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Abgrenzungsnachweis selbständiger Einkünfte auch im Sozialgerichtsverfahren möglich

KRISZTINAJUHASZ

Der Kl bezog anlässlich der Geburt seiner Tochter Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens. Er erzielte nach den der Bekl übermittelten Daten der Abgabenbehörden Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit.

Die Bekl teilte dem Kl mit Schreiben mit, dass aufgrund der ihr bekannt gegebenen Jahreseinkünfte aus selbständiger Arbeit vorerst vom Bestehen einer Rückzahlungsverpflichtung auszugehen sei. Da der Kl Kinderbetreuungsgeld nur unterjährig bezogen habe, bestehe jedoch die Möglichkeit, binnen 8 Wochen die in den relevanten Anspruchsmonaten erzielten Einkünfte von den restlichen Einkünften abzugrenzen. Der Kl erbrachte im Verwaltungsverfahren keinen Zuordnungsnachweis.

Mit Bescheid widerrief daher die Bekl die Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes und verpflichtete den Kl zum Rückersatz der unberechtigt empfangenen Leistung.

In seiner Klage brachte der Kl vor, den geforderten Zuordnungsnachweis tatsächlich nicht erbracht zu haben, weil er das Schreiben der Bekl irrtümlich nicht behoben habe. Das schließe jedoch nicht aus, die Abgrenzung im sozialgerichtlichen Verfahren vorzunehmen. Die Bekl wandte ein, dass nach Verstreichen der im Schreiben gesetzten 8-Wochen-Frist eine Abgrenzung der Einkünfte gem § 50 Abs 24 KBGG nicht mehr möglich sei. Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab.

Die Revision des Kl war zulässig, weil die Vorinstanzen von der jüngeren Rsp zu § 50 Abs 24 KBGG abgewichen sind. Die Revision war auch berechtigt.

Der Kl hielt an seinem Standpunkt fest, dass eine Abgrenzung der Einkünfte auch noch im sozialgerichtlichen Verfahren möglich sei. Dem war zuzustimmen. Bezieher:innen von Kinderbetreuungsgeld können auch noch im Sozialgerichtsverfahren darlegen, dass sie die Zuverdienstgrenze objektiv nicht überschritten haben (vgl RS0132593RS0132593).

Der OGH hat sich bereits in seiner E 10ObS119/21d&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True" target="_blank">10 ObS 119/21d vom 19.10.2021 ausführlich damit auseinandergesetzt, wie sich § 50 Abs 24 KBGG auf die Möglichkeit auswirkt, einen Abgrenzungsnachweis iSd § 8 Abs 1 Z 2 KBGG erst im sozialgerichtlichen Verfahren zu erbringen. Demnach richtet sich § 50 Abs 24 KBGG schon nach seinem Wortlaut an die im Verwaltungsverfahren tätig werdenden Krankenversicherungsträger. Das durch Klage eines Versicherten angerufene Arbeits- und Sozialgericht wird im Rahmen der sukzessiven Kompetenz tätig und hat über den Anspruch eigenständig zu entscheiden. Die Ansicht, wonach das sozialgerichtliche Verfahren sich auf die Frage 330 der Versäumung der Zweimonatsfrist im Verwaltungsverfahren zu beschränken habe, würde eine verfassungsrechtlich unzulässige partielle Bindung der Gerichte an Teilergebnisse des vorangegangenen Verwaltungsverfahrens bedeuten (vgl RS0106394RS0106394; OGH 14.12.2021, 10ObS178/21f&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True" target="_blank">10 ObS 178/21f; OGH 16.11.2021, 10ObS124/21i&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=False&SucheNachText=True" target="_blank">10 ObS 124/21i).

Gegenstand des Verfahrens war daher die Frage, ob der von der Bekl geltend gemachte Rückforderungsanspruch wegen Überschreitens der Zuverdienstgrenze – bezogen auf den Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz – zu Recht besteht.

Darauf aufbauend war im vorliegenden Fall die Sache noch nicht entscheidungsreif, weil die Vorinstanzen noch keine Feststellungen zu den Einkünften des Kl im Bezugszeitraum getroffen hatten. Der Revision war daher Folge zu geben und die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.