HauptMitbestimmung des Betriebsrates bei der Einführung einer Corporate Identity

Nomos Verlag, Baden-Baden 2020, 323 Seiten, kartoniert, € 84,–

GÜNTHERLÖSCHNIGG (GRAZ)

Die als Band 164 der Kategorie Arbeits- und Sozialrecht des Nomos Verlages publizierte Dissertation (Leibniz Universität Hannover) von Felix J. Haupt setzt sich zwar – entsprechend dem Titel der Arbeit – mit der Mitbestimmung des BR bei der Einführung einer Corporate Identity auseinander, stellt aber allgemeine und begriffliche Überlegungen zur Problematik betrieblicher Corporate Identity und gewisse individualarbeitsrechtliche Implikationen voran.

Die Untersuchung geht von drei Ausprägungen von Corporate Identity aus: Corporate Design als gestaltende visuelle Unternehmenserscheinung, die „alle Objekte, Einrichtungen und Dienstleistungen eines Unternehmens einheitlich und mit prägnanten Merkmalen kennzeichnet“ (S 37); Corporate Communication als verbale Botschaftsübermittlung und Selbstdarstellung (S 39) und Corporate Behaviour als identitätsstiftendes Verhalten der Mitarbeiter eines Unternehmens oder Betriebes (S 41). Grundsätzlich wird bei allen drei Aspekten zwischen interner und externer Wirkung unterschieden. Zum einen soll gegenüber der Belegschaft ein einheitliches, positives Unternehmensbild vermittelt werden, das auf AN-Seite Arbeitsmotivation und Arbeitszufriedenheit steigern, die Arbeitsbereitschaft im Fall von Mehr- und Überstundenarbeit anheben oder etwa die Erhaltung qualifizierter Mitarbeiter garantieren soll. Zum anderen geht es um die Außenwirkung des Unternehmens, dh die „Positionierung im Markt“ (S 35), die Erkennbarkeit von Produktlinien, die leichtere Vermarktung von Erzeugnissen etc.

Die Vielzahl an Möglichkeiten, Corporate Identity- Elemente einzuführen, haben den Autor bewogen, die rechtliche Problematik der Mitbestimmung in exemplarischer Form zu untersuchen. Corporate Design wird anhand der Dienstkleidung, Corporate Communication am Beispiel interner Sprachvorgaben und Corporate Behaviour im Zusammenhang mit betrieblichen Nichtraucherkonzepten diskutiert. In allen Fällen ist die deutsche Judikatur und die Rsp des EuGH sehr gut aufgearbeitet. Ein Blick über die Grenzen erfolgt nicht, obwohl es sich gerade in diesem Bereich eines globalen Problems angeboten hätte. Hiebei wäre es weniger um die Interpretation der Mitbestimmungstatbestände des BetrVG gegangen, sondern insb um die Rahmenbedingungen, die sich aus dem Persönlichkeitsschutz der AN ergeben und die Haupt durchaus mitbehandelt.

Das Herausgreifen dreier signifikanter Beispiele hat den Vorteil, dass jeder Bereich für sich ausführlich analysiert werden kann. Der Nachteil besteht darin, dass die isolierte Darstellung den Eindruck erweckt, dass es sich um Einzelarbeiten handelt, die nur mittels eines allgemeinen Rahmens zu einem thematischen Ganzen zusammengefügt werden.

Während das (äußere) Erscheinungsbild der AN, insb die Dienstkleidung und die Haartracht, sowie der rauchfreie Betrieb schon sehr lange einer rechtlichen Diskussion unterzogen werden, bildet die Thematik der Sprache die wohl aktuellste Problematik in der Arbeit (siehe allerdings zB schon LAG Frankfurt 22.10.1991, 4 TaBV 92/91, zur Festlegung der Umgangssprache auf Deutsch oder Englisch). Auch in diesem Zusammenhang geht es im Kern um die Frage, ob die Einführung einer einheitlichen Sprache einer Mitbestimmung nach § 87 Abs 1 Nr 1 BetrVG unterworfen ist, dh ob „Fragen der Ordnung des Betriebes und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb“ vorliegen. Spätestens damit sollte das Interesse der österreichischen Leserschaft geweckt sein, da der Mitbestimmungstatbestand des § 97 Abs 1 Z 1 ArbVG („allgemeine Ordnungsvorschriften, die das271Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb regeln“) in die völlig gleiche Richtung tendiert (siehe hiezu etwa Löschnigg, Arbeitsrecht13 [2017] 960; Jabornegg in Jabornegg/Resch [Hrsg], ArbVG-Kommentar § 97 Rz 53 ff; Felten/Preiss in Gahleitner/Mosler [Hrsg], Arbeitsverfassungsrecht6 [2020] Bd 3 § 97 Rz 21 ff). Vor allem die Unterscheidung zwischen nicht mitbestimmungsrelevantem Arbeitsverhalten und für den Mitbestimmungstatbestand entscheidendem Ordnungsverhalten betrifft beide Rechtssysteme. Haupt differenziert in Anlehnung an Rsp und Lehre zwischen mitbestimmungsfreier Arbeitssprache (zB als Kommunikationserfordernis für Piloten und Fluglotsen) und mitbestimmungspflichtiger Betriebssprache (iS einer Kommunikation zwischen AG und AN, zwischen AN und AN sowie zwischen AN und außenstehenden Dritten). „Lediglich die rein private Kommunikation und die Sprache, in der der Arbeitnehmer seine Leistung erbringt“, nimmt Haupt vom Begriff der Betriebssprache aus (S 190). Eine wesentliche Rolle bei der Beurteilung, ob den Betriebsparteien eine Regelungskompetenz zukommt, spielt § 75 Abs 2 BetrVG, wonach AG und BR die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten AN zu schützen und zu fördern haben. Eine vergleichbar deutliche Regelung zur Beachtung des Persönlichkeitsschutzes als betriebsverfassungsrechtliche Aufgabe fehlt im österreichischen ArbVG, wenngleich außer Zweifel steht, dass der Persönlichkeitsschutz für die Betriebsvereinbarungsparteien ein wesentliches Datum bildet.

Haupt diskutiert unter Bezugnahme auf den bisherigen Meinungsstand sehr ausführlich die Fremdsprache als Element der Corporate Communication. Nicht uninteressant wäre aber auch die Sprache an sich gewesen, wie etwa der Zwang zu einer hochdeutschen Sprechweise oder eine Pflicht zur Vermeidung von Kraftausdrücken. Ansatzweise findet sich die Problematik bei der Erwähnung von Umgangsformen als Element der Corporate Communication (siehe S 61 und S 215). So wird etwa die Mitbestimmung nach § 87 Abs 1 Nr 1 BetrVG bei betrieblicher Einführung einer Pflicht zum Duzen (zu Recht) bejaht. Ein Verstoß gegen § 75 Abs 2 S 1 BetrVG iVm Art 1 und 2 GG wird allerdings „wegen der heute bestehenden Üblichkeiten und veränderten betrieblichen Realitäten“ (S 218) darin nicht gesehen.

Im Ergebnis bildet die Arbeit von Haupt eine ausgezeichnete Darstellung der erwähnten Teilbereiche von Corporate Identity nicht nur unter dem Blickwinkel der Mitwirkung des BR. Der Meinungsstand aus deutscher Sicht wird umfassend dargestellt, sodass viele Argumentationsanleihen auch für Österreich zu gewinnen sind.