Ausgewählte Probleme zum Impfpflichtgesetz
Ausgewählte Probleme zum Impfpflichtgesetz
Kaum eine Gesetzesbestimmung polarisierte in den letzten Jahren dermaßen stark und wurde so kontrovers diskutiert wie das COVID-19-Impfpflichtgesetz (COVID-19-IG). Bis dato wurden 96.125, teils äußerst kritische und ablehnende Stellungnahmen abgegeben,* jeden Samstag finden Demonstrationen gegen die Impfpflicht mit mehreren Tausend Teilnehmern statt. Dennoch passierte das Gesetz am 20.1.2022 mit großer Mehrheit (137 von 170 abgegebenen Stimmen) den Nationalrat. Am 3.2.2022 erfolgte die Abstimmung im Bundesrat und am 5.2.2022 trat die Impfpflicht in Kraft. Strafbar ist ein Verstoß gegen die Impfpflicht ab 16.3.2022 bis zum Außerkrafttreten, welches mit 31.1.2024 geplant ist.
Die COVID-19-Impfpflicht betrifft alle Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet und einen Wohnsitz oder aufrechten Mittelpunkt von Lebensbeziehungen im Bundesgebiet haben. Die Ausnahmen aus medizinischen Gründen sind äußerst eng gefasst, das geplante Kontrollregime und die Strafbestimmungen sind ein Novum in der österreichischen Rechtsordnung.
Dieser Beitrag soll konkrete rechtliche Probleme anhand ausgewählter Bestimmungen des gegenständlichen Gesetzes beleuchten. Die generelle verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Impfpflicht werden hier nicht behandelt.*
Um flexibel auf neue Entwicklungen reagieren zu können, hat sich der Gesetzgeber dazu entschieden, viele – durchaus essentielle – Details durch Verordnungen zu normieren. Im Hinblick auf den unvorhersehbaren Pandemieverlauf und der stetigen Weiterentwicklung von Therapie- und Präventionsmöglichkeiten ist es natürlich sinnvoll, wenn der Normengeber rasch auf solche Entwicklungen reagieren kann. Nichtsdestotrotz darf eine solche Verordnungsermächtigung nicht über ein bloßes Ergänzen und Präzisieren hinausgehen. Dies würde dem Stufenbau der Rechtsordnung widersprechen und wäre daher verfassungsrechtlich bedenklich.
Im § 3 Abs 8 COVID-19-IG wird der Gesundheitsminister ermächtigt, abweichende Regelungen hinsichtlich der Ausnahme von der Impfpflicht zu erlassen. Gegen eine Präzisierung dieser Gruppe durch eine Verordnung ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Der Gesundheitsminister wird darüber hinaus allerdings befugt, sowohl neue Ausnahmen zu bestimmen als auch von bestehenden Ausnahmen abzuweichen. Doch gerade die Ausnahmeregelungen sind ein besonders sensibler Teil dieses Gesetzes. Für die Rechtsunterworfenen muss es klar und verlässlich sein, wer in diese Ausnahmegruppen fällt. Da die Ausnahmen ohnehin sehr restriktiv geregelt sind und daher nur sehr wenige Personen betreffen, ist es unverständlich, weshalb gewisse im Gesetz geregelte Ausnahmen per Verordnung wieder gestrichen oder in ihrer Dauer eingeschränkt werden sollen. Im Gegensatz zu den COVID-19-Maßnahmenverordnungen, welche akut erforderliche Maßnahmen implementierten, soll die Impfpflicht als längerfristige Maßnahme dienen. Das Erfordernis einer schnellstmöglichen Abänderung ist daher nicht gegeben. Erforderliche Änderungen sollen selbstverständlich zügig erfolgen, es besteht aber keine Notwendigkeit, das ordentliche Verfahren einer Gesetzesänderung zu übergehen.117
Doch auch jene, die nicht unter eine der Ausnahmegründe fallen, haben keine Möglichkeit, direkt aus dem COVID-19-IG herauszulesen, ob sie über einen gültigen Impfstatus verfügen oder nicht. Denn auch hier legt der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister per Verordnung fest, in welchen Impfintervallen bzw in welchem Zeitraum die Impfungen einer Impfserie durchzuführen sind. Welche konkreten Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um sich gesetzeskonform zu verhalten, ist somit nicht im Gesetz direkt geregelt! Aus denselben Gründen wie bereits in Pkt 1.1. erläutert, besteht auch hier keine Notwendigkeit einer schnellstmöglichen Abänderung. Vielmehr führt die Entscheidung, diesen Teil des Gesetzes (welcher eigentlich den Kern der gegenständlichen Norm ausmacht) über Verordnung zu erlassen, zu zweifeln, ob hier das Bestimmtheitsgebot nach Art 18 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) noch ausreichend erfüllt ist. Immerhin muss der Inhalt einer Regelung „soweit bestimmbar [sein], dass der Rechtsunterworfene sein Verhalten danach einrichten kann“
.* Ob der eigene Impfstatus nun gültig oder bereits eine Auffrischungsimpfung notwendig ist, ist aus dem Gesetz nicht erkennbar. Hierfür ist ein Blick in die (aktuelle) Verordnung notwendig.
Sind die Impfintervalle einmal festgelegt, kann der Verordnungsermächtigte diese bei Bedarf auch wieder abändern. Etwa, wenn die Impfkommission engere oder weitere Intervalle empfiehlt. Es ist allerdings durchaus kritisch zu sehen, dass der Gesundheitsminister über den gültigen Impfstatus und somit die Strafbarkeit von zigtausenden Menschen entscheiden kann – auch wenn dafür das Einvernehmen des Hauptausschusses des Nationalrates notwendig ist.
§ 19 Abs 2 ermächtigt den Bundesminister für Gesundheitswesen, die Anwendung des gesamten COVID-19-IG oder einzelne Bestimmungen daraus auf zukünftige Sachverhalte auszusetzen. Der Bundesminister erhält somit einen Hebel, mit welchem er das gegenständliche Gesetz oder gewisse Teile „aus- und einschalten“ kann. Ein Bundesgesetz außer Kraft zu setzen, ist jedoch in erster Linie eine Aufgabe des Parlaments bzw in Fällen der Verfassungswidrigkeit Aufgabe des VfGH.
Bereits seit März 2021 ist die Ausstellung eines COVID-19-Risiko-Attests iSd § 735 ASVG nur mehr für jene Personen möglich, die zum einen ein Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben und zum anderen aus medizinischen Gründen nicht gegen SARS-CoV-2 geimpft werden können oder bei denen trotz drei Impfungen keine ausreichende Immunantwort gegeben ist.
Es gibt somit auch im § 735 ASVG „Impfausnahmen“. Diese sind jenen im § 3 Z 2 COVID-19-IG zwar ähnlich, aber nicht vollkommen ident. Insb jene Personen, bei denen aus medizinischen Gründen eine Immunantwort auf eine Impfung nicht zu erwarten ist, sind in § 735 ASVG nicht berücksichtigt. Um absurde Konstellationen zu vermeiden, muss sichergestellt werden, dass jene Personengruppe, die sich aus § 735 Abs 2 Z 1 und 2 ASVG ergibt, mit jener, die nach § 3 Abs 1 Z 2 COVID-19-IG von der Impfpflicht ausgenommen ist, gleichgestellt wird. Ohne Gleichstellung ist etwa die Situation möglich, dass eine Person zwar nicht impfbar nach § 735 Abs 2 Z 2 ASVG ist, aber in keine Ausnahme nach § 3 Abs 1 COVID-19-IG fällt. Ohne Impfung würde diese Person trotz Vorliegens eines ärztlichen Risiko-Attests nach § 735 ASVG die Impfpflicht verletzen.
Die einfachste Lösung wäre daher ein Verweis des § 735 Abs 2 Z 2 ASVG auf den § 3 Z 2 COVID-19-IG. Aufgrund der hohen Sensibilität des COVID-19-IG muss dieses so nachvollziehbar wie möglich sein. Daher sollen im COVID-19-IG die Ausnahmetatbestände verankert werden und andere Gesetze können bei Bedarf auf diese verweisen.
Darüber hinaus muss klargestellt werden, dass – auch bei Gleichschaltung der „Impfausnahmen“ – nicht jeder, der aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden kann, automatisch die Voraussetzungen für ein COVID-19-Risiko-Attest nach § 735 ASVG erfüllt. Für ein solches Risiko-Attest muss immer auch das Risiko eines schweren Verlaufes berücksichtigt werden. Beispielsweise kann eine Person, die grundsätzlich kein besonderes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf hat, aufgrund einer Allergie unimpfbar sein. Diese Person ist dann zwar von der Impfpflicht befreit, hat aber keinen Anspruch auf ein COVID-19-Risiko-Attest.
Sofern dies zur Sicherstellung der Erfüllung der Impfpflicht erforderlich ist, kann die Bundesregierung durch Verordnung einen Stichtag zur Ermittlung der impfpflichtigen Personen zum Zweck der Durchführung eines Strafverfahrens iSd Gesetzes festsetzen (sogenannter Impfstichtag). Solange eine solche Verordnung noch nicht in Kraft ist, 118haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes bei Amtshandlungen, die die Feststellung der Identität des Betroffenen umfassen, auch die Einhaltung der Impfpflicht zu kontrollieren und Maßnahmen zur Einleitung und Sicherung eines Verwaltungsstrafverfahrens zu setzen. Das bedeutet, dass ein Verstoß gegen die Impfpflicht zunächst nur im Zuge eines Aufgriffs wegen eines anderen Delikts kontrolliert und gegebenenfalls gestraft werden kann.
Fraglich ist, ob das bloß drohende Aufgriffsrisiko den gewünschten Effekt erzielt. Es ist vorstellbar, dass viele Personen, die den Impfstatus nicht erfüllen, das Risiko eines Aufgriffs in Kauf nehmen, da sie die Wahrscheinlichkeit eines solchen als sehr gering betrachten. Kann der Effekt nicht erzielt werden, so ist die Wirksamkeit der Impfpflicht für eine Erhöhung der Impfquote nicht gegeben. Dies hat wiederum zur Folge, dass mangels Wirksamkeit auch keine Verfassungskonformität besteht.
Das gegenständliche Gesetz darf nicht dazu missbraucht werden, dass Personengruppen, die ohnehin bereits stärker im Fokus des öffentlichen Sicherheitsdienstes stehen, vermehrt kontrolliert und gestraft werden, während andere Personengruppen keinen Aufgriff fürchten müssen. Insb ist das racial profiling – also die Entscheidung, jemanden anzuhalten oder zu kontrollieren auf personenbezogene Merkmale, wie die Hautfarbe zu stützen statt auf das Verhalten der Person – eine in Österreich durchaus gängige Praxis.* Hier gilt es besonders genau hinzuschauen und Tendenzen missbräuchlicher Anwendung sofort aufzuzeigen.
Grundsätzlich werden Verstöße gegen die Impfpflicht mit einer Geldstrafe bis zu € 3.600,- geahndet. Ersatzfreiheitsstrafen für den Fall der Uneinbringlichkeit werden ausdrücklich nicht verhängt. Bemerkenswert ist, dass der Gesetzgeber mit der Impfstrafverfügung im COVID-19-IG eine einzigartige Strafmöglichkeit geschaffen hat. Wenn die Bezirksverwaltungsbehörde durch eine Anzeige oder den Datenabgleich bei Einführung von Impfstichtagen (siehe unten 5.1.) das Strafverfahren einleitet, kann zuerst mittels einer Impfstrafverfügung bis zu € 600,- gestraft werden. Wird gegen die Impfstrafverfügung ein begründeter Einspruch eingebracht, tritt diese außer Kraft. Im darauffolgenden ordentlichen Strafverfahren kann nun eine höhere Strafe verhängt werden.
Der Art 11 Abs 2 B-VG normiert, dass ein Abweichen von den allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsstrafrechts und -verfahrens nur möglich ist, wenn dies objektiv zur Regelung des Gegenstands erforderlich ist.* Die §§ 47 ff Verwaltungsstrafgesetz (VStG) regeln die Strafmöglichkeit der Strafverfügung. Strafverfügungen können bis zu € 600,- betragen, der Einspruch als Rechtsmittel kann binnen zwei Wochen eingebracht werden und dieser führt dazu, dass das ordentliche Verfahren eingeleitet wird. Jedoch ist ausdrücklich festgeschrieben, dass im Straferkenntnis des ordentlichen Verfahrens keine höhere Strafe verhängt werden darf als in der Strafverfügung.*
Die neu geschaffene Impfstrafverfügung unterscheidet sich von der allgemeinen Strafverfügung also bloß hinsichtlich der Regelung, dass im Falle eines Rechtsmittels höher bestraft werden kann.
Zweifellos ist in einem Massenstrafverfahren ein vereinfachtes Strafverfahren notwendig, um die Verwaltungsbehörden vor einer Überlastung zu bewahren. Dies wäre aber auch mit der allgemeinen Strafverfügung gegeben. Der Gesetzgeber führt aus, dass das Abgehen von der Strafverfügung aufgrund einer effektiven Vollziehung und der besonderen Ausnahmesituation durch Umgehungsversuche notwendig ist. Durch eine Bestrafung mittels der allgemeinen Strafverfügung wäre die Eignung der gewählten Maßnahme und daher die Verfassungsmäßigkeit fraglich.
Diese Argumentation überzeugt uE nicht. Zwar ist es wahrscheinlich, dass einige Personen versuchen werden, durch die Einlegung von Rechtsmitteln die Impfpflicht zu untergraben, dass die Wirksamkeit einer Strafe proportional zur Strafhöhe steigt, wird vom Gesetzgeber nicht einmal in den Erläuterungen behauptet. Wie groß der erwartete Personenkreis sein wird, der voraussichtlich Rechtsmittel einbringen wird und ob dieser überhaupt so groß ist, dass die Verwaltungsbehörden überlastet werden oder die notwendige Durchimpfungsrate nicht erreicht wird, wird nicht behandelt.
Die systematische Ausgestaltung der Rechtsmittelverfahren im VStG bzw Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGvG) und die unterschiedliche Behandlung des Verschlechterungsverbots wurden bereits vor der Impfpflicht vonRaschauer kritisiert. Diese Rechtslage wird von ihm rechtspoli119tisch und im Zusammenhang mit dem Gleichheitssatz auch verfassungsrechtlich bedenklich gesehen.* Diese Einschätzung bzw Überlegung trifft uE auch analog auf die neu geschaffene Impfstrafverfügung zu. Eine mögliche höhere Strafe im Rechtsmittelverfahren stellt eine Hemmschwelle, überhaupt ein Rechtsmittel einzubringen, dar. Wieso hier zwischen verschiedenen Strafmöglichkeiten differenziert wird, ist unschlüssig.
Derzeit besitzen 6.185.208 Personen (69,24 % der Gesamt- und 72,78 % der impfbaren Bevölkerung)* in Österreich ein gültiges Impfzertifikat. Insb durch die mit 1.2.2022 in Kraft getretene Verkürzung des Impfintervalls* haben rund 235.000 grüne Pässe ihre Gültigkeit verloren.*
Mit Inkrafttreten der Strafbestimmungen mit 16.3.2022 werden die Bezirksverwaltungsbehörden und in weiterer Folge die Landesverwaltungsgerichte mit einem potentiellen Mehraufwand von mehr als 1.200.000 zusätzlichen Strafverfahren konfrontiert. Natürlich wird der Verwaltungsaufwand bis zur Implementierung des Impfstichtags aufgrund der faktisch begrenzten Anzahl von Aufgriffsfällen geringer ausfallen, jedoch muss bedacht werden, dass durch jeden personellen Mehraufwand die Verzögerung anderer Verfahren droht.*
Der § 5 COVID-19-IG sieht vor, dass die Bundesregierung durch Verordnung einen Erinnerungsstichtag festzusetzen hat, sobald die technischen Möglichkeiten zur Umsetzung des automatisierten Datenabgleichs gegeben sind. Der nächste Erinnerungsstichtag folgt jeweils sechs Monate nach dem vorherigen. An jede Person, die an diesem Stichtag keinen gültigen Impfstatus aufweist und nicht von der Impfpflicht ausgenommen ist, wird ein Erinnerungsschreiben des Gesundheitsministers bzw der IT-Services der Sozialversicherung GmbH (ITSV) als Auftragsverarbeiterin zugeschickt. Aus den Erläuterungen ist ersichtlich, dass dieses Erinnerungsschreiben eine bloße Dienstleistung darstellen soll, die dem Grundsatz des § 33a VStG „Beraten statt Strafen“ nachkommt.
Falls es zur Erfüllung der Impfpflicht notwendig ist, kann die Bundesregierung durch Verordnung einen Impfstichtag festlegen. Dieser darf jedoch frühestens einen Monat nach dem Erinnerungsstichtag liegen. Weiters wiederholt sich der Impfstichtag d’accord mit dem Erinnerungsstichtag alle sechs Monate. Die Implementierung eines Impfstichtages hätte zur Folge, dass die Bezirksverwaltungsbehörden Impfstrafverfügungen an alle Personen ausstellen, bei denen zum Impfstichtag weder ein gültiger Impfstatus noch eine Ausnahme im eImpfpass eingetragen ist. Dies würde zumindest einzelne Bezirksverwaltungsbehörden vor personelle Herausforderungen stellen.
Im Begutachtungsentwurf war aufgrund des widersprüchlichen Wortlauts einzelner Bestimmungen noch unklar, ob es sich beim Verstoß gegen die Impfpflicht um ein Dauerdelikt oder Einzeldelikt handelt. Diese Unklarheit wurde durch die Erläuterungen zu § 10 behoben und ausdrücklich festgestellt, dass die Impfpflicht als Dauerdelikt konzipiert ist.
Besonderheit eines Dauerdelikts ist, dass zwar bis zur Beendigung des verpönten Verhaltens eine dauerhafte Verwaltungsübertretung vorliegt, eine neuerliche Strafe jedoch nur möglich ist, wenn ein vorangegangenes Strafverfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen ist. Dies führt zu dem Ergebnis, dass keine neuerliche Strafe verhängt werden kann, wenn noch ein laufendes Rechtsmittelverfahren besteht.* „Impfverweigerern“ spielt eine drohende Überlastung der Verwaltungsbehörden somit in die Hände.
Gegen eine Impfstrafverfügung kann binnen zwei Wochen ab Zustellung ein begründeter Einspruch erhoben werden. Wird kein Einspruch erhoben, wird die Impfstrafverfügung rechtskräftig und vollstreckbar. Aufgrund eines Einspruchs tritt grundsätzlich* die gesamte Impfstrafverfügung außer Kraft und die Bezirksverwaltungsbehörde hat ein ordentliches Verfahren einzuleiten, welches wiederum mit einem Straferkenntnis endet (zur höheren Strafmöglichkeit siehe oben 3.). Das Straferkenntnis kann wiederum mittels Bescheidbeschwerde gem Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG bekämpft werden. Für das weitere Verfahren ist dann das jeweilige Landesverwaltungsgericht zuständig. Gegen ein Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts kann eine (außer)ordentliche Revi120sion an den VwGH oder eine Beschwerde an den VfGH eingelegt werden.
5.3.1. Sonderbestimmung für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten
Selbst der Gesetzgeber rechnet mit systematischen Versuchen, die Impfpflicht mittels einer Flut an Rechtsmitteln und damit verbundenen Überlastung der Behörden und Gerichte zu unterlaufen. In den Erläuterungen zu § 13 wird dies offen angesprochen. Aufgrund dieser Befürchtung hat es der Gesetzgeber als notwendig erachtet, Sonderbestimmungen für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten in das COVID-19-IG aufzunehmen.
Trotz Parteiantrages kann das Landesverwaltungsgericht von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn die Bescheidbeschwerde „bloß“ die Behauptung zum Inhalt hat, dass das COVID-19-IG verfassungswidrig sei und einem Entfall der mündlichen Verhandlung weder Art 6 Abs 1 EMRK* noch Art 47 GRC* entgegenstehen.
Fest steht, dass die Einführung der Impfpflicht zusätzlichen Aufwand für die Verwaltung und Justiz bedeutet. Wie groß dieser zusätzliche Aufwand ausfällt, hängt jedoch vorrangig davon ab, ob und wann ein Impfstichtag eingeführt wird. Bei langwierigen Verfahren vor den Bezirksverwaltungsbehörden und Landverwaltungsgerichten stellt das Verbot einer neuerlichen Bestrafung bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens die generelle Wirksamkeit des Gesetzes in Frage.
Mehrere politische Parteien* haben bereits angekündigt, Musterbeschwerden zur Verfügung zu stellen. Auch die Eingabegebühren beim VfGH bzw VwGH* und der Anwaltszwang vor den Höchstgerichten werden voraussichtlich viele Impfgegner nicht abschrecken. Die erste Beschwerde wurde bereits am 7.2.2022 beim VfGH eingebracht.*
Ob der Versuch, mittels Impfstrafverfügung und den Sonderbestimmungen für die Landesverwaltungsgerichte die Belastung für die öffentlichen Institutionen zu verringern und einen wirksamen und raschen Vollzug gewährleisten kann, erfolgreich ist, wird die Praxis zeigen.
Die politische Meinung zu einer generellen Impfpflicht ist ebenso ambivalent wie der Gestaltungsprozess des Gesetzes. Diese Unsicherheit spiegelt sich schlussendlich im beschlossenen Gesetz wider – die Kernregelungen werden mittels Verordnungen festgelegt, die geplante technische Umsetzung und die Eintragung der Ausnahmen scheitert an den technischen Gegebenheiten. Bis diese vorliegen, soll die Kontrolle durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgen, wobei hier wiederum die Wirksamkeit und damit die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes fraglich ist.
Natürlich bietet die Konstellation über die Verordnungsermächtigungen die größtmögliche Flexibilität für den Normengeber – dies ist in einer Pandemie auch nachvollziehbar. ISd Bestimmtheitsgebots müssen jedoch zumindest die Kernbestimmungen im entsprechenden Gesetz geregelt sein, damit die einzelnen Normunterworfenen möglichst einfach nachvollziehen können, ob sie die Impfpflicht erfüllen oder nicht. Mehrere Bestimmungen des COVID-19-IG sind zumindest verfassungsrechtlich bedenklich. Dazu zählt auch die neu geschaffene Strafbestimmung der Impfstrafverfügung. Weiters monieren die von der Impfpflicht tangierten Behörden oder Gerichte fehlende personelle und technologische Ressourcen ein.
Das COVID-19-IG steht daher seit seiner Entstehung in uE teilweise berechtigter Kritik. Ob mit den getroffenen Maßnahmen die Durchimpfungsrate gehoben werden kann und damit das Gesetz auch wirksam ist, werden erst die nächsten Monate zeigen. Über die generelle Verfassungsmäßigkeit wird schlussendlich der VfGH entscheiden müssen. 121