Kiel/Lunk/Oetker (Hrsg)Münchener Handbuch Arbeitsrecht, Band 1: Individualarbeitsrecht
5. Auflage, C.H. Beck Verlag, München 2021, LXII, 2.288 Seiten, Leinen, € 199,–
Kiel/Lunk/Oetker (Hrsg)Münchener Handbuch Arbeitsrecht, Band 1: Individualarbeitsrecht
Die fünfte Auflage eines hervorragenden Handbuches mit hoher Qualität vorzustellen, ist notwendigerweise redundant. Die Vorzüge dieses Handbuches, seine auf stringenter Wissenschaftlichkeit beruhende Praxistauglichkeit haben sich auch in der fünften Auflage nicht verändert. Im Wesentlichen bringt die fünfte Auflage des ersten Bandes des Individualarbeitsrechtes das Werk auf den Stand von 1.8.2020. Aktuelle Schwerpunkte der Neuerungen bilden die Änderungen im Befristungsrecht (Brückenteilzeit, Anschlussbefristungsverbot) und die aktuellen Entwicklungen in der Rechtsprechung und Gesetzgebung zum AN-Datenschutz sowie die neueren – auch europäischen – Entscheidungen zum Urlaubsrecht. Der österreichische Rechtsanwender wird zu Grundfragen des Arbeitsrechts auf das Handbuch mit viel Gewinn dort zurückgreifen, wo die Rechtsentwicklung insb durch die Rechtsprechung vorangetrieben wurde. Die von Fischinger betreuten Teile über die Betriebsübung 379 und die einseitige Leistungsbestimmung durch den AG bringen auch für das österreichische Recht wertvolle Einsichten. Ganz besonders sind die von Oetker bearbeiteten Teile hervorzuheben. Dazu zählt der ausgezeichnete Überblick über die europarechtlichen Grundlagen des Arbeitsrechts, die naturgemäß auch aus der österreichischen Perspektive wesentliche Erkenntnisse transportieren. Hinzuweisen ist aber auch auf die Abschnitte über die Rechtsgrundlagen zum Schutz der Arbeitnehmer vor Benachteiligungen und Diskriminierungen (§ 15), des Verbots der Diskriminierung wegen persönlicher Merkmale des Arbeitnehmers (§ 16) und die Durchsetzung des Benachteiligungsverbots nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Wenn auch vieles im Detail in Österreich und Deutschland unterschiedlich geregelt ist, sind es vor allem die allgemeinen Fragen des Diskriminierungsrechts, die Oetker abhandelt, welche auch dem österreichischen Leser Anregungen bieten.
Die Verzahnungen zwischen Kollektiv- und Individualarbeitsrecht führen dazu, dass man im Zusammenhang mit der Umstrukturierung von Unternehmen (§ 26) in einer ausgezeichneten Zusammenstellung von Temming auch umfangreiche betriebsverfassungs- und mitbestimmungsrechtliche Ausführungen vorfindet. Bei aller Bemühung um arbeitsrechtliche Systembildung hängen dann doch kollektivarbeitsrechtliche und individualarbeitsrechtliche Fragestellungen so eng voneinander ab, dass insb in einem praxistauglichen Handbuch das Zusammenspiel beider Teile des Arbeitsrechts dargestellt werden muss. Das gilt übrigens nicht nur für das Verhältnis Individualarbeitsrecht zu kollektivem Arbeitsrecht, sondern auch für sozialversicherungsrechtliche Einwirkungen in das Individualarbeitsrecht. So befasst sich Krause nicht nur mit Sachzuwendungen und AG-Darlehen aus arbeitsrechtlicher Sicht, sondern stellt auch deren sozialversicherungsrechtliche Behandlung dar. Entsprechendes erfolgt bei den Wirkungen von Veränderung von Arbeitsentgelten im Sozialversicherungsrecht. Im von Klose bearbeiteten Abschnitt über das Urlaubsrecht wird der österreichische Leser auch Grundsätzliches zur Arbeitszeit-RL und zum Urlaubsanspruch nach der Grundrechtecharta lesen können. Kritisch sieht Klose (§ 85 Rz 47) die Rsp des EuGH, wonach sowohl die Information über den Urlaubsverbrauch als auch die Modalitäten über die Abgeltung offener Urlaubsansprüche von Art 31 Abs 2 Grundrechtecharta garantiert seien. So überzeugend diese Kritik ist, wird sie wohl an der sich stets verfestigenden Rsp des EuGH wenig ändern.
Die fünfte Auflage des Münchener Handbuchs zum Arbeitsrecht Bd 1: Individualarbeitsrecht I erweist sich auch für den österreichischen Rechtsanwender als wahre Fundgrube unmittelbar verwertbarer Informationen. Die stets sachliche Darstellung erleichtert die Orientierung in einer verwandten aber nicht identen Rechtsordnung und schärft den Blick auf die heimische. Allen RechtsanwenderInnen, die sich vertieft und rechtsvergleichend mit arbeitsrechtlichen Fragestellungen befassen wollen, sei die fünfte Auflage des Münchener Handbuchs zum Arbeitsrecht – Individualarbeitsrecht I – dringend empfohlen.