42Höhe des „verlängerten“ Krankengeldanspruchs
Höhe des „verlängerten“ Krankengeldanspruchs
§ 139 Abs 2a ASVG normiert unter bestimmten Voraussetzungen eine Verlängerung der Dauer des Krankengeldanspruchs, enthält aber keine eigenständige Regelung der Höhe des Krankengeldes.
§ 143 ASVG ist auch auf den durch § 139 Abs 2a ASVG verlängerten Anspruchszeitraum anzuwenden. Liegt zu Beginn oder während dieses Zeitraums ein Ruhensgrund vor, so tritt (teilweises) Ruhen ein; fällt der Ruhensgrund weg, erlangt der Leistungsanspruch wieder seine volle Wirksamkeit.
[1] Gegenstand des Verfahrens ist die Höhe des Krankengeldanspruchs nach § 139 Abs 2a ASVG in Fällen, in denen das Krankengeld, das der Versicherte zum Zeitpunkt des Erreichens der Höchstdauer des Krankengeldanspruchs nach § 139 Abs 1 und 2 ASVG bezog, nach § 143 Abs 1 Z 3 ASVG zur Hälfte ruhte.
[2] Der Kl, der in einem aufrechten Dienstverhältnis steht, beantragte am 2.12.2019 bei der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) die Gewährung einer Invaliditätspension. Gegen den ablehnenden Bescheid vom 13.3.2020 erhob er am 9.6.2020 [...] Klage beim LG *. Dieses Verfahren war zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz im vorliegenden Verfahren noch anhängig.
[3] Der Kl ist seit 8.3.2019 arbeitsunfähig infolge Krankheit. Er bezog bis 12.5.2020 Krankengeld in Höhe von 47,27 € täglich. Vom 13.5.2020 bis zum 10.7.2020 hatte er gegenüber seinem DG Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Ausmaß von 100 %. Vom 11.7.2020 bis zum 7.8.2020 hatte er gegenüber seinem DG Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Ausmaß von 50 %. Er bezog daneben Krankengeld in Höhe von 23,64 € täglich, wobei sein Krankengeldanspruch aus diesem Versicherungsfall wegen Erreichens der Höchstanspruchsdauer von 52 Wochen am 21.7.2020 endete.
[4] Für den anschließenden Zeitraum ab dem 22.7.2020 hatte der Kl bereits im Mai 2020 Krankengeld gem § 139 Abs 2a ASVG beantragt. Mit Schreiben vom 4.8.2020 bescheinigte die bekl Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) die Arbeitsunfähigkeit des Kl ab dem 22.7.2020 und gab die Höhe seines Krankengeldanspruchs ab dem 22.7.2020 mit 23,64 € – somit in jener Höhe, in der dem Kl bis 21.7.2020 das Krankengeld neben der Entgeltfortzahlung seines DG im Umfang von 50 % ausgezahlt worden war – bekannt. [...]
[5] Mit Bescheid vom 10.8.2020 sprach die Bekl aus, der Antrag des Kl auf Zahlung eines 23,64 € übersteigenden Krankengeldes gem § 139 Abs 2a ASVG ab 8.8.2020 – also für den Zeitraum nach Ablauf der Entgeltfortzahlung des DG des Kl im Umfang von 50 % – werde abgelehnt. [...]
[6] [...] der Kl begehrt die Leistung eines Krankengeldes gem § 139 Abs 2a ASVG in Höhe von 47,27 € täglich ab dem 22.7.2020.
[7] Die Bekl bestritt das Klagebegehren mit der Begründung, aufgrund des Ruhens des Krankengeldanspruchs zur Hälfte habe der Kl zum Zeitpunkt des Endens seines Krankengeldanspruchs (der Aussteuerung) Krankengeld nur in Höhe von 23,64 € gebührt.
[8] Das Erstgericht wies das Klagebegehren für den Zeitraum von 22.7.2020 bis 7.8.2020 wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück, weil der Bescheid darüber nicht abgesprochen habe. Im Übrigen, also für den Zeitraum ab 8.8.2020, verpflichtete es die Bekl zur Zahlung eines Krankengeldes von 23,64 € täglich und wies das Mehrbegehren auf Leistung eines höheren Krankengeldes ab.
[9] Dagegen erhob der Kl Rekurs und Berufung, wobei er für den Zeitraum von 22.7.2020 bis 7.8.2020 nur noch die Zuerkennung eines Krankengeldes von 23,64 € täglich begehrte.
[10] Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs und der Berufung des Kl Folge [...] und verpflichtete die Bekl, dem Kl ein Krankengeld von 23,64 € für den Zeitraum von 22.7.2020 bis 7.8.2020 und von 47,27 € täglich ab 8.8.2020, solange die Arbeitsunfähigkeit des Kl infolge Krankheit andauert, längstens bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens * des LG *, zu zahlen. [...]
[13] Gegen diese Entscheidung richten sich der außerordentliche Revisionsrekurs und die Revision der Bekl, mit denen sie beantragt, die klagezurückweisende und die klageabweisende Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen. Hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.
[14] Der Kl beantragt in seiner Rechtsmittelbeantwortung, den außerordentlichen Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben, und der Revision nicht Folge zu geben.
[15] Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig. Die Revision ist [...] zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
Zum Revisionsrekurs
[16] 1.1. Dass im vorliegenden Fall ein Bescheid vorliegt, ist nicht strittig; unterschiedliche Rechtsansichten werden zu der durch Auslegung zu klärenden Frage vertreten, ob im Bescheid auch über den Zeitraum von 22.7.2020 bis 7.8.2020 abgesprochen wurde.
[17] 1.2. Angesichts der im Bescheid enthaltenen ausdrücklichen Stellungnahme zur Anspruchshöhe ab 22.7.2020 ist die vom Rekursgericht vorgenommene Auslegung vertretbar und begründet wegen ihrer Einzelfallbezogenheit (vgl 4 Ob 193/15h; RS0044298 [T60]) keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung.
Zur Revision
[18] 2.1. Nach der mit dem SRÄG 2015 (BGBl I 2015/162) neu geschaffenen Bestimmung des § 139 Abs 2a ASVG ist Personen in einem aufrechten Dienstverhältnis, bei denen die Höchstdauer ihres Krankengeldanspruchs [ergänze: nach § 139 Abs 1 und 2 ASVG] abgelaufen ist, die einen ablehnenden Bescheid des Pensionsversicherungsträgers über 501 eine beantragte Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension erhalten haben und keinen Anspruch auf Rehabilitationsgeld haben, Krankengeld in der zuletzt bezogenen Höhe ab dessen Antragstellung beim Krankenversicherungsträger und längstens bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens vor den ordentlichen Gerichten zu gewähren, jedoch nur solange die Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit andauert.
[19] 2.2. Nach den Materialien sollte mit dieser Bestimmung eine Versorgungslücke beseitigt werden, die durch die Änderungen beim Pensionsvorschuss im Rahmen des 2. StabG 2012 (BGBl I 2012/35BGBl I 2012/35) für Personen, die sich trotz langem Krankenstand noch in einem aufrechten Dienstverhältnis befinden, entstehen konnte. Das sei dann der Fall, wenn diese Personen einen ablehnenden Bescheid des Pensionsversicherungsträgers über eine beantragte Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension erhalten hätten, da das Kompetenzzentrum Begutachtung die Arbeitsfähigkeit festgestellt habe, und sie diesen vor dem ASG bekämpften. Wegen des langen Krankenstands bestehe für diese Personen wegen Ablaufs der Höchstdauer kein Anspruch auf Krankengeld mehr, aufgrund des aufrechten Dienstverhältnisses hätten sie auch keinen Anspruch auf Leistungen aus der AlV, da der Anspruch auf Pensionsvorschuss nur mehr bis zur Entscheidung des Pensionsversicherungsträgers gewährt werde. Dadurch hätten diese Personen für die Zeit des laufenden Pensionsverfahrens, in der das Dienstverhältnis aufrecht bleibe, keinerlei Einkommen. Diese Versorgungslücke solle durch § 139 Abs 2a ASVG geschlossen werden (ErläutRV 900 BlgNR 25. GP 20).
[20] 3.1. Die Höhe des Krankengeldes ist [...] in § 141 ASVG geregelt. § 143 ASVG ordnet das Ruhen des Krankengeldanspruchs in den dort normierten Fällen an. Nach § 143 Abs 1 Z 3 ASVG ruht der Anspruch auf Krankengeld, solange der Versicherte aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher Bestimmungen Anspruch auf Weiterleistung von mehr als 50 vH der vollen Geld- und Sachbezüge vor dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit hat; besteht ein Anspruch auf Weiterleistung von 50 vH dieser Bezüge, so ruht das Krankengeld zur Hälfte.
[21] 3.2. Das Ziel der meisten Ruhensbestimmungen besteht darin, Leistungen dann nicht zu gewähren, wenn ein Sicherungsbedürfnis vorübergehend weggefallen ist. Der Grund für diesen Wegfall des Sicherungsbedürfnisses kann im Bezug einer anderen funktionsgleichen Leistung liegen. Den Zielsetzungen entsprechend bleibt trotz des Eingreifens von Ruhensbestimmungen der Anspruch auf die ruhenden Leistungen gewahrt, es wird lediglich die Leistungspflicht des Versicherungsträgers sistiert, solange der Ruhensgrund andauert (vgl RIS-Justiz RS0083756). Fällt der Ruhensgrund weg, so lebt die Wirksamkeit des Leistungsanspruchs von selbst wieder auf, und zwar mit dem Zeitpunkt des Wegfalls des Ruhensgrundes (RS0083756 [T1] = 10 ObS 33/95 SSV-NF 9/33).
[22] 4.1. Entscheidend ist im vorliegenden Fall die Auslegung der Wortfolge „ist Krankengeld in der zuletzt bezogenen Höhe [...] zu gewähren“ in § 139 Abs 2a ASVG. Einigkeit besteht darüber, dass der angesprochene Vergleichszeitpunkt („zuletzt“) der Zeitpunkt des Endens des Krankengeldanspruchs nach Ablauf der Höchstanspruchsdauer nach § 139 Abs 1 und 2 ASVG ist.
[23] 4.2. Die Bekl leitet aus der Bezugnahme auf die „bezogene“ Höhe ab, dass der Auszahlungsbetrag maßgeblich sei, sodass ein teilweises Ruhen des Anspruchs zum Zeitpunkt des Erreichens der Höchstbezugsdauer nach § 139 Abs 1 und 2 ASVG auf die Höhe des Krankengeldes gem § 139 Abs 2a ASVG durchschlage.
[24] 4.3. Die systematische Interpretation sowie teleologische Erwägungen sprechen jedoch gegen dieses Auslegungsergebnis.
[25] 4.4. In den von § 139 Abs 2a ASVG geregelten Fällen tritt nach Ablauf der Höchstbezugsdauer gem § 139 Abs 1 und 2 ASVG kein neuer Versicherungsfall ein. § 139 ASVG regelt nur die Dauer des Krankengeldanspruchs, während sich die Höhe des Krankengeldes aus § 141 ASVG ergibt. Aus der systematischen Stellung des § 139 Abs 2a ASVG ergibt sich somit, dass es sich bei dieser Bestimmung lediglich um eine Verlängerung der Anspruchsdauer handelt, wobei dafür neben den allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen des § 138 ASVG (zur Maßgeblichkeit des § 138 ASVG für die Anspruchsberechtigung nach § 139 Abs 2a ASVG vgl 10 ObS 84/18b SSV-NF 32/65) zusätzlich die in § 139 Abs 2a ASVG normierten Voraussetzungen (aufrechtes Dienstverhältnis, ablehnender Pensionsbescheid des Pensionsversicherungsträgers, kein Anspruch auf Rehabilitationsgeld, Antragstellung) erfüllt sein müssen. Die systematische Stellung der Regelung in der die Anspruchsdauer betreffenden Norm spricht auch dagegen, den Verweis auf die „zuletzt bezogene Höhe“ als eigenständige Regelung der Anspruchshöhe aufzufassen. Darin ist vielmehr bloß ein Verweis auf die nach § 141 ASVG zu ermittelnde Höhe des Krankengeldes zu sehen.
[26] 4.5. Gegen die von der Bekl vertretene Auffassung sprechen darüber hinaus der vom Gesetzgeber mit der Schaffung des § 139 Abs 2a ASVG angestrebte Versorgungszweck und der Zweck der Ruhensbestimmung des § 143 ASVG. § 143 ASVG soll eine Doppelversorgung des Versicherten für Zeiträume des Bestehens eines Anspruchs auf Entgeltfortzahlung gegen den DG vermeiden (vgl RS0083756). Fällt der Ruhenstatbestand weg, besteht auch kein Grund mehr für eine (teilweise) Sistierung der Leistungspflicht des Versicherungsträgers.
[27] 4.6. Sachliche Gründe dafür, den Umfang der Absicherung der Versicherten für den gesamten Zeitraum der durch § 139 Abs 2a ASVG eröffneten Verlängerung der Bezugsdauer davon abhängig zu machen, ob punktuell am letzten Tag der Höchstbezugsdauer des § 139 Abs 1 oder 2 ASVG ein Ruhenstatbestand erfüllt war, sind nicht ersichtlich. § 143 ASVG ist – mangels Ausnahme – zudem ohnehin auch auf den durch § 139 Abs 2a ASVG verlängerten Anspruchszeitraum anzuwenden. Liegt daher am Beginn oder während dieses Zeitraums ein Ruhensgrund vor, so tritt (teilweises) 502 Ruhen des Anspruchs ein; fällt der Ruhensgrund weg, erlangt der Leistungsanspruch wieder seine volle Wirksamkeit.
[28] 5.1. Im vorliegenden Fall hatte der Kl von 22.7.2020 bis 7.8.2020 Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Umfang von 50 % gegen seinen DG. Während dieses Zeitraums war der Ruhenstatbestand des § 143 Abs 1 Z 3 zweiter Fall ASVG erfüllt. Der Kl hatte daher für diesen Zeitraum nur Anspruch auf die Leistung von Krankengeld in Höhe von 50 %, also in Höhe von 23,47 € täglich. Diesem Umstand trug er durch seinen eingeschränkten Berufungsantrag Rechnung.
[29] Ab dem 8.8.2020 war der Ruhensgrund weggefallen, sodass der Kl ab diesem Tag Anspruch auf Krankengeld in Höhe von 47,27 € hat.
[30] 6. Der Revision der Bekl ist daher nicht Folge zu geben.
Vorweg einige Worte zum Sachverhalt, der sich aus der Entscheidung zum Teil nur erahnen lässt: So wie es aussieht, war der Kl seit 8.3.2019 bis zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz durchgehend im Krankenstand. Am 2.12.2019 beantragte der Kl die Gewährung einer Invaliditätspension; gegen den ablehnenden Bescheid der PVA erhob der Kl Klage (das Verfahren war zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz noch anhängig). Der Kl erhielt in der Zeit zwischen 8.3.2019 und 12.5.2020 (= rund ein Jahr und zwei Monate) einige Wochen Entgeltfortzahlung vom AG (siehe § 2 Abs 1 EFZG) und in der restlichen Zeit (= knapp ein Jahr) Krankengeld vom Krankenversicherungsträger (Anspruch gem § 139 Abs 1 ASVG: 52 Wochen, wenn der Anspruchsberechtigte innerhalb der letzten zwölf Monate sechs Monate in der KV versichert war).
Im Anschluss daran (dh am 13.5.2020) lebte der Entgeltfortzahlungsanspruch des AN wahrscheinlich wegen des Beginns eines neuen Arbeitsjahrs wieder auf (siehe § 2 Abs 1 iVm Abs 4 EFZG). Dadurch kam es zunächst vom 13.5. bis zum 10.7.2020 (= acht Wochen plus drei Feiertage – zum Vorrang des in § 9 ARG normierten Feiertagsentgelts vor dem Krankenentgelt siehe Drs in Neumayr/Reissner [Hrsg], ZellKomm3 § 8 AngG Rz 88 mwN) wegen des Entgeltfortzahlungsanspruchs des AN im Ausmaß von 100 % zum vollständigen Ruhen des Krankengeldanspruchs (§ 143 Abs 1 Z 3 ASVG Teil 1: Anspruch auf Weiterleistung von mehr als 50 % der vollen Geld- und Sachbezüge). In den darauffolgenden vier Wochen (11.7. bis 7.8.2020) stand dem Kl nur noch Entgeltfortzahlung in der halben Höhe zu, weshalb das Krankengeld ab dem 11.7.2020 nur noch zur Hälfte ruhte (Z 3 Teil 2: Anspruch auf Weiterleistung von 50 % der Bezüge).
Gem § 140 ASVG sind zwar Zeiten, in denen der Krankengeldanspruch infolge der Entgeltfortzahlung des AG zur Gänze ruht, nicht auf die Höchstdauer des Krankengeldanspruchs anzurechnen, aber sehr wohl Zeiten des teilweisen Ruhens. Da die Höchstanspruchsdauer von 52 Wochen am 21.7.2020 (= rund 1,5 Wochen nach der Reduzierung des Entgeltfortzahlungsanspruchs auf 50 %) erreicht wurde, endete zu diesem Zeitpunkt der Anspruch auf das „normale“ Krankengeld.
Der Kl hatte aber bereits im Mai 2020 das „verlängerte“ Krankengeld gem § 139 Abs 2a ASVG bei der ÖGK beantragt. Die ÖGK bescheinigte dem Kl zwar die Arbeitsunfähigkeit ab dem 22.7.2020, sprach das „verlängerte“ Krankengeld aber nur in der zuletzt bezogenen Höhe von € 23,64 zu und zwar nicht nur für die restliche Zeit des halben Entgeltfortzahlungsanspruchs (dh bis 7.8.2020), sondern auch für die Zeit danach (dh ab dem 8.8.2020), in der dem Kl keine Entgeltfortzahlung vom AG mehr zustand.
§ 139 Abs 1 ASVG sieht je nach Versicherungsdauer einen Krankengeldanspruch für 26 bzw 52 Wochen vor – durch Satzung verlängerbar auf maximal 78 Wochen (Abs 2).
Abs 2a gewährt darüber hinaus unter folgenden Voraussetzungen einen Anspruch auf ein „verlängertes“ Krankengeld (auch „Sonderkrankengeld“ genannt):
die Person steht in einem aufrechten Dienstverhältnis (darunter fällt nach Ansicht des OGH [10 ObS 84/18b SSV-NF32/65] auch ein karenziertes Dienstverhältnis – zu den allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen wie eine Pflichtversicherung in der KV siehe § 138 ASVG),
die Höchstdauer des „normalen“ Krankengeldanspruchs (Abs 1 + 2) ist abgelaufen,
es besteht kein Anspruch auf Rehabilitationsgeld,
es liegt ein ablehnender Bescheid des Pensionsversicherungsträgers über eine beantragte Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension vor,
es wurde ein Antrag auf „verlängertes“ Krankengeld beim Krankenversicherungsträger gestellt.
Durch Abs 2a sollen Versorgungslücken vermieden werden, da in diesen Fällen der Pensionsvorschuss von der AlV (§ 23 Abs 1 AlVG) nur noch bis zur ablehnenden Entscheidung des Pensionsversicherungsträgers gewährt wird. 503Das „verlängerte“ Krankengeld gebührt für die Dauer des Prozesses (frühestens ab der Antragstellung beim Krankenversicherungsträger, längstens bis zur rechtskräftigen Verfahrensbeendigung über die Gewährung einer Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension vor den ordentlichen Gerichten), immer vorausgesetzt, die Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit dauert in dieser Zeit noch an; endet sie bereits früher, endet auch der „verlängerte“ Krankengeldanspruch.
In Bezug auf die Höhe des „verlängerten“ Krankengeldanspruchs verweist § 139 Abs 2a ASVG auf das „Krankengeld in der zuletzt bezogenen Höhe“. Strittig war nun, was das bedeutet. Ist auf die tatsächlich zuletzt ausbezahlte Höhe des „normalen“ Krankengeldes abzustellen und zwar unabhängig davon, ob es zu einer Kürzung (wie im Anlassfall) bzw einem völligen Entfall des Krankengeldanspruchs aufgrund der Ruhensbestimmungen des § 143 ASVG gekommen ist, (so die Ansicht der ÖGK und des Erstgerichts. Der OGH kam hingegen zu dem Ergebnis, dass § 139 Abs 2a ASVG nur die Verlängerung der Dauer des Krankengeldanspruchs normiert, aber keine eigenständige Regelung der Höhe des Krankengeldes enthält. Diese Aussage ist mE aber fraglich.
§ 139 ASVG regelt zwar grundsätzlich nur die „Dauer des Krankengeldanspruches“ (so auch die Überschrift des § 139 ASVG) und der Gesetzgeber hat das „verlängerte“ Krankengeld ausschließlich in diesem Paragraphen (§ 139 Abs 2a ASVG) normiert. Abs 2a sieht aber nicht nur Regelungen zur Dauer des „verlängerten“ Krankengeldes, sondern eben auch zur Höhe des Anspruchs vor: Es ist in der „zuletzt bezogenen Höhe“ zu gewähren. Damit bringt der Gesetzgeber mE zum Ausdruck, dass das „verlängerte“ Krankengeld nicht neu zu berechnen ist. Diese Personen befinden sich zumeist seit längerer Zeit durchgehend oder zumindest aufgrund derselben Krankheit (in relativ kurzer Zeit) wiederholt im Krankenstand (= Fortsetzungserkrankungen). Es handelt sich somit um einen einheitlichen Versicherungsfall, was nicht nur zu einer Zusammenrechnung der Zeiten für die Höchstdauer des Krankengeldanspruchs führt, sondern ua auch dazu, dass sich das Krankengeld nach der alten Bemessungsgrundlage bemisst (siehe Drs in Mosler/Müller/Pfeil [Hrsg], Der SV-Komm § 139 ASVG Rz 20 – unter Anführung auch der gegenteiligen Stellungnahmen). Mit der Regelung des Abs 2a wird nun mE klargestellt, dass in diesen Fällen die alte Bemessungsgrundlage heranzuziehen ist.
Gleichzeitig gibt es mE aber keine Anhaltspunkte, dass der Gesetzgeber damit (außer Dauer und Höhe des „verlängerten“ Krankengeldanspruchs) auch weitergehende Aspekte abweichend zum „normalen“ Krankengeldanspruch regeln wollte, wie zB das Versagen (siehe § 142 ASVG: Arbeitsunfähigkeit wegen schuldhafter Beteiligung an einem Raufhandel oder als Folge von Trunkenheit bzw Suchtgiftmissbrauch) oder das Ruhen des Krankengeldanspruchs (siehe § 143 ASVG: insb für die Dauer der fehlenden Meldung der Arbeitsunfähigkeit und eines Entgeltfortzahlungsanspruchs gegen den AG).
Wie der OGH auch zutreffend ausgeführt hat, gibt es auch keinen sachlichen Grund dafür, den Umfang der Absicherung der Versicherten davon abhängig zu machen, ob er gerade am letzten Tag der maximalen Bezugsdauer des „normalen“ Krankengeldes gem § 139 Abs 1 und 2 ASVG einen Ruhenstatbestand erfüllt oder nicht. Dies würde nämlich bedeuten, dass der Krankenversicherungsträger einerseits kein bzw nur das reduzierte Krankengeld zu bezahlen hat, wenn der Ruhensgrund – wie im Anlassfall – bei Erreichen der Höchstdauer des Krankengeldanspruchs vorliegt, er andererseits aber durchgehend (dh auch für Zeiten mit voller Entgeltfortzahlung) das volle Krankengeld bezahlen müsste, wenn der Ruhensgrund danach eintritt, weil eben das neue Arbeitsjahr erst danach beginnt. Das dies nicht der Absicht des Gesetzgebers entspricht, der mit Abs 2a nur Versorgungslücken schließen wollte, ist wohl offensichtlich. Durch die fraglichen Regelungen sollen zwar Versorgungslücken geschlossen, aber auch Überversorgungen vermieden werden, was bloß dadurch zu gewährleisten ist, dass das „verlängerte“ Krankengeld während jener Zeit (teilweise) ruht, in der ein Anspruch auf (teilweise) Entgeltfortzahlung besteht, aber eben auch nur in dieser Zeit (siehe § 143 Abs 1 Z 3 ASVG). Das bedeutet aber, dass – wie vom OGH zutreffend festgehalten wurde – § 143 ASVG auch auf den „verlängerten“ Krankengeldanspruch anzuwenden ist und der volle Krankengeldanspruch wieder auflebt, sobald der Ruhensgrund wegfällt.
Dem Kl stand daher ab dem 8.8.2020 der volle „verlängerte“ Krankengeldanspruch zu, dh in Höhe von € 47,27 täglich und zwar bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens über die Gewährung der Invaliditätspension, soweit in dieser Zeit kein neuerlicher Ruhensgrund eintritt bzw die Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit nicht früher endet und damit auch der „verlängerte“ Krankengeldanspruch.
Zweifel bestehen mE also an der Aussage des OGH, dass § 139 Abs 2a ASVG nur eine Verlängerung der Anspruchsdauer normiert (wenn die dort normierten Voraussetzungen erfüllt sind) und keine eigenständige Regelung zur Höhe des „verlängerten“ Krankengeldanspruchs enthält. Immerhin besagt Abs 2a, dass das „verlängerte“ Krankengeld „in der zuletzt bezogenen Höhe“ zu gewähren ist. ME dient dieser Verweis der Klarstellung, dass es zu keiner Neuberechnung der Krankengeldhöhe kommen soll, weshalb die alte Bemessungsgrundlage auch für den „verlängerten“ Krankengeldanspruch gilt.
Abs 2a sagt aber nichts zu den sonstigen Anspruchsvoraussetzungen und auch nichts zu den Ruhensbestimmungen. Der OGH kam daher mE völlig zu Recht zu dem Ergebnis, dass die Ruhensbestim 504mungen des § 143 ASVG auch auf den „verlängerten“ Krankengeldanspruch des § 139 Abs 2a ASVG anzuwenden sind; dh sobald ein Ruhensgrund gem § 143 ASVG vorliegt, tritt (teilweises) Ruhen ein; fällt der Ruhensgrund weg, steht der Krankengeldanspruch wieder in seiner vollen Höhe zu. Dem Kl stand daher im Anlassfall ab Wegfall des Entgeltfortzahlungsanspruchs vom AG wieder das volle Krankengeld in der Höhe von € 47,27 zu und nicht bloß das im Zeitpunkt seiner „Aussteuerung“ aufgrund des Entgeltfortzahlungsanspruchs reduzierte Krankengeld in der Höhe von € 23,64.