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Kein Export des Rehabilitationsgeldes bei Verlegung des Wohnsitzes in einen anderen Mitgliedstaat und Einstellung der Erwerbstätigkeit

JOHANNARACHBAUER

Bei der 1977 geborenen Kl besteht seit 1.12.2018 vorübergehende Berufsunfähigkeit im Ausmaß von voraussichtlich mindestens sechs Monaten. Die Kl erwarb in Österreich insgesamt 191 Versicherungsmonate, davon 150 Beitragsmonate zur Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit. Ihre letzte Beschäftigung in Österreich übte sie von November 2014 bis Februar 2017 als kaufmännische Angestellte aus. Von 1.8.2017 bis 31.7.2018 ging sie einer Beschäftigung in der Tschechischen Republik nach, wo sie mit Beginn des Beschäftigungsverhältnisses ihren Wohnsitz nahm. Im Zeitraum von 1.11.2018 bis 10.1.2019 war sie bei der (damaligen) Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter als Angehörige ihres Ehemanns krankenversichert.

Mit Bescheid vom 24.4.2019 lehnte die Pensionsversicherungsanstalt den Antrag der Kl auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension mangels dauerhafter Berufsunfähigkeit ab, anerkannte ab 1.12.2018 das Vorliegen vorübergehender Berufsunfähigkeit, lehnte jedoch einen Anspruch auf Rehabilitationsgeld in der österreichischen KV ab.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension ab, sprach der Kl jedoch ab 1.12.2018 für die weitere Dauer ihrer vorübergehenden Berufsunfähigkeit das Rehabilitationsgeld zu, da eine Nahebeziehung zum österreichischen System der sozialen Sicherheit gegeben sei. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl Folge und wies das Klagebegehren zur Gänze ab.

Der OGH wies die außerordentliche Revision der Kl mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zurück. Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der EuGH in der E C-135/19 vom 5.3.2020, Pensionsversicherungsanstalt, das Rehabilitationsgeld eindeutig als Leistung bei Krankheit iSd Art 3 Abs 1 lit a der VO (EG) 883/2004 qualifiziert hat. Ausgehend davon besteht in den Fällen, in denen Versicherte ihren Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegen, keine Verpflichtung mehr zum Export von Rehabilitationsgeld. Seit der klaren Einordnung des österreichischen Rehabilitationsgeldes als Leistung bei Krankheit ist die in der früheren Rsp des OGH (10ObS133/15d&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True" target="_blank">10 ObS 133/15d SSV-NF 30/79 ua) vertretene Ansicht, dem Rehabilitationsgeld komme aufgrund seiner Berührungspunkte mit Leistungen bei Invalidität ein Sondercharakter zu, nicht mehr aufrecht zu erhalten. Nach den unmissverständlichen Vorgaben des EuGH in der E C-135/19 (Rs Pensionsversicherungsanstalt) ist es ausgeschlossen, die Zuständigkeitsregelung des Art 11 Abs 3 lit e VO (EG) 883/2004 unter dem Aspekt der unionsrechtlichen Freizügigkeit auszulegen und damit den Export zu rechtfertigen.

Die von der Kl in der Revision thematisierte „Nahebeziehung“ zum österreichischen System der sozialen Sicherheit ist auch aus primärrechtlichen Gründen nach der Entscheidung des EuGH C-135/19 kein für die Frage der Zuständigkeit entscheidendes Kriterium. Die Kl unterlag nach Einstellung ihrer Erwerbstätigkeit und Verlegung ihres Wohnsitzes in einen anderen Mitgliedstaat ausschließlich den Sozialrechtsvorschriften ihres Wohnmitgliedstaats (Tschechische Republik). Die Versagung von Rehabilitationsgeld führt in einem solchen Fall nicht dazu, dass einer Person der Schutz auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit vorenthalten wird, weil keine österreichischen Rechtsvorschriften mehr für sie gelten (EuGHC-135/19, Rn 53).

Die Kl argumentierte, dass infolge ihrer freiwilligen Mitversicherung in der KV ihres Ehegatten als Angehörige gem Art 14 VO (EG) 883/2004 weiterhin die Zuständigkeit des österreichischen Systems der sozialen Sicherheit gegeben gewesen wäre. Art 14 Abs 1 VO (EG) 883/2004 normiert eine Ausnahme von dem in Art 11 VO (EG) 883/2004 normierten Grundsatz, dass jeweils nur eine mitgliedstaatliche Rechtsordnung zur Anwendung komme, für den Fall der freiwilligen Versicherung und der freiwilligen Weiterversicherung. Es lag jedoch weder eine freiwillige Versicherung (§ 16 ASVG) noch eine freiwillige Weiterversicherung vor: Die Kl war lediglich als Angehörige ihres Ehemanns in seiner gesetzlichen KV nach dem B-KUVG anspruchsberechtigt („mitversichert“). Schon aus diesem Grund ist Art 14 VO (EG) 883/2004 nicht anwendbar.

Ausgehend von dieser Beurteilung ist das Rehabilitationsgeld nicht zu exportieren, wenn die betroffene Person aufgrund der Kollisionsnormen der VO (EG) 883/2004 nicht mehr dem österreichischen System der sozialen Sicherheit angehört.112