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Dienstgeberhaftung bei Arbeitsunfall: Vorsatz des Dienstgebers in Bezug auf Eintritt und Umfang des Schadens erforderlich

CHRISTOSKARIOTIS

Der als Mitfahrer bei Sonder- bzw Gefahrenguttransporten beschäftigte Kl erlitt bei einem Arbeitsunfall am 22.6.2017 schwerste Verletzungen, als ein von ihm abgeladenes Kunststofffass, das mit diversen Spraydosen und Feuerzeugen befüllt war, explodierte. Der Kl forderte in der Folge Schadenersatz vom AG.

Die Vorinstanzen verneinten – mangels vorsätzlicher Verursachung des Unfalls – eine Haftung der bekl DG für die Folgen des Arbeitsunfalls des Kl.

Der OGH wies die außerordentliche Revision des Kl – mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage – zurück und führte dazu zunächst aus, dass der DG dem Versicherten zum Ersatz des Schadens, der diesem durch eine Verletzung am Körper infolge eines Arbeitsunfalls entstanden ist, gem § 333 Abs 1 ASVG nur verpflichtet ist, wenn er den Arbeitsunfall vorsätzlich verursacht hat („Dienstgeberhaftungsprivileg“).

Vorsatz iSd § 333 ASVG ist gleichbedeutend mit „böser Absicht“, die nach § 1294 ABGB nur gegeben ist, wenn der Schaden widerrechtlich mit Wissen und Willen des Schädigers verursacht worden ist. Der Vorsatz muss Eintritt und Umfang des Schadens umfassen. Zwar genügt bedingter Vorsatz. Es reicht jedoch nicht aus, wenn zB vorsätzlich AN-Schutzvorschriften nicht eingehalten werden, solange nicht auch der Schadenseintritt vom Vorsatz umfasst ist (OGH 31.8.2005, 9 ObA 16/05a; OGH 29.1.2014, 9 ObA 4/14z). Voraussetzung ist darüber hinaus, dass der DG selbst vorsätzlich gehandelt hat. Eine Zurechnung des Verhaltens eines Dritten (etwa eines Erfüllungsgehilfen) scheidet somit auch dann aus, wenn dieser vorsätzlich gehandelt hat (OGH 9 ObA 4/14z).

Mit der Ansicht, der Vorsatz müsse sich, wenn es sich um die Übertretung eines Schutzgesetzes handle, nur auf den Verstoß gegen die Norm beziehen, der Vorsatz müsse nicht auch den Eintritt oder den Umfang des Schadens erfassen, setzt sich der Revisionswerber in Widerspruch zu der zitierten Rsp.

Darüber hinaus lässt der Kl auch im Unklaren, wer hier gegen welches konkrete Schutzgesetz wenigstens bedingt vorsätzlich verstoßen haben soll:

Nach den bindenden Feststellungen gingen die Leiterin der Abteilung Labor und Problemstoffsammlung und der Leiter der zentralen Problemstoffsammelstelle irrig davon aus, dass bei Druckgaspackungen oben in den Fässern Löcher zum Entweichen des Überdrucks vorhanden sein müssten, bei der Lagerung keine explosionsgefährlichen Atmosphären entstehen könnten und deshalb ein Transport entsprechend dem ADR („Accord européen relatif au transport international des marchandises Dangereuses par Route“ bzw „Europäisches Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße“) gegeben sei. Tatsächlich wäre nach dem vom Erstgericht zum Bestandteil der Feststellungen erklärten Sachverständigengutachten eine bodennahe Entlüftung der Fässer notwendig gewesen, weil ein am Boden geschlossenes Kunststofffass den Aufbau eines explosionsgefährdeten Bereichs technisch nicht verhindern kann, da die Brennstoffe schwerer als Luft sind, egal wie viele Löcher im Bereich der Verdeckelung angebracht sind. Zwar schreiben die einschlägigen Vorschriften eine ausreichende Belüftung vor, um die Bildung einer entzündbaren Atmosphäre und einen Druckaufbau in den Verpa86ckungen zu verhindern, allerdings fehlt es an näheren Vorgaben, auf welche Art und Weise diese Belüftung zu bewerkstelligen ist.

Worin angesichts dieser Feststellungen der Vorsatz der Bekl bzw „ihrer verantwortlichen Mitarbeiter“ in Bezug auf die Übertretung eines Schutzgesetzes liegen soll, zeigt der Kl nicht auf.

Soweit der Kl damit argumentiert, dass die konkrete Belüftung überhaupt nur aus einem einzigen und nicht – wie von der Gesamtverantwortlichen für die Problemstoffsammlung vorgesehen – mehreren Löchern im Deckel bestanden hat, ist er auch auf die Feststellung zu verweisen, dass auch mehrere Löcher im Deckel unzureichend gewesen wären, sodass es insoweit auch an der Schadenskausalität dieses Umstands fehlt. Dafür, dass die für die Bekl handelnden Personen wissentlich ein unzureichend belüftetes Fass verwendet hätten bzw verwenden hätten lassen, wie der Kl meint, gab es überdies keinerlei Anhaltspunkte.