 2017/153 verfolgten Intention des Gesetzgebers, das Entgeltfortzahlungsrecht der Angestellten und Arbeiter anzugleichen.

[1] Die Kl war bei der Bekl von 17.9.2018 bis 15.12.2019 beschäftigt, und zwar zunächst als Arbeiterin und ab 1.5.2019 als Angestellte. Anlässlich des Wechsels der Kl in das Angestelltenverhältnis wurde in einer neuen Vertragsurkunde vom 17.4.2019 hinsichtlich „Beginn und Dauer“ festgehalten (Pkt 1.): „Das Dienstverhältnis begann am 17.9.2018 als Arbeiterin in der Abteilung Bewachung. Ab 1.5.2019 wird das Dienstverhältnis in ein Angestelltendienstverhältnis umgewandelt.“

[2] Von 21.6.2019 bis zumindest 15.12.2019 befand sich die Kl im Krankenstand. Die Bekl zahlte ihr an Entgeltfortzahlung ab Beginn des Krankenstands über sechs Wochen (bis 1.8.2019) das volle und über weitere vier Wochen (bis 30.8.2019) das halbe Entgelt.

[3] Mit der vorliegenden Klage begehrt die Kl eine weitere Entgeltfortzahlung [...] für den Zeitraum von 17.9.2019 bis 15.12.2019. Da ihr zweites Arbeitsjahr mit 17.9.2019 begonnen habe, habe sie ab diesem Zeitpunkt einen weiteren Anspruch auf ein volles Entgeltfortzahlungskontingent von acht Wochen voller und vier Wochen halber Entgeltfortzahlung erworben. Zwischen den Parteien habe seit 17.9.2018 durchgehend ein einheitliches Dienstverhältnis bestanden.

[4] Die Bekl bestritt das Klagebegehren dem Grunde nach und wandte ein, dass der Tag der Übernahme der Kl in das Angestelltenverhältnis (1.5.2019) als Beginn des Arbeitsjahres anzusehen sei. Mit der Übernahme der Kl in das Angestelltenverhältnis sei ein neuer Dienstvertrag abgeschlossen worden.

[5] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Zwischen den Parteien habe ein einheitliches Dienstverhältnis bestanden, das durch den Wechsel der Kl in das Angestelltenverhältnis nicht unterbrochen gewesen bzw beendet worden sei. Das Dienstverhältnis sei mit 1.5.2019 lediglich von einem Arbeiter- in ein Angestelltenverhältnis „umgewandelt“ worden. Damit habe die Kl gem § 8 Abs 1 AngG aufgrund der Dauer des Dienstverhältnisses von über einem Jahr ab Beginn des neuen Arbeitsjahres (17.9.2019) einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung auf das volle Entgelt für acht Wochen und auf das halbe Entgelt für vier Wochen.

Wochen. [6] Das Berufungsgericht teilte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts und gab der Berufung der Bekl nicht Folge. Es erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil zum Begriff des Arbeitsjahres iSd § 8 AngG bei Übernahme eines bisher als Arbeiter beschäftigten DN als Angestellter noch keine oberstgerichtliche Rsp vorliege.

[7] In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Bekl die Abänderung des Berufungsurteils iS einer Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[8] Die Kl beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision der Bekl zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

[9] Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Sie ist jedoch nicht berechtigt.

[10] 1. Die Bekl macht zum einen geltend, dass die Parteien mit Übernahme der Kl in das Angestelltenverhältnis ein neues Dienstverhältnis abgeschlossen hätten, und zum anderen, dass Vordienstzeiten eines Arbeiterdienstverhältnisses beim selben DG nicht auf Anspruchszeiträume nach § 8 AngG anzurechnen seien.

[11] Dazu hat der Senat Folgendes erwogen:

[12] 1. Aufgrund des Wortlauts [...] der zwischen den Parteien errichteten Vertragsurkunden wurde das seit 17.9.2018 aufrecht bestandene Arbeiterdienstverhältnis mit 1.5.2019 in ein Angestelltendienstverhältnis „umgewandelt“. Damit wurde lediglich eine Vertragsänderung vorgenommen, das Vertragsband zwischen den Parteien bestand aber ununterbrochen weiter. [...]

[13] 2. § 8 Abs 1 AngG in der hier anzuwendenden Fassung BGBl I 2017/153BGBl I 2017/153 lautet:

„Ist ein Angestellter nach Antritt des Dienstverhältnisses durch Krankheit oder Unglücksfall an der Leistung seiner Dienste verhindert, ohne dass er die Verhinderung vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat, so behält er seinen Anspruch auf das Entgelt bis zur Dauer von sechs Wochen. Der Anspruch auf das Entgelt beträgt, wenn das Dienstverhältnis ein Jahr gedauert hat, jedenfalls acht Wochen; es erhöht sich auf die Dauer von zehn Wochen, wenn es fünfzehn Jahre, und auf zwölf Wochen, wenn es fünfundzwanzig Jahre ununterbrochen gedauert hat. Durch je weitere vier Wochen behält der Angestellte den Anspruch auf das halbe Entgelt.“

[14] 2.1. Die Frage, ob ein DN mindestens ein Jahr in einem Angestelltendienstverhältnis zum DG gestanden haben muss, um Anspruch auf die nach § 8 Abs 1 Satz 2 AngG erhöhte Dauer der Entgeltfortzahlung zu haben, wurde vom OGH bislang nicht beantwortet. [...]

[17] 3. Die Gesetzesmaterialien betonen die Angleichung der Entgeltfortzahlung von Angestellten und Arbeitern (IA 2306/A 25. GP 7). 252

[18] 4. Im Schrifttum wird die hier strittige Frage nahezu einheitlich beantwortet:

[19] 4.1. Nach Holzer (in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 8 [Stand 1.10.2013] Rz 28 unter Bezugnahme auf Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht I4 [1998] 292) seien für die Berechnung der maßgeblichen Dienstzeit nach § 8 AngG sowohl Arbeiterdienstzeiten als auch Angestelltendienstzeiten, die beim selben DG unmittelbar vorausgegangen seien, zu berücksichtigen.

[20] 4.2. Ausgehend vom Wortlaut des § 8 Abs 1 vorletzter Satz („wenn das Dienstverhältnis fünf Jahre gedauert hat“) vertritt auch Melzer-Azodanloo (in Löschnigg, AngG10 § 8 Rz 171) die Auffassung, dass alle im aktuellen Dienstverhältnis zurückgelegten Zeiten auf Arbeitsvertragsbasis als voll anspruchsbegründend anzusehen seien, dh auch jene, in denen der Angestellte als Arbeiter (AN, der der GewO 1859, dem ABGB etc unterliege) oder als Lehrling beschäftigt gewesen sei. Dass für Lehrlinge und Arbeiter das AngG und im Speziellen seine Entgeltfortzahlungsbestimmungen nicht gelten würden, schließe nämlich ebenso wenig wie der Ausbildungscharakter des Lehrverhältnisses aus, dass die Zeiten als „Nicht-Angestellter“ beim selben DG von der Formulierung „wenn das Dienstverhältnis ... Jahre gedauert hat“ erfasst seien. Zudem sprächen insb der Zweck der nach der Dienstzeit gestaffelten Entgeltfortzahlungsdauer, dh die Belohnung der Betriebstreue, sowie die gesetzgeberischen Gleichstellungsmaßnahmen in den letzten Jahren für die Anerkennung aller Vordienstzeiten in persönlicher Abhängigkeit beim bisherigen AG unabhängig von der AN-Gruppe.

[21] 4.3.Burger (in Reissner, AngG3 § 8 Rz 46) kommt bei seinen Überlegungen zum selben Ergebnis, weil § 8 AngG nicht auf die Art des Dienstverhältnisses abstelle. Es stimme zwar, dass Arbeiter nicht dem Regime des AngG unterliegen würden, doch sei der Begriff der Dienstzeit nicht allein auf Beschäftigungszeiten im Regime des AngG beschränkt.

[22] 4.4.Drs (in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 8 AngG Rz 91) verweist ebenfalls darauf, dass als Dienstzeiten grundsätzlich sämtliche Zeiten des aufrechten Arbeitsverhältnisses zum selben AG gelten, daher ua auch Zeiten als Arbeiter.

[23] 4.5. Auch nach Schrenk (Angleichung und Erhöhung des Entgeltfortzahlungsanspruchs per 1.7.2018 – Sonderfragen zu Angestellten und Lehrlingen, ARD 6603/5/2018 [Pkt 2.2.]), Glowacka (Angleichung Arbeiter – Angestellte bei der Entgeltfortzahlung, ZAS 2017, 339) und Schindler (Rechtsangleichung im Entgeltfortzahlungsrecht der Arbeiter und Angestellten, DRdA 2021, 105 [Pkt 4.4.]) habe bei einem ununterbrochenen Arbeitsverhältnis (zuerst als Arbeiter und dann als Angestellter) eine Anrechnung zu erfolgen.

[24] 4.6. Soweit ersichtlich sieht lediglich Schrank (Antworten auf 4 Spezialfragen rund um die Angleichung Arbeiter und Angestellte, PVP 2018, 217) im Wechsel aus dem EFZG ins AngG ein Zurückfallen des EFZ-Anspruchs auf die Dauer von sechs Wochen. Dieses vom Gesetzgeber nicht bedachte Ergebnis könnte aber dann beeinflusst werden, wenn die neue Tätigkeit des AN eine gewollte Besserstellung für die bisherige Betriebstreue sei.

[25] 5. Der Senat schließt sich der überwiegenden Auffassung im Schrifttum an, wonach § 8 Abs 1 AngG so auszulegen ist, dass als „Dienstzeiten“ grundsätzlich sämtliche Zeiten des aufrechten Arbeitsverhältnisses zum selben AG gelten, also auch Zeiten des AN als Arbeiter. Eine unterschiedliche Behandlung von Arbeiter- und Angestelltendienstzeiten ergibt sich weder aus dem Wortlaut des § 8 AngG, der nicht einschränkend auf „Dienstzeiten als Angestellter“ abstellt, noch aus der mit der Gesetzesänderung BGBl I 2017/153 verfolgten Intention des Gesetzgebers, das Entgeltfortzahlungsrecht der Angestellten und Arbeiter anzugleichen.

[26] 6. Zusammengefasst sind als „Dienstzeiten“ iSd § 8 Abs 1 AngG grundsätzlich sämtliche Zeiten des aufrechten ununterbrochenen Dienstverhältnisses zum selben DG zu verstehen, also auch Zeiten des DN als Arbeiter. Das neue Arbeitsjahr der Kl begann im vorliegenden Fall daher am 17.9.2019. Mit diesem Zeitpunkt hat die Kl einen neuen Entgeltfortzahlungsanspruch.

[...]

ANMERKUNG
1.
Einleitung

Die vorliegende E des OGH behandelt erstmals die Frage, ob für den Anspruch auf Entgeltfortzahlung gem § 8 Abs 1 AngG bei einer Übernahme von einem Arbeiter- in ein Angestelltenverhältnis alleine die Zeiten der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Angestellter maßgeblich oder unmittelbar vorangehende Zeiten als Arbeiter ebenfalls zu berücksichtigen und entsprechend anzurechnen sind. Der OGH schloss sich in der Begründung der weit überwiegenden Auffassung des Schrifttums an, das die Frage der Zusammenrechnung „nahezu einheitlich“ bejaht. Nach den Ausführungen der Vorinstanzen sowie den deutlichen Stellungnahmen in der Literatur vermag die E des OGH deshalb wenig zu überraschen. Am Ende war die Kl schließlich in allen drei Instanzen erfolgreich.

Der OGH wählt in seiner rechtlichen Begründung allerdings die Formulierung, dass „sämtliche Zeiten des aufrechten ununterbrochenen Arbeitsverhältnisses“ zusammenzurechnen seien. In der vorliegenden Konstellation wurde das Arbeiter- in ein Angestelltenverhältnis „umgewandelt“. Es lag daher ein solches einheitliches – ununterbrochenes – Arbeitsverhältnis vor.

Daran anknüpfend stellt sich nun aber auch die weiterführende Frage, was schließlich gelten soll, wenn das Arbeitsverhältnis nicht – wie im vorliegenden Fall – bloß „umgewandelt“ wird, sondern das Arbeiterverhältnis beendet wird und daher das Angestelltenverhältnis notwendigerweise neu beginnen muss. Soll eine (kurze) Unterbrechung tatsächlich im Hinblick auf § 8 Abs 1 AngG jedenfalls ein anderes Ergebnis liefern? Zumindest der 253 Wortlaut dieser Bestimmung, der auf „das Dienstverhältnis“ abstellt, würde dies nahelegen und eine Nichtberücksichtigung von Dienstzeiten vorheriger Dienstverhältnisse tragen. Auf diesen Aspekt wird daher nach einer kurzen Analyse der vorliegenden E noch eingegangen werden.

2.
Ausgangslage und Entscheidung

Das Berufungsgericht hat die ordentliche Revision deshalb für zulässig erklärt, weil zum Begriff des Arbeitsjahres iSd § 8 AngG bei Übernahme eines Arbeiters als Angestellter noch keine oberstgerichtliche Rsp vorlag. Für den OGH sowie die Vorinstanzen hatte für diese Frage entscheidende Bedeutung, dass das vorliegende Arbeitsverhältnis von einem Arbeiter- in ein Angestelltenverhältnis bloß „umgewandelt“ wurde. In einer bloßen Umwandlung ist nämlich keine Beendigung und somit auch kein Neubeginn eines Dienstverhältnisses zu erblicken, sondern liegt vielmehr ein einziges einheitliches und ununterbrochenes Dienstverhältnis vor. Dies ist im Wesentlichen für den Ausgang des Falles entscheidend. Liegt nun ein einheitliches Dienstverhältnis vor, das bloß umgewandelt wurde, begann das Arbeitsjahr am Beginn dieses Dienstverhältnisses. Genau betrachtet stellt sich daher bei einem einheitlichen und ununterbrochenen Dienstverhältnis die vom Berufungsgericht für die Revisionszulassung maßgebliche Frage nach dem Beginn des Arbeitsjahres gar nicht. Es gibt schließlich nur ein einziges Dienstverhältnis.

Die daran anschließende Frage ist aber, ob nun § 8 Abs 1 AngG für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall erfordert, dass zwingend Dienstzeiten als Angestellter in einem bestimmten Ausmaß zurückgelegt wurden? Denn, dass ein ununterbrochenes Dienstverhältnis vorliegt, müsste schließlich noch nicht zwingend bedeuten, dass auch die gesamte Zeit dieses einheitlichen Dienstverhältnisses im Hinblick auf § 8 Abs 1 AngG tatsächlich auch anzurechnen ist. Denkbar wäre grundsätzlich auch, dass für die Entgeltfortzahlung nur die Zeiten des Angestelltenverhältnisses angerechnet werden.

Eine solche Lösung wird aber schon – wie der OGH in der vorliegenden E ausdrücklich betont, vgl Rz 25 – am Wortlaut des § 8 Abs 1 AngG scheitern müssen, der neutral das „Dienstverhältnis“ nennt und nicht etwa „Zeiten als Angestellter“. Zudem würde mit einer anderen Auslegung der Zweck der Angleichung der Entgeltfortzahlung von Arbeitern und Angestellten unterlaufen werden (vgl IA 2306/A 25. GP 7).

Im Ergebnis ist daher festzuhalten: Liegt bei Übernahme eines Arbeiters in ein Angestelltenverhältnis ein ununterbrochenes einheitliches Dienstverhältnis zum selben AG vor, so sind sämtliche Zeiten dieses Dienstverhältnisses sowohl als Arbeiter als auch als Angestellter im Hinblick auf § 8 Abs 1 AngG zu berücksichtigen. Die vorliegende E hat diese Frage im Einklang mit dem weit überwiegenden Schrifttum geklärt.

3.
Was gilt nun aber bei einem unterbrochenen Arbeitsverhältnis?

Der OGH stellt mit der Formulierung „sämtliche Zeiten des aufrechten ununterbrochenen Arbeitsverhältnisses“ maßgeblich darauf ab, dass das Arbeitsverhältnis bloß „umgewandelt“ wurde. Mit der daran anschließenden Frage, ob die Rechtsfolge eine andere wäre, wenn das Arbeitsverhältnis (auch nur ganz kurz) unterbrochen worden wäre, musste er sich nicht auseinandersetzen.

Vor allem jene Fall-Variante, dass die Vertragsparteien den Arbeitervertrag beenden und unmittelbar anschließend das Angestelltenverhältnis neu beginnen lassen, bedarf daher einer näheren Betrachtung. Soll es nun in einem solchen Fall tatsächlich für den Entgeltfortzahlungsanspruch gem § 8 Abs 1 AngG entscheidend darauf ankommen, dass die Parteien bei der Übernahme eines Arbeiters in ein Angestelltenverhältnis das Arbeitsverhältnis bloß „umwandeln“ anstatt es zu beenden und unmittelbar anschließend neu beginnen lassen? Oder des Weiteren: Soll bereits eine kurze (zB nur wenige Tage dauernde) Unterbrechung zwischen den beiden Arbeitsverhältnissen in jedem Fall einen ergebnisrelevanten Unterschied für die Entgeltfortzahlung machen? Zumindest wenn man sich streng am Wortlaut des § 8 AngG orientiert, scheinen kurze Unterbrechungen nämlich bereits zu einer Nichtberücksichtigung vorangehender Dienstzeiten zu führen, zumal diese Bestimmung alleine auf „das Dienstverhältnis“ abstellt.

Ein Blick auf die hier wesentliche Novellierung von § 8 AngG mit BGBl I 2017/153BGBl I 2017/153 gibt etwas mehr Aufschluss. Mit dieser Novelle wurde zwar die Entgeltfortzahlung der Angestellten bei Krankheit oder Unglücksfall an die Systematik der Entgeltfortzahlung der Arbeiter nach dem EFZG angeglichen. Nicht übernommen wurde allerdings die Regelung des § 2 Abs 3 EFZG, wonach Dienstzeiten beim selben AG zusammenzurechnen sind, wenn die Unterbrechung der Dienstverhältnisse nicht länger als 60 Tage gedauert hat und das Arbeitsverhältnis weder vom AN gekündigt wurde noch durch Austritt ohne wichtigen Grund oder durch eine vom AN verschuldete Entlassung gelöst wurde. Die Materialien zur Angleichung mit BGBl I 2017/153BGBl I 2017/153 (IA 2306/A 25. GP 7) schweigen aber darüber, ob dies bewusst so vorgenommen wurde. Allerdings sprechen sie auch deutlich von einer „Angleichung der Entgeltfortzahlung der Angestellten [...] an die Systematik der Entgeltfortzahlung der Arbeiter [...]“. Aus diesem Grund vertritt ein Teil der Lehre (die auch der OGH in der gegenständlichen E zitiert, vgl beispielsweise Löschnigg, Arbeitsrecht13 [2017] Rz 6/636; Drs in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 8 AngG Rz 91; Melzer-Azodanloo in Löschnigg, AngG I10 § 8 Rz 169; vgl auch Schindler, DRdA 2021, 105 [109]) für Angestellte eine Analogie zu § 2 Abs 3 EFZG, sodass auch die Zeiten der Angestellten beim selben AG trotz Unterbrechung entsprechend zusammenzurechnen sind. Allerdings ist durchaus fraglich, ob eine für eine Analogie notwendige planwidrige Gesetzeslücke überhaupt vorliegt, schließlich hat der Gesetzgeber Teile des § 2 EFZG 254 sehr wohl in das AngG übertragen, Abs 3 jedoch „sehenden Auges“ nicht (eine Analogie ablehnend daher F. Burger in Reissner, AngG3 § 8 Rz 46; Glowacka, ZAS 2017/66, 339).

Zur Subsumtion von unterbrochenen Arbeitsverhältnissen unter § 8 Abs 1 AngG ist eine Analogie zu § 2 Abs 3 EFZG aber gar nicht notwendig. In der Rsp findet man nämlich auch abseits der Entgeltfortzahlung Ansätze, die für eine Zusammenrechnung von Zeiten unterbrochener Arbeitsverhältnisse sprechen, zu einem anderen dienstzeitabhängigen Anspruch – und zwar zur Abfertigung alt gem § 23 Abs 1 AngG. So hat der OGH iZm der Berechnung eines Abfertigungsanspruches eine Unterbrechung von drei Tagen (darunter ein Arbeitstag) als unschädlich erachtet – es bestand trotz dieser Unterbrechung noch eine „unmittelbare Aufeinanderfolge von Arbeitsverhältnissen“ (OGH9 ObA 98/87 ZAS 1989/8 [Zeiler]). Ebenfalls iZm einer Abfertigung erachtete der OGH in 9 ObA 262/97p

infas 1998 A 9
eine Unterbrechung von elf Tagen und in OGH8 ObA 202/97g von 16 Tagen zwischen den Arbeitsverhältnissen als unschädlich, wobei er jeweils auf eine „sachliche Zusammengehörigkeit“ der beiden Arbeitsverhältnisse abstellte. Eine 25 Tage dauernde Unterbrechung stand der Zusammenrechnung dann allerdings doch entgegen (OGH9 ObA 21/03hinfas 2003 A 73). Zusammengefasst kommt es hier aber weniger auf die Dauer der Unterbrechung an, sondern auf die die Unterbrechung begleitenden Umstände (OGH8 ObA 5/11k ARD 6163/2/2011 = DRdA 2011, 460 = Arb 12.969).

An diese Rsp betreffend Abfertigungsansprüche knüpft auch F. Burger (in Reissner, AngG3 § 8 Rz 46 aE) iZm § 8 Abs 1 AngG an. Während er eine Analogie zu § 2 Abs 3 EFZG mangels planwidriger Gesetzeslücke ablehnt, stellt er für die Berücksichtigung vorhergehender Dienstzeiten auf die „sachliche Zusammengehörigkeit“ der „unmittelbar aufeinanderfolgenden Dienstverhältnisse“ ab (vgl außerdem Resch, Die Zusammenrechnung unterbrochener Arbeitsverträge – kein Problem der Kettenarbeitsvertragsjudikatur, DRdA 2009, 387 [390 ff], der diesbezüglich bei dienstzeitabhängigen Ansprüchen – auch iZm § 3 Abs 1 UrlG – ebenfalls auf den „inhaltlichen Zusammenhang“ zwischen den Arbeitsverträgen abstellt).

Die „sachliche Zusammengehörigkeit“ ist freilich im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen. Man wird sich hierbei aber an den von der Rsp zu § 23 AngG herausgearbeiteten Grundsätzen orientieren können, zumal es sich sowohl bei § 8 Abs 1 AngG als auch bei § 23 Abs 1 AngG um Ansprüche handelt, die wesentlich von der Dauer der Dienstzeit abhängen. Eine „sachliche Zusammengehörigkeit“ wird demnach zB dann vorliegen, wenn zwischen den Arbeitsverhältnissen nur wenige Tage liegen und dies von den Beteiligten als Urlaub betrachtet wird (vgl F. Bydlinski, ZAS 1985, 123 [127]), wenn jährlich gleichartige (saisonbedingte) Unterbrechungen vorliegen (vgl OGH9 ObA 114/16dDRdA-infas 2017/6: Küchenchef in Hotellerie) oder wenn bloß Betriebsferien zwischen den Arbeitsverhältnissen liegen (vgl OGH4 Ob 123/83 Arb 10.383). Auch eine sofortige Neueinstellung bei Beendigung des vorangehenden Arbeitsverhältnisses zeigt eine sachliche Zusammengehörigkeit der beiden Arbeitsverhältnisse (vgl Holzer in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 23 Rz 15 [Stand 1.6.2012, rdb.at]).

Diese Grundsätze können nun auf § 8 Abs 1 AngG übertragen werden. Wird ein Dienstverhältnis nicht wie im vorliegenden Fall bloß „umgewandelt“, sondern das Verhältnis als Arbeiter beendet und jenes als Angestellter neu begonnen, so werden kurze Unterbrechungen bei Abstellen auf die „sachliche Zusammengehörigkeit“ nicht eine Zusammenrechnung der Dienstzeiten im Hinblick auf § 8 Abs 1 AngG hindern. Damit können bei Vorliegen der Voraussetzungen auch unterbrochene Dienstverhältnisse erfasst und entsprechend unter § 8 Abs 1 AngG subsumiert werden, und zwar ganz ohne auf eine Analogie zu § 2 Abs 3 EFZG zurückgreifen zu müssen.

4.
Fazit

Im Ergebnis ist die vorliegende E des OGH wenig überraschend. Unmittelbar aufeinanderfolgende Dienstzeiten in einem ununterbrochenen Arbeitsverhältnis als Arbeiter und Angestellter beim selben AG sind zusammenzurechnen. Einerseits spricht schon der Wortlaut des § 8 Abs 1 AngG für die einheitliche Betrachtung von „Dienstzeiten“ als Arbeiter und Angestellter beim selben AG. Andererseits würde sich eine andere Auslegung dieser Bestimmung gegen die mit der Novelle BGBl I 2017/153 verfolgte Intention des Gesetzgebers – Angleichung von Arbeiter und Angestellte hinsichtlich der Systematik der Entgeltfortzahlung – richten.

Einzig das Abstellen auf ein „ununterbrochenes Arbeitsverhältnis“ regt zur weitergehenden Frage an, ob eine (kurze) Unterbrechung zwischen den Dienstverhältnissen tatsächlich in jedem Fall bereits einen ergebnisrelevanten Unterschied machen soll? Zumindest der Wortlaut dieser Bestimmung, der auf „das Dienstverhältnis“ abstellt, würde dies nahelegen und zu einer Nichtberücksichtigung vorangehender Dienstverhältnisse führen. Die dagegen von einem Teil der Lehre vertretene Analogie zu § 2 Abs 3 EFZG steht – zumindest seit der Novelle BGBl I 2017/153– mangels planwidriger Lücke jedoch auf wackeligen Beinen. Im Gegensatz dazu ist es daher mit F. Burger (in Reissner, AngG3 § 8 Rz 46) zielführender, für die Zusammenrechnung von Dienstzeiten im Rahmen des § 8 AngG auf eine „sachliche Zusammengehörigkeit“ der Dienstverhältnisse abzustellen, wobei man sich hierfür an der Rsp zu Abfertigungsansprüchen gem § 23 Abs 1 AngG orientieren kann. 255