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Beweiserleichterung der bloßen Glaubhaftmachung auch bei Kündigungsanfechtung wegen Folgediskriminierung

LYNNROTHFISCHER
§§ 12 Abs 7 S 1 zweiter Fall sowie Abs 12 S 1 GlBG

Die Kl wurde von der Bekl nach Verlangen einer angemessenen Abhilfe gegen die sexuelle Belästigung eines Dritten (§ 6 Abs 1 Z 2 iVm Z 3 GlBG) gekündigt. Daraufhin focht die AN die Kündigung wegen Diskriminierung bei Gericht an.

Die Vorinstanzen erklärten die von der Bekl ausgesprochene Kündigung des Dienstverhältnisses für rechtsunwirksam.

In ihrer dagegen erhobenen außerordentlichen Revision richtet sich die Bekl gegen die Anwendbarkeit des § 12 Abs 12 GlBG auf Fälle einer Kündigungsanfechtung nach § 12 Abs 7 S 1 zweiter Fall GlBG. Daraus leitet sie ab, dass die Vorinstanzen ein falsches Beweismaß (bloße Glaubhaftmachung) angewandt hätten.

Der OGH wies die außerordentliche Revision der Bekl mangels erheblicher Rechtsfrage zurück:

§ 12 GlBG weist den verschiedenen Formen der Verletzung des Gleichbehandlungsgebots – zu denen auch Fälle einer sexuellen Belästigung iSd § 6 Abs 1 GlBG zählen – Rechtsfolgen zu. Die in § 12 Abs 12 S 1 GlBG statuierte Beweiserleichterung einer Glaubhaftmachung erfasst dazu alle Diskriminierungstatbestände iSd §§ 3, 4, 6 oder 7 GlBG, womit auch ein Verstoß gegen das Verbot der unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in der Situation bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (§ 3 Z 7 GlBG) umfasst ist. Im konkreten Fall manifestiert sich die Diskriminierung der Kl dadurch, dass sie von der Bekl wegen der Geltendmachung von Ansprüchen nach diesem Gesetz – hier das Verlangen nach einer angemessenen Abhilfe gegen die sexuelle Belästigung eines Dritten (§ 6 Abs 1 Z 2 iVm Z 3 GlBG) – gekündigt wurde (sogenannte „Folgediskriminierung“). Diesen Zusammenhang hat die Kl auch glaubhaft gemacht.

Für die Rechtsansicht der Bekl spricht auch nicht die von ihr ins Treffen geführte Bestimmung des § 12 Abs 7 GlBG, die explizit auf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses „wegen des Geschlechtes des/der AN oder wegen der nicht offenbar unberechtigten Geltendmachung von Ansprüchen nach diesem Gesetz“ abstellt. Aus dieser Anführung geht noch nicht hervor, dass die Reaktion eines AG auf eine nicht offenbar unberechtigte Geltendmachung solcher Ansprüche nicht auch den Tatbestand der Diskriminierung erfüllen könnte. In diesem Sinn erachtet auch die Literatur die Gren93zen zwischen diesen beiden Tatbeständen vor allem dann als fließend, wenn eine Person in Reaktion auf die nicht offenbar unberechtigte Geltendmachung von Ansprüchen wegen geschlechtlicher Diskriminierung gekündigt wird, weil in diesem Fall schon der erste Tatbestand der Kündigung „wegen des Geschlechts“ gegeben sein kann. Mit dem Tatbestand der „Geltendmachung von Ansprüchen“ wird insofern nur das Bemühen des Gesetzgebers unterstrichen, die Beendigungsdiskriminierung möglichst umfassend zu regeln. Dass § 12 Abs 12 GlBG die „nicht offenbar unberechtigte Geltendmachung von Ansprüchen nach diesem Gesetz“ nicht wiederholt, ist daher im Hinblick auf das Beweismaß der Glaubhaftmachung unschädlich, weil die folgende Kündigung des AG schon einen Diskriminierungstatbestand als solchen verwirklichen kann. Das war hier nach dem Beweismaß der Glaubhaftmachung der Fall.

Die Bekl bringt in ihrer Zulassungsbeschwerde auch vor, allenfalls bestehende Ansprüche der Kl erfüllt bzw nicht bestritten zu haben, wodurch entsprechend der stRsp zu § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG der Tatbestand des dieser Bestimmung nachgebildeten § 12 Abs 7 S 1 zweiter Fall GlBG nicht erfüllt sei.

Auch wenn der Anfechtungstatbestand des § 12 Abs 7 S 1 zweiter Fall GlBG dem allgemeinen betriebsverfassungsrechtlichen Motivkündigungsschutz des ArbVG ähnlich sein mag, ist nicht zu übersehen, dass § 12 Abs 7 S 1 zweiter Fall GlBG das in § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG enthaltene Tatbestandsmerkmal „in Frage gestellt“ nicht enthält. Es kommt nach dieser Bestimmung nicht darauf an, ob die nicht offenbar unberechtigt geltend gemachten Ansprüche vom AG in Frage gestellt werden oder nicht.