SchmidtDie neue Grundrente – Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung

C.H. Beck Verlag, München 2021, XIII, 148 Seiten, broschiert, € 39,–

WOLFGANGPANHÖLZL (WIEN)

Sylvia Schmidt gewährt mit ihrem Buch „Die neue Grundrente“ einen umfassenden Einblick zur neuen Rechtslage in Deutschland. Das Grundrentengesetz wurde am 12.8.2020 beschlossen und ist mit 1.1.2021 in Kraft getreten. Es stellt den vorläufigen Abschluss einer langen politischen Diskussion dar. Denn schon im Koalitionsvertrag 2013 wurde eine „Solidarische Lebensleistungsrente“ diskutiert, die jedoch nie umgesetzt wurde. Im Koalitionsvertrag 2018 einigten sich CDU/CSU und SPD neuerlich, die „Lebensleistung“ von Menschen honorieren zu wollen, in dem ihnen im Alter ein Einkommen über der Grundsicherung zur Verfügung steht. Dadurch soll Altersarmut vermieden werden. Erfolg und Zielgenauigkeit der Leistung werden 2025 evaluiert. Den Zielsetzungen entsprechend umfasst der begünstigte Personenkreis nicht die niedrigsten Renten, sondern Personen mit relativ langer Erwerbsbiographie.

Die Autorin bietet eine detaillierte Darstellung der doch komplexen Verankerung der „Grundrente“ in verschiedenen Gesetzen. Geht es doch darum, auch Freibeträge und anzurechnende Einkommen zu berücksichtigen, zwischen Alt- und Neurentnern und Ost- und Westrenten zu unterscheiden.

Besonders hilfreich für das Verständnis sind die zahlreichen Berechnungsbeispiele, die vor allem auch auf die unterschiedlichen Anrechnungstatbestände und die Grundsicherungsberechnung eingehen. So weist ein Beispiel für eine Person, die 40 Jahre gearbeitet und dabei durchschnittlich € 30.400,– pro Jahr verdient hat, einen Rentenanspruch von € 1.025,70 aus. Nach sehr komplizierter Berechnung kommt ein Zuschlag von € 52,41 dazu, woraus sich eine Gesamtaltersrente von rund € 1.078,– ergibt. Umgelegt auf Österreich ergäbe sich bei einem Durchschnittseinkommen von € 2.171,– (€ 30.400,–/14) und 40 Versicherungsjahren zum Regel- 278 pensionsalter eine Pension von € 1.546,–.

Aus rechtsvergleichender Sicht erhellend ist auch die Berechnung eines „Finanziellen Gegenwertes“. Der Zuschlagsbetrag von € 52,41 entspricht 1,533 Entgeltpunkten. Der Erwerb eines Entgeltpunktes über Beitragsleistung erfordert € 7.542,–. Multipliziert mit 1,533 ergibt sich ein Gegenwert von € 11.561,–. Dh ein Versicherter zahlt für einen Rentenbetrag von € 52,41 € 11.561,– an Beiträgen. Der höchste Zuschlag beträgt 12,25 Entgeltpunkte und hat einen Gegenwert von € 92.396,–. Mit dem finanziellen Gegenwert wird die gleichheitsrechtliche Problematik gut sichtbar gemacht. Denn die Finanzierung der Grundrente erfolgt rein aus Steuermitteln als Bundeszuschuss in einer Höhe von 1,4 Mrd €. Wegen verfassungsrechtlicher Bedenken und weil die Grundrente auch dem Sachgebiet „öffentliche Fürsorge“ zuzuordnen ist, scheide eine Beitragsfinanzierung aus.

In der Einführung weist die Autorin darauf hin, dass Ziel der Grundrente die Stärkung des Vertrauens in den Sozialstaat ist. Ob das mit der neuen Grundrente gelingt, darf bezweifelt werden. Das zeigt auch der Überblick zur Altersarmut in Deutschland, der im Statistikkapitel des Buches enthalten ist.

Aus österreichischer Sicht kann man nur froh sein, dass wir ein starkes und transparentes öffentliches Pensionssystem haben und mit der Ausgleichszulage ein einfaches Instrument zur Armutsvermeidung im Alter. In Österreich beträgt die Ausgleichszulage € 1.030,49 (2022), der Bonus bei 30 Erwerbsjahren bis zu € 155,36 und bei 40 Erwerbsjahren bis zu € 396,21. Das Buch von Sylvia Schmidt macht den Gegenwert dieser Bonusleistungen bewusst und ist ein Plädoyer für einen starken Sozialstaat, der Deutschland nicht mehr ist.