COVID-19-Verkehrsbeschränkungen in Zusammenhang mit Verdienstentgang nach § 32 EpiG und Krankenständen

ELISABETHHANSEMANN / FABIANGAMPER

Mit einer Pressekonferenz Ende Juli hat der Gesundheitsminister das Ende der Absonderungen bei COVID-19-positiven Personen verkündet. Ab 1.8.2022 gelten die sogenannten Verkehrsbeschränkungen als Mittel im Pandemiemanagement.*) War bisher – zumindest in der politischen Kommunikation*) – klar, dass bei Absonderungen jedenfalls ein Verdienstentgang nach dem Epidemiegesetz zusteht, ist spätestens durch die Implementierung der Verkehrsbeschränkungen und die (nun auch öffentlich zugestandene) Möglichkeit eines Krankenstands bei einer COVID-19-Infektion eine differenziertere Betrachtung angebracht.

Begründet wird die Reduktion der Maßnahmenintensität damit, dass trotz der hohen Übertragbarkeit der Omikron BA.2.-Variante mit keiner Überlastung der Gesundheitsinfrastruktur zu rechnen ist. Die Verkehrsbeschränkungen stellen gegenüber den freiheitseinschränkenden Absonderungen jedenfalls das gelindere Mittel der Pandemiebekämpfung dar. Die verfassungsrechtlich und politisch nachvollziehbare Entscheidung wirft jedoch neue Rechtsfragen auf bzw bringt eine neue Nuance in bestehende Diskussionen.

1..
Verkehrsbeschränkungen

Ab 1.8.2022 gelten nunmehr für Personen, bei denen ein positives Testergebnis auf SARS-COV-2 vorliegt, die Verkehrsbeschränkungen nach der COVID-19-Verkehrsbeschränkungsverordnung (COVID-19-VbV).* Rechtsgrundlage für die Verordnung sind die §§ 7, 7b Epidemiegesetz (EpiG) iVm § 4a der VO betreffend Kranker, Krankheitsverdächtigter und die Bezeichnung von Häusern und Wohnungen.* Grundsätzlich gelten diese Maßnahmen, analog zu den Absonderungen, für zehn Tage, wobei eine „Freitestung“* frühestens am 5. Tag nach der Probenahme möglich ist.

Vorrangig werden auf COVID-19-positiv-getestete Personen dazu verpflichtet, außerhalb des privaten Wohnbereichs oder innerhalb dessen bei Zusammenkünften eine FFP2-Maske korrekt zu tragen. Unter dem korrekten Tragen der Maske wird insb die vollständige Bedeckung von Mund und Nase und das regelmäßige Wechseln der Maske verstanden.

Gem § 4 COVID-19-VbV gelten zusätzlich zur generellen Maskenverpflichtung Betretungsverbote für besonders schutzbedürftige Einrichtungen, wie Kranken- oder Kuranstalten, Einrichtungen der Tagesstruktur im Behindertenbereich oder Altenbetreuung, Kindergärten oder -krippen und Primarschulen. Von diesen Betretungsverboten sind jedoch Mitarbeiter:innen, Betreiber:innen, Bewohner:innen, Patient:innen bzw betreute Personen und Klient:innen im Behindertenbereich und Altenbetreuung und unter besonderen Umständen auch Besucher:innen und Begleitpersonen ausgenommen.

ISd AN-Schutzes gilt gem § 8 COVID-19-VbV ein generelles Betretungsverbot für Arbeitsorte, wenn die Verpflichtung zum durchgehenden Tragen einer Maske am Arbeitsort oder am Weg zum Arbeitsort aus medizinischen Gründen, insb bei Schwangerschaft, nicht möglich ist oder wenn die Erbringung der Arbeitsleistung durch das durchgehende Tragen einer Maske verunmöglicht wird und keine sonstigen geeigneten organisatorischen oder räumlichen Schutzmaßnahmen getroffen werden können.

2..
Anspruch auf Vergütung des Verdienstentgangs?

Abgesonderte Personen, die aufgrund der Absonderung am Erwerb behindert wurden und Vermögensnachteile erlitten haben, haben einen Anspruch auf Vergütung nach § 32 Abs 1 Z 1 EpiG. Aufgrund dieser Bestimmung hatten bisher ein Großteil der Erwerbstätigen einen Vergütungsanspruch, ausgenommen waren beispielsweise symptomlose Personen, deren Tätigkeit im Home-Office ausgeübt werden konnte.

Die Verkehrsbeschränkungen der COVID-19-VbV sehen vorrangig keine Einschränkungen des Erwerbs, sondern vielmehr die Verpflichtung des Tragens einer FFP2-Maske vor. Jedoch können sich aus den Betretungsverboten der §§ 4 und 8 COVID-19-VbV Einschränkungen einer Erwerbstätigkeit ergeben. Gem § 32 Abs 1a EpiG werden auch durch Verkehrsbeschränkungen entstandene Vermögensnachteile durch eine Vergütung des Verdienstentgangs beglichen. Der Anspruch auf Vergütung ist bei Verkehrsbeschränkungen, wie 337 bei Absonderungen, binnen drei Monaten nach Beendigungen der Maßnahmen zu stellen.*

2.1..
Praxisbeispiele eines möglichen Anspruchs auf Vergütung des Verdienstentgangs

Personen, denen das durchgehende Tragen einer Maske aus medizinischen Gründen nicht möglich ist und an deren Arbeitsplatz keine geeigneten sonstigen Schutzmaßnahmen getroffen werden können, dürfen ihre Arbeitsorte nicht betreten. Ausdrücklich erwähnt sind schwangere Personen. Eine Beschränkung, beispielsweise ab einer gewissen Schwangerschaftswoche, wird nicht getroffen. Bei einer schwangeren Kellnerin scheinen organisatorische oder räumliche Schutzmaßnahmen nicht möglich, daher würde in diesem Fall ein Anspruch auf Verdienstentgang nach § 32 Abs 1a EpiG bestehen.

Externe Personen sind nicht von den Ausnahmen des Betretungsverbots gem § 4 Abs 2 COVID-19-VbV umfasst, da die Ausnahmen im beruflichen Kontext bloß Mitarbeiter:innen und Betreiber:innen umfassen. Daher würde eine positive Person mit (nicht verschiebbaren) Arbeitsaufträgen – zB ein externer Installateur bei einem Wasserrohrbruch – einen Vermögensverlust aufgrund der Verkehrsbeschränkung erleiden und hätte einen Anspruch auf Verdienstentgang nach § 32 Abs 1a EpiG.

Wenn die Erbringung der Arbeitsleistung durch das durchgehende korrekte Tragen der Maske verunmöglicht wird, dürfen Arbeitsorte nicht betreten werden. Dies könnte beispielsweise aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit bei einer AN in einer Wäscherei vorliegen, da das häufige, wohl nahezu pausenlose Wechseln der Maske die Ausübung der Erwerbstätigkeit verunmöglicht. Weitere Berufsbeispiele für die Verunmöglichung der Arbeitsleistung sind etwa Sänger:innen, Blasmusiker:innen oder Logopäd:innen.

3..
Verhältnis Entgeltfortzahlung (im Krankheitsfall), Krankengeld und Verdienstentgang

Nicht nur die Verkehrsbeschränkung an sich kann bei einer Infektion mit Sars-CoV-2 zu einer Behinderung am Erwerb führen, auch die Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit wird ein häufiger Grund für eine Behinderung am Erwerb sein. Für die Prüfung, welche (Geld-)Leistung einer infizierten und dadurch an sich verkehrsbeschränkten Person zusteht, sind vier verschiedene Fallkonstellationen zu differenzieren.

3.1..
Arbeitsfähige Infizierte, denen das Tragen einer Maske zumutbar ist

Anders als bei einer Absonderung ist im Falle einer reinen Verkehrsbeschränkung eine Behinderung am Erwerb durch die Maßnahme des EpiG im Regelfall nicht gegeben. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass es den meisten Personen zumutbar ist, eine FFP2-Maske am Arbeitsplatz zu tragen. Dies selbstverständlich unter Berücksichtigung des ASchG und somit unter der Berücksichtigung regelmäßiger Maskenpausen.* Arbeitsfähige Infizierte, denen das Tragen einer FFP2-Maske zumutbar ist, sind daher grundsätzlich zur weiteren Arbeitsleistung verpflichtet und erhalten weiterhin ihr reguläres Entgelt.

Verbietet der AG infizierten Mitarbeiter:innen den Zutritt zum Betrieb und gibt es keine Home-Office-Möglichkeit bzw Vereinbarung, ist der AG verpflichtet, weiterhin das Entgelt zu leisten (§ 1155 ABGB).* Das weitergeleistete Entgelt wird in diesen Fällen vom Bund nicht ersetzt.

3.2..
Arbeitsunfähige Infizierte, denen das Tragen einer Maske zumutbar ist

All jene Personen, denen das Tragen einer Maske zumutbar ist, sind nicht aufgrund der Vorschriften des EpiG (Verkehrsbeschränkung) an ihrer Erwerbstätigkeit gehindert. Liegt eine symptomatische Erkrankung vor, die Arbeitsunfähigkeit verursacht, wird die betroffene Person aufgrund der Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit am Erwerb gehindert, nicht aufgrund der Verkehrsbeschränkung. Arbeitsunfähige Personen müssen sich daher krankschreiben lassen. Dabei gelten – wie bei jeder anderen Krankheit auch – bloß die Regelungen des ASVG und des EFZG bzw AngG. Der AG hat in der Regel zunächst Entgeltfortzahlung zu leisten. Besteht kein Anspruch oder nur der halbe Anspruch auf Entgeltfortzahlung, ist ein Anspruch auf Krankengeld aus der KV zu prüfen.

3.3..
Arbeitsfähige Infizierte, denen das Tragen einer Maske nicht zumutbar ist

Hier ist zunächst zu prüfen, ob den Verkehrsbeschränkungen anders als durch das Maskentragen entsprochen werden kann. Können nämlich organisatorische oder räumliche Schutzmaßnahmen getroffen werden (zB Arbeit im Einzelbüro), ist die betroffene Person unter Berücksichtigung dieser Schutzmaßnahmen zur weiteren Arbeitsleistung verpflichtet. Dabei gilt allerdings zu beachten, dass auch der Weg in die Arbeit möglich sein muss. Im Hinblick auf Verkehrsbeschränkungen infizierter Personen gibt es keine Ausnahmen – auch nicht bei medizinisch indizierter Unzumutbarkeit. Dh dort, wo die COVID-19-VbV das Tragen einer FFP2-Maske verpflichtend vorschreibt (etwa in öffentlichen Verkehrsmitteln oder Fahrgemeinschaften), ist eine solche zu tragen – andernfalls können genannte Orte nicht betreten werden. 338

Auch für den Fall, dass die Arbeit im Home-Office möglich ist und eine entsprechende Vereinbarung darüber vorliegt, ist die betroffene Person zur Arbeitsleistung verpflichtet.

Sind nun weder Home-Office noch organisatorische oder räumliche Schutzmaßnahmen möglich, darf der infizierte AN bzw die infizierte AN den Arbeitsplatz nicht betreten. Die betroffene Person ist aufgrund der Verkehrsbeschränkungen am Erwerb gehindert. Der AG bezahlt in diesen Fällen das Entgelt weiter und bekommt dieses in weiterer Folge aus Bundesmitteln gem § 32 Abs 3 EpiG ersetzt.

Gleiches gilt, wenn der oder die AN den Arbeitsplatz aufgrund der Verkehrsbeschränkungen nicht erreichen kann (siehe oben).

3.4..
Arbeitsunfähige Infizierte, denen das Tragen einer Maske nicht zumutbar ist

Auch hier gilt: Wer trotz Verkehrsbeschränkungen seine Arbeit verrichten könnte – sei es, weil organisatorische oder räumliche Schutzmaßnahmen getroffen werden oder die Arbeit im Home-Office möglich und vereinbart ist (siehe 3.3.) –, ist nicht aufgrund der Verkehrsbeschränkungen an seiner Tätigkeit gehindert, sondern im Falle einer symptomatischen Erkrankung gegebenenfalls aufgrund der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit. Für diese Personen gilt das in 3.2. Ausgeführte.

Spannend ist jene Personengruppe, bei der zusätzlich zur Arbeitsunfähigkeit und der Unzumutbarkeit des Maskentragens weder die Arbeit im Home-Office möglich oder vereinbart ist noch organisatorische oder räumliche Schutzmaßnahmen ausführbar sind oder der Arbeitsweg aufgrund der Verkehrsbeschränkungen nicht bewältigbar ist. Hier stellt sich die Frage der Vorrangigkeit der Leistung:

Abs 5 des § 32 EpiG sieht vor, dass auf den gebührenden Vergütungsbetrag jene Beträge anzurechnen sind, die dem Vergütungsberechtigten wegen einer solchen Erwerbsbehinderung nach sonstigen Vorschriften oder Vereinbarungen sowie aus einer anderweitigen während der Zeit der Erwerbsbehinderung aufgenommenen Erwerbstätigkeit zukommen. Damit sind jedenfalls Beträge aus Härtefallfonds oder Fixkostenzuschüsse gemeint. Also Beiträge, die aufgrund der Maßnahme der Verkehrsbeschränkung zugesprochen werden. Nicht abschließend geklärt ist, ob damit auch die Vorrangigkeit eines Anspruches auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den AG oder eines Krankengeldanspruches gemeint ist. Dies wird in der Literatur kontrovers diskutiert.*

Der Wortlaut „wegen einer solchen Erwerbsbehinderung“ vermag auf den ersten Blick zur Annahme verleiten, dass der Anspruch nach sonstigen Vorschriften gerade in einer der in § 32 Abs 1 und 1a EpiG aufgezählten Maßnahmen begründet sein müsse. Ob eine so enge Auslegung vom Gesetzgeber gewollt ist, ist allerdings insb im Hinblick auf die rechtshistorische Entwicklung des § 32 EpiG fraglich.*

Ein Großteil der Lehre vertritt die Ansicht, dass der Vergütungsanspruch nach § 32 Abs 3 EpiG nur subsidiär zu anderen arbeitsrechtlichen Entgeltfortzahlungsregelungen oder Leistungsansprüchen aus der SV gilt.* Verstärkt wird diese Rechtsansicht auch dadurch, dass nun auch der Normgeber eine Krankschreibung im Zusammenhang mit einer Verkehrsbeschränkung grundsätzlich als möglich erachtet (siehe 3.2.).

Ein anderer Teil der Lehre, wie etwa Resch, vertritt hingegen die Ansicht, dass das EpiG als lex specialis allfälligen arbeitsrechtlichen Entgeltfortzahlungsvorschriften und entgeltersetzenden Leistungen der SV vorgeht.* Ebenso ging das BM für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz bisher von der Vorrangigkeit des § 32 Abs 3 EpiG als lex specialis aus.*

Auch aufgrund der vorhergegangenen Vollzugspraxis ist nicht auszuschließen, dass die Österreichische Gesundheitskasse weiterhin die Ansicht vertritt, dass beim oben genannten Personenkreis eine Krankschreibung nicht möglich ist und daher Bestimmungen nach dem EpiG vorgehen. Argumentierbar ist diese Ansicht bloß damit, dass der gegenständliche Personenkreis schon aufgrund der Infektion und der damit einhergehenden Verkehrsbeschränkungen keine Arbeitsverpflichtung hat und daher eine Krankschreibung gar nicht notwendig bzw möglich ist. Dies würde bedeuten, dass der AG das Entgelt weiterbezahlt und dieses in weiterer Folge aus Bundesmitteln ersetzt bekommt (§ 32 Abs 1a und 3 EpiG).

Inwiefern die Verkehrsbeschränkung einen Einfluss auf die Rechtsfrage der Subsidiarität der Vergütung haben wird, bleibt abzuwarten. Dass der Gesetzgeber das Abgehen von der Absonderung und die Einführung der COVID-19-VbV nicht zum Anlass genommen hat, diese Rechtsunsicherheit ein für alle Mal zu beseitigen, ist jedenfalls eine vertane Chance. 339