Der „Familienzeitbonus“ und dessen Novellen im Lichte der Judikatur zwischen März 2017 und März 2022
Der „Familienzeitbonus“ und dessen Novellen im Lichte der Judikatur zwischen März 2017 und März 2022
Mit Bundesgesetz BGBl I 2016/53 trat ab dem 1.3.2017 für leibliche Väter (ebenso für Adoptivväter oder Dauerpflegeväter bzw für den zweiten Elternteil eines gleichgeschlechtlichen weiblichen Paares) das Familienzeitbonusgesetz (FamZeitbG) für Geburten nach dem 28.2.2017 in Kraft, das – dem politischen Wunsch nach mehr Väterbeteiligung bei der Kinderbetreuung entsprechend – es Vätern ermöglichte, den „Familienzeitbonus“ (seit 2017 nie wertberichtigt mit einem Tagsatz von € 22,60) nach der Geburt/Adoption eines neugeborenen Kindes zu beziehen. Die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit, der Bezug der Familienbeihilfe und ein gemeinsamer Haushalt sind weitere Anspruchsvoraussetzungen.
Primärer Zweck des FamZeitbG war die anfängliche Mitbetreuung des (der) Neugeborenen durch den Vater, die Festigung der Vater-Kind-Bindung (frühestmögliches „Bounding“ auch an den anderen Elternteil) und die „Unterstützung der gesamten Familie“ in der Zeit nach der Geburt durch den Vater.
Im FamZeitbG wurde die Auszahlung des Familienzeitbonus überaus formalistisch an zahlreiche – teilweise legistisch unklar definierte – Anspruchsvoraussetzungen geknüpft, was bereits ab Inkrafttreten zu einer nicht unerheblichen Anzahl an Bescheidklagen gegen den Krankenversicherungsträger (idR die Österreichische Gesundheitskasse [ÖGK]) führte.
Wie der OGH und der österreichische Gesetzgeber mit dieser Problematik seit 2017 umging, soll im folgenden Beitrag anhand eines kurzen Judikatur- und Novellenüberblickes dargestellt werden.
Im März 2022 hat der OGH zudem – möglicherweise richtungsweisend und wohl abschließend – vor allem zur langen strittigen Thematik der Anspruchsvoraussetzung des „gemeinsamen Haushaltes“ von Vater und Kind in einer aktuellen Entscheidung unter Einbeziehung europarechtlicher Erwägungen (RL [EG] 2019/1158) ausgesprochen, dass auch ein aliquoter Bezug – für weniger als das gesetzliche Mindestmaß von 28 Tagen – möglich ist. Damit ist der OGH von seiner jahrelangen Rsp zur strikten Ablehnung einer anteiligen Bezugsmöglichkeit abgegangen.
Neben dem generellen Rechtsanspruch auf Väterkarenz bis zum 2. Geburtstag des Kindes unter Bezug des Kinderbetreuungsgeldes kannten manche Kollektivverträge (beispielsweise der KollV Banken und Bankiers bereits seit 2011) oder auch das Dienstrecht des Bundes bereits vor Jahren einen Anspruch auf Freistellung für Väter anlässlich der Geburt eines Kindes. In der Praxis vereinbarten Väter nach der Geburt/Adoption eines Kindes vor 2017 Urlaub mit dem DG.
Der Bedarf nach einem Rechtsanspruch auf einen korrespondierenden „Papamonat“ resultierte sicher auch aus der seit 2017 vorhandenen Sozialleistung des Familienzeitbonus. Mit BGBl I 2019/73 wurde mit § 1a Väter-Karenzgesetz (VKG) ein Rechtsanspruch auf den zum Familienzeitbonus korrespondierenden „Papamonat“ aus Anlass der Geburt oder Adoption eines Kindes eingeführt.
Daneben sieht auch die „Richtlinie (EU) 2019/1158 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige und zur Aufhebung der Richtlinie 2010/18/EU des Rates“
(RL 2019/1158) vor, Männern Anreize zu bieten, einen gleichwertigen Anteil an den Betreuungs- und Pflegeaufgaben zu übernehmen und weitere Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Männer zu schaffen und ihnen während dieses „Väterurlaubes“ im Ausmaß von mindestens 10 Tagen einen Anspruch auf eine angemessene Vergütung in einer Höhe zu gewähren, die mindestens der Höhe des Krankengeldes in dem jeweiligen Mitgliedstaat entspricht.
Erster Novellierungsbedarf bestand de facto bereits wenige Monate nach Inkrafttreten des FamZeitbG mit 1.3.2017:
Die ersten beiden Novellen in BGBl I 2018/32 in Kraft ab 25.5.2018) und BGBl I 2018/100 erfolgten kurz nacheinander und bewirkten – neben formalen Neuerungen der Weisungsgebundenheit der Kompetenzzentren der Krankenversicherungsträger an die Weisungen des Bundeskanzlers (§ 4 Abs 3 leg cit) und der finanziellen Abwicklungen (§ 4 Abs 4 leg cit) – auch Änderungen bei Datenübermittlungsthemen und Themen der Verarbeitung personenbezogener Daten in der Kinderbetreuungsgeld-Datenbank (§ 9 Abs 3 leg cit übermittelt die ÖGK die Daten nunmehr an den Bundeskanzler).
Mit BGBl I 2018/32 wurde auch eine Anzahl an Verweisen auf das Kinderbetreuungsgeldgesetz (KBGG) in § 8 (neu) FamZeitbG eingefügt, in welchem ua ausdrücklich auch die Anwendbarkeit des Vorverfahrens des KBGG bis zur Bescheiderlassung (sohin gemäß ASVG, GSVG, Bauern-Sozialversicherungsgesetz [BSVG] und Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz [B-KUVG]) auf Verfahren betreffend den Familienzeitbonus fixiert wurde. Auch die bereits seit 1.3.2017 – zum Nachteil der Antragsteller – 340 bestehende Ausnahmeregelung in § 27 Abs 4 KBGG zur generellen sechsmonatigen Entscheidungspflicht des Krankenversicherungsträgers gem § 67 Abs 1 Z 2 ASGG wurde auch in das FamZeitbG übernommen. Demzufolge lag seit 25.5.2018 eine Säumnis des Krankenversicherungsträgers bei der Bescheiderlassung auch beim Familienzeitbonus erst dann vor, wenn die Sache „entscheidungsreif“ war (vom OGH unionsrechtskonform aber einschränkend ausgelegt am 20.11.2018, 10 ObS 112/18w und 28.5.2019, 10 ObS 42/19b).
Die bis dato letzte Novellierung mit BGBl I 2019/24BGBl I 2019/24 resultierte sicher auch aus der diesbezüglichen Judikatur des OGH, welche bereits kurz nach Inkrafttreten des FamZeitbG eine hohe Anzahl an Verfahren zu der strittigen Anspruchsvoraussetzung des „gemeinsamen Haushaltes“ iZm Krankenhausaufenthalten von Mutter und Kind (und auch die Anwesenheit des Vaters im Krankenhaus) in allen Instanzen aufzeigte. Mit § 2 Abs 3a (neu) FamZeitbG wurde ab 1.1.2019 bei „medizinisch indizierten Krankenhausaufenthalten des Kindes“ nach der Geburt bei persönlicher Pflege und Betreuung des Kindes durch den Vater und den anderen Elternteil im Mindestausmaß von jeweils durchschnittlich vier Stunden täglich ausnahmsweise der gemeinsame Haushalt iSd § 2 Abs 3 leg cit angenommen.
Der Familienzeitbonus gebührt nur auf Antrag und ist frühestens ab dem Tag der Geburt innerhalb von 91 Tagen ab der Geburt bei jenem Krankenversicherungsträger zu beantragen, bei dem der Vater am letzten Tag vor Antritt der Freistellung anlässlich der Geburt eines Kindes bzw des „Papamonats“ als Erwerbstätiger versichert ist.
Der OGH entschied zur Frage der Frist für die Antragsübermittlung in 10 ObS 125/19h vom 13.9.2019:
Bei der Frist des § 3 Abs 3 Satz 2 FamZeitbG handelt es sich um eine materiell-rechtliche Frist, sodass es zu ihrer Wahrung auf das Einlangen des Antrags beim Krankenversicherungsträger ankommt. Das Datum der Postaufgabe ist sohin irrelevant für die 91-Tages-Frist ab der Geburt.
In 10 ObS 121/20x vom 13.10.2020 sprach der OGH ebenfalls zur Fristenberechnung aus:
Die Fristenberechnung für die Rechtzeitigkeit des Antrages „binnen 91 Tagen ab dem Tag der Geburt gem § 3 Abs 3 FamZeitbG“ ergibt sich auch im Bereich des FamZeitbG aus dem Europäischen Übereinkommen zur Berechnung von Fristen (EuFRÜb), demzufolge der Tag der Geburt in den Fristenlauf nicht einzubeziehen ist.
Die ÖGK als Bekl vertrat die Ansicht, § 3 Abs 3 Satz 2 FamZeitbG stelle eine spezifische verwaltungsrechtliche Regelung dar, die ihrem Wortlaut nach eine Regelung auch zum Beginn des Fristenlaufs in dem Sinn enthalte, dass die Antragsfrist bereits am Tag der Geburt des Kindes zu laufen beginne, wodurch ein Gleichlauf mit der Bezugsdauer hergestellt sei. Dies ist laut OGH unrichtig:
Die Normen des EuFRÜb erfassen nach dem OGH das Verwaltungsrecht einschließlich des Verwaltungsverfahrensrechts und sind sohin auch auf Sachverhalte ohne Auslandsbezug anwendbar. Sondergesetzliche Abweichungen sind unzulässig (OGH 9.6.1998, 5 Ob 147/98y). Daraus hat das Berufungsgericht laut OGH rechtsrichtig abgeleitet, dass auch nach dem EuFRÜb der den Fristenlauf auslösende Tag (hier der Tag der Geburt) in die Antragsfrist nicht einzurechnen ist.
Der Familienzeitbonus steht gem § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG lediglich „selbständig oder unselbständig Erwerbstätigen“ zu, welche der KV und PV unterliegen. Der Vater muss zudem vor Bezugsbeginn mindestens – formalistisch – durchgehend 182 Tage (rund sechs Monate) kranken- und pensionsversicherungspflichtig erwerbstätig gewesen sein. Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit von 14 Tagen im Beobachtungszeitraum (182 Tage) haben keinen Einfluss. Nach dem Gesetzeswortlaut in leg cit darf im Unterbrechungszeitraum keine Leistung aus der AlV bezogen werden.
Karenzzeiten nach dem VKG vor Bezugsbeginn, in der die Erwerbstätigkeit unterbrochen wurde, werden einer Erwerbstätigkeit jedoch gleichgestellt. Sohin sind geringfügig Beschäftigte, Arbeitslosengeld- oder Notstandshilfebezieher, Pensionisten, Bezieher von Weiterbildungsgeld gem § 26 AlVG oder Bezieher der Mindestsicherung jedenfalls vom Bezug des Familienzeitbonus ausgenommen.
Zu einem – nach dem Gesetzeswortlaut des § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG anspruchsschädlichen – Bezug einer „Leistung aus der Arbeitslosenversicherung“ entschied der OGH jedoch bei einem Bezieher von Bildungsteilzeitgeld, welches systematisch gem § 26 a AlVG eine „Leistung aus der Arbeitslosenversicherung“ darstellt, in 10 ObS 16/21g iSd Kl, dass dessen Bezug das Erwerbstätigkeitserfordernis nicht ausschließt:
Bezieher von Bildungsteilzeitgeld (§ 26 a AlVG) sind gem § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG „erwerbstätig“, da deren Dienstverhältnis weiterhin unter Entgeltpflicht 341 des DG weiterbesteht und de facto lediglich das Ausmaß der Arbeitszeit aufgrund einer Weiterbildungsmaßnahme reduziert wurde. Dies, obwohl das Bildungsteilzeitgeld systematisch natürlich eher als „Leistung aus der Arbeitslosenversicherung“ zu qualifizieren ist. Es besteht aber laut OGH kein Grund, den Bezug von Bildungsteilzeitgeld im Hinblick auf das dem Erwerbstätigkeitserfordernis des § 24 Abs 1 Z 2 iVm Abs 2 KBGG nach Wortlaut und gesetzgeberischer Intention entsprechende Erwerbstätigkeitserfordernis des § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG unterschiedlich zu behandeln.
Ebenso wie das Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens („einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld“) nur im relevanten Zeitraum erwerbstätigen Elternteilen offen stehen soll, soll auch der Familienzeitbonus nur bis unmittelbar vor Bezugsbeginn „erwerbstätigen“ Vätern offen stehen.
Die Ableistung des Präsenzdienstes stellt laut OGH keine „Erwerbstätigkeit gem § 2 Abs 1 Z 5 leg cit dar (OGH 30.7.2019, 10 ObS 38/19i):
Ein innerhalb der letzten 182 Tage vor Bezugsbeginn abgeleisteter Präsenzdienst stellt keine als tatsächliche Ausübung einer in Österreich kranken- und pensionsversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit iSd § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG dar und ist einer solchen auch nicht gleichzuhalten.
Die tatsächliche Ausübung der in Österreich kranken- und pensionsversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit liegt laut OGH jedoch bei einer Vielzahl von Konstellationen – zB Bezug von Weiterbildungsgeld (OGH 21.10.2014, 10 ObS 103/14s), Bezug einer Urlaubsersatzleistung (OGH 17.4.2018, 10 ObS 164/17s), Bezug von Krankengeld (Zeiten eines Krankenstands ohne arbeitsrechtliche Entgeltfortzahlung, OGH 25.2.2014, 10 ObS 5/14d) – nicht vor, weswegen auch bei Leistung des Präsenzdienstes (OGH 10.9.2012, 10 ObS 57/12y) das Erwerbstätigkeitserfordernis verneint wurde.
Der Umstand, dass bei Frauen, die gem § 2 Abs 5 FamZeitbG „als Väter gelten“, mangels Wehrpflicht eine Unterbrechung ihrer tatsächlichen Erwerbstätigkeit durch den Präsenzdienst ausgeschlossen ist, ist eine Reflexwirkung der Wehrpflicht nur für männliche Staatsbürger. Dies begründet laut OGH daher keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das in § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG vorgesehene Erwerbstätigkeitserfordernis.
In 10 ObS 99/20m vom 13.10.2020 bezog der OGH zur Frage, ob tatsächlich eine „physische“ Ausübung der Erwerbstätigkeit innerhalb von 182 Tagen vor Bezugsbeginn notwendig sei, Stellung:
Für die Verwirklichung des Tatbestands des § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG ist es – neben den weiteren in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen – erforderlich, dass im Beobachtungszeitraum der letzten 182 Tage unmittelbar vor Bezugsbeginn (sohin vor Geburt des Kindes) erstens eine – selbstständige oder unselbstständige – Erwerbstätigkeit „ausgeübt“ wird, und dass zweitens durch diese Erwerbstätigkeit die Pflichtversicherung in der KV und PV begründet wird. Es kommt nicht auf eine „physische“ Ausübung der Erwerbstätigkeit an.
Ein Sonderurlaub bzw eine Vaterschaftsfrühkarenz eines Vertragsbediensteten vor der Geburt des Kindes bei vollem Entgeltbezug und Weiterbestehen der Pflichtversicherung erfüllt sohin das Erwerbstätigkeitserfordernis.
Im Rahmen einer arbeitsrechtlichen Regelung mit dem DG muss gem § 1a VKG eine Unterbrechung der Erwerbstätigkeit zwischen der Geburt und dem Ablauf des Beschäftigungsverbotes der Mutter im Ausmaß von „einem Monat“ vorliegen. In Frage kommt ein kollektivvertraglicher Freistellungsanspruch oder die Vereinbarung/Meldung des „Papamonats“, wobei seit 1.9.2019 ein Rechtsanspruch auf diese Freistellung gegenüber dem DG im Ausmaß von „einem Monat“ besteht. Bereits die Textierung bzw Auslegung der Wendung „… muss sich ausschließlich der Familien widmen ...“
in § 2 Abs 4 FamZeitbG führte zur Befassung des OGH.
In 10 ObS 10/19x vom 19.2.2019 hielt der OGH dazu fest:
Der Anspruch eines unselbständig erwerbstätigen Vaters auf den Familienzeitbonus geht nicht dadurch verloren, dass der mit dem DG vereinbarte Zeitraum der Unterbrechung der Erwerbstätigkeit wenige Tage über den Bezugszeitraum des Familienzeitbonus hinausgeht. Auch ein Hinweis im Antragsformular der Bekl, dass die Dauer der Familienzeit dem beantragten Familienzeitbonus exakt entsprechen müsse, ist nicht maßgeblich.
Zu beurteilen war vom OGH, ob die Legaldefinition der Familienzeit in § 2 Abs 4 FamZeitbG – wie die Bekl vermeinte – dahin zu verstehen ist, dass der Anspruch auf Familienzeitbonus eine „exakte Deckung“ der Bezugsdauer mit der mit dem DG vereinbarten Freistellung in dem Sinn voraussetzt. Dieser Rechtsmeinung, dass die beantragte Bezugsdauer nicht kürzer sein darf als die vereinbarte Freistellung, wurde vom OGH jedoch nicht gefolgt. Kommen DG und DN überein, die Erwerbstätigkeit 342 eine gewisse Zeit länger als den Bezugszeitraum zu unterbrechen, wird der Wert der unterstützenden Tätigkeit des Vaters nicht geschmälert.
In 10 ObS 101/19d vom 30.7.2019 führte der OGH demgegenüber jedoch gegensätzlich aus, dass sich der gewählte Bezugszeitraum und die Familienzeit zeitlich immer exakt decken müssten und verneinte in der Folge den Anspruch auf den Familienzeitbonus im konkreten Fall mangels „gemeinsamen Haushaltes“ während der gemeinsamen Zeit der Jungfamilie im Familienzimmer eines Krankenhauses:
Die Familienzeit darf nicht kürzer andauern als der gewählte und beantragte Familienzeitbonus-Anspruchszeitraum. Ein Aufenthalt des Vaters im Familienzimmer des Krankenhauses nach der Geburt erfüllt zwar die Voraussetzung der „Familienzeit“ gem § 2 Abs 4 FamZeitbG, nicht aber jene des „gemeinsamen Haushaltes“ gem § 2 Abs 3 FamZeitbG.
Wenn sohin während eines Krankenhausaufenthalts von Mutter und Kind kein Anspruch auf den Familienzeitbonus besteht und die verbleibenden Tage, in der Familienzeit beansprucht wird, die vom Kl anfangs gewählte Bezugsdauer nicht erreichen, besteht kein Anspruch auf Familienzeitbonus (in Anlehnung an OGH 20.11.2018, 10 ObS 109/18d). Eine anteilige Auszahlung habe der Gesetzgeber ebenso ausgeschlossen wie eine spätere Änderung des Anspruchszeitraums (wie OGH10 ObS 109/18d mwN). Obwohl an 30 Kalendertagen alle Anspruchsvoraussetzungen erfüllt waren, war dies laut OGH jedoch irrelevant. Einen gleichheits- und damit verfassungswidrigen Inhalt dieser gesetzlichen Regelungen zur Unzulässigkeit einer anteiligen Auszahlung sah der Senat in dieser E nicht, weshalb er die Anregung des Revisionswerbers auf Anrufung des VfGH nicht aufgriff.
Der OGH hat in 10 ObS 69/20z vom 28.7.2020 zur aliquoten Auszahlung mangels Deckung der Familienzeit und beantragtem Bezugszeitraum seine obige Rechtsmeinung erneut bestätigt: Wegen fehlender zeitlicher Deckung wurde das Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts verneint. Dem Kl gebührt kein Anspruch auf den Familienzeitbonus, weil sich die Familienzeit (§ 2 Abs 1 Z 3 und Abs 4 FamZeitbG) und der beantragte Bezugszeitraum nicht decken und die Familienzeit kürzer ist als der gewählte Bezugszeitraum (RS0133088). Eine anteilige Auszahlung hat der Gesetzgeber ebenso ausgeschlossen wie eine spätere Änderung des Anspruchszeitraums (OGH10 ObS 101/19d). Werden die Voraussetzungen auch nur an einem Tag der gewählten Dauer nicht erfüllt, so gebührt gar kein Familienzeitbonus (OGH 13.9.2019, 10 ObS 115/19p mwH), auch wenn es sich bei der Beantragung nur um einen Unterschied von einem einzigen Kalendertag handelt.
Von dieser nunmehrigen gefestigten Rechtsansicht zur Notwendigkeit einer zeitlichen Deckung der Familienzeit zum beantragten Anspruchszeitraum wich der OGH erneut in 10 ObS 71/21w vom 19.5.2021 nicht ab:
Die Familienzeit darf nicht kürzer andauern als der gewählte Familienzeitbonus-Anspruchszeitraum (wie auch OGH10 ObS 109/18d; OGH10 ObS 101/19d; OGH10 ObS 115/19p). Werden die Voraussetzungen auch nur an einem Tag der gewählten Dauer nicht erfüllt, so gebührt gar kein Familienzeitbonus. Eine anteilige Auszahlung hat der Gesetzgeber ebenso ausgeschlossen wie eine spätere Änderung des Anspruchszeitraumes (im Verfahren).
In 10 ObS 132/19p vom 19.11.2019 thematisierte der OGH die Rechtsfrage der Erkrankung des Vaters während seiner Familienzeit bei gleichzeitiger Abwesenheit des Neugeborenen (wegen neuerlichem Krankenhausaufenthalt):
Die faktische Unterbrechung der Wohngemeinschaft mit dem Kind wegen einer nach Entlassung aus dem Krankenhaus eingetretenen neuerlichen Erkrankung des Kindes mit stationärem Krankenhausaufenthalt während der Familienzeit ist wegen einer während dieser Unterbrechung eingetretenen eigenen Erkrankung des Kl (Krankenstand wegen Lungenentzündung) für den Anspruch auf den Familienzeitbonus schädlich.
Wegen der in § 2 Abs 4 FamZeitbG normierten weiteren (kumulativen) Anspruchsvoraussetzung der „zumindest 28-tägigen Familienzeit“ verblieben (wegen der fünftägigen Erkrankung des Kl) weniger als 28 Tage, sodass keine „Familienzeit“ vorliegt und der gesetzliche Mindestbezugszeitraum unterschritten wird. Dies auch dann, wenn davor bereits ein „gemeinsamer Haushalt“ begründet wurde. Obwohl der Kl, die Mutter des Kindes und auch das Kind nach der Geburt und Entlassung aus dem Spital denselben gemeinsamen Hauptwohnsitz aufwiesen und diese dort auch alle hauptwohnsitzlich gemeldet waren, wurde der gemeinsame Haushalt wegen nachträglicher Erkrankung des Kl vom OGH hier verneint.
Nach der bisherigen Rsp hat der Vater während des Krankenhausaufenthalts von Mutter und Kind (unmittelbar) nach der Geburt wegen Fehlens eines gemeinsamen Haushalts mit dem Kind keinen Anspruch auf Familienzeitbonus, weil im Krankenhaus keine „dauerhafte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft des Vaters, des Kindes und des anderen Elternteils an derselben Wohnadresse“ vorliegt.
Demgegenüber wäre im vorliegenden Fall die Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft des Vaters, des Kindes und des anderen Elternteils aber bereits begründet worden. Dem Argument des Kl, dass durch den kurzfristigen, vorübergehenden Krankenhausaufenthalt des Kindes der (einmal 343 begründete) gemeinsame Haushalt iSd FamZeitbG nicht wieder aufgehoben werden könne, ist der OGH nicht gefolgt.
Ferner wurde zur Anspruchsvoraussetzung der „Familienzeit“ – in welcher „Hilfestellung für die gesamte Familie“ vom Vater erfolgen soll – vom OGH in 10 ObS 109/18d als obiter dictum ausgeführt, dass für die Betreuung weiterer (älterer) Kinder ein Vater nach der Geburt eines jüngeren Kindes ohnehin Sonderurlaub oder Pflegefreistellung statt der Familienzeit in Anspruch nehmen könne. Dies trifft jedoch nur bei unselbständig Erwerbstätigen zu.
Der Vater muss mit Mutter und Kind „in einem gemeinsamen Haushalt leben“. Die Mutter, „das“ Kind (trotzdem wohl auch bei Zwillingsgeburten anwendbar) und der Vater müssen sohin an einer „Adresse“ (zur Begriffsdefinition siehe vor allem auch in OGH 29.3.2022, 10 ObS 161/21f unter Pkt 4.) gemeinsam hauptwohnsitzlich gemeldet sein. Die Hauptwohnsitz-Meldung des Kindes muss bis spätestens 10 bzw 13 Tage (10 Tage gem dem FamZeitbG zuzüglich drei Tage nach dem Meldegesetz) ab der tatsächlichen Unterkunftnahme (und nicht – wie der OGH aussprach – ab der Geburt) im gemeinsamen Haushalt erfolgen.
Eine kurzfristige, knapp dreimonatige und lediglich formale hauptwohnsitzliche Meldung am Wohnsitz der Eltern des Kl, welche jedoch erst nach Bezug des Familienzeitbonus erfolgte, schadet nicht, wenn bereits bei erstmaliger Begründung des gemeinsamen Haushaltes mit der Kindesmutter die Absicht bestand, am „Familienwohnsitz“ eine dauerhafte Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zu begründen.
Insb ungeplante medizinisch indizierte Krankenhausaufenthalte von Mutter und Kind nach der Geburt, der Aufenthalt des Vaters im gemeinsamen Familienzimmer im Krankenhaus oder Betreuungspflichten des Vaters gegenüber älteren Kindern führten auch hier zu Auseinandersetzungen zwischen dem Krankenversicherungsträger und Leistungswerbern vor dem OGH.
Die erste richtungsweisende E zum „gemeinsamen Haushalt“ erging mit OGH10 ObS 109/18d am 20.11.2018:
Solange Mutter und Kind – ohne dem Vater – nach der Geburt noch im Krankenhaus sind, fehlt jedenfalls die Anspruchsvoraussetzung des „gemeinsamen Haushaltes“. Der gesamte Anspruch auf den Familienzeitbonus geht sohin verloren, wenn dadurch (wegen des Fehlens dieser Anspruchsvoraussetzung für wenige Tage) die 28-tägige Mindestdauer nicht erreicht wird. Eine anteilige Auszahlung ist demnach nicht möglich. Sind im gewählten Anspruchszeitraum die Voraussetzungen für vier Tage nicht erfüllt, kann der Familienzeitbonus zur Gänze (!) nicht gewährt werden. Anstatt der von § 3 Abs 2 FamZeitbG geforderten 28 bis 31 Tage verblieben im vorliegenden Fall nur 23 Tage, an welchem der „gemeinsame Haushalt“ formal vorlag, wodurch bereits der gesetzliche Mindestbezugszeitraum unterschritten ist.
Der OGH folgerte in dieser ersten E, dass im konkreten Fall die Anspruchsvoraussetzung des „gemeinsamen Haushaltes“ nicht erfüllt sei, weil während des Krankenhausaufenthalts von Mutter und Neugeborenem (ohne den Vater) die Pflege und Betreuung des Kindes durch Leistungen der Krankenanstalt abgedeckt werden. Der Vater trage laut OGH nicht dazu bei, den vom Gesetzgeber intendierten Leistungszweck (die Partnerin bei der Pflege und Betreuung des Säuglings zu unterstützen und eine frühzeitige emotionale Bindung zwischen Kind und Vater entstehen zu lassen) zu erreichen.
In 10 ObS 115/19p sprach der OGH – zu 10 ObS 109/18d relativ gleichlautend – aus:
Während des Krankenhausaufenthalts von Mutter und Kind nach der Geburt (am 23.6.2018) liegt – dies für den gesamten beantragten Zeitraum vom 25.6. bis 25.7.2018 – kein gemeinsamer Haushalt iSd § 2 Abs 3 FamZeitbG vor, weil in der kurzen Zeitspanne des gemeinsamen Aufenthaltes in einem Familienzimmer von wenigen Tagen nach der Geburt „die Pflege und Betreuung des Kindes durch Leistungen der Krankenanstalt abgedeckt wird“. Werden die Voraussetzungen auch nur an einem Tag der gewählten Dauer nicht erfüllt, so gebührt kein Familienzeitbonus.
Auch wenn während dieser Zeit die Mutter bei der Pflege und Betreuung des Säuglings vom Vater im „Familienzimmer“ eines Krankenhauses – tatkräftig – unterstützt wird und laut OGH die Familienzeit vorliegt, mangelt es in dieser Phase jedoch an einem „gemeinsamen Haushalt“. Diese Betreuung auch während des Krankenhausaufenthalts diene zwar der vom Gesetzgeber gewünschten Verstärkung einer emotionalen Bindung des Kindes zum Vater und der Unterstützung der Mutter. Dessen ungeachtet werden auch hier Pflege- und Betreuungsbedürfnisse von Mutter und Kind während der ersten Tage nach der Geburt durch Leistungen des Krankenhauspersonals sichergestellt. Klassische Haushaltsleistungen, mit denen der Vater seine Partnerin nach der Geburt unterstützen soll, fielen laut OGH während des Krankenhausaufenthalts nicht an (10 ObS 101/19d).344
Mit 10 ObS 113/19v (vom 31.1.2020) und 10 ObS 177/19f (vom 26.5.2020) hielt der OGH erneut fest, dass nur bei exakter zeitlicher Deckung von Familienzeit mit der gewählten Mindestbezugsdauer der gemeinsame Haushalt vorliegen kann, auch wenn die erforderliche Mindestdauer von 28 Tagen an zeitlicher Deckung vorliege. Strittig war erneut, ob bei Fehlen eines gemeinsamen Haushalts mit dem Kind während weniger einzelner Tage am Beginn des Antragszeitraums zumindest ein Anspruch auf den Familienzeitbonus wenigstens für jenen kürzeren Zeitraum bestehen kann, innerhalb dessen der gemeinsame Haushalt pro forma vorlag und zudem die Klage auf diesen Zeitraum im laufenden Verfahren eingeschränkt wird, was der OGH jedoch ebenso verneinte:
Während des Krankenhausaufenthalts von Mutter und Kind bestehe – im Einklang mit der bisherigen Judikatur – kein Anspruch auf den Familienzeitbonus, wenn die verbleibenden Tage, in der Familienzeit beansprucht wird, die vom Vater (anfangs verbindlich) gewählte Mindestbezugsdauer nicht erreichen. Dies auch dann, wenn trotzdem noch an (zumindest) 28 Tagen eine zeitliche Deckung von Familienzeit und dem gemeinsamen Haushalt besteht.
Zum wiederholten Male wurde hier vom OGH eine anteilige Auszahlung ebenso dezidiert ausgeschlossen wie eine spätere Änderung des Anspruchszeitraums.
Der Gesetzgeber habe nach der bisherigen Judikatur eine anteilige Auszahlung ebenso ausgeschlossen wie eine spätere Änderung des Anspruchszeitraums (OGH10 ObS 101/19d; OGH10 ObS 113/19v, 10 ObS 177/19f). Werden die Voraussetzungen auch nur an einem Tag der gewählten Dauer nicht erfüllt, so gebührt gar kein Familienzeitbonus (OGH10 ObS 115/19p; OGH10 ObS 113/19v).
Diese Rsp des OGH zur Nichtaliquotierbarkeit und zur Deckung vom beantragten Zeitraum mit der Familienzeit und dem gemeinsamen Haushalt wurde zu Recht von der Lehre kritisiert.
Reissner (ASoK 2019, 402 [409]) erachtete die Sanktion des Verlusts des gänzlichen Anspruchs in 10 ObS 101/19d als unnötig hart, bewege sich der Vater doch immer noch innerhalb des gesetzlich gewollten Zeitausmaßes. Reissner weist überdies auf die Vorgaben der RL (EU) 2019/1158 und insb deren Art 8 hin. Aus dieser Bestimmung ergebe sich die Verpflichtung zur Zahlung eines Familienzeitbonus für zumindest 10 Tage nach den Maßstäben des Krankenstands- bzw Krankenversicherungsrechts. § 3 FamZeitbG werde daher nach den Vorgaben der bis 2.8.2022 umzusetzenden RL zu adaptieren sein.
Auch Schrattbauer (JAS 2020, 244 [261 f]) kritisierte, dass der explizite Ausschluss jeglicher Änderungsmöglichkeit des einmal gewählten Bezugszeitraums (§ 3 Abs 3 letzter Satz FamZeitbG) im Fall unvorhergesehener und unvorhersehbarer Ereignisse selbst dann zu einem Wegfall des Anspruchs führe, wenn der Bezugszeitraum ursprünglich richtig geplant und beantragt worden ist und die spätere Verkürzung der Familienzeit nicht im Einflussbereich des Leistungsbeziehers liege (etwa im Fall einer Erkrankung des Kindes und des Vaters gegen Ende der Familienzeit, OGH10 ObS 132/19p SSV-NF 33/72).
I. Faber (DRdA 2022, 18 [20 f]) hielt es insb auch vor dem Hintergrund des Zwecks des FamZeitbG für hinterfragenswert, aus der verfahrensrechtlichen Bestimmung zur Antragstellung den Schluss zu ziehen, dass der Anspruch auf Familienzeitbonus materiell nicht auch für einen kürzeren als den gewählten Zeitraum bestehen könne.
§ 2 Abs 3 FamZeitbG regelt zur Wohnsitzmeldung lediglich, dass „eine höchstens bis zu zehn Tagen verspätet erfolgte Hauptwohnsitzmeldung des Kindes an dieser Wohnadresse nicht schadet“
. Nach dem Meldegesetz hat man die Wohnsitzmeldungen binnen drei Tagen „nach Unterkunftnahme“ bei der Meldebehörde durchzuführen.
Das FamZeitbG enthält hierzu keine konkrete Regelung, aus der hervorginge, zu welchem Zeitpunkt ein Kind an der gemeinsamen Wohnadresse „hauptwohnsitzlich“ zu melden ist. In den Gesetzesmaterialien zum FamZeitbG findet sich in diesem Zusammenhang lediglich der Hinweis, dass „… anspruchsberechtigt nur Väter sind, die sich in Familienzeit befinden und die alle anderen Anspruchsvoraussetzungen erfüllen, dazu gehören“
… „auch der Lebensmittelpunkt der Familie in Österreich, der gemeinsame Haushalt der Familie an einer Wohnadresse (auf Dauer angelegtes Zusammenleben in einer Wirtschafts- und Wohngemeinschaft samt identer Hauptwohnsitzmeldungen aller Familienmitglieder an dieser Wohnadresse)“
(ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 2).
Was rechtens ist, wenn die Meldung erst 13 Tage nach der Heimkehr aus dem Krankenhaus erfolgt, wurde vom OGH jedoch erst in seiner E vom 26.3.2019 (10 ObS 121/18v)beantwortet:
Der Begriff der „Hauptwohnsitzmeldung“ in § 2 Abs 3 Satz 2 FamZeitbG stellt auf den Hauptwohnsitzbegriff des § 1 Abs 7 MeldeG ab. Den Eltern steht sohin laut OGH ab der Entlassung des Kindes aus dem Krankenhaus eine Frist von 13 Tagen für die noch ausständige Anmeldung des Kindes am gemeinsamen Hauptwohnsitz zur Verfügung.
Eine noch vor Ablauf der dreitägigen Frist des § 3 Abs 1 MeldeG zuzüglich der höchstens bis zu 345 zehn Tagen offenen Toleranzfrist des § 2 Abs 3 FamZeitbG erfolgte Hauptwohnsitzmeldung des Kindes an der gemeinsamen Wohnadresse ist demnach noch rechtzeitig.
Bei bereits erfolgter Begründung der gemeinsamen Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft sah der OGH in 10 ObS 147/19v vom 21.1.2020 eine verdeckte Gesetzeslücke, die eine teleologische Reduktion (vgl RS0008979; RS0008839) des § 2 Abs 3 FamZeitbG erforderlich machte. Der überschießende, keine Ausnahme vorsehende Gesetzeswortlaut wurde daher vom OGH dahingehend reduziert, dass in einem solchen Fall der gemeinsame Haushalt iSd § 2 Abs 1 Z 3, Abs 3 FamZeitbG weiterbesteht.
Demzufolge sprach der OGH in seiner E 10 ObS 147/19v auch klar aus, dass im Fall des stationären Krankenhausaufenthalts des anderen Elternteils nach erfolgter Geburt zwar die tatsächliche Wohngemeinschaft der Eltern für die Dauer des Aufenthalts aufgehoben, der Familienzeitbonus dem Vater jedoch unabhängig davon gebührt. Der Aufenthalt der Mutter im Krankenhaus ändert nichts daran, dass bei einem zeitlich begrenzten Krankenhausaufenthalt das für die Annahme einer „dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft“ wesentliche Element der Absicht, diese auf Dauer zu führen (vgl OGH 19.11.2019, 10 ObS 50/19d), nicht beseitigt wird. Ebenso wenig ist das gemeinsame Wirtschaften beendet, ändert doch ein vorübergehender Krankenhausaufenthalt nichts an der Notwendigkeit der Aufrechterhaltung eines auf drei Personen ausgelegten Haushalts.
Bei Klagsstattgebung in erster und zweiter Instanz bestätigte der OGH in 10 ObS 82/21p vom 25.1.2022, dass bei medizinisch indizierten Krankenhausaufenthalten der Mutter unter Mitnahme des Kindes (wegen Stillens) bei vorher erfolgter Unterkunftnahme der Familie am gemeinsamen Hauptwohnsitz der Familienzeitbonus dem Vater gebührt: Die Annahme eines gemeinsamen Haushalts setzt im Fall eines medizinisch indizierten Krankenhausaufenthalts und Pflege des Kindes durch die Eltern im Mindestausmaß von jeweils durchschnittlich vier Stunden täglich die vorherige tatsächliche Aufnahme der Wohngemeinschaft mit dem Kind an der Familienwohnadresse (durch Entlassung des Kindes aus dem Geburtskrankenhaus) nicht voraus (siehe bereits OGH 13.9.2021, 10 ObS 134/21k).
Diese Wertung des OGH in 10 ObS 82/21p erscheint hier bereits in einer gewissen Abkehr von der bisherigen, oft formalistischen strikten „Deckungsjudikatur“ und gab berechtigten Anlass zur Hoffnung, dass zur Frage der Aliquotierbarkeit der Leistung eine Abweichung von der bisherigen Judikatur bevorsteht.
In Auflockerung der bisherigen Rechtsmeinung, dass im Krankenhaus sämtliche Pflege- und Betreuungsleistungen vom Personal abgedeckt werden, sprach der OGH aus, dass es für das Vorliegen von Familienzeit auch nicht nur darauf ankomme, dass Vater oder Mutter jede einzelne Pflegeverrichtung persönlich durchführen, sondern darauf, dass der Vater seine „Erwerbstätigkeit unterbricht und sich seiner Familie widmet“.
Diese Voraussetzungen hat der Kl im vorliegenden Fall auch während des Krankenhausaufenthalts seiner Ehegattin und des Kindes erfüllt.
In der älteren E 10 ObS 29/20t vom 16.4.2020 sprach der OGH damals zu medizinisch bedingten Abwesenheiten der Mutter zwar noch einschränkend aus, dass eine solche schädlich sei, wenn diese direkt nach der Geburt und ohne davorliegende Begründung einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft am gemeinsamen Hauptwohnsitz (auch nur für wenige Tage) erfolgt:
Der achttägige stationäre Aufenthalt von Mutter und Kind ab der Geburt (13.1.2019) war durch eine Erkrankung der Mutter, nicht aber des Kindes, medizinisch indiziert. In diesem Fall ging der OGH nicht von einem gemeinsamen Haushalt aus und negierte den Anspruch auf dem Familienzeitbonus. Dass das Kind nur aufgrund des Stillens (nicht wegen einer eigenen Erkrankung) bei der Mutter im Geburtskrankenhaus blieb, ist einer Erkrankung (iS einer Gesundheitsstörung) des Kindes, die dessen stationären Aufenthalt medizinisch indiziert hätte, dem OGH zufolge nicht gleichzusetzen.
Auch bei unvorhergesehenen längeren Krankenhausaufenthalten des Kindes vor dem 1.1.2019 stand der OGH ua in 10 ObS 148/19s vom 16.4.2020 auf dem Standpunkt, dass ein gemeinsamer Haushalt von Vater und Kind nicht begründet wurde:
Wenn das Neugeborene aufgrund von medizinischen Komplikationen – entgegen der Mitteilung der behandelnden Ärzte – dann aufgrund einer unerwarteten Verschlechterung des Gesundheitszustandes noch einige Tage länger als prognostiziert im Juni 2018 in stationärer Behandlung bleiben muss, steht der Familienzeitbonus nicht zu, wenn der Vater die Familienzeit – aufgrund der Auskunft der Ärzte – bereits ab dem prognostizierten Entlassungstag gemeldet hat. Dies auch dann, wenn der Kl in dieser Zeit mindestens vier Stunden täglich bei seiner Tochter in der Klinik verbrachte und diese mitbetreut hat.
Nach der Neuregelung im § 2 Abs 3a FamZeitbG bestätigte der OGH ua in 10 ObS 134/21k die Anwendbarkeit des § 2 Abs 3a (neu) leg cit auf medizinisch indizierte Krankenhausaufenthalte von Neugeborenen nach dem 31.12.2018 (bei Vorliegen der übrigen Anspruchsvoraussetzungen): 346
Ein medizinisch indizierter Krankenhausaufenthalt des Kindes iSd § 2 Abs 3a FamZeitbG im April 2019 steht dem Bezug des Familienzeitbonus nicht entgegen. Ein Krankenhausaufenthalt ist demnach „medizinisch indiziert“, wenn er aus medizinischen Gründen notwendig ist. Darüber hinaus ist dem Gesetz weder eine bestimmte (Mindest-)Dauer des im Einzelfall erforderlichen Krankenhausaufenthalts entnehmbar noch ist es erforderlich, dass vor Beginn eines medizinisch indizierten Krankenhausaufenthalts bereits eine drei- bis fünftägige „übliche Verweildauer“ im Krankenhaus nach einer Geburt verstrichen wäre.
Der Lebensmittelpunkt des antragstellenden Elternteils, des Kindes und des zweiten Elternteils muss in Österreich liegen. Für Nicht-Österreicher:innen muss zusätzlich ein rechtmäßiger Aufenthalt in Österreich nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) bzw nach dem Asylgesetz 2005 gegeben sein.
Für das Kind muss Familienbeihilfe bezogen werden.
Die formalen Voraussetzungen „einer Unterbrechung“ und „einer tatsächlichen Unterbrechung der Erwerbstätigkeit“ während des Bezugs vom Familienzeitbonus in der Familienzeit waren aufgrund der unklaren Formulierung strittig.
In 10 ObS 111/18y entschied der OGH am 19.12.2018:
Schon der äußere Eindruck der weiteren (Nicht-)Ausübung einer Erwerbstätigkeit – und nicht zwangsläufig ein formaler Akt wie die Streichung aus der Liste der Rechtsanwälte – ist ausschlaggebend für die positive Beurteilung der Anspruchsvoraussetzung „Unterbrechung der Erwerbstätigkeit“. Ein selbständiger Rechtsanwalt hat sohin auch Anspruch auf den Familienzeitbonus, wenn er von der Liste der Rechtsanwälte während seinem „Papamonat“ nicht gestrichen ist. Ein Weiterbestehen der anwaltlichen Gruppenkrankenversicherung im Anspruchszeitraum schadet ebenso wenig.
Nach der Familienzeit („Papamonat“) und dem Bezug des Familienzeitbonus muss der Vater die vorherige Erwerbstätigkeit wieder aufnehmen. Einen Niederschlag im Gesetzestext findet man lediglich durch die Textierung von § 2 Abs 4 FamZeitbG „… und dazu die Erwerbstätigkeit unterbricht …“
. Ob es möglich ist, nach Bezugsende eine andere als die unterbrochene Tätigkeit auszuüben oder eine Karenz/Freistellung direkt an die Familienzeit anzuschließen, ist gesetzlich ebenso ungeregelt und wurde vom OGH in 10 ObS 157/21t vom 22.2.2022 iSd Kl beantwortet:
Eine auf den (beantragten) Bezug des Familienzeitbonus direkt folgende Inanspruchnahme einer Karenz nach dem VKG ohne dazwischen erfolgte Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit steht dem Bezug des Familienzeitbonus nicht entgegen, da das bestehende Dienstverhältnis auch weiterhin nach dem Papamonat „unterbrochen“/karenziert bleiben kann, wenn ein Wiederantritt erfolgt und der generelle Weiterbestand des Dienstverhältnisses unstrittig ist. Diesbezügliche Hinweise im Antragsformular und im Informationsblatt zum Familienzeitbonus sind laut OGH völlig unerheblich, da Formulare den in § 2 FamZeitbG eingeräumten Anspruch auf Familienzeitbonus nicht einschränken oder aberkennen können (vgl OGH10 ObS 10/19x SSV-NF 33/11 = EvBl 2019/90, 606 [Burger-Ehrnhofer]).
Während des „Papamonats“ darf der Vater weder einen Verdienst noch Leistungen bei Krankheit (vor allem volles Krankengeld) oder Urlaubsentgelt beziehen. Ein gleichzeitiger Bezug von Familienzeitbonus und Kinderbetreuungsgeld durch dieselbe Person ist nicht möglich. Der Familienzeitbonus für betreuungswillige Väter nach der Geburt stellt sohin auch wegen der – von der AK NÖ kritisierten – diesbezüglichen noch stattfindenden Anrechnung auf ein späteres Kinderbetreuungsgeld eine Art „vorgezogenen Kinderbetreuungsgeldbezug“ dar, bei welchem auch „Zuverdienste“ (iSd § 8 KBGG iVm § 2 EStG) anspruchsvernichtend wirken. Daher sind sowohl Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, selbständiger und unselbständiger Erwerbstätigkeit und Einkünfte aus Gewerbebetrieben schädlich.
Bereits bei der Antragstellung ist die Bezugsdauer des Familienzeitbonus (28, 29, 30 oder 31 Tage) „verbindlich festzulegen“. Eine (spätere) Änderung ist danach nach § 3 Abs 3 FamZeitbG (auch im laufenden Gerichtsverfahren!?) nicht mehr möglich (siehe dazu auch 3.3. und 3.4.1.).
Die Thematik der „verbindlichen“ Festlegung der Bezugsdauer und der damit verbundenen „unabänderlichen“ Antragstellung auf 28 bis 31 Tage wurde vom OGH bis Februar 2022 in den Entscheidungen347 zu den Anspruchsvoraussetzungen der Familienzeit und zum gemeinsamen Haushalt gleichlautend behandelt und wurde vom OGH eine Unzulässigkeit einer späteren Abänderung der Anspruchsdauer durch den Kl und einer Unzulässigkeit eines daraus resultierenden kürzeren oder aliquoten Bezuges vom OGH festgehalten.
Im März 2022 ging der OGH jedoch von seiner Judikatur zur Nichtaliquotierbarkeit des Familienzeitbonus in der E 10 ObS 161/21f vom 29.3.2022 grundlegend ab:
Unterbricht der Vater für den gesamten beantragten Anspruchszeitraum, der zwischen 28 und 31 Tagen umfassen muss, seine Erwerbstätigkeit, um sich aus Anlass der Geburt eines Kindes seiner Familie zu widmen (Familienzeit), und fehlt es während des Antragszeitraums nur an einzelnen Tagen an der Erfüllung einer der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen des § 2 FamZeitbG, so besteht (nur) für die Tage, an denen alle Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, ein anteiliger Anspruch auf den Familienzeitbonus.
Der OGH befasste sich in diesem von der AK NÖ für ein Mitglied geführten Verfahren vorerst eingehend mit der Definition der Unterkunft, dem Begriff einer „Adresse“ und dem der „Wohnung“:
Dem OGH zufolge lag in diesem Verfahren formal und nach der bisherigen Rsp demzufolge kein gemeinsamer Haushalt iSd § 2 Abs 1 Z 4 iVm Abs 3 FamZeitbG vor, weil es in einem Zeitraum von vier Tagen an einer gemeinsamen „hauptwohnsitzlichen“ Meldung des Kl und des anderen Elternteils mangelte. Nach der bisherigen Rsp des OGH bis Februar 2022 hätte daher demzufolge kein Anspruch auf Familienzeitbonus bestanden, weil die Anspruchsvoraussetzung des gemeinsamen Haushalts iSd § 2 Abs 3 FamZeitbG nicht für den gesamten, vom Vater gewählten Anspruchszeitraum erfüllt waren (OGH10 ObS 101/19d; OGH10 ObS 109/18d).
Da die bisherige Rsp in der Lehre bereits seit 2019 auf Kritik gestoßen ist (vor allemReissner in ASoK 2019, 402 [409];Schrattbauer in JAS 2020, 244 [261 f];I. Faber in DRdA 2022, 18 [20 f]) hat sich der OGH mit den Bestimmungen der §§ 2 und 3 FamZeitbG neuerlich auseinandergesetzt. Dies vor allem deshalb, daReissner in ASoK 2019, 402 (403 f) auch auf die RL (EU) 2019/1158 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.6.2019 zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige und zur Aufhebung der RL 2010/18/EU des Rates (in der Folge: RL 2019/1158), insb deren Art 8, hinwies.
Aus Art 8 der RL 2019/1158 ergibt sich – iVm Art 4 Abs 1 RL 2019/1158 – nämlich die Verpflichtung zur Zahlung eines Familienzeitbonus für 10 Tage nach den Maßstäben des Krankenstands- bzw Krankenversicherungsrechts. Die Festlegung eines verbindlichen Anspruchszeitraums gem § 3 Abs 3 FamZeitbG ist nach der nunmehrigen Rechtsmeinung des OGH allein für das Verwaltungsverfahren maßgeblich, nicht jedoch für die Frage der Anspruchsberechtigung (dazu auch I. Faber, DRdA 2022, 21).
Der gänzliche Wegfall des Anspruchs im Fall des Fehlens der Anspruchsvoraussetzungen auch nur an einem Tag des gewählten Bezugszeitraums steht jedoch in Widerspruch zum Zweck der Gewährung eines Familienzeitbonus. Der gänzliche Verlust des Anspruchs bei Aufrechterhaltung der bisherigen Rsp würde laut OGH der Intention der RL 2019/1158, Männern einen Anreiz zur Kinderbetreuung zu geben, widersprechen.
Der OGH sprach daher erstmalig den Familienzeitbonus anteilig zu, obwohl keine exakte zeitliche Deckung von Familienzeit und gemeinsamem Haushalt vorlag.
In Zukunft wird sohin nach diesem Judikat zur Möglichkeit eines anteiligen Bezuges sicher auch die Frage an den OGH herangetragen werden, ob die – seit 2017 unveränderte und nicht inflationsangepasste – Höhe des Familienzeitbonus von aktuell € 22,60 täglich nicht der Bestimmung des Art 8 Abs 2 der RL 2019/1158 widerspricht, demzufolge europarechtlich auch während des österreichischen „Papamonats“ eine Vergütung an Väter in einer Höhe zu entrichten wäre, die „… mindestens der Höhe der Vergütung entspricht, die der betreffende Arbeitnehmer vorbehaltlich der im nationalen Recht festgelegten Obergrenzen im Fall einer Unterbrechung seiner Tätigkeit aus Gründen im Zusammenhang mit seinem Gesundheitszustand erhalten würde …“
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Die weitere Auszahlung des nationalen minimalistischen Tagsatzes von € 22,60 an Väter im Papamonat wird sohin in naher Zukunft auf dem Prüfstand stehen. 348