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Allgemeiner Kündigungsschutz bei krankenstandsbedingter Kündigung: Trotz objektiv positiver Zukunftsprognose können weitere personenbezogene Umstände die Kündigung rechtfertigen

KLAUSBACHHOFER

Für die vierjährige Wartefrist zum Erwerb des besonderen Kündigungsschutzes begünstigter Behinderter gem § 8 Abs 6 lit b BEinstG sind Zeiten als überlassene Arbeitskraft nicht mit den unmittelbaren Dienstzeiten im Betrieb zusammenzurechnen.

Eine an sich sozialwidrige Kündigung, die mit erhöhten Krankenständen begründet wird, kann auch dann gerechtfertigt sein, wenn im Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten künftige leidensbedingte Krankenstände nicht erwarten lassen, die Tätigkeit mit dem medizinischen Leistungskalkül vereinbar ist und daher objektiv keine negative Zukunftsprognose vorliegt, da für die Frage des Vorliegens von „Umständen, die in der Person des Arbeitnehmers gelegen sind und die betrieblichen Interessen nachträglich berühren“ weitere Umstände für die Beurteilung der personenbezogenen Gründe herangezogen werden können.

SACHVERHALT

Die Kl war von 21.9.2015 bis 30.12.2016 bei einem Personalbereitstellungsunternehmen beschäftigt und über dieses als Leasingarbeiterin in einer Zweigniederlassung der Bekl tätig. Ab 1.1.2017 war sie bei der Bekl fix angestellt (Fertigungsmitarbeiterin Montage). Vor Unterzeichnung des Dienstvertrags hatte sie offengelegt, dass sie vom Bundessozialamt aufgrund einer Bandscheibenoperation und Taubheit auf dem rechten Ohr als zu 60 % behindert eingestuft war. Mit Schreiben vom 28.2.2020 wurde das Dienstverhältnis der Kl zum 30.4.2020 gekündigt. Die Kündigung beeinträchtigt wesentliche Interessen der Kl.

Die Kl hatte im Jahr 2017 25, im Jahr 2018 74 und im Jahr 2019 313 Krankenstandstage. Aufgrund der Verschlechterung ihres gesundheitlichen Zustands war sie ab Jänner 2018 auf einem Schonarbeitsplatz eingesetzt, was zu Unmut bei den restlichen Teammitgliedern führte, weil sie nicht mehr die Möglichkeit hatten, durch eine Schicht auf jenem Platz entlastet zu werden. Eine wegen der Diagnose Spinalkanalstenose für Jänner 2019 geplante Operation der Kl wurde nach einem Klinikwechsel verschoben und letztlich zugunsten einer konservativen Therapie (Infiltrationen) abgesagt. Nach ihrer Entlassung im September 2019 war die Kl den behandelnden Ärzten nach wieder arbeitsfähig. Der Betriebsärztin der Bekl lag jedoch ein Attest des Hausarztes der Kl vom September 2019 vor, wonach es der Kl besser ging, ein Einsatz in der Fertigung aber nicht mehr in Frage kommt und die maximale Traglast nur mehr 10 kg betragen darf. Die Betriebsärztin teilte der Personalleiterin mit, dass die Infiltration, die Physiotherapie und der Sport zwar die Symptome bekämpfen, jedoch nicht die Ursache beheben. Die Kl erklärte der Personalleiterin, dass es ihr besser gehe und sie wieder arbeiten möchte. Die Personalleiterin ging aufgrund der Angaben der Betriebsärztin jedoch nicht von einer nachhaltigen Verbesserung des Gesundheitszustands der Kl, sondern von einer möglichen Verschlechterung mit wieder vermehrten und unplanbaren Krankenständen aus, sobald die Kl wieder auf ihrem alten Arbeitsplatz eingesetzt werde. Ab November 2019 wurde die Kl im Rahmen einer Wiedereingliederungsteilzeit mit 50 % auf einem mit sechs Monate befristeten Projektarbeitsplatz beschäftigt. Andere Arbeitsplätze, die sowohl dem Leistungskalkül als auch der beruflichen Qualifikation der Kl entsprechen, waren besetzt.

Tatsächlich waren zu keinem Zeitpunkt Lähmungserscheinungen bei der Kl zu befürchten, wenn sie weiterhin auf der Montagelinie eingesetzt worden wäre. Nach den (im Einzelnen festgestellten) Leiden der Kl ist unter einer konsequenten konservativen Therapie von einem weiterhin kontrollierbaren Funktionszustand der Wirbelsäule auszugehen. Künftige leidensbedingte Krankenstände sind nicht zu erwarten. Das Anforderungsprofil der Tätigkeit in der Montagelinie ist mit dem medizinischen Leistungskalkül der Kl vereinbar (im Verfahren eingeholte medizinische und berufskundige Sachverständigengutachten).

VERFAHREN UND ENTSCHEIDUNG

Die Kl begehrte, die Kündigung gem § 105 Abs 3 ArbVG für unwirksam zu erklären.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts. Es ließ die ordentliche Revision zu den Fragen zu, ob sich die allseitige Prüfpflicht des Berufungsgerichts hier auch darauf erstrecken konnte, ob Zeiten eines Leasingverhältnisses und daran anschließenden Dienstverhältnisses im Anwendungsbereich des § 8 Abs 6 lit b BEinstG zusammenzurechnen seien. Auch sei eine Klarstellung geboten, ob das Risiko einer Widerlegung der vom AG zum Konkretisierungszeitpunkt anzustellenden Prognose im Gerichtsverfahren selbst in einem Fall wie dem gegenständlichen den AG treffe.

Angesichts der laut OGH klaren Rechtslage zu § 8 Abs 6 BEinstG und der nur nach der Lage des Falls zu beurteilenden Frage nach dem Vorliegen von personenbezogenen Gründen iSd § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG lag für diesen keine Rechtsfrage 291 von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO vor. Die Revision der Kl wurde daher zurückgewiesen.

ORIGINALZITATE AUS DER ENTSCHEIDUNG

„ 1. […]

Gemäß § 8 Abs 6 lit b BEinstG finden die Abs 2 bis 4 auf das Dienstverhältnis keine Anwendung, wenn das Dienstverhältnis zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung noch nicht länger als vier Jahre bestanden hat, es sei denn die Feststellung der Begünstigteneigenschaft erfolgt innerhalb dieses Zeitraums, wobei während der ersten sechs Monate nur die Feststellung der Begünstigteneigenschaft infolge eines Arbeitsunfalls diese Rechtsfolge auslöst, oder es erfolgt ein Arbeitsplatzwechsel innerhalb eines Konzerns.

Unstrittig hatte das Dienstverhältnis der Klägerin zur Beklagten im Zeitpunkt der Kündigung noch nicht länger als vier Jahre bestanden. In der Zeit, in der die Klägerin bei der Beklagten als überlassene Arbeitskraft iSd AÜG tätig war, stand sie als solche in keinem Dienstverhältnis zur Beklagten. Nach der gesetzlichen Regelung kommt eine Ausnahme allenfalls bei einem Arbeitsplatzwechsel innerhalb eines Konzerns in Betracht. Der Rechtsansicht der Klägerin ist danach schon nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 8 Abs 6 BEinstG nicht zu folgen. Anderes ergibt sich auch nicht aus der generellen Zielsetzung des Behinderteneinstellungsgesetzes nach erhöhtem Kündigungsschutz von begünstigten Behinderten, weil dieser durch § 8 Abs 6 BEinstG bewusst beschränkt wurde, um für Arbeitgeber den Anreiz zu verstärken, Menschen mit Behinderung auf dem offenen Arbeitsmarkt zu beschäftigen und allfälligen Einstellhemmnissen entgegenzuwirken (vgl ErläutRV 981 BlgNR 24. GP 179 zum BudgetbegleitG 2011, BGBl I 2010/111). Dieser Gesetzeszweck würde durch die von der Klägerin favorisierte Zusammenrechnung unterlaufen. Aus den von ihr zitierten Bestimmungen der §§ 6 und 6a AÜG […] ist für sie hier schon deshalb nichts zu gewinnen, weil die Beklagte zum Zeitpunkt der Kündigung nicht mehr Normadressat des AÜG war.

2. Gemäß § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG kann eine Kündigung beim Gericht angefochten werden, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist und der gekündigte Arbeitnehmer bereits sechs Monate im Betrieb oder Unternehmen, dem der Betrieb angehört, beschäftigt ist. Sozial ungerechtfertigt ist eine Kündigung, die wesentliche Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtigt, es sei denn, der Betriebsinhaber erbringt den Nachweis, dass die Kündigung

a) durch Umstände, die in der Person des Arbeitnehmers gelegen sind und die betrieblichen Interessen nachteilig berühren oder

b) durch betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen,

begründet ist.

2.1. […]

Hervorzuheben ist, dass personenbedingte Kündigungsgründe grundsätzlich auch durch lang andauernde oder häufig auftretende Krankenstände verwirklicht sein können […]. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung ist aber nicht nur die Dauer der bisherigen Krankenstände zu berücksichtigen, sondern es ist auch die zukünftige Entwicklung der Verhältnisse nach der Kündigung soweit einzubeziehen, als sie mit der angefochtenen Kündigung noch in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang steht […]. Dabei muss der Arbeitgeber, der eine Kündigung wegen überhöhter Krankenstände ausspricht, eine Zukunftsprognose über die weitere Arbeitsfähigkeit des betroffenen Arbeitnehmers anstellen. Entscheidend ist, dass ein verständiger und sorgfältiger Arbeitgeber bei objektiver Betrachtung berechtigt davon ausgehen kann, dass Krankenstände in erhöhtem Ausmaß mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft zu erwarten sind (8 ObA 53/11v, 9 ObA 123/18f, 9 ObA 117/21b). […]

Für das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes ist der Arbeitgeber beweispflichtig […]. Setzt er sich in Ansehung des Rechtfertigungsgrundes überhöhter Krankenstände bei Erstellung der Zukunftsprognose nicht mit der Art der Erkrankung und deren Ursachen auseinander, trägt er das Risiko, dass sich der von ihm angenommene personenbezogene Kündigungsgrund später im gerichtlichen Verfahren als nicht berechtigt erweist (9 ObA 117/21b [Pkt 4 mwN]).

[…]

2.2. Im vorliegenden Fall wurde infolge der im Verfahren eingeholten medizinischen und berufskundlichen Sachverständigengutachten festgestellt, dass bei der Klägerin unter einer konsequenten konservativen Therapie (Muskelkräftigung und -lockerung, Einhaltung von Verhaltensmaßnahmen, physiotherapeutische Selbstbeübung) von einem weiterhin kontrollierbaren Funktionszustand der Wirbelsäule auszugehen sei, künftige leidensbedingte Krankenstände nicht zu erwarten seien und das Anforderungsprofil der Tätigkeit in der Montagelinie mit dem medizinischen Leistungskalkül vereinbar sei. Für den Fall, dass dieser Zustand schon jenem zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses […] entsprach – was dem Sachverhalt nicht mit Sicherheit zu entnehmen ist –, ist es zwar richtig, dass damit objektiv noch keine negative Zukunftsprognose für die Arbeitsfähigkeit der Klägerin erwiesen wäre. Das ist hier aber nicht ausschlaggebend. Denn anders als etwa in den den Entscheidungen 9 ObA 153/17s, 9 ObA 70/18m, 8 ObA 68/18k und 9 ObA 53/20i (9 ObA 68/20w) zugrunde liegenden Sachverhalten geht es hier nicht um die nachträgliche Prüfung und Objektivierung, ob der für eine Kündigung erforderliche gesetzliche Tatbestand einer „Dienstunfähigkeit“ (§ 42 Abs 2 Z 2 VBO: „für die Erfüllung seiner Dienstpflichten gesundheitlich ungeeignet“) verwirklicht ist, sondern um die Frage 292 des Vorliegens von „Umständen, die in der Person des Arbeitnehmers gelegen sind und die die betrieblichen Interessen nachteilig berühren“, womit im Rahmen des § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG schon von Gesetzes wegen weitere Umstände des Falls für die Beurteilung der personenbezogenen Gründe herangezogen werden können.

Hier hat die Beklagte die bisherigen massiven Krankenstände der Klägerin, die Unplanbarkeit der Schichten und den Unmut der anderen Mitarbeiter über die Besetzung eines „Schonarbeitsplatzes“ durch die Klägerin sowie auch und vor allem ins Treffen geführt, dass sie nach der Chronologie des Behandlungsverlaufs der Klägerin (Kur, verschobene und letztlich abgesagte Operation zugunsten konservativer, nur symptombekämpfender Therapien) und nach Auskunft der Betriebsärztin den Einsatz der Klägerin in der Montage als zu großes Gesundheitsrisiko einstufte. Dieser Einschätzung lag im vorliegenden Fall ein hausärztliches Attest zugrunde, das die Klägerin selbst der Betriebsärztin vorgelegt hatte und aus dem hervorgegangen war, dass ein Einsatz der Klägerin in der Fertigung (Montage) aus medizinischer Sicht nicht mehr in Frage komme. Die Erklärung der Klägerin, dass es ihr besser gehe und sie wieder arbeiten möchte, musste nicht als Widerspruch dazu wahrgenommen werden, weil die (zB aus Sorge um den Arbeitsplatz allzu günstige) Selbsteinschätzung eines Arbeitnehmers über seine Arbeitskraft objektiv nicht immer mit einer nachhaltigen Verbesserung seines Gesundheitszustands korreliert. Wäre die Beklagte entgegen den Beurteilungen der Haus- und der Betriebsärztin der Einschätzung der Klägerin gefolgt, hätte sie sich im Fall einer Verschlechterung des Gesundheitszustands der Klägerin dem Vorwurf massiver Verletzungen ihrer Arbeitnehmerschutz- und Fürsorgepflichten ausgesetzt. Die medizinische Einschätzung des Hausarztes relativierende oder widerlegende Atteste oder sonstige Unterlagen hat die Klägerin nicht vorgelegt. Vielmehr hatte sie bereits im Oktober 2018 über ein Schreiben der Beklagten, mit dem diese beim behandelnden Arzt Informationen zu ihrem Gesundheitszustand und seine Vereinbarkeit mit der Tätigkeit in jener Montagelinie einholen wollte, die gewünschten Informationen nicht bekannt gegeben und im Verfahren auch den behandelnden Facharzt von seiner Verschwiegenheitspflicht nicht entbunden. Zurückgehend auf die von der Klägerin vorgelegten Informationen (hausärztliches Attest) konnte ein verständiger und sorgfältiger Arbeitgeber bei objektiver Betrachtung daher nur annehmen, dass die Klägerin in jener Montagelinie nicht mehr eingesetzt werden durfte.

2.3. Dass die Beklagte über zwei Jahre intensive Bemühungen an den Tag gelegt hatte, ihre sozialen Gestaltungsmöglichkeiten auszuschöpfen und einen dem Gesundheitszustand der Klägerin entsprechenden Arbeitsplatz zu finden, steht nicht in Frage.

2.4. Danach ist es aber insgesamt nicht weiter korrekturbedürftig, wenn die Vorinstanzen aufgrund der Gegebenheiten des vorliegenden Einzelfalls Umstände in der Person der Klägerin – nämlich einen auf von ihr vorgelegten Informationen beruhenden Gesundheitszustand – verwirklicht sahen, die die Interessen der Beklagten nachteilig berührten und sie die Kündigung iSd § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG als gerechtfertigt erachteten.“

ERLÄUTERUNG

Der OGH beschäftigt sich in dieser E mit zwei vom Berufungsgericht aufgeworfenen Fragestellungen:

Die erste, ob „Vordienstzeiten“ als überlassene Arbeitskraft mit unmittelbaren Arbeitszeiten beim DG im Hinblick auf den vierjährigen Zeitraum der Nichtanwendbarkeit der besonderen Kündigungsschutzbestimmungen begünstigter Behinderter zusammenzurechnen seien, wird von ihm unter Hinweis auf den „klaren Wortlaut“ der Bestimmung des § 8 Abs 6 lit b BEinstG verneint. Argumentativ untermauert wird diese Ansicht dadurch, dass der Gesetzeszweck der Einschränkung des erhöhten Kündigungsschutzes unterlaufen werden würde, wenn die ersten vier Jahre der Nichtanwendbarkeit des Schutzes durch Zusammenrechnung mit Überlassungszeiten schneller erreicht bzw absolviert werden könnten.

Bei der Beantwortung der zweiten an ihn herangetragenen Fragestellung, „ob das Risiko einer Widerlegung der vom AG zum Konkretisierungszeitpunkt anzustellenden Prognose im Gerichtsverfahren selbst in einem Fall wie dem gegenständlichen den AG treffe“, kommt der OGH zu einem bemerkenswerten Ergebnis: Obwohl der Gerichtshof aufgrund von im Verfahren eingeholten medizinischen und berufskundlichen Sachverständigengutachten von „objektiv noch keiner negativen Zukunftsprognose für die Arbeitsfähigkeit der Klägerin“ zum Kündigungszeitpunkt ausgeht, führt er die bisherigen massiven Krankenstände, die Unplanbarkeit der Schichten, den Unmut der anderen Mitarbeiter über die Besetzung eines Schonarbeitsplatzes und die Chronologie des Behandlungsverlaufs der Kl sowie eine negative, auf hausärztlichem Attest beruhende Einschätzung der Betriebsärztin dafür ins Treffen, dass der AG eine mangelnde Einsetzbarkeit der Kl annehmen durfte und damit deren Kündigung gerechtfertigt war. Begründet wird diese Annahme damit, dass es im zugrunde liegenden Sachverhalt nicht um die nachträgliche Prüfung des gesetzlichen Kündigungstatbestandes einer Dienstunfähigkeit iSd § 42 Abs 2 Z 2 VBO geht, sondern um die Frage des Vorliegens von Umständen, die in der Person des AN gelegen sind und die betrieblichen Interessen nachteilig berühren, sodass iSd § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG auch weitere personenbezogene 293 Umstände in die Beurteilung einbezogen werden können.

Bemerkenswert ist diese Unterscheidung insofern, als der OGH bislang iZm Sozialwidrigkeitsanfechtungen judizierte, dass die Rsp zur „Dienstunfähigkeit“ (beispielsweise der VBO Wien) für die Beurteilung überhöhter Krankenstände als personenbezogener Rechtfertigungsgrund als Richtschnur herangezogen werden kann (so zB OGH 30.8.2011, 8 ObA 53/11v). Gemeint ist damit insb das Erfordernis einer negativen Zukunftsprognose als Voraussetzung für die Verwirklichung eines Kündigungs(rechtfertigungs)tatbestands.

Die vorliegende E reiht sich in ihrer Hervorhebung und Betonung der unterschiedlichen gesetzlichen Tatbestände allerdings in eine jüngere Judikaturlinie ein, die von dieser einheitlichen Betrachtung hinsichtlich der Erstellung der Zukunftsprognose wieder abgeht (vgl dazu Eypeltauer in ecolex 2019, 898). Das Risiko, dass sich die zum Kündigungszeitpunkt anzustellende Prognose über die zukünftige Arbeitsfähigkeit der AN im Verfahren – so wie hier – als unrichtig erweist, soll nur den wegen Dienstunfähigkeit (nach Vertragsbedienstetenrecht) kündigenden DG, nicht aber den DG treffen, der gem § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG lediglich „Umstände, die in der Person des AN gelegen sind und die betrieblichen Interessen nachteilig berühren“, also „weitere Umstände des Falls“ – so der OGH – für sich verbuchen können muss. Der einer ArbVG-Anfechtung ausgesetzte DG muss also nur eine objektiv vertretbare (negative) Zukunftsprognose erstellen, ungeachtet dessen, dass sie sich während des Verfahrens durch Gutachten als objektiv bzw tatsächlich unzutreffend erweist. Und er darf auch weitere, über die eigentliche Dienstunfähigkeit hinausgehende Umstände zur Rechtfertigung seiner Kündigung heranziehen.

Dabei fällt im konkreten Fall auf, dass durch die Bezugnahme ua auf die bisherigen Krankenstände oder die Chronologie des Behandlungsverlaufs in der Vergangenheit liegenden Umständen wieder mehr Beachtung geschenkt wird als der eigentlich im konkreten Fall auch vom OGH anerkannten positiven Zukunftsprognose. Derselbe Senat judizierte beispielsweise noch wenige Monate zuvor zu OGH vom 25.11.2021, 9 ObA 117/21b, in einem vergleichbaren Fall, dass nach einer operativen Behebung eines krankenstandskausalen Leidens von einer positiven Zukunftsprognose auszugehen ist, die einen personenbezogenen Kündigungsgrund nicht zu verwirklichen vermag. Im gegenständlichen Fall war ebenso feststehend, dass künftige leidensbedingte Krankenstände nicht zu erwarten sind und die Tätigkeit der Kl mit dem medizinischen Leistungskalkül vereinbar sei. Trotzdem gaben „weitere Umstände“ iSd § 105 Abs 3 Z 2 lit a ArbVG den Ausschlag, die Interessen der Bekl nachteilig berührende personenbezogene Kündigungsgründe als verwirklicht anzusehen.