155Überweisungsbetrag für Zeiten einer Ordenszugehörigkeit: Beitragsgrundlage nach „üblichem“ Verdienst einer abstrakten Maßperson mit selber Ausbildung sowie Kenntnissen und Fähigkeiten
Überweisungsbetrag für Zeiten einer Ordenszugehörigkeit: Beitragsgrundlage nach „üblichem“ Verdienst einer abstrakten Maßperson mit selber Ausbildung sowie Kenntnissen und Fähigkeiten
Im Mittelpunkt der vorliegenden E des VwGH steht die Höhe der Pensionsleistung eines Versicherten, der nach Abschluss eines Studiums an der Universität für Bodenkultur zunächst ab 1973 beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung im Höheren Dienst beschäftigt war. Im Zeitraum von 1998 bis 2015 war er als Mitglied eines Ordens von der Pflichtversicherung in der PV gem § 8 Abs 1 Z 3 lit d ASVG ausgenommen. Nach dem Ausscheiden aus dem Orden wurde dem Orden gem § 314 ASVG ein Überweisungsbetrag von der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) vorgeschrieben. Die Berechnung erfolgte auf Basis von § 308 Abs 6 ASVG, dabei wurden (gem § 314 Abs 4 ASVG) 7 % der „männlichen Arbeiterbeitragsgrundlage“ (45 % der Höchstbeitragsgrundlage) zugrunde gelegt. Hinsichtlich der schon zuvor ab 1.8.2012 zuerkannten Alterspension erfolgte im Jahr 2015 eine Neubemessung im Rahmen einer besonderen Höherversicherung nach § 248c ASVG unter Berücksichtigung der von der Vollversicherung ausgenommenen Zeiten als Ordensangehöriger. Ab dem 1.1.2015 wurde eine Alterspension in Höhe von € 2.453,78 gewährt.
Gegen die Höhe der Alterspension brachte der Versicherte eine Klage beim Arbeits- und Sozialgericht Wien ein. Das Verfahren bezüglich des Umfangs der Alterspension wurde vom OLG Wien zur Klärung der Vorfrage über die Höhe der Beitragsgrundlagen der Pensionsleistung gem § 74 ASGG unterbrochen. Die PVA erließ daraufhin den Bescheid vom 14.6.2019, mit dem sie für die Jahre 1972 bis 2011 näher bezifferte Beitragsgrundlagen feststellte. Der Bescheid enthielt keine inhaltliche Begründung.
Das BVwG gab der dagegen gerichteten Beschwerde Folge und stellte für die Jahre 1998 bis 2011 gem § 243 Abs 1 Z 1 iVm § 225 Abs 1 Z 6 ASVG näher bezifferte monatliche Beitragsgrundlagen fest. Es vertrat die Auffassung, dass für die Berechnung der Beitragsgrundlage nach § 243 Abs 1 Z 1 ASVG auf das Einkommen abzustellen sei, welches die konkrete Person auf Grund der individuellen Merkmale ihres bisherigen Berufslebens und der zu erwartenden Berufslaufbahn verdient hätte, wenn sie nicht in den Orden eingetreten wären. Unter Hinweis auf die geringe berufliche Mobilität von Beamten ging das BVwG davon aus, dass der Versicherte ohne Eintritt in den Orden den Landesdienst nicht verlassen und somit weiterhin – so wie vor Ausscheiden aus dem Landesdienst – ein Gehalt in einer Höhe verdient hätte, das die jeweilige monatliche Höchstbeitragsgrundlage nach dem ASVG überschritten hätte. Es sei somit nicht notwendig, die individuelle Höhe des Einkommens zu ermitteln, das der Mitbeteiligte erhalten hätte.
Für die gem § 243 Abs 1 Z 1 ASVG zu ermittelnde Beitragsgrundlage in der Höhe des in der betreffenden Zeit üblichen Arbeitsverdienstes eines körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten komme es entgegen der Auffassung der PVA nicht darauf an, welches Gehalt der Mitbeteiligte bekommen hätte, wenn er die Tätigkeiten, die er im Rahmen seiner Ordenstätigkeit geleistet habe, in einem Dienstverhältnis geleistet hätte. Dabei beruft sich das BVwG auf das Erkenntnis des VwGH vom 23.6.1988, 87/08/0305. Es sei der Wille des Gesetzgebers gewesen, ehemaligen Ordensangehörigen keinen Nachteil in ihren versicherungsrechtlichen Verhältnissen erwachsen zu lassen, wenn sie in einen Orden eintreten und diesen schließlich wieder verlassen.
Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision der PVA. Die Rechtsansicht, die das BVwG vertrete, sei mit dem Wortlaut des § 243 Abs 1 Z 1 fünfter Fall ASVG nicht in Einklang zu bringen. Das vom BVwG zitierte Erkenntnis sei zu einer Rechtslage vor Inkrafttreten dieser Bestimmung ergangen. Entscheidend sei, welche konkrete Tätigkeit im Orden ausgeübt wurde und wie diese zu bewerten wäre.
Die Revision ist zulässig und auch berechtigt. Das angefochtene Erkenntnis war gem § 42 Abs 1 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der VwGH stellt dazu Folgendes klar: Bei der Bildung der für die Pensionsbemessung maßgeblichen Beitragsgrundlage wird seit der 48. ASVG-Novelle (BGBl 1989/642), um gegenüber der früheren Rechtslage leistungsrechtliche Nachteile der Versicherten zu verhindern, nicht mehr an die für den Überweisungsbetrag maßgebliche Berechnungsgrundlage angeknüpft. Vielmehr ist die Beitragsgrundlage für Beitragszeiten, für die ein Überweisungsbetrag nach § 314 ASVG geleistet worden ist, gem § 243 Abs 1 Z 1 fünfter Fall ASVG seither „ein Betrag in der Höhe des in der betreffenden Zeit üblichen Arbeitsverdienstes eines körperlichen und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten“. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut bietet diese Bestimmung daher keine Grundlage mehr dafür, dass der Beitragsgrundlagenbildung ein allenfalls tatsächlich bestehender Entgeltanspruch zugrunde gelegt wird. Es ist demnach – wie schon der Gesetzeswortlaut nahelegt – zum einen nicht der (potentielle) Verdienst auf Grund einer bestimmten im Orden ausgeübten Tätigkeit maßgeblich, sondern der Verdienst, 317 der bei einer auf Grund der vorhandenen Ausbildung, Kenntnisse und Fähigkeiten möglichen Beschäftigung „üblich“ wäre. Für diese Auslegung spricht auch, dass insb in kontemplativen Orden vielfach Tätigkeiten erbracht werden, die sich einer pekuniären Bewertung weitgehend entziehen.
In diesem Sinn ist einerseits nicht entscheidend, welche konkreten Tätigkeiten im Orden ausgeübt wurden und wie diese (sei es nach kirchlichen Besoldungsregeln, sei es unter Betrachtung von vergleichbaren Beschäftigungen am allgemeinen Arbeitsmarkt) zu bewerten wären. Andererseits kommt es auch nicht darauf an, welche Karriere die konkret betroffene Person hypothetisch bei Wegfall des Ordenseintritts durchlaufen hätte. Vielmehr ist von einer abstrakten Maßperson im selben Alter auszugehen, die über all jene Ausbildungen, Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, welche die konkret betroffene Person sowohl vor dem Ordenseintritt als auch während der Zeit im Orden erworben hat. Das bedeutet für den vorliegenden Fall, dass zu ermitteln gewesen wäre, welcher Verdienst für eine Person, die wie der Versicherte über ein abgeschlossenes Studium an der Universität für Bodenkultur verfügt, mehrere Jahre im Verwaltungsdienst eines Landes tätig war und während der Zeit im Orden weitere Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hat, während der Zeiten, für die ein Überweisungsbetrag geleistet wurde, möglich gewesen wäre. Dabei genügt es, sich auf einige typische Berufsbilder und Tätigkeiten zu beschränken. Aus den sich daraus ergebenden fiktiven Entgeltansprüchen wären dann für die einzelnen Beitragszeiträume Durchschnittsbeträge zu ermitteln, die als üblicher Arbeitsverdienst iSd § 243 Abs 1 Z 1 fünfter Fall ASVG der Beitragsgrundlagenberechnung zugrunde zu legen sind.
Zur Zuständigkeit der PVA im Hinblick auf die Feststellung der Beitragsgrundlagen siehe VwGH 29.1.2020, Ra 2019/08/0148.