Angemessene Abhilfe gegen Belästigung – was ist konkret zu tun?

SABINEWAGNER-STEINRIGL

Immer wieder ist es für AG schwierig zu entscheiden, wie eine angemessene Abhilfe in Fällen von (sexueller) Belästigung nach dem Gleichbehandlungsgesetz (GlBG) auszusehen hat. Was bedeutet der von der Rsp entwickelte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Praxis? Welche konkreten Handlungen sind gesetzlich geboten, welche Spielräume bestehen? Bereits bei der Entgegennahme von Beschwerden sowie der Einschätzung von Belästigungssachverhalten sind wesentliche Punkte zu beachten, um im Folgenden eine angemessene Abhilfe sicherzustellen; ein vorgestelltes Prüfraster kann AG dabei unterstützen. Schließlich werden die möglichen Abhilfehandlungen kategorisiert und anhand der bisherigen Rsp sowie einer aktuellen E des OLG Wien Abgrenzungsfragen betreffend die Erforderlichkeit von Kündigung oder Entlassung erörtert.

1..
Einleitung

Sexuelle, rassistische und andere Belästigungen nach dem GlBG sind eine Realität im Arbeitsleben wie Studien zeigen* und die Beratungspraxis der Gleichbehandlungsanwaltschaft (GAW) sowie anderer Beratungseinrichtungen belegt.* Daher ist es für AG wichtig, sich mit der Thematik und den in diesem Zusammenhang bestehenden Pflichten auseinanderzusetzen und Handlungskompetenz zu erwerben. Bereits präventiv kann hier viel getan werden, auch wenn es in Österreich bisher – obwohl in den EU-Gleichbehandlungs-Richtlinien teils vorgesehen und anders als etwa in Deutschland – keine Verpflichtung gibt, präventiv tätig zu werden.*

Wenn (sexuelle) Belästigung gemeldet wird, ist rasches und effizientes Handeln entlang der gesetzlichen Vorgaben gefragt. Bereits bei der Beschwerdebehandlung und der Einschätzung des Sachverhaltes sollten AG maßgebliche Faktoren – weniger rechtlicher als personalpolitischer Natur – berücksichtigen, um schon in dieser Phase die Weichen für eine adäquate Abhilfe zu stellen. Die möglichen Abhilfehandlungen können in Kategorien unterschiedlicher „Schweregrade“ eingeteilt werden. Besonders herausfordernd ist immer wieder die Frage, wann die Entlassung eines belästigenden Mitarbeiters verhältnismäßig ist und wann eine Kündigung ausreicht; zu dieser Frage können einer aktuellen E des OLG Wien* neue, die bisherige Rsp ergänzende, Handlungsleitlinien entnommen werden.

2..
Entgegennahme einer Beschwerde

Nach Einlangen einer Beschwerde ist ein Gespräch mit der beschwerdeführenden Mitarbeiterin (MA) die erste erforderliche Handlung des AG. Schon dabei kann viel falsch gemacht werden, wie die Erfahrungen zeigen: So berichten Betroffene immer wieder von „Tribunalen“, in denen sie, teils in größeren Runden, sofort der anderen Partei gegenübergestellt werden; ungerechtfertigtem Anzweifeln ihrer Glaubwürdigkeit; übereilten Vorschlägen zu Mediation oder gar Therapie mit der anderen Partei oder der Bedingung, eine Strafanzeige einzubringen, sonst könne der AG „nichts machen“.

Für dieses Gespräch sind daher einschlägige Rahmenbedingungen und Kompetenzen gefragt, bei letzteren vor allem Empathie: Genaues Zuhören, Wertschätzung der beschwerdeführenden MA und Ernstnehmen der Beschwerde sind hier zentral. Auch ein Wissen darüber, dass Menschen durch Belästigungshandlungen – je nach deren Intensität und den eigenen Vorerfahrungen mehr oder weniger – belastet sind und eine Meldung für sie selbst unangenehm ist, sollte vorhanden sein.* Das Gespräch ist daher in einem vertrauensvollen Rahmen zu führen, eine Vertrauensperson der betroffenen MA kann dabei gute Dienste leisten.

Außerdem sollte beschwerdeführenden MA prinzipiell Glauben geschenkt werden. Schließlich ist davon auszugehen, dass seitens des AG zu den eigenen MA ein Grundvertrauen besteht – das 113sollte umso mehr für Belästigungsbeschwerden gelten. Nur, wenn es ganz konkrete Anhaltspunkte dafür gibt, dass eine Beschwerde nicht glaubwürdig ist, ist dem nachzugehen. Für AG besteht sogar Grund zur Dankbarkeit gegenüber beschwerdeführenden MA, da diese damit ein bestehendes Problem im Unternehmen aufzeigen und so – auch wenn dies unerfreuliche Handlungen des AG erfordert – erst eine Lösung möglich wird.

Selbstverständlich darf nach dem genauen Sachverhalt – belästigende Person, Ort, Zeit, Vorfälle – gefragt werden, denn nur dann kann der AG seiner Abhilfeverpflichtung nachkommen.* Auch Fragen nach Belegen und/oder ZeugInnen für die Belästigungshandlungen sind sinnvoll, keinesfalls sollten AG jedoch signalisieren, dass der Beschwerde nur geglaubt wird, wenn es diese gibt. Es unterstützt jedoch den AG dabei, rasch und richtig zu reagieren. Besprochen werden sollte auch eine größtmögliche Vertraulichkeit aller Beteiligten, ohne jedoch absolute Vertraulichkeit zuzusagen – bestimmte Abhilfemaßnahmen, die vielleicht erforderlich werden, können nicht vollkommen vertraulich bleiben und bedürfen einer Erklärung. Zum Abschluss des Gespräches ist eine Information über die weiteren Schritte wichtig: Gespräch mit der beschuldigten Person und vorläufige Abhilfemaßnahmen.*

3..
Erste Reaktion auf eine Beschwerde

Es ist wichtig, sich dabei vor Augen zu führen, dass gesetzliches Ziel der Abhilfe immer der Schutz der betroffenen MA vor weiteren Belästigungen, und zwar ohne Erleiden einer Benachteiligung, ist. Dabei müssen AG nicht zwingend Handlungen setzen, die die betroffene Person sich wünscht, sondern sind ausschließlich diesem Telos verpflichtet. Gerade in der anfänglichen Situation ist aber die Nachfrage nach den Vorstellungen der betroffenen MA angebracht und ein Eingehen darauf wichtig. Keinesfalls sollte eine vorläufige Abhilfe so aussehen, dass der soziale Status der betroffenen Person im Betrieb gefährdet wird, indem sie etwa gegen ihren Wunsch freigestellt wird. Auch eine allfällige Umorganisation von Arbeitsabläufen zur Vermeidung weiterer Begegnungen zwischen betroffener und beschuldigter MA sollte mit Fingerspitzengefühl durchgeführt und vor allem kommuniziert werden.

Das Gespräch mit der beschuldigten Person ist zeitnahe zu führen und der Inhalt der Beschwerde offen zu kommunizieren, inklusive einer Konfrontation mit vorhandenen Belegen bzw Wahrnehmungen von ZeugInnen. Dies liegt im Interesse des AG, genauso aber des beschuldigten MA, der somit Gelegenheit zum Gehör bekommt. Die genaue Beobachtung der Reaktionen des beschuldigten MA sind wichtig, damit sich der AG ein möglichst gutes Bild vom Sachverhalt machen kann. In der zitierten OLG-E finden sich dazu einige sehr grundsätzliche Feststellungen, wie die folgende: „Warum überdies die anfänglich von den beiden Lehrlingen geäußerte Einstellung, dass der Kläger einer von den „Coolen“ sei, und die – offensichtlich ironische – Bemerkung von B** „Pfuh, bemühe dich“ erst zu den Belästigungshandlungen geführt haben soll (...), ist dem erkennenden Senat nicht nachvollziehbar, jedenfalls ist das Verhalten des Klägers dadurch nicht weniger gravierend oder gar zu entschuldigen.“*) Sozialadäquates Verhalten der betroffenen MA oder angeblich als Aufforderung verstandene Reaktionen können demnach keinesfalls als „Erklärung“ für sozial nicht adäquates belästigendes Verhalten herhalten und machen Belästigungshandlungen auch nicht weniger schwerwiegend.*

4..
Beurteilung der Belästigung – Prüfraster

Nach den Gesprächen mit der betroffenen und der beschuldigten Person, der Durchsicht von Belegen und allfälligen weiteren Gesprächen mit ZeugInnen sollte der Sachverhalt nun „auf dem Tisch liegen“. Für die Eindeutigkeit desselben sind, wie beschrieben, Beweislage und Glaubwürdigkeit ausschlaggebend. Dabei muss – auch aus rechtlicher Vorsicht – der Grundsatz gelten, dass im Zweifelsfall der belästigten MA zu glauben ist bzw jedenfalls Maßnahmen zu setzen sind, die weitere mögliche Belästigungshandlungen verunmöglichen – auch wenn diese zum Nachteil des beschuldigten MA sein sollten. Vorläufige Abhilfehandlungen sollten bereits gesetzt worden sein.

Die nächste Aufgabe ist die Beurteilung der – vermuteten, wahrscheinlichen oder sicheren – Belästigung aus AG-Sicht. Dafür kann der folgende Prüfraster hilfreich sein, der auflistet, welche Umstände genau zu betrachten und zu analysieren sind:

  • Belästigendes Verhalten selbst: Dauer, Zahl der Vorfälle/Belästigungen, Schweregrad; Wie weit weicht das belästigende Verhalten von sozial adäquatem Verhalten ab, besteht eine Nähe zu strafrechtlich erfassten Handlungen?114

  • Begleitumstände des Verhaltens: Gab es im Zusammenhang mit der vorgebrachten Belästigung auch Verhaltensweisen, die die Belästigung gravierender erscheinen lassen bzw die betroffene MA zusätzlich unter Druck setzten – wie Drohungen, Einschüchterungen, Ausnützen von Macht oder die Aufforderung, nichts zu sagen?

  • Bisheriges Verhalten des beschuldigten MA: Gab es schon ähnliche Vorwürfe in der Vergangenheit gegen diesen oder sonstiges Fehlverhalten?

  • Rechtfertigung: Welche Erklärung hat der beschuldigte MA zur Beschwerde? Übernimmt er dafür Verantwortung und zeigt Einsicht bzw Reue oder versucht er, der betroffenen MA Mitverantwortung zuzuschieben? Streitet er alles ab?

  • Positionen der Beteiligten: Je stärker die Position des belästigenden MA (zB Führungskraft, Vertrauensstellung im Unternehmen, Vorgesetztenrolle, Vertreter des AG, Ausbildner, gegenüber der betroffenen MA weisungsbefugt …) und je schwächer bzw schutzwürdiger jene der belästigten MA (minderjährig, Lehrling, sonstiges Ausbildungsverhältnis, neu im Betrieb, weitere mögliche Diskriminierungsmerkmale …), desto schwerer wiegen Belästigungshandlungen. Der Machtaspekt im Verhältnis der beiden Personen zueinander ist hier zu analysieren und entsprechend zu werten.

  • Eigene Rolle als AG: Hier ist zu überlegen, wie der AG zu einem (uU leitenden) MA steht, der solche Handlungen setzt, auch verglichen mit anderem Fehlverhalten von MA. Ist der MA noch unbefangen voll einsetzbar? Kann der AG das Vertrauen haben, dass in Zukunft nicht Ähnliches vorfallen wird? Welche Schadenersatzansprüche seitens der betroffenen MA gegenüber dem AG könnten zu erwarten sein?

  • Belegschaft: Welcher Schaden wird dem AG durch das belästigende Verhalten in Bezug auf die anderen MA zugefügt? Gefahr für Gerüchtebildung, negative Gruppendynamik? Welche Haltung möchte der AG der Belegschaft in Bezug auf Belästigung signalisieren?

All diese Faktoren und Fragen sind gründlich zu bedenken und miteinander in Beziehung zu setzen. Dann ist der Zeitpunkt gekommen, in dem der AG den Sachverhalt definitiv beurteilen und entscheiden muss, wie er angemessen und damit gesetzeskonform reagiert.*

5..
Angemessene Abhilfehandlung

Je nach dem Ergebnis dieser Gesamtbewertung hat der AG nun rasch eine endgültige angemessene Abhilfehandlung zu setzen, die – der Rsp folgend – verhältnismäßig sein muss. Dieses Gebot der Verhältnismäßigkeit stellt AG regelmäßig vor Herausforderungen. Bei der Entscheidung für konkrete Maßnahmen ist nämlich einerseits weiterhin das primäre Ziel der Abhilfehandlung – das Sicherstellen belästigungsfreien Weiterarbeitens für die betroffene MA – zu beachten; ebenso nun aber auch die Rolle des AG mit zu berücksichtigen, dh Themen wie die Schädigung des AG durch die Belästigung, Verhinderung von Gerüchten und Wiederherstellung des Betriebsfriedens, Signale an die Belegschaft und letztlich die Frage der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des belästigenden MA für den AG.

Die dem AG zur Verfügung stehenden Abhilfehandlungen können in Stufen unterschiedlichen Schweregrades unterteilt werden: Zunächst – als gelindeste Stufe – sind disziplinäre Maßnahmen iS einer „Normverdeutlichung“ zu nennen, also Weisung, Ermahnung oder Verwarnung. Die zweite Stufe sind Änderungen des Arbeitsplatzes des belästigenden MA, sei es örtlich, zeitlich, inhaltlich und/oder organisatorisch. Die dritte und gravierendste Stufe ist die Dienstverhältnisbeendigung, wobei es wichtig ist, zu unterscheiden, ob eine Kündigung ausreichend oder eine Entlassung angemessen ist.

5.1..
Normverdeutlichung

Eine Maßnahme aus dem Spektrum der Normverdeutlichung kommt nur dann infrage, wenn die Belästigung weder massiv war noch wiederholt stattgefunden hat, sondern iS eines „Ausrutschers“ minderer Schwere gedeutet werden kann, wobei die Positionen der beteiligten Personen hier bei der Beurteilung mit einfließen sollten. Nur, wenn der AG sicher darauf vertrauen kann, dass keine weiteren Belästigungshandlungen folgen werden, kann eine solche gelinde Maßnahme ausreichen, denn nur dann ist der Schutz der betroffenen MA vor weiteren Belästigungen gewährleistet. Bei der Entscheidung darüber ist auch die Haltung des belästigenden MA zu beachten, dh ob Einsicht und Bedauern vorhanden sind.

Die ergriffene Maßnahme sollte vom AG schriftlich dokumentiert und der belästigten MA zur Kenntnis gebracht werden. Jedenfalls empfiehlt es sich seitens des AG auch, danach beide beteiligten MA iS einer Nachbetreuung gut zu begleiten und die Arbeitsplatzsituation genau zu beobachten.

5.2..
Änderungen des Arbeitsplatzes

Änderungen des Arbeitsplatzes sind dann adäquat, wenn der AG aufgrund der Vorfälle sicherstellen möchte, dass sich die beteiligten MA nicht mehr begegnen (können). Zu bedenken ist, dass eine vollständige berufliche Trennung dann, wenn etwa nur eine unterschiedliche Diensteinteilung vorge115nommen wird, nicht immer garantiert ist, da die Beteiligten vor allem in der Phase des Kommens oder Gehens aufeinandertreffen können. Gerade bei unvermuteten Begegnungen kann das Sicherheitsgefühl der belästigten MA sehr rasch wieder beeinträchtigt sein; die Abhilfehandlung ist dann nicht ausreichend. Es ist daher jedenfalls sinnvoll, den belästigten MA anzuweisen, sich auch bei ungeplanten Begegnungen von der belästigten MA fernzuhalten und Beendigungsmaßnahmen anzukündigen, falls dies nicht eingehalten wird.

Die Beratungserfahrung zeigt auch, dass AG oft nicht verlässlich sicherstellen, dass die Trennung bei der Diensteinteilung eingehalten wird und gerade bei personeller Knappheit andere Prioritäten haben. Außerdem müssen die diensteinteilenden MA von der Maßnahme informiert werden; die betroffene MA kann dadurch in den Ruf geraten, „Sonderwünsche“ erfüllt zu bekommen und kollegialen Feindseligkeiten ausgesetzt sein. ISd Schutzes dieser MA, aber auch iSd Zumutbarkeit für den AG ist daher im Zweifelsfall der Beendigung des Dienstverhältnisses des Belästigers der Vorzug zu geben; dies gilt auch für Fälle, wo der belästigende MA direkter Vorgesetzter der belästigten MA ist und eine Versetzung nicht möglich ist. Nur dort, wo eine vollkommene örtliche Trennung der Beteiligten machbar ist, etwa durch Versetzung des belästigenden MA in eine andere Dienststelle oder Filiale, ist diese Maßnahme erfolgversprechend. Auch dann sollte jedoch iSd Belegschaft und der Prävention das Verhalten des versetzten MA in Hinkunft genauer beobachtet werden.

5.3..
Beendigungsmaßnahmen

Die gravierendste Form der Abhilfemaßnahmen ist die Beendigung des Dienstverhältnisses mit dem belästigenden MA. Eine Beendigung ist dann auszusprechen, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses dem AG nicht zumutbar ist. Dies wird jedenfalls der Fall sein bei wiederholten bzw gravierenden Belästigungshandlungen und wird bei MA mit Leitungsfunktion oder gar Personalverantwortung früher erforderlich sein als bei anderen MA.

Strittig ist immer wieder die Frage, ob eine Kündigung ausreichend ist oder das belästigende Verhalten eine Entlassung rechtfertigt. Grundsätzliche Wertungsgebote dazu hat der OGH* bereits vor über 20 Jahren festgehalten: Zu prüfen ist die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des AN durch den AG „mit sofortiger Wirkung“ – liegt diese vor, und zwar nach objektivem Maßstab, so ist eine Entlassung gerechtfertigt. In diesem Fall sind sowohl die Dauer der Kündigungsfrist als auch die Möglichkeit gelinderer Maßnahmen – wie einer Kündigung unter Verbrauch des Urlaubsanspruches während der Kündigungsfrist – irrelevant: „Entscheidend ist ausschließlich, ob das zur Entlassung Anlass gebende Verhalten an sich geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung im konkreten Fall zu begründen, nicht jedoch, ob und wie lange noch Arbeitsleistungen zu erbringen wären (...) oder ob der Arbeitnehmer anderweitig im Betrieb eingesetzt werden könnte.“*) Im Fall, der hier verhandelt wurde, hatte der belästigende MA trotz Weisung und Änderung des Arbeitsplatzes weiterhin sexuell belästigt. Die ergriffenen Maßnahmen der Stufe eins und zwei hatten nicht ausgereicht,* sodass er schließlich entlassen wurde.

Die zitierte OLG-E gibt zu dieser Frage weitere hilfreiche Anhaltspunkte. Es ging in diesem Fall um einen Facharbeiter, der auch Lehrlinge betreute. Dieser machte einen Tag lang einem knapp nicht mehr minderjährigen weiblichen Lehrling gegenüber mehrfach „hartnäckig“ explizite sexuelle Bemerkungen und Annäherungsversuche und ignorierte deren ablehnende Signale und ausdrückliche Zurückweisungen. Er übte in der Folge auch Druck auf den Lehrling aus, indem er etwa Verschwiegenheit verlangte. Das OLG beurteilte in diesem Fall die Entlassung – trotz keinerlei disziplinärer Auffälligkeit des MA in den vorangegangenen neun Dienstjahren – als gerechtfertigt.

Insb in der Zusammenschau mit einer OGH-E aus 2011* wird hier die Grenze zwischen der Angemessenheit einer Kündigung und jener einer Entlassung konkretisiert: Letzterer Fall betraf ebenso einen deutlich dienstälteren MA, der gegenüber einem 19-jährigen weiblichen Lehrling einmalig einen explizit sexuellen, herabwürdigenden Kommentar machte. Hier sprach der OGH aus, dass dieses Verhalten zulässigerweise als noch nicht entlassungswürdig beurteilt werden konnte. Den entscheidenden Unterschied in der Wertung machte demnach die Tatsache aus, dass im zweiten Fall das belästigende Verhalten (wenn auch massiv) nur einmal erfolgte und keine weiteren einschüchternden, drohenden oder machtmissbräuchlichen Verhaltensweisen erfolgten.

Insgesamt bleibt die Rsp auch mit der nun ergangenen OLG-E konsistent, was die Angemessenheit einer Entlassung bzw einer Kündigung eines belästigenden MA betrifft; die OLG-E hilft bei der Schärfung der Trennlinie zwischen diesen zwei Maßnahmen. Wünschenswert wäre aus Sicht einer Beratungseinrichtung wie der GAW neben der angemessenen Reaktion von AG auf Belästigungsbeschwerden auch die Schaffung von Rahmenbedingungen, die die Wahrscheinlichkeit von Belästigungen verringern.*116

6..
Zusammenfassung

Eine gründliche Auseinandersetzung zu Fragen von Belästigungen nach dem GlBG im Unternehmen ist für verantwortungsvolle AG unumgänglich. Aus der Beratungspraxis der GAW werden zentrale Faktoren und Maßstäbe für die Beschwerdebehandlung und die Beurteilung von Belästigungssachverhalten durch AG sowie die Praktikabilität möglicher Abhilfemaßnahmen dargelegt. Schließlich zeigt die Rsp klare Grundsätze betreffend die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit von Beendigungsmaßnahmen; eine aktuelle E des OLG Wien dient der Schärfung wichtiger Trennlinien iSd bisherigen Rsp.