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GmbH-Geschäftsführer als Diensterfinder?

KLAUSMAYR (LINZ)
  1. Der Zweck der Bestimmungen des Patentgesetzes über die Erfindungen von DN (§§ 6 ff PatG) liegt darin, den persönlich abhängigen DN als dem – im Vergleich zu seinem DG – sozial und wirtschaftlich Schwächeren im Fall einer Diensterfindung zu schützen und ihm den Anspruch auf die Erteilung eines Patents und auf die Gewährung einer Vergütung zu sichern.

  2. Voraussetzung für das Vorliegen einer Diensterfindung ist daher die DN-Eigenschaft des Erfinders (§ 7 Abs 3 PatG). Gem § 6 Abs 2 PatG gelten als DN „Angestellte und Arbeiter jeder Art“. Der DN-Begriff des PatG orientiert sich nach herrschender Auffassung an den Begriffselementen des Dienstvertrags iSd § 1151 ABGB.

  3. Für die Frage, ob der Geschäftsführer einer GmbH als DN anzusehen ist, ist der Anteil an der Gesellschaft der GmbH maßgeblich, durch den das Ausmaß der persönlichen Abhängigkeit bestimmt wird. Ein derartiger Einfluss ist nicht nur dann zu bejahen, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile verfügt, sondern auch wenn die Beteiligung zwar geringer als 50 % ist, ihm aber aufgrund des Gesellschaftsvertrags eine Sperrminorität zusteht, die ihn befähigt, Beschlüsse der Generalversammlung in den für seine persönliche Abhängigkeit wesentlichen Angelegenheiten zu verhindern.

  4. Unter Berücksichtigung der Stellung des Kl als Gesellschafter-Geschäftsführer mit Sperrminorität ist das Vorliegen einer DN-Eigenschaft für den Zeitraum bis zur Abtretung der Geschäftsanteile im Jahr 2011 (ungeachtet des Vorliegens eines Dienstvertrags) zu verneinen, sodass die §§ 6 ff PatG nicht direkt anwendbar sind.

  5. Aufgrund der Tatsachen, dass der Investor der Bekl ein Darlehen von über 7 Mio € gewährte, der Kl 40 % der Geschäftsanteile an der Bekl erhielt und in seiner Position als Gesellschafter-Geschäftsführer mit Sperrminorität deren Geschicke unternehmerisch bestimmen und gestalten konnte, kommt auch eine analoge Anwendung der Schutzbestimmungen der §§ 6 ff PatG nicht in Betracht.

  6. Ab Abtretung (aller) seiner Geschäftsanteile und Verlust seiner Sperrminorität war der Kl als „Fremdgeschäftsführer“ tätig und als solcher in den wesentlichen Belangen nicht mehr weisungsfrei. Daher hat die Tätigkeit des Kl nach der Abtretung der Geschäftsanteile keine unternehmerischen Züge mehr aufgewiesen, sodass ab diesem Zeitpunkt seine DN-Eigenschaft iSd § 6 ff PatG zu bejahen ist.

Der Kl meldete im Rahmen seiner beruflichen Laufbahn zahlreiche Patente als Patentinhaber bzw genannter Erfinder an. 1996 gründete er eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Luxemburg, die Inhaberin sowie Lizenzhalterin seiner sämtlichen Patente wurde. 2007 gründete er eine GmbH mit Sitz in Salzburg, deren Geschäftsgegenstand die Produktion

und Vermarktung seiner Erfindungen, insb der O*-Bodensysteme sein sollte. Alleinige Gesellschafterin der GmbH war die Aktiengesellschaft. Zwecks Aufbau einer Produktion zur Massenfertigung suchte der Kl nach einem finanzkräftigen Investor, den er in der F* GmbH (im Folgenden: „Investor“) fand. Es kam zum Abschluss einer Vereinbarung, nach der der Kl zu 40 % und der Investor zu 60 % Mitgesellschafter der Bekl (vormals A* GmbH) sein sollten. In deren Kapitalrücklage sollten alle Patente einschließlich der zugehörigen Lizenzverträge eingebracht werden. Vereinbart wurde weiters, dass der Investor der Bekl ein Darlehen in Höhe von über 7 Mio € gewähren und der Kl die Funktion eines (organschaftlichen) Geschäftsführers der Bekl ausüben wird. Diese Vereinbarungen wurden am 30.4.2009 mit dem Abschluss einer „Gesellschaftervereinbarung“ und eines Dienstvertrags sowie weiterer Verträge (Darlehensvertrag, Notariatsakte) umgesetzt. Gem Pkt 19.2 der Gesellschaftsvereinbarung stehen Erfindungen und Neuentwicklungen des Kl im Zusammenhang mit dem Joint Venture Geschäft oder einer anderen Geschäftstätigkeit der Bekl oder deren Tochterunternehmen allein der Bekl zu. Diesbezügliche Schutzrechts- und Patentanmeldungen sind ausschließlich zu Gunsten und durch die Bekl vorzunehmen. Gem § 8 Abs 3 des Dienstvertrags des Kl stehen sämtliche Erfindungen und Neuentwicklungen des Kl, die im Zusammenhang mit dem Geschäft der Bekl oder deren Tochterunternehmen stehen, allein der Bekl zu und sind mit dem Geschäftsführergehalt bereits vergütet. Diesbezügliche Schutzrechts- und Patentanmeldungen sind ausschließlich zu Gunsten und durch die Bekl vorzunehmen. Bei Ausscheiden gelten die gesetzlichen Regelungen.

[2] Das Aufgabengebiet des Kl als Geschäftsführer der Bekl umfasste das operative Geschäft inklusive Forschung und Entwicklung samt Produktverbesserung, Vertrieb und Produktion. Da die Gesellschaftervereinbarung für zahlreiche maßgebliche Angelegenheiten eine 75 %-ige Mehrheit vorsah (siehe Pkt 7.4b), konnte der Kl durch sein Abstimmungsverhalten in der Generalversammlung über den gesetzlichen Rahmen hinausgehende Weisungen der Generalversammlung an sich selbst als Gesellschafter- Geschäftsführer blockieren („Sperrminorität“). Hinsichtlich vorhandener und zu entwickelnder Patente erhielt der Kl weder Weisungen noch Vorgaben oder Einschränkungen. Er meldete für die Bekl beim Deutschen Patentamt am 18.11.2011 das Patent 1, am 10.11.2010 das Patent 4, mit 28.6.2011 das Patent 5 und am 4.6.2011 das Patent 6 an. Da die für die Jahre 2009 und 2010 zu erreichenden Zielvorgaben um 100 % unterschritten wurden, musste der Kl entsprechend Pkt 17a der Gesellschaftsvereinbarung mit Abtretungsvertrag/ Notariatsakt vom 12.7.2011 seine sämtlichen Geschäftsanteile zum Nominalwert an den Investor (als Mehrheitsgesellschafter der Bekl) abtreten. Nach der Abtretung der Geschäftsanteile meldete 427 der Kl am 23.5.2012 das Patent 2, am 10.7.2012 das Patent 3 und am 21.12.2012 das Patent 7 an. Am 18.10.2013 wurde er entlassen.

[3] Der Kl begehrt – soweit noch Gegenstand des Revisions- bzw Rekursverfahrens – mit Stufenklage nach Art XLII ZPO die Bekl schuldig zu erklären, 1a) über sämtliche aus Lizenzgebühren resultierend aus nachstehend näher bezeichneten Diensterfindungen („Patente 1, 2, 3, 4, 5, 6 und 7“) erzielten Umsätze für den Zeitraum vom 1.10.2013 bis 31.10.2016, eventualiter für den Zeitraum 1.10.2013 bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung Rechnung zu legen durch Vorlage der Handelsbücher unter Anschluss (im Einzelnen näher umschriebener) Belege, hilfsweise durch Bucheinsicht in die Handelsbücher unter Anschluss (näher bezeichneter) Unterlagen eventualiter durch Gewährung der Bucheinsicht durch einen Buchsachverständigen, 1b) den sich aufgrund der Rechnungslegung ergebenden Betrag in voller Höhe zu bezahlen, wobei die ziffernmäßige Festsetzung des Zahlungsbegehrens bis zur Rechnungslegung vorbehalten bleibt.

[4] Weiters begehrt er die Feststellung, dass die Bekl ihm

2b) für künftige Forderungen aus den nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz erzielten Umsätze, resultierend aus der Verwertung der Diensterfindungen, die aus von ihm geschaffenen Erfindungen von der Bekl erzielt werden, die jeweiligen Vergütungen schulde.

[5] Eventualiter begehrt er

3) die Feststellung, dass ihm die Bekl für sämtliche Schäden aus entgangenen Vergütungen, die aus der Überlassung bzw Übertragung seiner Diensterfindungen und Patentrechte und/oder Lizenzen an Dritte hinsichtlich der Erfindungen des Kl resultieren, hafte und

4) die Feststellung, dass die Bekl ihm für sämtliche Schäden hafte, die aus der allfälligen Nichtanmeldung bzw der Löschung bzw dem Untergang bzw der Patentaneignung durch Dritte bzw der Unterlassung der Verlängerung der Schutzrechte bzw der Unterlassung der Bestreitung von Patenteingriffen durch Dritte, welcher Art auch immer und/ oder durch die Unterlassung sonstiger gebotener Rechtsdurchsetzungen bezüglich solcher Patente oder Diensterfindungen des Kl resultierten, bezüglich welcher die Bekl zur Wahrnehmung und Ausübung der Erfinderrechte berechtigt sei.

[6] Der Kl bringt zusammengefasst vor, er habe sämtliche Erfindungen selbst entwickelt und dafür bis dato keinerlei Vergütung erhalten, obwohl die darauf beruhenden Patente den grundlegenden wirtschaftlichen Wert aller unternehmerischer Tätigkeiten der Bekl und deren Tochterunternehmen ausmachten. Zudem habe er aus eigenem 3 Mio € in deren Entwicklung investiert. Er stütze seine Ansprüche auf den Rechtsgrund überlassener Diensterfindungen iSd §§ 6 ff Patentgesetz 1970 (PatG) iVm §§ 151, 151a PatG sowie hilfsweise auf jeden erdenklichen sonstigen Rechtsgrund, insb auf die Bestimmungen des allgemeinen Schadenersatzrechts und der Kondiktion, weiters auf Arglist und Täuschung sowie Irrtum. Die Bekl bzw die hinter ihr stehenden Personen und Investoren hätten die Gesellschaftervereinbarung von Anfang an dazu missbraucht, ihm seine werthaltigen bisherigen und künftigen Erfindungen dauerhaft zu entziehen und ihn um die angemessene Vergütung der von ihm nach dem 30.4.2009 gemachten Diensterfindungen zu bringen. Diese Motivation bzw Zielsetzung sei auch hinter seiner Abberufung aus seiner Organfunktion und dem Ausspruch seiner Entlassung gestanden. Ein optimistisches Umsatzund Gewinnprognosen enthaltendes „Informationsmemorandum“ vom November 2013 habe in einem Kauf- und Markenübertragungsvertrag vom 16.4.2015 gemündet, mit dem eine Tochtergesellschaft der Bekl ihren Betrieb zur Gänze an eine V* GmbH übertragen habe. Diese Gesellschaft trage nunmehr den Namen des übernommenen Betriebs, woran die Bekl partizipiere, indem sie die Lizenzgebühren aus der Nutzung der Erfindungen generiere. Selbst wenn die DN-Eigenschaft des Kl iSd §§ 6 ff PatG verneint werden sollte, sei für die Inanspruchnahme seiner Erfindungen keine Unentgeltlichkeit vereinbart, sondern schulde die Bekl weiterhin den zustehenden Vergütungsanspruch.

[7] Die Bekl bestritt und brachte zusammengefasst vor, der Kl sei niemals DN iSd Patentgesetzes gewesen. Die Klagebegehren bestünden aber schon dem Grund nach auch deshalb nicht zu Recht, weil der Kl in Wahrheit nicht Erfinder der von ihm angeführten Erfindungen gewesen sei. Alle Patente/ Erfindungen beruhten auf einem Grundpatent, das – wie mittlerweile hervorgekommen sei – auf die Erfindung einer anderen Person zurückgehe. Alle Klagebegehren seien unschlüssig, die Eventualbegehren seien durch kein anspruchsbegründendes Vorbringen untermauert worden. [...]

[9] Das Erstgericht wies sämtliche Klagebegehren auch im zweiten Rechtsgang ab. [...]

[11] Auch die vom Kl erhobene Klage, mit der er die Aufhebung des in der Gesellschaftervereinbarung enthaltenen Vertragspunkts 17a erreichen wollte (nach dem der Kl bei Unterschreiten bestimmter Zielvorgaben für die Jahre 2009 und 2010 seine Geschäftsanteile an den Investor zum Nominalwert abzutreten habe), wurde abgewiesen. Im Beschluss des OGH vom 28.2.2018, 6 Ob 14/18d, mit dem die außerordentliche Revision des Kl mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen wurde, wurde ua ausgeführt, dass dem Kl bis zur Abtretung seiner Gesellschaftsanteile die Stellung eines über eine Sperrminorität bezüglich wesentlicher Gesellschafterentscheidungen verfügenden Gesellschafter-Geschäftsführers zugekommen sei und er daher im Zeitraum ab Gesellschaftsgründung bis zur Abtretung unternehmerisch tätig gewesen sei. Sowohl die Gesellschaftervereinbarung als auch der Abtretungsvertrag vom 11.7.2011 seien ohne Willensmangel rechtswirksam zustande gekommen.

[12] Rechtlich ging das Erstgericht zusammengefasst davon aus, der Rechnungslegungsanspruch des Kl setze dessen DN-Eigenschaft iSd §§ 6 ff PatG voraus. Im Zeitraum bis zur Abtretung seiner Geschäftsanteile sei er als Gesellschafter- Geschäftsführer mit Sperrminorität kein DN iSd 428 §§ 6 ff PatentG gewesen. Auch nach der Abtretung komme dem Kl keine DN-Eigenschaft iSd PatG zu, weil nach Pkt 17b der Gesellschaftervereinbarung für ihn die Möglichkeit bestanden habe, im Fall des zukünftigen Überschreitens der Zielvorgaben die Geschäftsanteile (und damit seine Sperrminorität) wieder zurückzuerlangen.

[13] Das Berufungsgericht gab (im zweiten Rechtsgang) der Berufung des Kl teilweise Folge. Es bestätigte mit Teilurteil die Abweisung des Rechnungslegungsbegehrens 1a). [...]

[14] Weiters bestätigte das Berufungsgericht die erstgerichtliche Abweisung

  • des Feststellungsbegehrens 2b) in dem Umfang, in dem es sich auf die Erfindungen 4, 5 und 6 bezieht,

  • sowie die Abweisung der Eventualklagebegehren 3) und 4).

[15] Im Übrigen – im Umfang der Abweisung des Rechnungslegungsbegehrens 1a) und 1b) und des Feststellungsbegehrens 2b), soweit sich diese Begehren auf die Erfindungen 1, 2, 3 und 7 beziehen – ging das Berufungsgericht mit einer Aufhebung vor und wies die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück.

[16] Rechtlich billigte das Berufungsgericht die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass der Kl vor der Abtretung seiner Geschäftsanteile (am 12.7.2011) als Gesellschafter-Geschäftsführer mit Sperrminorität nicht als DN iSd PatG anzusehen gewesen sei und daher die in diesen Zeitraum fallenden Erfindungen 4, 5 und 6 keine Diensterfindungen seien. Ab dem 12.7.2011 bis zu seiner Entlassung habe er aber als Fremdgeschäftsführer über keine beherrschende Stellung im Unternehmen mehr verfügt, woraus folge, dass ihm DN-Eigenschaft iSd PatG zuzuerkennen sei. Dass er gemäß der Gesellschaftervereinbarung seine Gesellschaftsanteile (rein theoretisch) hätte zurückerlangen können, sei nicht maßgeblich. Die dafür vertraglich statuierten Voraussetzungen seien (unstrittig) nicht eingetreten. Ob die ab dem Zeitpunkt der Abtretung am 12.7.2011 gemachten Erfindungen 1, 2, 3 und 7 dem Kl zuzurechnen seien und bejahendenfalls, ob sie vor oder nach diesem Datum von der Bekl bereits aufgegriffen und genutzt worden seien, sei aber auf Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen noch nicht beurteilbar, sondern im fortzusetzenden Verfahren zu klären. [...]

[17] Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision gegen das Teilurteil des Berufungsgerichts und den Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss für zulässig, weil zu den Fragen

  • ob und unter welchen Voraussetzungen ein Gesellschafter-Geschäftsführer bzw organschaftlicher Fremdgeschäftsführer als DN iSd PatG zu qualifizieren sei, und

  • ob das vom Kl auf dem PatG beruhende, für die Zukunft erhobene Feststellungsbegehren (Pkt 2b) zulässig sei (oder dessen Zulässigkeit im Hinblick auf die Rsp zu pauschalierte Vergütungen beinhaltende Feststellungsbegehren doch zu verneinen sei) noch keine oberstgerichtliche Rsp vorliege.

[20] Die Revision des Kl ist entgegen dem – den OGH nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 526 Abs 2 ZPO) – mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. [...]

[21] Der Rekurs der Bekl ist hingegen zulässig und zumindest teilweise iSd Abweisung des Feststellungsbegehrens 2b) auch berechtigt.

I. Zur Revision des Kl:

Zum Rechnungslegungsbegehren:

[22] I.1.1 Der Zweck der Bestimmungen des PatG über die Erfindungen von DN (§§ 6 ff PatG) liegt darin, den persönlich abhängigen DN als dem – im Vergleich zu seinem DG – sozial und wirtschaftlich Schwächeren im Fall einer Diensterfindung zu schützen und ihm den Anspruch auf die Erteilung eines Patents und auf die Gewährung einer Vergütung zu sichern (RS0071252).

[23] I.1.2 Voraussetzung für das Vorliegen einer Diensterfindung ist daher die DN-Eigenschaft des Erfinders (§ 7 Abs 3 PatG). Gem § 6 Abs 2 PatG gelten als DN „Angestellte und Arbeiter jeder Art“.

[24] I.1.3 Der DN-Begriff des PatG orientiert sich nach herrschender Auffassung an den Begriffselementen des Dienstvertrags iSd § 1151 ABGB (K. Mayr in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 6 PatG Rz 3).

[25] I.1.4 Das Berufungsgericht hat bereits zutreffend die Rsp zum DN-Begriff wiedergegeben (RS0111674; RS0021306; RS0085516). Wenn zwischen den Vertragsparteien ein gesellschaftsrechtliches oder gesellschaftsähnliches Verhältnis besteht, sind die die Diensterfindungen regelnden Bestimmungen des PatG in aller Regel nicht anwendbar, weil die Parteien des Gesellschaftsverhältnisses auf eigene Rechnung und Gefahr tätig werden, während die von den §§ 6 ff PatG erfassten DN lediglich die vereinbarte Arbeit schulden und weiteren Verpflichtungen und unternehmerischen Risken enthoben sind (Friebel/Pulitzer, Österreichisches Patentrecht2 § 6 PatG A.1.). Die Organstellung eines Vorstandsmitglieds einer Aktiengesellschaft wurde bereits in der E 4 Ob 5/85 als mit der Annahme der DN-Eigenschaft iSd §§ 6 ff PatG mangels persönlicher Abhängigkeit und stark ausgeprägter Unternehmerfunktion nicht vereinbar angesehen. Auch bei Vorliegen eines Anstellungsvertrags mit Verweisung auf das AngG sind die §§ 6 bis 17 PatG auf Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft nicht anzuwenden (RS0071234).

[26] Für die Frage, ob die Geschäftsführer einer GmbH als DN anzusehen sind, ist die arbeitsrechtliche Rsp heranzuziehen (Friebel/Pulitzer, Österreichisches Patentrecht2 § 6 PatG A.1.). Nach dieser Rsp wird die DN-Eigenschaft eines Geschäftsführers einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, der gleichzeitig Gesellschafter der GmbH ist, durch das Ausmaß der persönlichen Abhängigkeit bestimmt, die vom Umfang der Beteiligung an der Gesellschaft abhängig ist. Zu prüfen ist, inwieweit die Anteile des Gesellschafter-Geschäftsführers einen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung ermöglichen. Ein derartiger Einfluss ist nicht nur dann zu bejahen, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile verfügt, sondern auch wenn die Beteiligung 429zwar geringer als 50 % ist, ihm aber aufgrund des Gesellschaftsvertrags eine Sperrminorität zusteht, die ihn befähigt, Beschlüsse der Generalversammlung in den für seine persönliche Abhängigkeit wesentlichen Angelegenheiten zu verhindern. Hat der Gesellschafter-Geschäftsführer beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft, schließt dies seine Qualifikation als DN aus (8 ObA 68/02m = RS0021243 [T2] zur Frage der Anwendbarkeit der Bestimmungen des AVRAG).

[27] Nach der zu § 40b UrhG ergangenen E 4 Ob 182/20y [Rz 16] ist ein zu 50 % beteiligter Gesellschafter- Geschäftsführer einer GmbH nicht zu den DN iS dieser Norm zu zählen, wenn und weil er keine abhängige und weisungsgebundene Tätigkeit entfaltet (RS0133442; siehe auch Baroian-Haftvani in Stadler/Koller, PatG § 6 Rz 4; Mayr in Neumayr/Reissner, ZellKomm2 § 6 PatG Rz 3).

[28] I.1.5 Die Begründung der angefochtenen Berufungsentscheidung, in der unter Berücksichtigung der Stellung des Kl als Gesellschafter-Geschäftsführer mit Sperrminorität das Vorliegen dessen DN-Eigenschaft für den Zeitraum bis zur Abtretung der Geschäftsanteile im Jahr 2011 (ungeachtet des Vorliegens eines Dienstvertrags) verneint wurde, entspricht diesen von der Rsp zur Frage der DNEigenschaft eines (Gesellschafter-)Geschäftsführers einer GmbH bereits entwickelten Grundsätzen und steht in Einklang mit der E 6 Ob 14/18d. Die Beurteilung, ob im konkreten Einzelfall die DN-Eigenschaft zu bejahen ist, stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (vgl RS0111914 [T4, T6, T13]).

[29] I.1.7 Das Revisionsvorbringen, die DN-Eigenschaft des Kl wäre nicht erst ab dem 12.7.2011 (dem Zeitpunkt der Abtretung der Geschäftsanteile), sondern schon davor anzunehmen gewesen, weil der Kl seinen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft faktisch nicht mehr habe durchsetzen können, sobald klar geworden war, dass er seine Gesellschaftsanteile wegen Verfehlens der Kennzahlen für die Jahre 2009 und 2010 abtreten werde müsse, entfernt sich vom festgestellten Sachverhalt.

[30] I.2.1 Ist sohin die DN-Eigenschaft des Erfinders zu verneinen, sind die §§ 6 ff PatG nicht direkt anwendbar. Auch mit seinem weiteren Vorbringen, die Vorinstanzen hätten übersehen, dass dennoch nicht jeglicher Vergütungsanspruch für die Erfindungen des Kl ersatzlos entfalle und sich im Hinblick auf den Dienstvertrag zu den Ansprüchen nach §§ 6 ff PatG analoge Ansprüche ergäben, wird keine vom OGH aufzugreifende Fehlbeurteilung aufgezeigt:

[31] I.2.2 Reitböck (Der Begriff der Diensterfindung und angrenzende Rechtsfragen 74 ff) vertritt die Ansicht, eine analoge Anwendung der §§ 6 ff PatG, die die spezielle Schutzbedürftigkeit des Diensterfinders zum Anlass haben, sei dann nicht auszuschließen, wenn die gesetzlichen Zielsetzungen der Diensterfindungsbestimmungen auch auf den mangels DN-Eigenschaft des Erfinders nicht unmittelbar geregelten Fall zutreffen (vgl auch RS0065185). Im vorliegenden Fall ist aber zu berücksichtigen, dass der Kl im Zuge seiner unter unternehmerischen Pläne mittels eines Investors seine bisherigen Erfindungen gewinnbringend verwerten wollte und sich zu diesem Zweck dem Investor gegenüber verpflichtete, seine Erfindungen bzw Patente samt allen Lizenzverträgen in die Kapitalrücklage der neu zu gründenden Bekl einzubringen (siehe Pkt 19.2 der Gesellschaftervereinbarung). Fest steht, dass der Investor der Bekl ein Darlehen von über 7 Mio € gewährte, der Kl 40 % der Geschäftsanteile an der Bekl erhielt und in seiner Position als Gesellschafter-Geschäftsführer mit Sperrminorität deren Geschicke unternehmerisch bestimmen und gestalten konnte. Wenn die Vorinstanzen bei diesen Gegebenheiten aus dem Einverständnis des Kl damit, dass auch seine zukünftigen Erfindungen ausschließlich der Bekl zustehen sollten, nicht eine besondere Unterlegenheit des Kl abgeleitet haben, die eine analoge Anwendung der Schutzbestimmungen der §§ 6 ff PatG erfordern könnte, stellt dies keine vom OGH aufzugreifende Fehlbeurteilung dar.

I.3 Zur (teilweisen) Unschlüssigkeit des Rechnungslegungsbegehrens:

[...]

II. Zum Rekurs der Bekl:

[43] Der Rekurs ist zulässig und teilweise, nämlich hinsichtlich des Feststellungsbegehrens 2b) iS einer Abweisung dieses Begehrens, auch berechtigt.

II.1.1 Zum Rechnungslegungsbegehren 1a) und 1b):

[44] Der Rechnungslegungsanspruch des Kl setzt hinsichtlich der Patente 1, 2, 3 und 7 dessen DN-Eigenschaft voraus. Dazu ist vorerst auf die schon oben zu Pkt I.1 wiedergegebene Rsp zu verweisen. Wie das Berufungsgericht ausgeführt hat, ist für den Gesellschafter-Geschäftsführer maßgeblich, inwieweit dessen Anteile einen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung ermöglichen (RS0021243 [T2]).

[45] Den Rekursausführungen der Bekl ist entgegenzuhalten, dass der Kl ab Abtretung (aller) seiner Geschäftsanteile und Verlust seiner Sperrminorität als „Fremdgeschäftsführer“ tätig und als solcher in den wesentlichen Belangen nicht mehr weisungsfrei war, weil er Weisungen der Generalversammlung an sich nicht mehr verhindern konnte. Eine Feststellung, nach der er – ungeachtet des Verlusts seiner Sperrminorität – weisungsfrei gestellt gewesen wäre, besteht nicht. Zudem war ihm ab dem Zeitpunkt der Abtretung seiner Gesellschaftsanteile seine bisherige Zuständigkeit für den Vertrieb entzogen worden. Wenngleich er zu vorhandenen und neu zu entwickelnden Patenten weiterhin keine Vorgaben und Einschränkungen erhielt, hatte er jeweils im Nachhinein von den erfolgten Patentanmeldungen zu berichten. Unterzieht man diese Situation einer Gesamtbewertung, ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Tätigkeit des Kl habe im Zeitraum nach der Abtretung der Geschäftsanteile keine unternehmerischen Züge mehr aufgewiesen, sodass seine DN-Eigenschaft iSd §§ 6 ff PatG zu bejahen sei (unter der Voraussetzung, dass er der Bekl patentfähige Erfindungen überlassen hat), nicht zu beanstanden (Völkl in Straube/Ratka Rauter, GmbHG [119. Lfg] § 15 Rz 89). 430

[46] II.1.2 Soweit die Rekurswerberin aus der E 4 Ob 5/85 ableiten will, der Kl wäre auch nach Abtretung seiner Gesellschaftsanteile und Verlust der Sperrminorität deshalb nicht als DN zu qualifizieren, weil er unternehmensintern weiterhin als „Chef“ agiert und über (faktische) Einflussmöglichkeiten und den nötigen Überblick verfügt hätte, übergeht sie, dass Gegenstand der E 4 Ob 5/85 die Frage war, ob ein Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft in Ausübung seiner Geschäftsführertätigkeit (auf Grundlage eines Anstellungsvertrags) DN-Eigenschaft iSd PatG zukommt. Dies wurde im Hinblick darauf verneint, dass der Vorstand einer Aktiengesellschaft das willensbildende Organ sei und ein Mitglied des Vorstands als solches keine Vorgesetzten habe, in Ausübung seiner Geschäftsführungstätigkeit grundsätzlich weisungsfrei sei und das Unternehmen unter eigener Verantwortung selbständig leite (RS0071234). Davon unterscheidet sich aber die für den Kl ab der Abtretung seiner Geschäftsanteile am 12.7.2011 gegebene rechtliche Situation deutlich.

[47] II.2 Daran ändert die vom Erstgericht getroffene Feststellung nichts, nach der der Kl noch bis zu seiner Entlassung am 18.10.2013 im Unternehmen einen entscheidenden Einfluss auf die Geschäftsführung sowie einen maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen im Unternehmen hatte, lässt sich doch daraus nur ableiten, dass der Kl seiner Aufgabe, das Unternehmen zu leiten, auch als Fremd-Geschäftsführer nachgekommen ist. Dem Vorwurf der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens infolge Abweichens von dieser Feststellung kommt daher keine Berechtigung zu. [...]

[51] II.4 Berechtigung kommt dem Rekurs der Bekl jedoch hinsichtlich des Feststellungsbegehrens (Pkt 2b) zu:

Zum bisherigen Verfahrensverlauf:

[52] Das Erstgericht hat auch dieses Feststellungsbegehren mit der Begründung abgewiesen, der Kl sei zu keinem Zeitpunkt DN iSd §§ 6 ff PatG gewesen.

[53] Das Berufungsgericht ging im Umfang der (erstgerichtlichen) Abweisung des Feststellungsbegehrens, soweit es sich auf die Erfindungen 1, 2, 3 und 7 bezieht, mit einer Aufhebung vor und ließ den Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss zur Frage der Zulässigkeit eines derartigen Feststellungsbegehrens zu. [...]

[65] II.5 Die Entscheidung des Erstgerichts erweist sich daher im Umfang der Abweisung des Feststellungsbegehrens 2b) hinsichtlich der Patente 1, 2, 3 und 7 (wenngleich nur im Ergebnis) als richtig, sodass sie in diesem Umfang wiederherzustellen ist. Der OGH kann aus Anlass eines zulässigen Rekurses gem § 519 Abs 1 Z 2 ZPO bei Spruchreife auch bereits in der Sache selbst entscheiden (RS0043853). [...]

ANMERKUNG

Der vorliegende Fall betrifft wieder einmal ein „Erfinderschicksal“. Dieses Mal geht es aber nicht darum, dass ein DG den DN als Diensterfinder nicht ausreichend würdigt bzw die Diensterfindungsvergütung unangemessen ist, sondern darum, dass ein freier Erfinder im Zuge der Verwertung seiner Erfindungen in eine Position gelangt, wo er Geschäftsführer einer GmbH wird, mit der er gemeinsam mit seinem Geschäftspartner die Erfindungen gewinnbringend vermarkten will. Gegen Ende dieser Tätigkeit wird dann seine gesellschaftsrechtliche Position verschlechtert und meldet er in dieser Phase weitere Patente an. Es stellt sich daher zweimal die Frage, ob die §§ 6 PatG zur Anwendung kommen, nämlich in der ersten Phase mit einem wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung und in der zweiten Phase als Fremdgeschäftsführer.

Im Folgenden wird zuerst allgemein dargestellt, welche Erfinder unter die §§ 6 ff PatG zu subsumieren sind und danach wird die Besonderheit von GmbH-Geschäftsführern im Diensterfindungsrecht besprochen.

1.
Diensterfinder

Gem § 6 Abs 1 PatG haben DN auch für die von ihnen während des Bestandes des Dienstverhältnisses gemachten Erfindungen den Anspruch auf die Erteilung des Patentes (§ 4), wenn nicht durch Vertrag (§ 7 Abs 1) oder auf Grund des § 7 Abs 2 etwas anderes bestimmt ist. Auch wenn es häufig Vereinbarungen nach § 7 Abs 1 PatG gibt, ist doch die entscheidende Bestimmung über das angemessene Entgelt gem § 8 Abs 1 iVm § 17 PatG relativ zwingend zugunsten der DN. Daher kommt der DN-Eigenschaft eine maßgebliche Bedeutung zu. Diese ist nach § 1151 ABGB zu beurteilen. Es gibt auch keine Unterschiede zum öffentlichen Dienst. Aus § 7 Abs 2 PatG ergibt sich, dass auch öffentlichrechtliche Dienstverhältnisse erfasst sind. § 6 Abs 2 PatG erklärt, dass generell Angestellte und Arbeiter jeder Art als DN anzusehen sind. Als Beispiele für DN nach § 6 PatG sind Bundesbeamte, Bundesvertragsbedienstete, Landes- und Gemeindebeamte, Landes- und Gemeindevertragsbedienstete, Lehrlinge, geringfügig Beschäftigte, Leih-AN und auch Fremdgeschäftsführer anzusehen; nicht jedoch Strafgefangene, Heimarbeiter, Volontäre, Praktikanten, freie DN, Vorstände einer Aktiengesellschaft und Geschäftsführer mit einem wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung. In gewissen Fällen, etwa bei Heimarbeitern, Volontären, Praktikanten oder freien DN mag eine analoge Anwendung in Abwägung der wirtschaftlichen Abhängigkeit im Einzelfall in Betracht zu ziehen sein.

2.
GmbH-Geschäftsführer als Dienstnehmer?

Im vorliegenden Sachverhalt hat der Kl zahlreiche Erfindungen gemacht und zu Patenten angemeldet. Diese hat er einer von ihm gegründeten Aktiengesellschaft zugeordnet. Es ist daher in der ersten Phase des gegenständlichen Sachverhaltes von einem freien Erfinder auszugehen, auf den die §§ 6 ff PatG nicht zur Anwendung kommen. Da die Erfindungen des Kl bereits vor dem Einstieg des Investors im Rahmen der gegründeten GmbH entstanden 431 sind, erscheint die Prüfung der DN-Eigenschaft durch die Gerichte prima vista überflüssig. Der OGH prüft dann aber in einem zweiten Schritt noch die analoge Anwendung der §§ 6 PatG. Dafür ist zwar auch nicht die DN-Eigenschaft relevant, aber die Ähnlichkeit mit einem DN oder die wirtschaftliche Abhängigkeit könnten Ansätze für eine analoge Anwendung bilden. Dazu gibt es aber keine ausreichenden Feststellungen. Die Feststellungen, dass der Investor der Bekl ein Darlehen von über 7 Mio € gewährte, der Kl 40 % der Geschäftsanteile an der Bekl erhielt und in seiner Position als Gesellschafter-Geschäftsführer mit Sperrminorität deren Geschicke unternehmerisch bestimmen und gestalten konnte, sprechen klar gegen eine DN-Eigenschaft dieses GmbH-Geschäftsführers und auch gegen eine analoge Anwendung der Schutzbestimmungen der §§ 6 ff PatG.