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Beweislast im Zusammenhang mit dem Nachweis von Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen

KRISZTINAJUHASZ

Die Kl bezog für das am 14.8.2016 geborene Kind das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens.

Am 13.6.2017 ließ sie innerhalb des dafür vorgesehenen Zeitraums die erforderliche fünfte Mutter-Kind-Pass-Untersuchung durchführen. Allerdings schickte sie den Nachweis nicht fristgerecht an die zuständige Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) als Rechtsvorgängerin der Bekl. Die WGKK machte die Kl deshalb mit Schreiben vom 21.2.2018 und vom 25.5.2018 darauf aufmerksam, dass der Nachweis dieser Untersuchung noch ausständig sei und bei Nicht-Vorlage eines Nachweises nach Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes € 1.518,- zurückgefordert würden. Daraufhin übersandte die Kl eine Kopie der fünften Untersuchung im Jahr 2018 per Post – nicht eingeschrieben – an die Bekl. Es konnte nicht festgestellt werden, ob die Sendung bei der Bekl nicht angekommen oder dort in Verstoß geraten ist. Die Bekl verpflichtete die Kl zur Rückzahlung der Leistung aufgrund nicht vollständigen Nachweises der vorgeschriebenen Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen.

Der dagegen erhobenen Klage gaben die Vorinstanzen statt. Das Berufungsgericht hielt zwar fest, dass der Nachweis der vorgenommenen fünften Untersuchung zu spät erfolgt sei. Allerdings habe der OGH in der E 10 ObS 88/16p vom 13.9.2016 den Nachsichtstatbestand des § 24c Abs 2 Z 1 KBGG auch auf die Nachfrist des § 24 Abs 2 Z 2 KBGG angewandt. Der Kl, die die Nachweise zur Post gegeben habe, komme daher diese Nachsicht ebenfalls zugute. Das Berufungsgericht ließ die Revision nicht zu.

Die außerordentliche Revision der Bekl war zulässig, weil die Beweislast für das Vorliegen der Ausnahmetatbestände des § 24c Abs 2 KBGG einer höchstgerichtlichen Klarstellung bedurfte und weil das Berufungsgericht die OGH-E 10ObS58/21h&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True" target="_blank">10 ObS 58/21h vom 29.7.2021 nicht berücksichtigt hat. Die Revision war auch berechtigt.

Nach dem anzuwendenden § 24a Abs 4 KBGG (idF vor der Novelle BGBl I 2016/53BGBl I 2016/53) besteht der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens in voller Höhe nur dann, wenn die fünfte Untersuchung des Kindes bis zur Vollendung des 18. Lebensmonats nachgewiesen wird. Weiters besteht der Anspruch in voller Höhe, wenn gem § 24c Abs 2 KBGG der Nachweis aus Gründen, die nicht von den Eltern zu vertreten sind, unterbleibt (Z 1) oder die Nachweise bis spätestens zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes nachgebracht werden (Z 2).

Die objektive Beweislast für das Bestehen des materiellen Anspruchs trägt grundsätzlich der bekl Versicherungsträger für jene Tatsachen, die für seinen materiellen Rückforderungsanspruch rechtsbegründend sind (OGH 21.3.2017, 10ObS19/17t&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True" target="_blank">10 ObS 19/17t). Diesem Grundsatz hat der Gesetzgeber in § 87 Abs 4 ASGG Rechnung getragen. Aus § 87 Abs 4 325ASGG kann aber nicht entnommen werden, dass die Bekl für alle rechtserheblichen Tatsachen in Zusammenhang mit dem Bestehen des materiellen Anspruchs beweisbelastet ist. Stützt nämlich der Kl seine Bestreitung zB auf rechtshemmende oder rechtsvernichtende Tatsachen, so trifft gemäß der stRsp ihn die objektive Beweislast für deren Vorliegen (vgl OGH 21.3.2017, 10ObS19/17t&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True" target="_blank">10 ObS 19/17t; OGH 18.2.1999, 10ObS28/99m&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True" target="_blank">10 ObS 28/99m). Demnach kann eine klageabweisende E nur dann gefällt werden, wenn die Österreichische Gesundheitskasse den von ihr herangezogenen Rückforderungstatbestand nach § 31 Abs 2 KBGG behauptet und beweist.

Im vorliegenden Fall hat die Bekl den Beweis des behaupteten Rückforderungsgrundes erbracht, weil feststand, dass die Kl den Nachweis für die 10. Mutter-Kind-Pass-Untersuchung nicht innerhalb der dafür vorgeschriebenen Frist – nämlich bis zum Ende des 18. Lebensmonats des Kindes – erbrachte.

Die Kl stützte sich auf eine Ausnahme der Kürzungsregel, sohin auf einen den Rückforderungsanspruch der Bekl vernichtenden Umstand. Für dessen Vorliegen trägt sie die Beweislast. Die Negativfeststellung, wonach nicht festgestellt werden konnte, ob der von der Kl nach Vollendung des 18. Lebensmonats des Kindes, aber vor Vollendung von dessen drittem Lebensjahr zur Post gegebene Untersuchungsnachweis bei der Bekl einlangte (§ 24c Abs 2 Z 2 KBGG idF vor der Novelle BGBl I 2016/53BGBl I 2016/53), geht daher zu ihren Lasten.

In der E 10 ObS 58/21h vom 29.7.2021 hat der OGH klargestellt, dass die beiden Ausnahmen von der Kürzungsregel alternative Tatbestände sind. Aus systematischen Erwägungen wurde abgeleitet, dass die außerhalb der Zurechnungssphäre der Eltern liegenden Hinderungsgründe gem § 7 Abs 3 Z 1 KBGG (§ 24c Abs 2 Z 1 KBGG) innerhalb der in § 7 Abs 2 KBGG (§ 24c Abs 1 KBGG) angeführten Nachweisfrist zum Tragen kommen müssen (vgl OGH 10ObS58/21h&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True" target="_blank">10 ObS 58/21h; RS0133739RS0133739). Dies gilt auch für die hier zu beurteilende Rechtslage vor der Novelle BGBl I 2016/53BGBl I 2016/53. Von der in der OGH-E 10ObS88/16p&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True" target="_blank">10 ObS 88/16p vom 13.9.2016 vorgenommenen Beurteilung, dass bei der Prüfung der Gründe für das Unterbleiben des Nachweises es nicht schade, wenn die Nachweisfrist des § 24c Abs 1 Z 2 KBGG bereits abgelaufen sei, ist der OGH in der E 10ObS58/21h&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True" target="_blank">10 ObS 58/21h abgegangen.

Da von der Kl keine Gründe behauptet wurden, aus denen sie am Nachweis der fünften Untersuchung des Kindes bis zur Vollendung des 18. Lebensmonats gehindert war, konnte sie ihren Anspruch auf ungekürztes Kinderbetreuungsgeld nicht aus § 24c Abs 2 Z 1 KBGG (idF vor der Novelle BGBl I 2016/53BGBl I 2016/53) ableiten.