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Rechtzeitige Kündigung einer Vertragsbediensteten wegen Minderleistung – kein Kündigungsverzicht bei krankenstandsbedingter Verzögerung des persönlichen Gesprächs zur Dienstbeurteilung

ANDREASWELLENZOHN
§ 42 Abs 2 Z 6 Wr VBO 1995

Die Kl war bei der Bekl seit 1.1.1996 als diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin beschäftigt. Nach den Feststellungen wurde ihre Minderleistung in zahlreichen Dienstbeurteilungen seit dem Jahr 2014 regelmäßig, zuletzt am 20.5.2016 mit dem Gesamtleistungskalkül „minder entsprechend“, dokumentiert. Demnach kam es aufgrund ihrer schlechten Deutschkenntnisse und mangelnder Kommunikation immer wieder, insb unter Zeitdruck und in stressigen Situationen, zu Missverständnissen, die häufig zu Beschwerden von Patienten und Heimbewohnern bzw deren Angehörigen sowie Konflikten im Team führten. Vor allem beklagten sich Mitarbeiter und Patienten über einen befehlenden und reschen Ton der Kl. Sie setzte sich wiederholt über Vereinbarungen und ärztliche Anordnungen hinweg. Auch ihre Pflegedokumentationen erwiesen sich als mangelhaft. Zudem musste sie regelmäßig an diverse Hygienerichtlinien und Vorschriften erinnert werden, teilte Medikamente falsch aus und wandte Therapien, Geräte und Hilfsmaterialien, mit denen sie vertraut hätte sein müssen, falsch an. Dies hatte zur Folge, dass die Kl laufend Kontrolle und Aufsicht bei der Ausübung ihrer Tätigkeit brauchte und nur in einem eingeschränkten Bereich eingesetzt werden konnte. Die teilweise über ihren eigenen Wunsch erfolgten Änderungen ihrer Dienstzuteilungen führten zu keiner anhaltenden Verbesserung.

Die Kl hatte um ein persönliches Gespräch gebeten, um zur Dienstbeurteilung vom 20.5.2016 Stellung zu nehmen. Allerdings befand sie sich ab Montag, den 23.5.2016, durchgehend bis Freitag, den 8.7.2016, im Krankenstand. Nachdem sie am 11.7.2016 in den Dienst zurückgekehrt war, fand das gewünschte Gespräch am 12.7.2016 statt. Im Anschluss daran fasste die Vorgesetzte die Entscheidung auf Einleitung des Kündigungsverfah95rens, weil die Kl weder Einsicht noch Willen zur Verbesserung ihrer mangelhaften Leistungen zeigte und schickte noch am selben Tag den Kündigungsvorschlag an die zuständige Personalabteilung ab. Die Bekl kündigte das Vertragsbedienstetenverhältnis mit Schreiben vom 17.8.2016 zum 31.1.2017 unter Hinweis auf § 42 Abs 2 Z 6 Wr VBO 1995.

Die Vorinstanzen wiesen das auf Zahlung der Abfertigung nach der Wr VBO 1995 gerichtete Klagebegehren übereinstimmend ab. Sie bejahten angesichts der festgestellten – über das erwartbare Maß hinausgehenden – Fehler und der besonderen Verantwortung einer diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegeperson ein Verschulden der Kl an der Kündigung, zumal auch Kommunikationsschwierigkeiten, Pflichtwidrigkeiten, wie etwa das Ignorieren ärztlicher Anweisungen, nicht entschuldigten.

Der OGH erachtete die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Kl, die sich inhaltlich nur mehr gegen die Annahme der Rechtzeitigkeit der Kündigung richtete, mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO für nicht zulässig, wies diese zurück und führte aus:

Richtig ist, dass die Kündigung eines Vertragsbediensteten vom AG unverzüglich auszusprechen ist, nachdem ihm der Kündigungsgrund bekannt geworden ist. Unbegründet langes Zuwarten mit dem Ausspruch der Kündigung führt zur Verwirkung des Kündigungsrechts. Verzögerungen im Ausspruch der Kündigung von Vertragsbediensteten können aber insoweit anerkannt werden, als sie in der Sachlage, also in der Natur des Dienstverhältnisses oder sonst in den besonderen Umständen des Falls, sachlich begründet sind. Auch ist darauf Bedacht zu nehmen, dass bei juristischen Personen und insb im öffentlichen Bereich die Willensbildung aufgrund der hierarchischen Strukturen umständlicher und langwieriger ist als bei physischen Personen. Der Unverzüglichkeitsgrundsatz darf generell nicht überspannt werden. Nicht aus jeder Verzögerung kann auf einen Verzicht des AG auf die Ausübung des Beendigungsrechts geschlossen werden. Vorläufige Maßnahmen, etwa die bis zur Klärung der tatsächlichen oder rechtlichen Lage vorgenommene Suspendierung eines AN, können die Annahme eines Verzichts verhindern.

Ob eine Kündigung oder Entlassung rechtzeitig oder verspätet vorgenommen wurde, lässt sich nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls richtig beurteilen.

Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt ist die Beurteilung der Vorinstanzen nicht zu beanstanden, dass die – von der Kl monierte – Verzögerung zwischen dem 20.5.2016 und dem 12.7.2016 der Sachlage geschuldet war, nämlich dem Ersuchen der Kl um ein persönliches Gespräch, das infolge ihrer Erkrankung erst am 12.7.2016 zustande kam. Es lag zwar für die Zeit ihres Krankenstands kein negativer Arbeitserfolg vor, es ergab sich daraus aber auch kein Anhaltspunkt dafür, dass die Bekl auf die Geltendmachung des bereits am 20.5.2016 vorliegenden Kündigungsgrundes verzichtet hätte, zumal ja das von der Kl erbetene Gespräch noch ausstand. Wieso die Kl darauf hätte vertrauen dürfen, dass die erneut negative Beurteilung nicht zu einer Kündigung führen würde, zeigt sie nicht auf.