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Einbeziehung der Sonderzahlungen in die Höhe der Entgeltfortzahlung nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses

NORAMELZER (GRAZ)
§§ 2, 3, 5 EFZG; KollV Arbeitskräfteüberlassung (KVAÜ)
  1. Nach § 5 EFZG idF BGBl I 2017/153 bleibt der Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts für die nach diesem Bundesgesetz vorgesehene Dauer bestehen, wenngleich das Arbeitsverhältnis früher endet [...].

  2. Der Zeitpunkt des rechtlichen Endes des Arbeitsverhältnisses wird durch die Verpflichtung des AG zur Entgeltfortzahlung [aber] nicht hinausgeschoben [...].

  3. Ein Anspruch, der nur dann entstanden wäre, wenn das Arbeitsverhältnis fiktiv über den Termin der (rechtmäßigen) Beendigung hinaus gedauert hätte, ist bei einer auf § 5 EFZG gegründeten Entgeltfortzahlung nicht zu berücksichtigen.

  4. Der KVAÜ sieht in den Regelungen der Abschnitte XVI und XVII für jedes Kalenderjahr einen einheitlichen Anspruch auf Urlaubszuschuss und Weihnachtsremuneration im Ausmaß eines Monatsentgeltes auf einer näher definierten Basis vor. [...] Der Anspruch auf Sonderzahlungen [wird] nach Abschnitt XVI und Abschnitt XVII KVAÜ dem Grunde nach durch ein, wenn auch nur kurzfristig aufrechtes Dienstverhältnis in einem Kalenderjahr erworben [...].

  5. Die in den Aliquotierungsregelungen enthaltenen Wendungen [...] treffen aber keine Aussage über die Frage ihrer Einbeziehung in die Berechnung der Entgeltfortzahlung. Die Bestimmungen schließen damit nicht aus, dass das im Entgeltfortzahlungszeitraum zu zahlende „regelmäßige Entgelt“ (§ 3 Abs 3 EFZG) anteilige Sonderzahlungen umfasst, und dies auch, wenn der Entgeltfortzahlungszeitraum über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinausreicht.

[1] Der kl AN war von 16.1.2017 bis 8.2.2019 bei der bekl AG beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis ist der KVAÜ anzuwenden. Der Kl war von 14.1.2019 bis 19.2.2019 im Krankenstand. Das Dienstverhältnis endete durch AG-Kündigung zum 8.2.2019.

[2] Der Kl begehrte die Zahlung der anteiligen Sonderzahlungen für den Zeitraum der Entgeltfortzahlung (9.2. bis 19.2.2019) in der unstrittigen Höhe von 153,06 € brutto sA und bringt vor, dass ihm diese nach Maßgabe des § 3 EFZG zustünden.

[3] Die Bekl bestreitet und wendet ein, dass Sonderzahlungen zwar vom Entgeltbegriff umfasst seien, jedoch nur, wenn und soweit nach dem anzuwendenden KollV ein Anspruch darauf bestehe. Nach dem KVAÜ sei der Anspruch auf Sonderzahlungen an die Dienstzeit geknüpft und ende mit dem Ende des arbeitsrechtlichen Dienstverhältnisses. Die Frage, ob für die Entstehung oder Bemessung der zeitabhängigen Entgeltfortzahlungsansprüche gem § 5 EFZG der nach dem Ende des Dienstverhältnisses gelegene Zeitraum eines Krankenstandes einzurechnen sei, werde von der Rsp verneint.

[4] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren nach Maßgabe der § 3 Abs 1 iVm § 5 EFZG statt. Der zwischen der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund abgeschlossene General-KollV enthalte hinsichtlich der Sonderzahlungen keine abweichende Regelung. Branchenkollektivverträge könnten lediglich die Berechnungsart abweichend von § 3 Abs 3 und 4 EFZG regeln, nicht aber über die Nichteinbeziehung von Sonderzahlungen in das Entgelt.

[5] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl unter Darlegung der Rsp zu den §§ 3, 5 EFZG und in Analyse der Sonderzahlungsbestimmungen des KVAÜ keine Folge. Es erklärte die ordentliche Revision mangels Rsp zur hier zu beurteilenden Auslegung des KVAÜ für zulässig.

[6] In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Bekl, das Berufungsurteil iS einer Klagsabweisung abzuändern.

[7] Der Kl beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr keine Folge zu geben.

[8] Die Revision ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

[9] 1. Nach § 5 EFZG idF BGBl I 2017/153 bleibt der Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts für die nach diesem Bundesgesetz vorgesehene Dauer bestehen, wenngleich das Arbeitsverhältnis früher endet, wenn der AN während einer Arbeitsverhinderung gem § 2 EFZG gekündigt, ohne wichtigen Grund vorzeitig entlassen wird oder wenn den AG ein Verschulden an dem vorzeitigen Austritt des AN trifft.

[10] 2. Zweck dieser Bestimmung ist, den auf dem Arbeitsvertrag beruhenden Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, der nur besteht, solange das Arbeitsverhältnis aufrecht ist, auch über die rechtliche Dauer des Arbeitsverhältnisses hinaus zu wahren. Für die Frage der Entgeltleistung wird in diesem Fall die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses ohne den Hinderungsgrund fingiert; die vereinbarte Arbeit gilt als geleistet. Diese Regelung soll verhindern, dass sich der AG von der Pflicht zur Entgeltfortzahlung an den AN dadurch befreit, dass er während der Arbeitsverhinderung das Dienstverhältnis durch Kündigung oder ungerechtfertigte Entlassung löst (RS0109426). Der Zeitpunkt des rechtlichen Endes des Arbeitsverhältnisses wird durch die Verpflichtung des AG zur Entgeltfortzahlung nicht hinausgeschoben (8 ObA 53/17b mwN).

[11] 3. Als regelmäßiges Entgelt gilt nach § 3 Abs 3 EFZG das Entgelt, das dem AN gebührt hätte, wenn keine Arbeitsverhinderung eingetreten wäre. Es ist vom arbeitsrechtlichen Entgeltbegriff auszugehen, der außer dem Grundlohn auch anteilige 220 Sonderzahlungen beinhaltet, wenn und soweit darauf nach KollV oder Vereinbarung ein Anspruch besteht (8 ObA 53/17b).

[12] In diesem Zusammenhang ist es seit der E 9 ObA 36/10z stRsp, dass § 5 EFZG die Ausschöpfung des noch nicht verbrauchten Kontingents an Entgeltfortzahlungsanspruch für das laufende Arbeitsjahr gewährleistet. Endet jedoch das Arbeitsverhältnis vor Beginn des neuen Arbeitsjahres und kann daher kein neues Arbeitsjahr zu laufen beginnen, gibt § 5 EFZG trotz fortdauernden Krankenstands keine geeignete Grundlage ab, einen neuen Entgeltfortzahlungsanspruch entstehen zu lassen (RS0126339).

[13] Nach der E 8 ObA 53/17b umfasst der Fortzahlungsanspruch nach § 5 EFZG auch dann, wenn der Anspruch auf eine Jahresremuneration nach dem KollV dem Grunde nach erst nach einer bestimmten Dauer des Arbeitsverhältnisses entsteht und es noch vor Ablauf der erforderlichen Zeit endet, im weiter dauernden Krankenstand nur das Entgelt, das vor der Beendigung regelmäßig gebührt hat. Ein Anspruch, der nur dann entstanden wäre, wenn das Arbeitsverhältnis fiktiv über den Termin der (rechtmäßigen) Beendigung hinaus gedauert hätte, ist bei einer auf § 5 EFZG gegründeten Entgeltfortzahlung nicht zu berücksichtigen.

[14] Die Rsp geht daher davon aus, dass der nach dem arbeitsrechtlichen Ende des Dienstverhältnisses gelegene Entgeltfortzahlungszeitraum nach § 5 EFZG nicht anspruchsbegründend wirkt. Ansprüche, die dem Grunde nach erst dann entstanden wären, wenn das Arbeitsverhältnis über den Beendigungszeitraum hinaus gedauert hätte, sind bei der Entgeltfortzahlung nicht zu berücksichtigen (RS0132052). Das ist im Revisionsverfahren nicht strittig.

[15] Die Rsp, dass der nach der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gelegene Entgeltfortzahlungszeitraum nicht mehr für den Erwerb des Anspruchs auf Abfertigung und deren Bemessung (§ 23 Abs 1 AngG) maßgebend ist (RS0028373), ist nicht einschlägig.

[16] 4. Die Bekl ist der Ansicht, dass es den Kollektivvertragsparteien frei steht, das Entstehen des Anspruchs auf Sonderzahlungen an bestimmte Bedingungen zu knüpfen oder einen solchen auch nicht vorzusehen. Hier sei der Anspruch jeweils aliquot an die zurückgelegte Dienstzeit geknüpft worden.

[17] 5. Die maßgeblichen Bestimmungen des KVAÜ lauten:

XVI. Urlaub und Urlaubszuschuss[...]2. Anstelle der Regelungen des Beschäftiger-KollV betreffend Urlaubszuschuss gilt einheitlich:... Alle anderen Arbeitnehmer haben in jedem Kalenderjahr zum gesetzlichen Urlaubsentgelt Anspruch auf einen Urlaubszuschuss. Dieser Urlaubszuschuss beträgt ohne Rücksicht auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit ein Monatsentgelt auf Basis ...3. Der Urlaubszuschuss ist bei Antritt des Urlaubes fällig. Bei Teilung des Urlaubes gebührt nur der entsprechende Teil des Urlaubszuschusses. ...In allen Fällen ist der Urlaubszuschuss jedoch spätestens mit der Abrechnung des Monats Juni eines jeden Jahres fällig. ...4. Arbeitnehmer erhalten im Eintrittsjahr den aliquoten Teil des Urlaubszuschusses vom Eintrittsdatum bis zum Ende des Kalenderjahres (je 1/52). ...5. Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach Verbrauch eines Urlaubes und Erhalt des Urlaubszuschusses, jedoch vor Ablauf des Kalenderjahres endet, haben den auf den restlichen Teil des Kalenderjahres entfallenden Anteil des Urlaubszuschusses zurückzuzahlen. Diese Rückzahlungsverpflichtung des bereits erhaltenen Urlaubszuschusses ist eingeschränkt auf den Teil des Urlaubszuschusses, der dem noch nicht verbrauchten Teil des Urlaubs entspricht.6. Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vor Verbrauch eines Urlaubes endet, haben Anspruch auf den aliquoten Teil des Urlaubszuschusses, entsprechend ihrer jeweils im Kalenderjahr zurückgelegten Dienstzeit (je Woche 1/52). Ein über den aliquoten Anteil hinausgehender, bereits ausbezahlter Urlaubszuschuss ist rückzuverrechnen. Dieser Anspruch entfällt bei:
  1. Entlassung aus Verschulden des Arbeitnehmers (§ 82 GewO),
  2. Austritt ohne wichtigen Grund. [...]
XVII. Weihnachtsremuneration1. Anstelle der Regelungen des Beschäftiger-KollV betreffend Weihnachtsremuneration gilt einheitlich:Alle Arbeitnehmer haben in jedem Kalenderjahr Anspruch auf eine Weihnachtsremuneration im Ausmaß eines Monatsentgeltes auf Basis ...2. Die Auszahlung der Weihnachtsremuneration hat spätestens am Ende jener Arbeitswoche zu erfolgen, in die der 1. Dezember fällt.3. Arbeitnehmer, die bis zum Ende des Kalenderjahres weniger als 1 Jahr im Betrieb beschäftigt sind oder deren Arbeitsverhältnis vor Ablauf des Kalenderjahres endet, haben Anspruch auf einen ihrer Dienstzeit entsprechenden Teil der Weihnachtsremuneration (je Woche 1/52).4. Dieser Anspruch entfällt, wenn das Arbeitsverhältnis gelöst wird durch:
  1. Entlassung aus Verschulden des Arbeitnehmers (§ 82 GewO),
  2. Austritt ohne wichtigen Grund.
5. Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach Erhalt der Weihnachtsremuneration, jedoch vor Ablauf des Kalenderjahres endet, haben den auf den restlichen Teil des Kalenderjahres entfallenden Anteil der Weihnachtsremuneration dann zurückzuzahlen, wenn das Arbeitsverhältnis auf eine der nachstehenden Arten aufgelöst wird:
  1. Kündigung durch den Arbeitnehmer,
  2. Entlassung aus Verschulden des Arbeitnehmers (§ 82 GewO),
  3. Austritt ohne wichtigen Grund. [...]“

[18] 6. Der normative Teil eines KollV ist gemäß den §§ 6 und 7 ABGB nach seinem objektiven Inhalt auszulegen (RS0010088). In erster Linie ist dabei der Wortsinn – auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen – zu erforschen und die sich aus dem Text des KollV ergebende Absicht 221der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen (RS0010089). Eine über die Wortinterpretation nach den §§ 6, 7 ABGB (RS0008896) hinausgehende Auslegung ist (nur) dann erforderlich, wenn die Formulierung mehrdeutig, missverständlich oder unvollständig ist, wobei der äußerst mögliche Wortsinn die Grenze jeglicher Auslegung bildet (RS0031382). Entscheidend ist bei der Kollektivvertragsauslegung, welchen Willen des Normgebers der Leser dem Text entnehmen kann (RS0010088). Bei der Auslegung von kollektivvertraglichen Bestimmungen ist zudem davon auszugehen, dass die Kollektivvertragsparteien eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen wollten, verbunden mit einem gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen (RS0008828, RS0008897).

[19] 7. Der KVAÜ sieht in den Regelungen der Abschnitte XVI und XVII für jedes Kalenderjahr einen einheitlichen Anspruch auf Urlaubszuschuss und Weihnachtsremuneration im Ausmaß eines Monatsentgeltes auf einer näher definierten Basis vor. Entsprechend dem Zweck dieser Sonderzahlungen, dem AN die Finanzierung der Mehrkosten zu erleichtern, die anlässlich des Erholungsurlaubs bzw des Weihnachtsfestes typischerweise auftreten (Schindler, Arbeitskräfteüberlassungs-KV 2018, XVI/XVII Erl 4, 355; Erl 16, 367), ist der Urlaubszuschuss grundsätzlich bei Urlaubsantritt fällig, spätestens jedoch mit der Juniabrechnung, und die Weihnachtsremuneration spätestens am Ende jener Arbeitswoche, in die der 1. Dezember fällt.

[20] Im Eintrittsjahr erhält der AN den aliquoten Teil des Urlaubszuschusses vom Eintrittsdatum bis zum Ende des Kalenderjahres (je Woche 1/52; Abschnitt XVI Pkt 4 S 1 KVAÜ) bzw den aliquoten Teil der Weihnachtsremuneration entsprechend seiner Dienstzeit (je Woche 1/52; Abschnitt XVII Pkt 3 Fall 1 KVAÜ).

[21] Für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sehen Abschnitt XVI Pkt 6 und Abschnitt XVII Pkt 3 Fall 2 KVAÜ eine Aliquotierung des Urlaubszuschusses bzw der Weihnachtsremuneration in Fällen vor, in denen das Arbeitsverhältnis vor Verbrauch eines Urlaubs (vgl 9 ObA 120/16m) bzw vor Erhalt der Weihnachtsremuneration vor Ablauf des Kalenderjahres endet. Hat der AN, dessen Dienstverhältnis vor Ablauf des Kalenderjahres endet, den Urlaubszuschuss bereits erhalten und den Urlaub (teilweise) verbraucht oder die Weihnachtsremuneration bereits erhalten, besteht eine für den restlichen Teil des Kalenderjahres anteilige Rückzahlungspflicht nach Maßgabe von Abschnitt XVI Pkt 5 und Abschnitt XVII Pkt 5 KVAÜ.

[22] 8. Wie schon vom Berufungsgericht zutreffend ausgeführt, geht aus den Regelungen insgesamt hervor, dass der Anspruch auf Sonderzahlungen nach Abschnitt XVI und Abschnitt XVII KVAÜ dem Grunde nach durch ein, wenn auch nur kurzfristig aufrechtes Dienstverhältnis in einem Kalenderjahr erworben wird und – anders als in dem der E 8 ObA 53/17b zugrunde liegenden KollV – nicht von einer bestimmten Mindestdauer des Dienstverhältnisses abhängig ist. Art XVI Pkt 3 und Art XVII Pkt 2 KVAÜ enthalten diesbezüglich nur Fälligkeitsregelungen.

[23] 9. Im Übrigen ist Inhalt und offenkundiger Zweck der Abschnitte XVI Pkt 6 und XVII Pkt 3 Fall 2 KVAÜ, bei unterjähriger Vertragsbeendigung die Höhe des jeweiligen – dem Grunde nach bestehenden – Sonderzahlungsanspruchs anteilig im Verhältnis der (zurückgelegten) Dienstzeit zur vollen Dauer eines Kalenderjahres zu begrenzen. Abweichungen davon gelten lediglich im Hinblick auf die Rückzahlungspflicht eines AN (Abschnitt XVI Pkt 5, Abschnitt XVII Pkt 5 KVAÜ). Dementsprechend stellen die Abschnitte XVI Pkt 6 und XVII Pkt 3 bei unterjährigem Ende des Arbeitsverhältnisses für die Aliquotierung der Sonderzahlungen auf die entsprechende Dienstzeit im Kalenderjahr ab. Das ist für den Regelfall auch nur folgerichtig.

[24] 10. Der Regelungskomplex nimmt nicht auf die Frage der Entgeltfortzahlung im Krankenstand Bezug. Er bietet insb keinen Anhaltspunkt dafür, dass das der Entgeltfortzahlung zugrunde liegende Ausfallsprinzip des EFZG im Hinblick auf Sonderzahlungen beschränkt werden sollte. So ist unzweifelhaft, dass die während des aufrechten Dienstverhältnisses „im Kalenderjahr zurückgelegte Dienstzeit“ nicht um Zeiten der Entgeltfortzahlung zu reduzieren ist. Die in den Aliquotierungsregelungen enthaltenen Wendungen „entsprechend ihrer jeweils im Kalenderjahr zurückgelegten Dienstzeit“ bzw „einen ihrer Dienstzeit entsprechenden Teil“ können damit lediglich als Ausdruck dafür verstanden werden, dass die Sonderzahlungen bei Beendigung des Dienstverhältnisses während des laufenden Kalenderjahres aliquot anfallen, sie treffen aber keine Aussage über die Frage ihrer Einbeziehung in die Berechnung der Entgeltfortzahlung. Die Bestimmungen schließen damit nicht aus, dass das im Entgeltfortzahlungszeitraum zu zahlende „regelmäßige Entgelt“ (§ 3 Abs 3 EFZG) anteilige Sonderzahlungen umfasst, und dies auch, wenn der Entgeltfortzahlungszeitraum über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinausreicht. Entgegen der Ansicht der Bekl wird in den Abschnitten XVI Pkt 6 und XVII Pkt 2 KVAÜ daher auch keine entsprechende Bedingung für die Gewährung der Sonderzahlungen festgelegt. Die Frage, ob der Entgeltbegriff im Anwendungsbereich des § 5 iVm § 3 EFZG überhaupt zum Nachteil des AN verändert werden könnte (s § 3 Abs 5 EFZG), stellt sich folglich nicht.

[25] 11. Die Vorinstanzen sind danach zutreffend zum Ergebnis gekommen, dass die Entgeltfortzahlung hier für den gesamten Entgeltfortzahlungszeitraum nach Maßgabe des Ausfallsprinzips der §§ 3, 5 EFZG vorzunehmen ist. Dass von diesem auch die Sonderzahlungen umfasst sind, ist nicht weiter strittig. Die Revision erweist sich danach als nicht berechtigt, sodass ihr keine Folge zu geben ist.

[...]

ANMERKUNG

In der vorliegenden E legt der OGH eine Bestimmung eines KollV (des KollV für Arbeitskräfteüberlassung 222 = KVAÜ) zu Sonderzahlungen (SZ) aus, dies vor dem Hintergrund einer Entgeltfortzahlung (EFZ) über das rechtliche Ende eines Arbeitsvertrages hinaus. Zu klären war, ob dem erkrankten AN auch die SZ „Weihnachtsgeld“ und „Urlaubszuschuss“, die einen Teil des für die Dienstleistung geschuldeten Entgelts darstellen, fortgezahlt werden müssen, obwohl ein aufrechtes Dienstverhältnis nicht mehr besteht. Der OGH hat die Weiterzahlung dieser Entgelte zurecht bejaht und mit dem Wortlaut des zugrundeliegenden KollV begründet (siehe dazu auch die am selben Tag ergangene E vom 29.4.2021, 9 ObA 22/21g).

Bemerkenswert daran ist die Reihenfolge der Prüfungsschritte: Indem sich der OGH zuerst der Frage der Auslegung widmet, muss er zunächst die Frage, ob ein (Branchen-)KollV überhaupt den Entgeltbegriff im Anwendungsbereich des § 5 iVm § 3 EFZG zum Nachteil des AN verändern kann, nicht beantworten. Da der OGH in der Auslegung des KollV zu dem Ergebnis kommt, dass die konkret vom KVAÜ gewählte Formulierung dies gar nicht beabsichtigt, muss sich der OGH auch in weiterer Folge dazu inhaltlich nicht äußern; und er tut es auch nicht, sondern spricht diesen Prüfungsschritt nur an („obiter non dictum“).

1.
Die Sonderzahlungsregelungen im KollV für Arbeitskräfteüberlassung

Die Sonderzahlung oder Remuneration ist eine Entgeltform, die aus besonderem Anlass (zB Weihnachten, Urlaubsantritt, aber auch Jahresabschluss oder Erreichen eines bestimmten Dienstalters) gebührt. Ein Anspruch auf SZ beruht idR nicht schon auf Gesetz, sondern auf Vereinbarung, insb durch KollV. Dies gilt auch im vorliegenden Fall, bei dem es um die SZ nach dem KVAÜ geht. Urlaubszuschuss und Weihnachtsgeld sind dort – wie auch sonst für diese Formen der SZ üblich – nach dem sogenannten Anwartschaftsprinzip konzipiert, dh der Anspruch wird mit der Dauer des zurückgelegten Arbeitsverhältnisses aliquot erworben. Beim hier nicht vorliegenden Stichtagsprinzip würde hingegen darauf abgestellt, ob der AN an einem bestimmten Stichtag (noch) bei seiner AG beschäftigt ist (allgemein zu diesen beiden Konstruktionen Löschnigg, Arbeitsrecht13 [2017] Rz 6/170 ff).

Aus dem hier anzuwendenden KVAÜ ergibt sich, dass der Anspruch auf volle SZ jedoch nur dann besteht, wenn das Arbeitsverhältnis das ganze Kalenderjahr bestanden hat. AN, die unterjährig eintreten (dh nicht am 1.1. eines Jahres) oder deren Arbeitsverhältnis in einem darauffolgenden Kalenderjahr schon vor dem 31.12. beendet ist, erhalten die SZ nicht in vollem Ausmaß, sondern nur anteilsmäßig für die im aufrechten Dienstverhältnis zurückgelegten Zeiten bei dieser AG. In diesen Konstellationen steht – wiederum aufgrund ausdrücklicher kollektivvertraglicher Anordnung – dem AN pro zurückgelegter Dienstwoche im Kalenderjahr 1/52 der jeweiligen SZ zu. Für bestimmte Beendigungsformen – insb jene, die der AN-Seite zuzurechnen sind – bestehen zudem hier jedoch nicht weiter interessierende Rückzahlungsverpflichtungen, etwa wenn der AN zurecht entlassen wird, aber den Urlaubszuschuss bereits zur Gänze erhalten hat.

2.
Die EFZ über das Arbeitsvertragsende hinaus

Der zweite Aspekt dieses Falles betrifft die Höhe des fortzuzahlenden Entgelts, wenn die Krankheit des AN über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinausdauert. § 5 EFZG (ebenso die Parallelregelung in § 9 AngG) ordnet dazu ausdrücklich an, dass – unabhängig davon, dass das Arbeitsverhältnis nicht mehr besteht – die EFZ auch in diesem Fall für die üblichen Fristen gewährt werden muss, dh bis zur Ausschöpfung des jährlich zustehenden Entgeltfortzahlungskontingents von sechs (acht, zehn, zwölf) Wochen vollem und weiteren vier Wochen halbem Entgelt. Über die Bemessungsgrundlage und Höhe des fortzuzahlenden Entgelts wird in § 5 EFZG nichts Näheres ausgeführt. Unter Bedachtnahme auf dessen Regelungszweck – Wahrung der Ansprüche der AN auch im Krankheitsfall sowie Verhinderung arbeitgeberseitiger Auflösungen aufgrund des EFZ-Risikos – ist jedoch davon auszugehen, dass auch hier für den Entgeltbegriff keine anderen Kriterien zum Tragen kommen können als sonst im EFZG, insb in dessen § 3. Damit „behält“ der AN auch bei Krankheit seine Ansprüche auf Entgelt gegenüber der AG und ein nach Wochen oder Monaten bemessenes Entgelt darf ausdrücklich nicht vermindert werden (§ 2 Abs 1 iVm § 3 Abs 1 EFZG). In allen anderen Fällen bemisst sich der Anspruch nach dem regelmäßigen Entgelt (§ 3 Abs 2 und 3 EFZG).

Zur Bemessungsgrundlage für das fortzuzahlende Entgelt zählen neben dem laufenden Entgelt, Prämien und Zulagen etc auch der Urlaubszuschuss und das Weihnachtsgeld (Näheres etwa Kallab, EFZG6 [2018] § 3 Erl 2, 137 f, 142 ff; Drs in Neumayr/Reissner [Hrsg], ZellKomm3 § 3 EFZG Rz 4, 10 [Stand 1.1.2018, rdb.at]; weiters Melzer in Löschnigg/Melzer [Hrsg], AngG11 [2021] § 8 Rz 130, 138, 147); diese verschiedenen Entgeltformen gilt es damit für die Höhe der EFZ im aufrechten Arbeitsverhältnis jedenfalls zu berücksichtigen. Da sich im General-KollV über den Begriff des Entgelts keine Regelungen über SZ finden, ist bezüglich des Urlaubs- und des Weihnachtsgeldes allein der Branchen-KollV, in conreto der KVAÜ, maßgeblich. Letzterer sieht zwar in verschiedenen Konstellationen, in denen das Arbeitsverhältnis nicht das ganze Kalenderjahr über besteht, eine Aliquotierung der SZ vor; weitergehende Regelungen zur Berechnungsart bzw Einschränkungen wurden im KollV nicht getroffen. Insb äußert sich der Branchen- KollV nicht zum hier interessierenden Verhältnis zwischen SZ und EFZ. Für die Höhe der EFZ gem § 2 iVm § 3 EFZG ist damit auch die SZ aufgrund des KVAÜ zu berücksichtigen.

Da nach der Anordnung in § 5 EFZG „der Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts“ bestehen bleibt, wenngleich das Arbeitsverhältnis früher endet, macht es für den Gesetzgeber bezüglich des fortzuzahlenden Entgelts offenbar keinen Unter 223 schied, ob das Arbeitsverhältnis besteht oder nicht. Auch die Berufung auf das (fiktive) Ausfallsprinzip, das bestimmte Ereignisse, die sich während der Erkrankung ereignen, durchaus berücksichtigt, kann hier nicht zu einem anderen Ergebnis führen: Der fehlende Bestand des Arbeitsverhältnisses ist zentrales Tatbestandsmerkmal des § 5 EFZG, trotz dem weiterhin EFZ gewährt werden soll; das Ende des Arbeitsvertrages über die Hintertür durch Nichteinbeziehung von SZ einfließen zu lassen und die Höhe der EFZ zu reduzieren, würde dem Zweck des § 5 EFZG zuwiderlaufen. Nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses können zwar mangels Bestehens eines Arbeitsverhältnisses keine Dienstzeiten bzw damit verbundene Ansprüche mehr erworben werden; es wird aber losgelöst davon die Pflicht zur Fortzahlung von Entgelt perpetuiert und zwar grundsätzlich in jener Höhe, wie sie auch für das aufrechte Arbeitsverhältnis zum Tragen käme.

3.
Weitergehende Überlegungen

Ganz generell spielt bei den SZ „Urlaubszuschuss“ und „Weihnachtsgeld“ die kollektivvertragliche Regelung die grundlegende Rolle. Dies liegt insb daran, dass diese SZ mittlerweile maßgeblicher Bestandteil der österreichischen Wirtschafts- und Lohnpolitik sind, aber trotzdem – mit wenigen Ausnahmen, etwa im öffentlichen Dienst – gesetzliche Festlegungen dieser Ansprüche nicht erfolgt sind. Damit wird den Kollektivvertragsparteien bezüglich der SZ ein großer Spielraum eingeräumt. Es kommt im Wesentlichen den Sozialpartnern zu, Ansprüche auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld und deren nähere Ausgestaltung festzulegen (zu deren Rolle bezüglich eines Anspruchs auf SZ für die Zeiten nach Ausschöpfung der gesetzlichen Entgeltfortzahlungszeiträume siehe bei Kallab, EFZG6 § 3 Erl 2, 147 f mit Hinblick auf die einschlägige Rsp des OGH).

Soviel Freiheit die Sozialpartner bezüglich der SZ generell auch genießen mögen, bezüglich der EFZ im Krankheitsfalle erlegt der Gesetzgeber ihnen Einschränkungen auf; dies gilt auch für die Frage der Berücksichtigung von SZ bei der Höhe der EFZ. Für den Anwendungsbereich des EFZG dürfte die Anordnung, dass auf SZ bei der Bemessung des für die gesetzliche Frist fortzuzahlenden Entgelts kein Bedacht zu nehmen sei, auf Branchenebene nicht erfolgen (siehe Drs in ZellKomm3 § 3 EFZG Rz 14 [Stand 1.1.2018, rdb.at]; Kallab, EFZG6 §3 Erl 13). Allenfalls könnte eine solche Befugnis dem General-KollV gem § 18 Abs 4 ArbVG zukommen, weil dieser regeln darf, „welche Leistungen des Arbeitgebers als Entgelt nach diesem Gesetz anzusehen sind“, und dies so verstanden wird, dass der General-KollV auch regeln darf, was nicht als Entgelt anzusehen ist (wie dies auch der General-KollV über den Begriff des Entgelts vom 2.8.1974 tatsächlich getan hat).

Damit bleibt als unmittelbarer Wert der E, dass sie denjenigen, die künftig Kollektivverträge textieren, eine konkrete Handreichung gibt, was eine bestimmte Formulierung zu leisten vermag, und was nicht. Der OGH erachtet es – im Einklang mit seiner bisherigen Rsp (OGH8 ObA 53/17b Arb 13.476) – nicht als unzulässig an, dass der KollV den rechtlichen Rahmen so gestalten kann, dass zumindest in bestimmten Konstellationen nach dem rechtlichen Ende des Arbeitsvertrages der weiterhin kranke AN keine SZ zusätzlich zu seinem Entgelt mehr erhält und weist den Weg, wie ein KollV das anordnen kann.

Darüber hinaus hat der OGH die Gelegenheit genützt, die Rsp im Spannungsfeld EFZ im Krankheitsfall – Beendigung des Arbeitsverhältnisses während dieses Zeitraums – Ausfallsprinzip – Sonderzahlung noch einmal darzulegen und dabei wichtige Prinzipien zu Grund und Höhe der EFZ in Erinnerung zu rufen: Zweck des § 5 EFZG ist es, den auf dem Arbeitsvertrag beruhenden Anspruch auf EFZ im Krankheitsfall, der grundsätzlich nur während des aufrechten Arbeitsverhältnisses besteht, dem Grunde nach auch über die rechtliche Dauer des Arbeitsverhältnisses hinaus zu wahren. Für die Höhe des Entgelts gilt, dass die Abwicklung des Arbeitsvertrages ohne den Hinderungsgrund Krankheit fingiert wird und die vereinbarte Arbeit als geleistet gilt. Dabei können nach dem rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses weitere Entgeltansprüche dem Grunde nach jedoch nicht mehr entstehen.

Dass nach der groß angelegten Angleichung des EFZ-Regimes der Angestellten an jenes der Arbeiter:innen nach wie vor Unterschiede bestehen – so fehlt eine parallele Ermächtigung, einen eigenständigen Entgeltbegriff für die EFZ festzulegen, im AngG zur Gänze –, sei nur am Rande bemerkt. Zumindest der vorliegende Fall wäre auch nach dem AngG und einer vergleichbaren Regelung über die SZ so zu lösen gewesen. Die Anwendung des Bezugsprinzips, das für die Bemessung der Höhe der EFZ auf das vor der Dienstverhinderung gebührende Entgelt Bedacht nimmt, und nicht wie das (fiktive) Ausfallsprinzip auf jenes, das gebührt hätte, wenn gearbeitet worden wäre, würde – zumindest bezüglich der Berücksichtigung von SZ – nichts daran ändern. Anders wäre dies jedoch wohl bei Entgeltarten zu beurteilen, die einen im Betrieb auftretenden vermehrten oder reduzierten Arbeitsanfall während der Abwesenheit des erkrankten AN widerspiegeln (zB Überstundenzulagen). Deshalb sind auch hier Überlegungen anzustellen, ob unterschiedliche Konzepte der Berechnung nach wie vor aufrecht zu erhalten sind, oder ob nicht – in einem weiteren gesetzgeberischen Angleichungsakt – derartige Unterschiede und damit verbundene Unklarheiten auch noch beseitigt werden könnten. 224