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Lauf der Verfallsfrist beginnt mit objektiver Möglichkeit zur Rechtsausübung

MANFREDTINHOF
§ 14 Abs 3 Satz 1 KollV für Bauindustrie und Baugewerbe

Das Arbeitsverhältnis eines Bauarbeiters wurde am 9.10.2020 beendet. Am 16.11.2020 erhielt der AN die Lohnabrechnung für Oktober 2020, auf welcher der Abzug eines Nettobetrags von € 414,36 für „nicht retournierte Arbeitskleidung“ ersichtlich war. Mit seiner Klage vom 8.2.2021 machte der AN erstmals seinen Anspruch auf Zahlung des vom AG unzulässig einbehaltenen Lohns von € 414,36 geltend. Im Verfahren wurde seitens des AG der Verfall dieses Anspruchs eingewendet.

Die Vorinstanzen gaben der Klage statt, der OGH wies die außerordentliche Revision des AG zurück.

Nach § 14 Abs 3 Satz 1 des KollV für Bauindustrie und Baugewerbe sind nach Lösung des Arbeitsverhältnisses Forderungen jeglicher Art spätestens binnen drei Monaten, gerechnet vom Zeitpunkt der Lösung bei sonstigem Erlöschen, beim AG geltend zu machen. Dazu vertritt der OGH unter Berufung auf den Zweck von Verfallsklauseln, dem Beweisnotstand zu begegnen, in welchem sich der AG bei verspäteter Geltendmachung befinden würde, die Auffassung, dass die Verfallsfrist dann mit Auflösung des Dienstverhältnisses zu laufen beginnt, wenn zu diesem Zeitpunkt bereits die objektive Möglichkeit zur Rechtsausübung besteht (OGH9 ObA 163/97d infas 1998 A 67). Die Frage, wann diese objektive Möglichkeit gegeben ist, hängt regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls ab.

Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Verfallsfrist für den in der Klage vom 8.2.2021 geltend gemachten Anspruch auf Zahlung des vom AG unzulässig einbehaltenen Lohns habe nicht bereits mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 9.10.2020, sondern erst mit Kenntnis der unvollständigen Überweisung des sich aus der Lohnabrechnung für Oktober 2020 ergebenden Auszahlungsbetrags infolge Abzugs des Nettobetrags von € 414,36 am 16.11.2020 zu laufen begonnen, steht mit der Rsp in Einklang.