DeinertBetriebsverfassung in Zeiten der Globalisierung

Bund Verlag, Frankfurt am Main 2021, 90 Seiten, kartoniert, € 19,80

BEATRIXKARL (GRAZ)

Nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich, führt die zunehmende Globalisierung der Wirtschaft vermehrt zur Entstehung grenzüberschreitender Konzernstrukturen. Dass damit die Praxis der primär auf nationale Unternehmensstandorte fokussierten betrieblichen Mitbestimmung vor neue Herausforderungen gestellt wird, liegt auf der Hand.

Für die deutsche Betriebsverfassung zeigt Deinert auf, dass diese mit der voranschreitenden Globalisierung nicht Schritt hält, woraus Schutzlücken und unsachliche Differenzierungen zu Lasten der ins Ausland entsandten AN resultieren. Er veranschaulicht dies etwa am Beispiel einer Betriebsversammlung im Inland, von der faktisch die ins Ausland entsandten AN ausgeschlossen sind, sodass eine effektive Kommunikation zwischen BR und AN nicht möglich ist. Nachteilig ist dies nicht nur für die Wahrnehmung der Aufgaben des BR, sondern auch für die betrieblichen Rechte der betroffenen AN. Dies verdeutlicht der Autor auch unter Hinweis auf die diesbezüglichen Probleme auf Konzernebene, für die er nicht zuletzt auch die Judikatur des BAG verantwortlich macht. Erörtert wird auch, wie Rechte inländischer Interessenvertretungen durchgesetzt werden können, wenn die Konzernleitung im Ausland sitzt.

Dass die territoriale Begrenztheit der Betriebsverfassung nicht bloß Gegenstand der wissenschaftlichen Betrachtung ist, sondern angesichts fortschreitender Globalisierung auch die Praxis immer öfter dazu zwingt, eigene Lösungsmodelle zu entwickeln, wird ebenfalls aufgezeigt. Dabei geht es vorrangig um die Problematiken des Informationsaustausches und des Fehlens eines Betriebsverfassungsorgans auf Konzern ebene. Zutreffend leitet Deinert aus den Praxisbeispielen ab, dass ein Koordinierungsbedarf auf unternehmensübergreifender Ebene besteht, und zwar nicht allein als Informationsaustausch auf internationaler Ebene, wie er durch den Europäischen BR ja bereits gewährleistet ist, sondern auch auf nationaler Ebene.

Nach einem einleitenden Problemaufriss und der Darstellung von Lösungsversuchen aus der Praxis geht der Autor auf die Kollisionsnorm für das Betriebsverfassungsrecht und auf die Auslandsbeziehungen unter deutschem Betriebsverfassungsstatut ein. Dabei behandelt er Ausstrahlungsfälle, (Teil-)Betriebsversammlungen im Ausland, die Errichtung eines Konzern-BR bei ausländischer Konzernspitze, die Mitbestimmung bei Aktienoptionsplänen der ausländischen Konzernmutter sowie den Berechnungsdurchgriff auf die (ausländische) Konzernmutter und die Durchgriffshaftung.

Deinert sieht es mangels einer geschriebenen Kollisionsnorm zutreffend als Aufgabe der Rsp und der Wissenschaft, eine Kollisionsnorm für die Betriebsverfassung herauszubilden. Er zeigt auf, warum der Ansatz, bei transnationalen Sachverhalten bloß die Nicht-/ Anwendbarkeit des Betriebsverfassungsgesetzes festzustellen, zu kurz greift und entwickelt auf Grundlage der Ziele der Betriebsverfassung überzeugende Antworten für die Interessenvertretung bei grenzüberschreitenden Sachverhalten.

Mit dem gegenständlichen Buch macht Deinert deutlich, dass der Gesetzgeber, die Rsp und die Wissenschaft gefordert sind, bestehende Lücken zu schließen, um den Zielen des Betriebsverfassungsgesetzes auch in Zeiten der Globalisierung gerecht zu werden und eine effektive Interessenvertretung zu garantieren.

Einmal mehr zeigt sich, dass grenzüberschreitende arbeitsrechtliche Sachverhalte durch nationales Recht teilweise schwer fassbar sind und sich diesem oft entziehen. Ein sehr gutes Beispiel für dieses Phänomen ist auch Crowdwork, wo die Crowdworker nicht nur in Bezug auf die betriebliche Mitbestimmung arbeitsrechtliche Schutzdefizite erfahren. Die Auswirkungen der Globalisierung der Wirtschaft auf das Arbeitsrecht und der daraus resultierende Änderungsbedarf werden Gesetzgebung, Rsp und Wissenschaft daher auch in Zukunft noch sehr fordern. Ich hoffe, von Deinert noch viele anregende Analysen und Lösungsvorschläge dazu lesen zu dürfen.