21Unwirksame Vereinbarung über einen Ausbildungskostenrückersatz bei einer Ausbildung zur zahnärztlichen Assistenz
Unwirksame Vereinbarung über einen Ausbildungskostenrückersatz bei einer Ausbildung zur zahnärztlichen Assistenz
Die Rechtswirksamkeit einer Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung bei Minderjährigen ist von der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters abhängig, jedoch bedarf eine solche nicht einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung. Eine Zustimmung des anderen obsorgeberechtigten Elternteiles ist ebenso wenig notwendig.
Eine Rückforderung von Lehrgangskosten zur Ausbildung zur zahnärztlichen Assistenz kommt aufgrund des Charakters eines Lehrverhältnisses zum Lehrberuf der zahnärztlichen Fachassistenz, im Rahmen dessen eine gesetzlich vorgesehene Standardausbildung absolviert wird und eine Entlohnung zum kollektivvertraglichen Mindestgehalt vorliegt, nicht in Betracht.
Eine Überwälzung der Kosten hinsichtlich einer mit Erfolg abgeschlossenen Standard-Ausbildung zum Lehrberuf Zahnärztliche Fachassistenz kommt nach Ansicht des OGH auch dann nicht in Betracht, wenn das Dienstverhältnis durch DN-Kündigung beendet wurde.
Die am 19.6.1998 geborene Kl und die Bekl schlossen am 18.8.2015 einen schriftlichen Dienstvertrag in Form eines Ausbildungsvertrags zum Zwecke der Ausbildung der Kl zur Ordinationsgehilfin, der auch von der Mutter der Kl als gesetzliche Vertreterin unterschrieben wurde. Der Vertrag unterlag dem Kollektivvertrag für „Angestellte bei Zahnärzten“ (idF: KollV). Die Gehaltseinstufung war mit „erstes Ausbildungsjahr“ angeführt. Nach Pkt 3. und 4. sollte der erste Monat als Probezeit und das Dienstverhältnis sodann zur fachlichen Erprobung bis 17.11.2015 als befristet gelten und ging in der Folge in ein unbefristetes Dienstverhältnis über. Am 18.11.2015 schlossen die Streitteile eine schriftliche Rückzahlungsvereinbarung, die von der Kl und ihrer Mutter unterfertigt wurde. Gem Pkt 2. dieser „Vereinbarung über die Rückzahlung von Ausbildungskosten für zahnärztliche Assistentinnen in Ausbildung (§ 2d AVRAG)“ verpflichtete sich die Kl zur „aktiven Teilnahme am Lehrgang für geprüfte zahnärztliche AssistentInnen (anerkannter Fachkurs)“ und erklärte sich „bereit, die dadurch zusätzlich erworbenen Kenntnisse und 332 Fähigkeiten dem Betrieb [der Bekl] zur Verfügung zu stellen“. Gem Pkt 3. übernahmen die Bekl (als DG) die Kurskosten zur Gänze. Die Kl (DN) sollte während der Ausbildung das monatliche Gehalt für zahnärztliche Assistentinnen in Ausbildung inklusive Gefahrenzulage gem § 8 Abs 4 des KollV erhalten. Pkt 4. hielt fest, dass der/die DG die entsprechenden Kurskosten in der Erwartung übernimmt, dass das Dienstverhältnis nach erfolgreicher Beendigung des Lehrgangs für geprüfte zahnärztliche Assistentinnen zumindest drei Jahre fortgesetzt wird. Für den Fall, dass der/die DN vor Ablauf der Frist das Dienstverhältnis selbst kündigt, berechtigt entlassen wird oder unberechtigt vorzeitig austritt, verpflichtet sich der/die DN dazu, die vom/von der DG aufgewendeten Kurskosten zurückzuzahlen. Bei einer Kündigung durch den/ die DG besteht keine Rückzahlungsverpflichtung. Pkt 5. enthält eine Aliquotierungsklausel. Eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung dieser Vereinbarung wurde nicht eingeholt. [...]
Von September 2016 bis Juli 2018 absolvierte sie den Lehrgang für geprüfte zahnärztliche AssistentInnen der Ärztekammer. Die Kosten des Lehrgangs in Höhe von insgesamt 3.900 € trugen die Bekl.
Mit Schreiben vom 30.8.2018 kündigte die Kl das Dienstverhältnis per 30.9.2018. Mit Schreiben vom 19.11.2018 forderten die Bekl die Kl zur Rückzahlung der Ausbildungskosten von 3.900 € auf. Die Kl zahlte diesen Betrag am 21.11.2018 an die Bekl.
Mit ihrer am 4.6.2020 eingebrachten Klage begehrte die Kl von den Bekl die Rückzahlung von 3.900 € sA. Die vorhergehende Rückzahlung der Ausbildungskosten durch die Kl sei ohne Rechtsgrundlage erfolgt, weil die Ausbildungskostenrückersatzverpflichtung nicht pflegschaftsgerichtlich genehmigt worden sei. Eine solche wäre infolge der Höhe des von der Kl zu erstattenden Betrags aber erforderlich gewesen. Der Betrag von 3.900 € könne jedenfalls nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb einer Minderjährigen zählen. Im Übrigen sei der im KollV geregelte Theoriekurs jedenfalls – unabhängig von einer Vereinbarung – vom DG zu zahlen. Unter Berücksichtigung des Alters der Kl und ihrer Vermögensverhältnisse bei Abschluss der Rückzahlungsvereinbarung sei bei einer Interessenabwägung von einer groben Verletzung rechtlich geschützter Interessen zum Nachteil der Kl auszugehen. Sie wäre zum Zeitpunkt des Abschlusses der Rückersatzvereinbarung keinesfalls in der Lage gewesen, den Betrag zurückzuzahlen und dementsprechend in ihrer beruflichen Freiheit insofern beschnitten worden, als sie das Dienstverhältnis nur unter massivem finanziellen Aufwand beenden hätte können. Ihre Entlohnung und der Umfang ihrer Zahlungsverpflichtung seien in keinem vernünftigen Verhältnis zueinander gestanden. Die Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung sei, auch weil sie gegen die im Berufsausbildungsgesetz normierte Ausbildungspflicht verstoße, sittenwidrig.
Die Bekl beantragten Klagsabweisung und wandten ein, die Vereinbarung stütze sich auf § 2d AVRAG, sodass das Abhängigmachen ihrer Wirksamkeit von einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung dem Wortlaut des § 2d Abs 3 Z 1 AVRAG und nach den Gesetzesmaterialien der Intention des Gesetzgebers widerspreche. Es sei unbillig, dem AG hohe Ausbildungskosten aufzuerlegen, wenn der Auszubildende unmittelbar nach erfolgreicher Ausbildung das Dienstverhältnis beende und die erlernten Fähigkeiten folglich bei einem anderen AG anwende. Bei der Ausbildung von Ordinationshilfen bei Fachärzten für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde handle es sich nicht um ein Lehr- bzw Ausbildungsverhältnis iSd BAG. Dieses Gesetz sei auch nicht „analog“ anzuwenden. Die Vereinbarung sei auch nicht sittenwidrig. Es liege keine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen der Kl vor. Die Vereinbarung sei ihr auch zumutbar gewesen, weil sie über ausreichend liquide Mittel zur Deckung der Ausbildungskosten verfügt habe.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Zwar bedürfe eine vom gesetzlichen Vertreter genehmigte Vereinbarung über den Ausbildungskostenrückersatz aufgrund des Wortlauts des § 2d Abs 3 Z 1 AVRAG und der damit verbundenen klaren Intention des Gesetzgebers keiner pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung und wäre damit wirksam. Aufgrund der Ähnlichkeit des Ausbildungsverhältnisses der Kl zur Ordinationshilfe mit einem Lehrverhältnis nach dem BAG seien dessen Grundsätze für den Rückersatz von Ausbildungskosten aber analog anzuwenden. Aus dem Ausbildungscharakter eines Lehrverhältnisses resultiere die Unzulässigkeit einer Ausbildungskostenrückersatzklausel. Der Anspruch des Lehrlings auf Lehrlingsentschädigung sei unabdingbar. Eine Schmälerung des kollektivvertraglichen Entgeltanspruchs der Kl durch die mit der Rückzahlungsverpflichtung vorgenommene Überwälzung der Ausbildungskosten auf die Kl sei daher unzulässig.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Bekl nicht Folge, weil – zusammengefasst – die Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung zu ihrer Wirksamkeit gem § 167 Abs 3 ABGB (außerordentlicher Wirtschaftsbetrieb) schon einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedurft hätte. Die Revision sei zur Auslegung des § 2d Abs 3 Z 1 AVRAG, insb, ob dadurch Ausbildungskostenrückersatzvereinbarungen mit Minderjährigen jedenfalls nicht der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung bedürfen, zulässig. [...]
Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt. [...] 7. [...] Vor In-Kraft-Treten (18.3.2006) der Regelung des § 2d AVRAG über den Ausbildungskostenrückersatz entsprach es der Rsp, dass die Verpflichtung zur Rückzahlung von Ausbildungskosten nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb eines/r Minderjährigen zu zählen war, weshalb eine solche Rückzahlungsverpflichtung einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedurfte. Mangels pflegschaftsbehördlicher Genehmigung wurde die Rückzahlungsverpflichtung gem § 865 ABGB als ungültig erachtet (RS0048067). [...]
Klarer Wille des Gesetzgebers war daher, dass mit § 2d Abs 3 Z 1 AVRAG von den Erfordernissen des § 167 Abs 3 ABGB, insb einer pflegschaftsbehördlichen Genehmigung, Abstand genommen werden sollte. Das entspricht auch der Erwägung (oben 6.), dass die Norm dann, wenn die Pflicht zur gerichtlichen 333 Genehmigungspflicht nicht ausgeschlossen werden sollte, keinen eigenständigen Sinn ergäbe, weil sie sich erübrigt hätte.
8. Die Literatur spricht sich teilweise dennoch für eine Anwendung des § 167 Abs 3 ABGB aus. [...]
10. Auch die vorliegende Rückersatzvereinbarung bedurfte damit unabhängig von der Frage, ob sie eine nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehörige Vermögensangelegenheit ist, keiner pflegschaftsbehördlichen Genehmigung. Auf die Frage der Bedeutung der von der Kl nach Erreichen der Volljährigkeit erfüllten Verpflichtung kommt es danach nicht an.
11. Das Erstgericht hat für diesen Fall seine Beurteilung auch auf eine (analoge) Anwendung des BAG gestützt. [...]
Gem § 9 Abs 1 BAG trifft den Lehrberechtigten eine Ausbildungspflicht. Aus dieser leitet die Lehre vor dem Hintergrund des besonderen Ausbildungscharakters eines Lehrverhältnisses die Unzulässigkeit einer Ausbildungskostenrückersatzklausel ab (Preiss/Spitzl in ZellKomm3 BAG § 12 Rz 33; Resch, RdW 2006, 158, 159 mwN; Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 2d AVRAG Rz 31). [...]
12. [...] Wie auch aus § 35a BAG hervorgeht, ist die Aus bildung zu einer zahnärztlichen Fachassistenz folglich geeignet, eine Lehrausbildung zu begründen.
13. Die Ausbildung in der zahnärztlichen Assistenz ist in § 81 ZahnärzteG (ZÄG) geregelt. Dessen Abs 1 sieht nicht den Abschluss eines als solchen zu bezeichnenden Lehrvertrags, sondern vor, dass die Ausbildung im Rahmen eines Dienstverhältnisses zu einem/einer Angehörigen des zahnärztlichen Berufs oder Dentistenberufs oder Facharzt/Fachärztin für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie (Z 1) und anderen (s Z 2 bis Z 4) erfolgt. [...] Die theoretische Ausbildung ist an einem Lehrgang für Zahnärztliche Assistenz zu absolvieren (Abs 3), die praktische Ausbildung erfolgt nach Maßgabe des Abs 4. Sie folgt einem dualen System (§ 2 ZASS-Verordnung).
14. [...] Die Ausbildungszeit für zahnärztliche AssistentInnen beträgt drei Jahre und beinhaltet nach dem dualen System eine praktische Ausbildung durch die Beschäftigung als Auszubildende bei einem Zahnarzt, Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde oder Dentisten oder an einer zahnärztlichen Universitätsklinik und eine theoretische Ausbildung in einem in Anhang I des KollV angeführten Lehrgang für Zahnärztliche Assistenz, der mit einer positiven Prüfung abzuschließen ist (s § 8 Abs 2 KollV). § 8 Abs 3 KollV enthält Mindestgehälter für die zahnärztlichen AssistentInnen in Ausbildung für das erste, zweite und dritte Ausbildungsjahr, die jeweils einen Bruchteil des Mindestgehalts für das erste Berufsjahr (1.400 €) betragen. Auch der herabgesetzte Mindest-Entgeltanspruch bringt damit – nicht anders als bei einem Lehrverhältnis – zum Ausdruck, dass in dieser Vertragsphase weniger die Dienstleistung der Auszubildenden iS eines synallagmatischen Leistungsaustausches als vielmehr der Ausbildungscharakter des Vertragsverhältnisses im Vordergrund steht.
15. Derartiges trifft auch hier zu: [...]
17. Im Ergebnis bestand für die von der Kl geleistete Rückzahlung an die Bekl damit kein gültiger Rechtsgrund: Die von ihr als Minderjährige abgeschlossene Vereinbarung über den Ausbildungskostenrückersatz unterlag zwar nicht den Anforderungen des § 167 Abs 3 ABGB. Da das Dienstverhältnis der Kl jedoch den Charakter eines Lehrverhältnisses zum Lehrberuf der zahnärztlichen Fachassis tenz hatte, im Rahmen dessen sie die gesetzlich vorgesehene Standardausbildung absolvierte und zum kollektivvertraglichen Mindestgehalt entlohnt wurde, kommt eine Rückforderung der von den Bekl aufgewendeten Lehrgangskosten nicht als Gegenstand einer wirksamen Vereinbarung in Betracht. Die Kl begehrt die Rückforderung ihrer Zahlung zu Recht. Der Revision der Bekl ist danach nicht Folge zu geben. [...]
Das zu besprechende Urteil hat grundsätzlich die Frage zum Inhalt, ob ein gültiger Rechtsgrund für die Rückzahlung des Ausbildungskostenrückersatzes vorlag. Der OGH musste sich mit den Anforderungen des § 167 Abs 3 ABGB in Zusammenhang mit § 2d AVRAG auseinandersetzen. Dem Ergebnis, dass eine Rückforderung von Lehrgangskosten zur Ausbildung zur zahnärztlichen Assistenz aufgrund des Charakters eines Lehrverhältnisses zum Lehrberuf der zahnärztlichen Fachassistenz, im Rahmen dessen eine gesetzlich vorgesehene Standardausbildung absolviert wird und eine Entlohnung zum kollektivvertraglichen Mindestgehalt vorliegt, nicht in Betracht kommt, kann vollinhaltlich zugestimmt werden. Das Erstgericht spricht sogar von einer analogen Anwendung des BAG.
Die Ansicht des OGH, dass der Gesetzgeber eine solche Vereinbarung klar nicht unter § 167 Abs 3 ABGB subsumiert haben möchte und somit eine Zustimmung des anderen Elternteiles und eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung nicht vorliegen muss, ist mE – auch aus der Sicht des Minderjährigenschutzes – schwer verständlich. Meiner Ansicht nach führt auch keine Interpretationsmethode zum Ergebnis, dass § 167 Abs 3 ABGB nicht anzuwenden ist.
Im vorliegenden Fall schlossen die am 19.6.1998 geborene Kl und die bekl DG am 18.8.2018 einen schriftlichen Dienstvertrag in Form eines Ausbildungsvertrages, dies zum Zwecke der Ausbildung der Kl zur Ordinationsgehilfin. Der Dienstvertrag wurde auch von der Mutter als gesetzliche Vertreterin unterschrieben. Auf dieses Vertragsverhältnis war der KollV für „Angestellte bei Zahnärzten“ anzuwenden. Als Gehaltseinstufung wurde im Dienstvertrag das „erste Ausbildungsjahr“ angeführt. Die Streitteile schlossen am 18.11.2015 eine schriftliche Ausbildungskostenrückzahlungsvereinbarung, wonach sich die Kl einerseits zur „aktiven Teilnahme am Lehrgang für geprüfte zahnärztliche AssistentInnen“ verpflichtete und andererseits sich 334 bereit erklärte, die durch diesen Kurs erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten im Betrieb der Bekl zur Verfügung zu stellen. Diese Vereinbarung wurde von der Kl und der Mutter als gesetzliche Vertreterin unterfertigt. In dieser Rückzahlungsvereinbarung wurde normiert, dass die bekl DG die Kurskosten in der Höhe von € 3.900,– übernehmen, sofern das Dienstverhältnis nach erfolgreicher Beendigung des Lehrganges für geprüfte zahnärztliche AssistentInnen zumindest drei Jahre fortgesetzt wird. Des Weiteren wurde in dieser Vereinbarung festgehalten, dass sich die Kl zur Rückzahlung der Ausbildungskosten ua auch dann verpflichtet, wenn diese das Dienstverhältnis durch Kündigung beendet. Ein Antrag auf pflegschaftsgerichtliche Genehmigung dieser Rückzahlungsvereinbarung wurde nicht gestellt. Ab dem Beginn des Dienstverhältnisses bezog die Kl das kollektivvertragliche Mindestgehalt, dies jeweils dem Ausbildungsjahr entsprechend. Die Kl absolvierte den Lehrgang von September 2016 bis Juli 2018. Schließlich kündigte die Kl das Dienstverhältnis zum 30.9.2018 auf. Im November 2018 wurde die Kl von den bekl DG aufgefordert, die Ausbildungskosten zurückzuzahlen, dem kam die Kl unverzüglich nach.
Die Kl begehrte mit der am 4.6.2020 eingebrachten Klage von den bekl DG die Rückzahlung von € 3.900,– sA. Von den Vorinstanzen wurde der Kl der Betrag in der Höhe von € 3.900,– zugesprochen und die Erhebung einer ordentlichen Revision an den OGH für zulässig erklärt.
Der OGH erachtete die Revision für zulässig, jedoch nicht für berechtigt.
Das Erstgericht führt in seiner E zutreffend aus, dass die Rechtsposition von Lehrlingen nach dem BAG dadurch gekennzeichnet ist, dass einerseits das bezahlte Lehrlingseinkommen unterhalb des niedrigsten AN-Bezuges liegt, andererseits der AG den Ausbildungsaufwand grundsätzlich zur Gänze zu tragen hat und die Einhebung eines Lehrgeldes unzulässig ist. Somit ist aufgrund der Bestimmungen des BAG der Anspruch des Lehrlings auf Lehrlingseinkommen unabdingbar. Dieser Grundsatz ist dem Ausbildungsverhältnis zur Ordinationshilfe ähnlich (vgl LG für Zivilrechtssachen Graz 12.10.2020, 58 Cga 25/20s). Im § 9 BAG ist ua auch die Ausbildungspflicht normiert. Die Ausbildungspflicht ist die wichtigste Obliegenheit des/der Lehrberechtigten (Knallnig-Prainsack in Aust/Gittenberger/Knallnig-Prainsack/Strohmayer, Berufsausbildungsgesetz2 [2017] § 9 Rz 16). In der Literatur resultiert aus der Ausbildungspflicht gemäß dem BAG die Unzulässigkeit der Auferlegung von Ausbildungskostenrückersatzklauseln (Binder/Mair in Binder/Burger/Mair, AVRAG3 § 2d Rz 47 [Stand 1.1.2017, rdb.at]; Preiss/Spitzl in Neumayr/Reisssner, ZellKomm3 § 12 BAG Rz 33 [Stand 1.1.2018, rdb.at]; vgl LG für Zivilrechtssachen Graz 12.10.2020, 58 Cga 25/20s). Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 2d AVRAG Rz 31 (Stand 1.1.2018, rdb.at) ist sogar der Ansicht, dass Ausbildungskostenrückersatzklauseln auch bei anderen Ausbildungsverhältnissen, zB bei Praktikantenverträgen von vornherein unwirksam sein werden. Das Erstgericht spricht sogar von einer analogen Anwendung des BAG. Sowohl vom Erstgericht als auch vom OGH wurde zutreffend festgestellt, dass das Schwergewicht des Arbeitsverhältnisses klar auf der Ausbildung der Kl lag, weshalb dadurch eine Schmälerung des kollektivvertraglichen Entgeltanspruches der Kl durch die mit der Rückzahlungsverpflichtung vorgenommenen Überwälzung der Ausbildungskosten auf diese unzulässig ist (vgl LG für Zivilrechtssachen Graz 12.10.2020, 58 Cga 25/20s; OGH 2.9.2021, 9 ObA 66/21b). Im Ergebnis führt der OGH mE korrekt aus, dass das Dienstverhältnis der Kl den Charakter eines Lehrverhältnisses zum Lehrberuf der zahnärztlichen Fachassistenz hatte, im Rahmen dessen eine gesetzlich vorgesehene Standardausbildung absolviert wird und eine Entlohnung zum kollektivvertraglichen Mindestgehalt vorliegt, weshalb eine Rückforderung der von den Bekl aufgewendeten Lehrgangskosten nicht in Betracht kommt (vgl OGH 2.9.2021, 9 ObA 66/21b; Bajric in DRdA-infas 2022/8, 18). Vollständigkeitshalber wird in diesem Zusammenhang angeführt, dass die Ausbildung zu einer zahnärztlichen Assistenz folglich geeignet ist, eine Lehrausbildung zu begründen, dies geht auch aus § 35a BAG hervor (OGH 2.9.2021, 9 ObA 66/21b).
In der gegenständlichen E vom 2.9.2021 (9 ObA 66/21b) hatte sich der OGH mit der Auslegung einer Rechtsnorm zu beschäftigen, dies unter Anwendung der juristischen Interpretationsmethoden gemäß den §§ 6 ff ABGB. Bei den Interpretationsmethoden besteht keine erschöpfende Rangordnung, das bedeutet, dass der Rang der Auslegungskriterien sich nicht generell festlegen lässt (Kodek in Rummel/Lukas, ABGB4 § 6 Rz 128 ABGB [Stand 1.7.2015, rdb.at]). Jedoch nimmt jede Auslegung ihren Ausgang beim Wortlaut des Gesetzes (Kodek in Rummel/Lukas, ABGB4 § 6 Rz 60 ABGB [Stand 1.7.2015, rdb.at]; Schauer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 6 Rz 7 [Stand 1.3.2017, rdb.at]). Nach Kodek und Schauer versteht sich das von selbst, da die Sprache das einzige Instrument ist, durch das der Gesetzgeber seinen Willen artikulieren kann, weshalb der Wortlaut zugleich die erste und vielfach die hauptsächliche Erkenntnisquelle für gesetzgeberische Absichten darstellt (Kodek in Rummel/Lukas, ABGB4 § 6 Rz 60 ABGB [Stand 1.7.2015, rdb.at]; Schauer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 6 Rz 7 [Stand 1.3.2017, rdb.at]; Posch in Schwimann/Kodek, ABGB4 [2017] § 6 Rz 6). Der Wortlaut des § 2d Abs 3 AVRAG lässt aus meiner Sicht unzweifelhaft erkennen, dass es sich hierbei um eine demonstrative, dh nicht abschließende, Aufzählung handelt. Die Ansicht, dass eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung keine Voraussetzung für eine Vereinbarung nach 335 § 2d AVRAG sein kann, kann aus meiner Sicht nicht zutreffend sein, denn der OGH übersieht, dass sich aus § 2d Abs 3 ABGB und aus dem Wort „insbesondere“ entnehmen lässt, dass selbstverständlich Verweise auf andere Gesetzesnormen sowie die bisherige Judikatur ermöglicht werden und diese daher auch zwingend zu prüfen sind. Somit darf mE die Anwendung des § 167 Abs 3 ABGB nicht negiert werden und ist diese allgemeine Vorschrift in jedem Fall zu prüfen. Andere Erkenntnisquellen über die Absicht des Gesetzgebers sind erst dann heranzuziehen, wenn die Ausdrucksweise zu Zweifeln Anlass bietet (Kodek in Rummel/Lukas, ABGB4 § 6 Rz 63 ABGB [Stand 1.7.2015, rdb.at]; Posch in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 6 Rz 6, 8). Da aus dem Wortlaut des § 2d Abs 3 AVRAG mE eindeutig hervorgeht, dass § 167 Abs 3 ABGB anzuwenden ist, muss auf weitere Interpretationsmethoden nicht zurückgegriffen werden.
Der Vollständigkeit halber wird jedoch auch festgehalten, dass meiner Ansicht nach auch nach der systematischen Interpretationsmethode die Anwendung des § 167 Abs 3 ABGB gegeben ist. Die systematisch-logische Interpretation beruht auf dem Gedanken, dass sich auch aus dem Aufbau eines Gesetzes und dem jeweiligen Standort einer Norm Schlüsse auf ihren Anwendungsbereich ziehen lassen (Kodek in Rummel/Lukas, ABGB4 § 6 Rz 78 ABGB [Stand 1.7.2015, rdb.at]). Nach Posch muss die sprachliche Auslegung auch den Zusammenhang mit anderen Worten des Gesetzes und manchmal auch mit anderen Gesetzen berücksichtigen, daher ist es verfehlt, aus einer Reihe von Bestimmungen mit gleichgerichtetem Regelungsziel eine einzige herauszugreifen, ohne auch die Systematik ihrer Anordnungen und ihren Zusammenhang mit den anderen Bestimmungen – gegebenenfalls auch mit anderen Gesetzen – Bedacht zu nehmen (Posch in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 6 Rz 14; Kodek in Rummel/Lukas, ABGB4 § 6 Rz 78 ABGB [Stand 1.7.2015, rdb.at]). Da es in der gegenständlichen E auch um die Frage der Geschäftsfähigkeit geht und diese im allgemeinen Zivilrecht, nämlich im ABGB, ihre Regelung findet, muss mE auch nach der systematischen Interpretationsmethode sogar auf die Bestimmung des § 167 ABGB zurückgegriffen werden.
Vor dem Inkrafttreten des § 2d AVRAG zählten Vereinbarungen bzw Regelungen von Minderjährigen zum Ausbildungskostenrückersatz nach der Rsp nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb eines/r Minderjähren, weshalb solche mangels pflegschaftsgerichtlichen Genehmigungen als ungültig erachtet wurden (OGH 2.9.2021, 9 ObA 66/21b; OGH 13.7.1998, 7 Ob 147/98p; OGH 13.7.1995, 8 ObA 1207/95; OGH 28.2.1990, 3 Ob 623/89; OGH 15.6.1976, 4 Ob50/76; RIS-Justiz RS0048067; Bajric in DRdA-infas 2022/8, 18). Der OGH führt in seiner E (9 ObA 66/21b) vom 2.9.2021 aus, dass es klarer Wille des Gesetzgebers war, dass mit § 2d Abs 3 Z 1 AVRAG von den Erfordernissen des § 167 Abs 3 ABGB Abstand genommen werden sollte. Aus den Erläuterungen des Initiativantrages (IA 605 BlgNR 22. GP 5, 8) geht jedoch meiner Ansicht nach hervor, dass mit dem Entwurf aus Gründen der Rechtssicherheit und Transparenz in § 2d AVRAG die von der Judikatur und herrschenden Lehre entwickelten Kriterien – ausgenommen bei der Frage der Heilung der mit einem Minderjährigen getroffenen Vereinbarung und der zulässigen Bindungsdauer –, unter denen die Vereinbarung einer Ausbildungskostenrückerstattung zulässig und wirksam ist, gesetzlich festgeschrieben werden (IA 605 BlgNR 22. GP 5). In diesem Zusammenhang ist jedoch auch auszuführen, dass in den Materialien des Gesetzgebers (IA 605 BlgNR 22. GP 8) folgender Passus enthalten ist: „[...] Bei den Ziffern 1 bis 4 handelt es sich um eine demonstrative Aufzählung an Gründen, die zur Unwirksamkeit der Rückzahlungsvereinbarung führen. Im Einzelfall ist daher zur Beurteilung der Wirksamkeit und Zulässigkeit der Rückzahlungsvereinbarung weiterhin auf die bisherige Judikatur zur Frage der Rückerstattung von Ausbildungskosten zurückzugreifen. [...]“ Somit geht mE auch aus dem Initiativantrag explizit hervor, dass im Einzelfall bei der Beurteilung der Wirksamkeit und Zulässigkeit der Rückzahlungsvereinbarung auf die bisherige Judikatur zur Frage der Rückerstattung zurückzugreifen ist (IA 605 BlgNR 22. GP 7, 8). Auch die historische Auslegung, welche das Ziel hat, den subjektiven Willen des historischen Gesetzgebers zu ermitteln (Schauer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 6 Rz 14 [Stand 1.3.2017, rdb.at]), führt mE daher nicht zum Ausschluss der Anwendung des § 167 ABGB. Meiner Ansicht nach führt auch die teleologische Interpretation nicht zum Ergebnis, dass § 167 ABGB nicht anzuwenden ist, denn bei dieser Interpretation geht es um die Frage, welche Zwecke die Vorschrift vernünftigerweise haben könnte (Schauer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 6 Rz 18 [Stand 1.3.2017, rdb.at]).
In der Literatur gibt es einige Stimmen, welche sich trotz Einführung des § 2d AVRAG für eine Anwendung des § 167 Abs 3 ABGB aussprechen und eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung somit als Wirksamkeitsvoraussetzung ansehen (Binder/Mair in Binder/Burger/Mair, AVRAG3 § 2d Rz 10, 13, FN 20). Reissner und Preiss bezweifeln, dass mit der Einführung des § 2d AVRAG die Zustimmung des anderen Elternteiles bzw insb die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung obsolet geworden ist (Reissner in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 2d AVRAG Rz 19; Reissner/Preiss, DRdA 2006, 187).
Aus meiner Sicht ist aus diesen Gründen – auch unter Anwendung der zuvor angeführten Interpretationsmethoden – § 167 Abs 3 ABGB nicht verdrängt und stellt mE die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung eine zusätzliche Wirksamkeitsvo raussetzung dar. Auch müsste die Zustimmung des anderen Elternteiles aus meiner Sicht notwendig sein. MaW: Damit eine Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung bei Minderjährigen Gültigkeit erlangt, muss meiner Ansicht nach zusätzlich zu den im § 2d AVRAG normierten Voraussetzungen jedenfalls sowohl die Zustimmung des anderen Elternteiles als auch eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung vorliegen. Alles andere wäre mE aus Sicht des Minderjährigenschutzes vollkommen unverständlich. 336