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Gröbliche Dienstpflichtverletzung wegen mangelnder Bekanntgabe der zustellfähigen Wohnadresse

RICHARDHALWAX
§ 44 Abs 1 Z 1 NÖ Spitalsärztegesetz

Die Kl war seit 2.11.2017 bei der Bekl als Sekundarärztin beschäftigt und seit Jänner 2020 dem Landesklinikum Lilienfeld dienstzugeteilt. Ab 27.1.2020 befand sich die Kl im Krankenstand. Mit Schreiben vom 26.3.2020 forderte die Bekl die Kl unter Androhung disziplinärer Maßnahmen auf, das Erreichen der im Dienstvertrag vereinbarten Ausbildungsziele nachzuweisen. Nachdem das Schreiben an der bisherigen Wohnadresse der Kl nicht zugestellt werden konnte und deshalb elektronisch an die private E-Mail-Adresse der Kl übermittelt wurde, gab die Kl der Bekl am 31.3.2020 eine neue Wohnadresse „ab 1.4.2020“ bekannt. Sie wurde auch aufgefordert, einen Meldezettel zu übermitteln.

Mit Schreiben vom 19.5.2020 informierte die Bekl die Kl über die Ausschöpfung ihres Entgeltfortzahlungsanspruchs und einen sich daraus ergebenden Übergenuss von € 6.058,45. Mit Schreiben vom 26.5.2020 forderte die Bekl die Kl unter Androhung der Aufkündigung ihres Dienstverhältnisses auf, ihre Ausbildung weiter zu betreiben, weil die im Dienstvertrag vereinbarten Ausbildungsziele nicht nachgewiesen worden seien. Beide Schreiben konnten an der von der Kl angegebenen Adresse nicht zugestellt werden und wurden der Bekl mit dem Vermerk „Ortsabwesend bis 18.5.2021“ retourniert. Wohl aber antwortete die Kl auf die Übermittlung dieser Schreiben an ihre private E-Mail-Adresse.

Die Bekl forderte die Kl daraufhin am 29.5.2020 postalisch und per E-Mail auf, bis längstens 5.6.2020 eine zustellfähige Wohnadresse bekanntzugeben, widrigenfalls es zu einer Aufkündigung ihres Dienstverhältnisses kommen werde. Da die Kl darauf nicht reagierte, teilte ihr die Bekl am 22.6.2020 mit, dass sie das Dienstverhältnis zum 31.8.2020 aufkündige.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage, mit der die Kl die Unwirksamkeit der Kündigung, in eventu die Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses anstrebt, ab. Die dagegen erhobene außerordentliche Revision wurde zurückgewiesen.

Nach § 44 Abs 1 Z 1 NÖ Spitalsärztegesetz darf der Krankenanstaltenträger das Beschäftigungsverhältnis bei einer „gröblichen Verletzung der Dienstpflichten“ kündigen. Dieser Kündigungsgrund setzt voraus, dass das beanstandete Verhalten dem DN vorwerfbar ist und über bloße Ordnungswidrigkeiten hinausgeht. Im Gegensatz zur Entlassung ist nicht erforderlich, dass eine Vertrauensunwürdigkeit eingetreten oder die Weiterbeschäftigung sonst unzumutbar ist. Auch kleine Dienstpflichtverletzungen können bei Beharrlichkeit das Gewicht einer gröblichen Dienstpflichtverletzung erreichen.

Nach der Rsp muss sich ein AN den Empfang eines Schreibens, das an der dem AG bekanntgegebenen Adresse zugestellt wurde, auch dann zurechnen lassen, wenn er dort nicht mehr wohnhaft ist, aber den Wohnsitzwechsel seinem AG nicht gemeldet hat. Entgegen dem Rechtsstandpunkt der Kl handelt es sich bei der Bekanntgabe einer zustellfähigen Wohnadresse um keine bloße Obliegenheit, sondern um einen Aspekt der Treuepflicht des DN. Dementsprechend hat der OGH bereits darauf hingewiesen, dass der AN „verpflichtet“ ist, seine Wohnanschrift und auch einen späteren Wohnsitzwechsel bekanntzugeben, damit der AG ihm gegenüber rechtsgeschäftliche Erklärungen abgeben kann.

Soweit die Kl sich darauf beruft, dass der Bekl eine E-Mail-Adresse bekannt war, über die ihr Nachrichten übermittelt werden konnten, ist ihr entgegenzuhalten, dass es sich dabei um keine gleichwertige Kontaktmöglichkeit handelt, so darf der Krankenanstaltsträger etwa ein Beschäftigungsverhältnis nach § 42 Abs 2 NÖ Spitalsärztegesetz nur schriftlich kündigen. Da E-Mails mangels Unterschrift nach § 886 ABGB nicht dem Schriftformgebot entsprechen, soweit sie nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach § 4 Abs 1 SigG versehen sind, stellten sich also verschiedene komplexe Abgrenzungsfragen, die durch die Bekanntgabe der Wohnanschrift vermieden werden können. Konkrete Gründe, die dieser hier entgegenstehen konnten, macht die Kl auch nicht geltend. Ferner wird die Wohnanschrift etwa auch benötigt, wenn dem AN gerichtliche Schriftstücke zugestellt werden sollen, wie dies bei der Geltendmachung von Haftungs- oder Rückforderungsansprüchen erforderlich sein kann.

Ob eine Dienstpflichtverletzung gröblich ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Da die Kl auf die Aufforderung der Bekl, eine zustellfähige Wohnadresse bekannt zu geben, selbst nach Androhung der Kündigung nicht reagierte, obwohl sie wusste, dass die Bekl ihr während ihres Krankenstands Schriftstücke übermitteln wollte, stellt die Annahme einer gröblichen Verletzung der Dienstpflichten keine vom OGH aufzugreifende Fehlbeurteilung dar. 300