11Die Entgeltlichkeit von „überlangen“ Ruhepausen für Autobuslenker in privaten Autobusbetrieben
Die Entgeltlichkeit von „überlangen“ Ruhepausen für Autobuslenker in privaten Autobusbetrieben
Der Zweck der Ruhepausen ist die Erholung des AN; eine solche ist nur dann gewährleistet, wenn diese Pausen im Voraus, spätestens bei ihrem Beginn, umfangmäßig feststehen.
Die Wertung als Arbeitszeit setzt voraus, dass der AN während dieses Zeitraumes Arbeit tatsächlich geleistet hat.
Soweit die Einsatzzeit nicht Arbeitszeit umfasst und auf Ruhepausen oder diesen gleichzuhaltenden Lenkpausen entfällt, steht dafür nach dem Gesetz keine Entlohnung zu, und zwar auch dann nicht, wenn sie das im AZG bzw im KollV vorgesehene Mindestausmaß überschreiten.
[...]
[2] Der Kl begehrt die Feststellung, dass die in den Dienstplänen der Bekl zwischen zwei Dienstteilen an einem Kalendertag liegende Unterbrechung eine Pause nach § 11 AZG bzw Pkt III.2 lit e des KollV für AN in privaten Autobusbetrieben [...] sei und durch die Bekl dann, wenn die Ruhepausen des Kalendertages insgesamt 1,5 Stunden überschreiten, zu bezahlen sei.
[3] Im Betrieb [...] der Bekl seien insgesamt 700 AN als Busfahrer beschäftigt. Die Einteilung der Dienste erfolge durch die von der Bekl einseitig erstellten Dienstpläne. Bei ausgewählten Dienstplänen bzw Touren würden an einzelnen Tagen die Dienste derart „geteilt“, dass die AN ganz in der Früh und in der Folge erst wieder abends arbeiten müssten. Dadurch käme es zu einer Unterbrechung der Tagesarbeitszeit, die als Ruhepause gem § 11 AZG zu qualifizieren sei. [...] Nach Pkt III.2 lit e des KollV betrage die tägliche unbezahlte Ruhepause höchstens 1,5 Stunden. Damit seien darüber hinausgehende Unterbrechungen zu entlohnen. Es würden auch keine verkürzten Ruhezeiten vorliegen, da solche schon begrifflich immer zwei Arbeitstage voneinander trennten.
[4] Das Klagebegehren wurde ausdrücklich nicht auf die Entlohnung von Steh- und Wartezeiten gem Pkt IV. des KollV gestützt.
[5] Die Bekl bestritt und brachte vor, zwischen den Diensten bei „zwei Diensten pro Tag“ lägen sowohl nach dem Dienstplan als auch faktisch mindestens neun Stunden. Es handle sich somit um verkürzte Ruhezeiten [...] iSd Pkt III. 2 lit f Z 2 des KollV [...], nicht um Ruhepausen. Es könne nicht die Intention der Kollektivvertragsparteien gewesen sein, sämtliche (Ruhe-)Zeiten zwischen zwei Einsätzen abzugelten. Ruhezeiten seien auch nicht als Stehzeiten zu vergüten. [...] Bei der Unterbrechung handle es sich um reine Freizeit, die den Vorgaben der verkürzten Ruhezeit entspräche. [...]
[6] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte aus, dass nach dem KollV die tägliche unbezahlte Ruhepause mit höchstens 1,5 Stunden begrenzt sei. Eine Entgeltpflicht des DG für darüber hinausgehende Ruhepausen sei jedoch nicht angeordnet. Ein solches Verständnis würde auch in Konflikt zu IV. (Stehzeiten und Wartezeiten) des KollV stehen. Der Regelung würde kein eigener Anwendungsbereich verbleiben bzw könne nicht angenommen werden, dass der KollV überlange Ruhepausen besser entlohnen wolle als Steh- und Umkehrzeiten. [...].
[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Kl gegen dieses Urteil nicht Folge. In Anbetracht der mindestens neunstündigen Dauer der Arbeitszeitunterbrechungen sei davon auszugehen, dass es sich um Ruhezeiten iSd § 12 AZG handle. Bei der Tagesarbeitszeit sei auf einen Zeitraum von 24 Stunden, nicht auf einen Kalendertag, abzustellen. Darüber hinaus könne die tägliche Ruhezeit dreimal wöchentlich auf mindestens neun zusammenhängende Stunden verkürzt werden, wenn die Verkürzung in der Folgewoche ausgeglichen werde. [...] IdS entsprächen die Dienstpläne der Bekl dem KollV. Es handle sich bei den Arbeitsunterbrechungen daher um nicht zu bezahlende Ruhezeiten. [...] Darüber hinaus sehe der KollV ausdrücklich eine Honorierung von Steh- und Wartezeiten vor, die sich aufgrund des Fahrplans ergäben. Damit sei nicht zu rechtfertigen, dass Ruhepausen oder Ruhezeiten abweichend zur Entgeltregelung zu fahrplanbedingten Steh- und Wartezeiten entlohnt werden müssten.
[8] Die Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen [...].
[...]
[11] Die Revision ist [...] zulässig, aber nicht berechtigt.
[...]
[14] 2. Die relevanten Bestimmungen des [...] KollV für AN in privaten Autobusbetrieben [...] lauten auszugsweise:
„III. ARBEITSZEIT[...]e) RuhepausenAllgemeinDie tägliche unbezahlte Ruhepause beträgtund ist spätestens nach sechs Stunden einzuhalten.GelegenheitsverkehrDie tägliche unbezahlte Ruhepause beträgt höchstens eineinhalb Stunden....]KraftfahrlinienverkehrDie tägliche unbezahlte Ruhepause beträgt höchstens eineinhalb Stunden.[...]f) Tägliche Ruhezeit1) VO-Fahrzeuge iSv § 13 Abs 1 Z 2b AZGDie tägliche Ruhezeit für das Lenken von VOFahrzeugen (Autobusse mit mehr als 9 Sitzplätzen einschließlich des Fahrers) richtet sich nach den Vorschriften der EU-Verordnung 561/2006. 2302) Fahrzeuge im regionalen Kraftfahrlinienverkehr (Linienstrecke bis maximal 50 km)Die tägliche Ruhezeit kann 3 x wöchentlich auf mindestens 9 zusammenhängende Stunden verkürzt werden. Jede Verkürzung der täglichen Ruhezeit ist bis zum Ende der Folgewoche durch eine zusätzliche Ruhezeit im Ausmaß der Verkürzung auszugleichen. Diese Ausgleichsruhezeit ist zusammen mit einer anderen mindestens 8-stündigen Ruhezeit zu gewähren.[...]IV. STEHZEITEN UND WARTEZEITEN1. Fahrplanmäßig konzessionierter periodischer Personentransport (Stehzeiten):a) Die sich aufgrund des Fahrplanes ergebenden Stehzeiten (Umkehrzeiten) der Wagenlenker und des sonstigen Fahrpersonals, bis einschließlich sechs Stunden täglich, werden wie volle Arbeitszeiten entlohnt, wobei sich der Lenker vom Fahrzeug entfernen kann.b) Die über sechs Stunden hinausgehenden Stehzeiten werden täglich zusammengerechnet und nach Abzug einer Pause von einer Stunde als bloßer Anwesenheitsdienst mit 50 % des normalen Arbeitslohnes vergütet, auch wenn sich der Lenker vom Fahrzeug entfernen kann.“[...]
- bei einer Tagesarbeitszeit von sechs bis neun Stunden mindestens 30 Minuten,
- bei einer Tagesarbeitszeit von mehr als neun Stunden mindestens 45 Minuten
[16] 4. Der KollV definiert den Begriff „Ruhepause“ nicht, sondern setzt ihn voraus und regelt nur die Dauer der zu gewährenden Ruhepausen. § 2 Abs 1 Z 1 AZG umschreibt Arbeitszeit als die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen. § 11 Abs 1 AZG spricht davon, dass die Arbeitszeit durch Ruhepausen unterbrochen wird. Demnach zählt die Ruhepause grundsätzlich nicht zur Arbeitszeit (RS0051370 [T1]) und ist daher, sofern nichts anderes vereinbart ist, auch nicht zu bezahlen (vgl RS0102995 [T4]).
[17] Ruhepausen sind dadurch charakterisiert, dass der AN dem AG in diesen Zeiten nicht zur Arbeitsleistung zur Verfügung steht. Es handelt sich um Unterbrechungen in der Arbeitszeit, die der Befriedigung der sonstigen Lebensbedürfnisse des AN dienen. Sie müssen deshalb im Voraus umfangmäßig feststehen und für den DN vorhersehbar sein. Zudem muss es sich um echte Freiheit handeln, dh, der DN muss über diese Zeit nach seinem Belieben verfügen können (9 ObA 121/19p).
[18] 5. Auch der Begriff „Ruhezeit“ wird weder im KollV noch im Gesetz definiert. Ruhezeiten stellen das Gegenteil von Arbeitszeit dar, wobei auch die Merkmale von Ruhepausen – abgesehen von der exakten Vorhersehbarkeit – zutreffen. Im Wesentlichen unterscheiden sich Ruhepausen und Ruhezeiten nur durch ihre Dauer (vgl Schrank, Arbeitszeitgesetz5 [2018] § 12 Rz 1 f).
[19] 6. Die Bekl vertritt den Rechtsstandpunkt, dass es sich bei der hier zu beurteilenden Arbeitszeitunterbrechung um eine verkürzte Ruhezeit [...] iSd Pkt III.2 lit f Z 2 des KollV handelt, der Kl geht davon aus, dass diese Unterbrechung als Ruhepause zu werten ist.
[20] Die Frage kann letztlich dahingestellt bleiben, weil in beiden Fällen keine Entgeltlichkeit vorliegt. Dass Ruhezeiten zu bezahlen wären, behauptet auch der Kl nicht. Zu prüfen ist daher nur eine allfällige Entgeltlichkeit bei Beurteilung als Ruhepause.
[...]
[22] In der E 9 ObA 308/92 wurde dargelegt, dass Pausenzeiten, auch soweit sie das gesetzliche und kollektivvertragliche Mindestausmaß überschreiten, nicht zu bezahlen seien. Über das kollektivvertragliche Höchstausmaß von 1,5 Stunden hinausgehende Ruhepausen seien als Stehzeiten (bzw Wartezeiten) nach Abschnitt IV des KollV zu entlohnen. Richtig ist zwar, worauf der Kl hinweist, dass die damalige Fassung des KollV nicht wörtlich der jetzigen entsprach, allerdings wurde bereits damals die Formulierung „täglich unbezahlte Essenspausen“ verwendet.
[23] In der E 9 ObA 102/93 bekräftigte der OGH die in der Vorentscheidung geäußerte Rechtsansicht auch zu geteilten Diensten. Bei dem dort zu beurteilenden „Zweiteiler-Dienst“ lag zwischen dem ersten und dem zweiten Teil des Dienstes eine Pause von zwei bis fünf Stunden. Diese Pause sei keine Arbeitszeit, weil keine Inanspruchnahme des AN durch den AG erfolge. Es entfalle daher der Anspruch auf Entlohnung, gleichgültig ob dieser Zeitraum als Ruhepause nach § 11 AZG oder als Lenkpause, als Wartezeit oder als Freizeit anzusehen sei. Ruhepausen gehörten grundsätzlich nicht zur Arbeitszeit (§ 2 Abs 1 Z 1 AZG). Ausdrücklich wurde auch darauf verwiesen, dass eine besondere kollektivvertragliche Entlohnung nicht vorgesehen sei.
[24] In der E 9 ObA 117/11p wiederholte der OGH die bereits zuvor dargestellten Grundsätze, wobei die Fassung des anzuwendenden KollV zum Zeitpunkt der E bereits der jetzigen entsprach. Dabei wurde wiederum darauf verwiesen, dass Ruhepausen nach § 11 AZG nicht zu entlohnen seien. Zugunsten der AN bestimme der KollV, dass die unbezahlten Lenk- und Ruhepausen ein Höchstausmaß von 1,5 Stunden täglich nicht überschreiten dürften, sowie dass Steh- und Wartezeiten, welche Zeiten der Arbeitsbereitschaft und – über das Ausmaß von täglich 1,5 Stunden übersteigende – Ruhepausen umfassten, nach Pkt IV Z 1 lit a KollV bis einschließlich sechs Stunden täglich wie volle Arbeitszeiten zu entlohnen seien.
[25] Zuletzt wurde zu 8 ObA 35/20k ebenfalls zu den Bestimmungen des hier zugrundeliegenden KollV ausgeführt, dass eine Zeit, über die der AN nach Belieben disponieren und sich in keiner Weise für seinen AG bereithalten müsse – gleichgültig ob man sie als Ruhepause, als Lenkpause oder als Freizeit qualifiziere –, keine Arbeitszeit sei, auch wenn sie unter Umständen Einsatzzeit iSd § 16 AZG sei.
[26] 8. Der Kl argumentiert im Wesentlichen damit, dass dadurch, dass der KollV die unbezahlte Arbeitspause mit höchstens 1,5 Stunden bestimmt, Ruhepausen, die diese zeitliche Grenze überschreiten, zu bezahlen sind.
[27] Richtig ist, dass Kollektivvertragsparteien grundsätzlich unterstellt werden kann, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftli 231 chen Interessen herbeiführen wollen (RS0008828 [T1]). Bei der Auslegung der Bestimmungen eines KollV ist in erster Linie der Wortsinn, auch im Zusammenhang mit den Regelungen, zu erforschen und die sich aus dem Text des KollV ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen (RS0010089).
[28] Betrachtet man die Regelungen über Ruhepausen im KollV, fällt zunächst auf, dass der KollV Ruhepausen generell als „unbezahlt“ bezeichnet, unabhängig vom Zusammenhang, etwa auch bei Festlegung der Mindestdauer und ihrer zeitlichen Lage. Weiters enthält er keine Regelung darüber, dass und wie bei Überschreitung der als Höchstgrenze von 1,5 Stunden Ruhepausen zu bezahlen wären. Angesichts des Umstands, dass die Frage der Entgeltlichkeit längerer Unterbrechungen der Arbeitszeit bereits seit den 90er-Jahren immer wieder in Gerichtsverfahren thematisiert wurde, wäre eine solche ausdrückliche Regelung von den Kollektivvertragsparteien zu erwarten gewesen. Darüber hinaus wurde die Rsp, die wie dargestellt, immer von einer Unentgeltlichkeit von Ruhepausen ausgegangen ist, nicht zum Anlass für eine Änderung des Kollektivvertragstextes genommen. Damit ist nicht davon auszugehen, dass der Bezeichnung „unentgeltlich“ im Zusammenhang mit der Normierung der Höchstdauer von Pausen eine eigenständige Bedeutung zukommt.
[29] Dazu, dass allein der Umstand, dass eine Arbeitszeitunterbrechung, die gegen die Regelungen des KollV verstößt, noch nicht zu einer Entgeltlichkeit dieser Arbeitszeitunterbrechung führt, wurde in der Judikatur bereits – wenn auch in Zusammenhang mit einem anderen KollV – Stellung genommen (8 ObA 61/13y). Dabei wurde auch ausdrücklich darauf verwiesen, dass eine Überschneidung von öffentlichem Arbeitsrecht iSd AN-Schutzes und privatem Arbeitsrecht (Entgeltlichkeit) nicht zur Entgeltpflicht von Ruhepausen führt.
[30] 9. Vielmehr spricht [...] eine systematische Interpretation gegen ein solches Verständnis, da die vom Kl angestrebte volle Bezahlung derartiger Arbeitszeitunterbrechung zu einem Wertungswiderspruch zu Pkt IV. „Stehzeiten und Wartezeiten“ führen würde [...].
[31] Wenn der Kl darauf verweist, dass IV. des KollV sich nur auf Unterbrechungen aufgrund des Fahrplans bezieht und daher mit Arbeitszeitunterbrechung aufgrund des Dienstplans nicht vergleichbar sei, ist daraus für ihn nichts zu gewinnen. Zwar ist in diesen Fällen die Ursache der Unterbrechung der Arbeitszeit eine andere, aber allein damit lässt sich nicht begründen, warum eine Ruhepause gegenüber einer Steh-, Warte- und Umkehrzeit besser entlohnt werden sollte. Auch wenn es richtig ist, dass Fahrpläne und ihre Taktung in der Regel vorgegeben sind und die Dienstpläne in der Disposition des AG gelegen sind, bietet dies kein Argument für eine Entgeltlichkeit der Arbeitspausen. Auch die Disposition des AG wird sich in der Regel am Bedarf für den Einsatz der Arbeitskraft und damit in letzter Konsequenz ebenfalls an den Fahrplänen orientieren.
[32] 10. Insgesamt besteht daher keine Veranlassung von der Vorjudikatur, nach der Arbeitszeitunterbrechungen, sofern nicht von Steh- und Wartezeiten iSd Pkt IV. des KollV auszugehen ist, nicht zu bezahlen sind, abzugehen. Auf Pkt IV. des KollV stützt sich der Kl aber ausdrücklich nicht.
[...]
[34] 12. Der Revision war daher nicht Folge zu geben.
[...]
In der gegenständlichen E beschäftigte sich der OGH mit der Entlohnung von als Ruhepause begehrten Dienstunterbrechungen bei geteilten Diensten nach dem KollV für AN in privaten Autobusbetrieben. Der OGH verneinte die Qualifikation der „überlangen“ mehr als eineinhalb Stunden dauernden Ruhepausen als entgeltpflichtige Arbeitszeit. Nach dem OGH würde ein anderes Ergebnis zu einem Wertungswiderspruch zu Pkt IV des KollV betreffend Steh- und Wartezeiten führen. Das vorliegende Judikat reiht sich in eine – aus ANSicht – negative Kette von Entscheidungen ein, in denen der OGH eine strenge Linie hinsichtlich der Bezahlung von Ruhepausen verfolgt:
OGH 24.2.1993, 9 ObA 308/92: Keine Bezahlung von über das kollektivvertragliche Mindestmaß hinausgehenden Pausenzeiten, wenngleich diese als Stehzeiten qualifiziert wurden;
OGH 19.5.1993, 9 ObA 102/93: Keine entgeltpflichtige Arbeitszeit von mehrstündigen Pausen bei geteilten Diensten;
OGH 27.2.2021, 9 ObA 117/11p: Keine Entlohnung nach dem Gesetz, soweit die Einsatzzeit nicht Arbeitszeit umfasst, sondern auf Ruhepausen entfällt, selbst wenn der KollV ein Höchstausmaß von 1,5 Stunden an unbezahlten Lenk- und Ruhepausen vorsieht;
OGH 28.10.2013, 8 ObA 61/13y: Keine entgeltpflichtige Arbeitszeit bei täglichen Ruhepausen (zT unzulässige mehrfache Unterbrechungen der täglichen Arbeitszeit), mangels Verfügbarkeit des AN;
OGH 27.5.2021, 8 ObA 35/20k: Keine Entlohnung für eine dreistündige Pause zwischen den zwei Teilen eines geteilten Dienstes, die der Buschauffeur zu Hause verbringen und über die er nach Belieben disponieren konnte und in der er sich in keiner Weise bereithalten musste.
Das gegenständliche Feststellungsbegehren des klagenden BR wurde in allen drei Instanzen abgewiesen. Der OGH qualifizierte die Arbeitsunterbrechungen dem Begehren des Kl entsprechend als Ruhepausen, wenngleich als unbezahlte. Ungeachtet der möglichen Qualifikation der Ruhepausen als Steh- und Wartezeiten sprechen nach meinem Dafürhalten auch bei einer Qualifikation der „überlangen“ Arbeitsunterbrechungen als Ruhepausen Argumente für eine Abkehr von der bisherigen Judikatur, wie in der Folge aufgezeigt wird. 232
Ruhepausen gem § 11 bzw § 13c AZG müssen ihrer Lage und Dauer nach für den AN vorhersehbar sein (zB Vereinbarung der Lage im Dienstplan oder vom AN frei wählbar) und echte Freizeit darstellen. Von einer echten Ruhepause kann ua nur dann gesprochen werden, wenn der AN nicht entsprechend angespannt mit Störungen in dieser speziellen Freizeitspanne rechnen muss. Echte Ruhepausen sind grundsätzlich unbezahlte Pausen, doch kann sich etwas für den AN Günstigeres, zB aus dem KollV, ergeben. Ruhepausen für Lenker zählen zur Einsatzzeit gem § 16 AZG (Klein in Gasteiger/Heilegger/Klein, Arbeitszeitgesetz7 [2021] § 11 Rz 1; Heilegger in Gasteiger/Heilegger/Klein, Arbeitszeitgesetz7 §§ 13 bis 17c Rz 31). Als „echte“ Ruhepausen für AN in privaten Autobusbetrieben gelten jene Pausen, die in Pkt III.2 lit e KollV festgelegt sind, aber lediglich bis zu einem Höchstausmaß von eineinhalb Stunden, also umgerechnet 90 Minuten.
Der OGH judiziert in stRsp – und idS auch in der gegenständlichen E (vgl Rz 27 der E) –, dass den Kollektivvertragsparteien grundsätzlich unterstellt werden kann, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollen (RIS-Justiz RS0008828). Gem § 2 Abs 2 ArbVG gehören zum Kernbereich der Inhaltsnormen eines KollV Entgeltregelungen und Arbeitszeitfragen (Reissner in Neumayr/Reissner [Hrsg], Zeller Kommentar zum Arbeitsrecht II3 [2018] § 2 ArbVG Rz 48; Mosler/Felten in Gahleitner/Mosler [Hrsg], Arbeitsverfassungsrecht II6 [2020] § 2 Rz 50 ff). Auf Basis dieser Regelungskompetenzen ist Pkt III. 2 lit e KollV sowohl als entgeltrechtliche als auch als arbeitszeitrechtliche Norm zu qualifizieren. Pkt III. 2 lit e KollV normiert Mindest- und Höchstgrenzen für tägliche unbezahlte Ruhepausen. Während die Mindestgrenze abhängig von der Tagesarbeitszeit bei 30 bzw 45 Minuten liegt, beträgt die Höchstgrenze 90 Minuten. Aus der Wortfolge „unbezahlte Ruhepause“
lässt sich der Wortinterpretation zu Folge ein kollektivvertraglicher Entgeltanspruch des AN für Ruhepausen bis zur Höchstgrenze von 90 Minuten täglich de facto ausschließen. Ein Entgeltanspruch des AN für Ruhepausen im Falle einer Überschreitung der beschriebenen Höchstgrenze wird im KollV nicht ausdrücklich normiert, zumal man mE davon ausgegangen ist, dass es zu keiner Überschreitung dieser Höchstgrenze kommen darf bzw kommt (argumentum: „[...] beträgt höchstens eineinhalb Stunden.“
Die Klausel wurde als Soll- und nicht als Kann-Bestimmung im KollV implementiert). Das Argument der fehlenden Normierung einer Entgeltlichkeit im KollV und die „Untätigkeit“ der Kollektivvertragsparteien, eine solche Entgeltlichkeit im KollV zu statuieren, greift der OGH auf und schließt daraus, dass selbst bei Überschreiten der 90-Minuten-Grenze bei der Pause kein Entgeltanspruch besteht (vgl Rz 28 der E). Der OGH unterstellt den Kollektivvertragsparteien quasi eine Wenn-Dann-Konstruktion: Wenn der KollV keine Rechtsfolgen im Falle des Überschreitens der täglichen Ruhepause vorsieht, dann gibt es auch keine Rechtsfolgen. Für Rechtsfolgen bedarf es einer expliziten Formulierung dieser. Wenn-Dann-Konstruktionen sind natürlich in der höchstgerichtlichen Rsp nicht neu und zudem höchst aktuell (vgl OGH 29.11.2021, 8 ObA 50/21).
Es darf aber mE nicht übersehen werden, dass mit der Regelungskompetenz von Arbeitszeitnormen im KollV den Kollektivvertragsparteien ein hohes Maß an Verantwortung für die Erreichung des Schutzes der AN übertragen worden ist (Mosler/Felten in Gahleitner/Mosler, Arbeitsverfassungsrecht II6 § 2 Rz 50 ff). Wenn die Kollektivvertragsparteien im gegenständlichen KollV die Mindest- und Höchstgrenzen für unbezahlte Ruhepausen aber penibelst genau regeln, ist der Schutz zur Einhaltung dieser Grenzen aber nur gewahrt, wenn an die Nichteinhaltung der Grenzen Sanktionen geknüpft werden. Diesem Umstand kommt umso mehr Bedeutung zu, als es gegenständlich der Betriebsinhaber durch die einseitige Dienstplanerstellung in der Hand hat, ob die Höchstgrenzen der Ruhepausen eingehalten werden oder nicht. MaW: Wenn die Kollektivvertragsparteien penibelst genau Mindestund Höchstgrenzen für unbezahlte Ruhepausen festlegen, darf ihnen iSd eingangs genannten Rsp gerade nicht unterstellt werden, dass sie eine lex imperfecta ohne Strafsanktion herbeiführen wollten, wenn die Grenzen überschritten werden (vgl zur lex imperfecta im Arbeitszeitrecht: Niederfriniger, Mangelhafte Gleitzeitvereinbarungen und ihre Rechtsfolgen, JAS 2019, 105 [115]).
Eine mögliche anzudenkende Sanktion läge in der öffentlich-rechtlichen Überwachung der im KollV festgelegten Höchstgrenze der Ruhepause durch die Arbeitsinspektion und etwaiger Verwaltungsstrafen bei Nichteinhaltung. Die in Pkt III.2 lit e KollV genannte Höchstgrenze scheint – soweit ersichtlich – aber eine vom AZG autonome Regelung zu sein (vgl Schmeidl, Handbuch Lenk-, Ruhe- und Arbeitszeiten [2016] 29), weshalb die Strafbestimmungen des § 28 AZG rein bezogen auf die eineinhalbstündige Höchstgrenze der Ruhepause nicht zur Anwendung gelangen und eine Kontrolle der Einhaltung durch die Arbeitsinspektion tendenziell nicht in Frage kommt (Marx/Reznik, Durchsetzung der verwaltungsstrafrechtlichen Sanktionierung des Arbeitszeitrechts, in Kozak [Hrsg], Arbeitszeitrecht: Segen oder Fluch [2021] 119 f). Wenn es aber keine öffentlich-rechtlichen Überwachungsmöglichkeiten und Strafsanktionen bei Überschreitung der eineinhalbstündigen Höchstgrenze der Ruhepause gibt und eine lex imperfecta nicht unterstellt werden kann, verbleibt eine planwidrige Rechtslücke hinsichtlich der möglichen Rechtsfolge, die entsprechend den allgemeinen Grundsätzen für die Auslegung im Wege der Analogie zu schließen ist (RIS-Justiz RS0008845). Die planwidrige Lücke ist mE durch einen Umkehrschluss zu Pkt III.2 lit e KollV233 zu schließen. Wenn Ruhepausen im Ausmaß von bis zu 90 Minuten unbezahlt sind, ergibt sich e contrario, dass darüber hinausgehende Ruhepausen zu bezahlen sind, zumal ansonsten die Regelung einer Höchstgrenze gem Pkt III.2 lit e KollV keinen Sinn machen würde.
Der AN darf zudem auf die Textierung des KollV vertrauen, wonach eine unbezahlte Ruhepause umfangmäßig mit 90 Minuten gedeckelt ist. Wird die Höchstgrenze der unbezahlten Pause von 90 Minuten überschritten, hat der AN wohl auch ein Recht auf Beschäftigung. Wenn der AN ein Recht auf Beschäftigung hat, aber die Beschäftigung aus Gründen, die in der Sphäre des AG liegen, nicht zu Stande kommen, gebührt ihm dafür ein Entgeltanspruch. Dieser kann auf § 1155 Abs 1 ABGB gestützt werden. Alternativ könnte der Entgeltanspruch auch unter Berücksichtigung eines beweglichen Systems bewertet werden, wobei für die Bemessung der Entlohnung das Verhältnis der Einsatzzeit, der Arbeitszeit und die Dauer der Arbeitsunterbrechungen angemessen zu berücksichtigen sind (vgl zum beweglichen System bei der Entlohnung in anderem Zusammenhang: OGH 22.12.2004, 8 ObA 116/04y). Dadurch kommt es mE auch zu keinem Konflikt mit der kollektivvertraglichen Regelung betreffend Steh- und Wartezeiten.
Der OGH qualifiziert in der gegenständlichen E Ruhezeiten und Ruhepausen in Summe als Gegenstück zur Arbeitszeit (Tinhof, Kollektivvertrag für Autobusbetriebe – Unentgeltlichkeit sämtlicher Ruhepausen und Ruhezeiten, DRdA-infas 2021, 387 [387]). Anhand dieser Ausführungen könnte man zum Ergebnis gelangen, dass es lediglich zwei Kategorien und keine dritte Kategorie im Bereich des Arbeitszeitrechts gibt: nämlich einerseits jene der entgeltpflichtigen Arbeitszeit und andererseits jene der unentgeltlichen Freizeit, also der Ruhepausen und der Ruhezeiten. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass das Arbeitszeitrecht bisweilen weitere Kategorien, so zB die Rufbereitschaft, kennt, die zwar aus arbeitszeitrechtlicher Sicht der Kategorie Freizeit zugerechnet werden, in der aber beschriebener Weise eine beeinträchtigte Freizeit vorliegt (OGH 6.4.2005, 9 ObA 71/04p; Klein in Gasteiger/Heilegger/Klein, Arbeitszeitgesetz7 § 2 Rz 2), die einen Entgeltanspruch begründen (OGH 29.8.2002, 8 ObA 321/01s; OGH 25.1.2019, 8 ObA 61/18f; Heilegger in Gasteiger/Heilegger/Klein, Arbeitszeitgesetz7 § 20a Rz 6 ff mwN). Im Ergebnis ist es der österreichischen Arbeitsrechtsordnung somit nicht fremd, dass Freizeit entlohnt wird, wenn diese beeinträchtigt ist. Fraglich ist, ob diese Grundsätze auch auf während der Einsatzzeit anfallende Ruhepausen gem Pkt III.2 lit e KollV übertragbar sind, die länger als eineinhalb Stunden dauern?
Die in § 16 AZG geregelte Einsatzzeit ist weiter zu verstehen als die Arbeitszeit, da sie neben dieser auch die zu den Arbeitszeitunterbrechungen gehörenden täglichen bzw sonstigen Ruhepausen umfasst (OGH 25.4.2001, 9 ObA 28/01k; Heilegger in Gasteiger/Heilegger/Klein, Arbeitszeitgesetz7 §§ 13 bis 17c Rz 98). Der OGH differenziert idZ bisweilen zwischen AN-Schutz und Entgeltpflicht und argumentiert, dass nicht alle Zeiten, die in die Einsatzzeit fallen, vom AG finanziell zu vergüten sind (OGH 25.4.2001, 9 ObA 28/01k; Heilegger in Gasteiger/Heilegger/Klein, Arbeitszeitgesetz7 §§ 13 bis 17c Rz 99). Nach der Rsp wohnt der Qualifikation von Ruhepausen als Einsatzzeit nicht automatisch ein Entlohnungsfaktor inne (RIS-Justiz RS0051919). Im gegenständlichen Fall könnte aber einerseits der KollV (vgl die Ausführungen oben zu Pkt 3) und andererseits die besondere Belastung bei geteilten Diensten während der Einsatzzeit Anknüpfungspunkte für eine Entlohnung darstellen.
Nach der deutschen Judikatur stellen geteilte Dienste wegen der Inanspruchnahme in einer verlängerten Zeitspanne gegenüber einem normalen lediglich durch Arbeitspausen unterbrochenen Dienst eine zusätzliche Belastung dar (BAG 12.12.2012, 10 AZR 354/11). Eine derartige Belastung wird auch von der österreichischen Literatur anerkannt: Der Zweck von geteilten Diensten liegt vor allem darin, dass AG AN aus organisatorischen und wirtschaftlichen Gründen während einer gewissen Zeit nicht einsetzen können oder wollen. Im Vordergrund von geteilten Diensten stehen nicht – wie bei echten Ruhepausen – Erholungszwecke zu Gunsten der Belegschaft, sondern organisatorische und/oder ökonomische Überlegungen. AN werden bei geteilten Diensten vom AG oftmals derart beansprucht, dass eine sinnvolle Gestaltung der verbleibenden Freizeit vereitelt wird und haben vor allem während der Arbeitszeitunterbrechungen keine sinnvolle Beschäftigung (vgl in Bezug auf geteilte Dienste im Sozialbereich: Löschnigg/Resch, SWÖ-KV 201812 [2018] § 4 Erl 8 f). Arbeitszeitunterbrechungen während geteilter Dienste werden von psychischen Faktoren begleitet, die gegen eine freie Zeiteinteilung sprechen. Darüber hinaus kommen fremdbestimmte Elemente, wie eine Verdoppelung der Wegzeiten, der Umkleidezeiten sowie der Vor- und Abschlussarbeiten hinzu. Unter dem Strich bedeuten geteilte Dienste mit langen Arbeitszeitunterbrechungen eine massive Einschränkung der täglichen Planung bei gleichzeitig großzügiger Verfügbarkeit des AN für den AG.
Aufgrund des soeben Ausgeführten ist meiner Meinung nach zusammenfassend festzuhalten, dass länger als eineinhalbstündige Ruhepausen iSd Pkt III.2 lit e KollV keine ungestörte Ruhepausen iSv unbezahlter Freizeit darstellen, sondern vielmehr als von der Einsatzzeit umfasste beeinträchtigte Arbeitsunterbrechungen zu qualifizieren sind. Wenn aber bereits eine beeinträchtigte Freizeit, wie die Rufbereitschaft einen Entgeltanspruch begründet, begründet iSe Größenschlusses argumentum a minori ad maius umso mehr eine beeinträchtigte Arbeitsunterbrechung während der Einsatzzeit einen Entgeltanspruch. Nach meinem Dafürhalten kann – entgegen der bisherigen Rsp – in diesem Fall die Qualifikation der „überlangen“ Ruhepausen als Einsatzzeit als Entlohnungsfaktor herangezogen werden. 234