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Ermittlung des anwendbaren Kollektivvertrags in Mischbetrieb: Keine Berücksichtigung von Kollektivverträgen zu unbedeutenden Gewerbeberechtigungen

MARTINACHLESTIL

Die Bekl betreibt ein Sanierungsunternehmen und verfügt für die zu erbringenden Tätigkeiten über mehrere Gewerbeberechtigungen. Der Betrieb der Bekl ist ein sogenannter Mischbetrieb iSd § 9 Abs 3 ArbVG; strittig ist, welcher KollV zur Anwendung gelangt. Im ersten Rechtsgang des vorliegenden Verfahrens hat der OGH (8 ObA 14/20xDRdA-infas 2020/6, 166 [Chlestil]) zum Umfang der – für die Lösung der Frage des im Mischbetrieb der Bekl anzuwendenden KollV – notwendigen Verfahrensergänzung durch das Erstgericht ausgesprochen: „Da die Parteien bislang selbst die maßgeblichen Kollektivverträge (nur) auf Gebäudereinigung und Baugewerbe eingegrenzt haben, haben die anderen Kollektivverträge mangels gleicher oder zumindest vergleichbarer wirtschaftlicher Bedeutung (...) im weiteren Verfahren außer Betracht zu bleiben. (...) Welcher dieser beiden Kollektivverträge die größere Anzahl von AN in Österreich erfasst, ist eine Tatfrage.“

Im nunmehrigen Verfahren beruft sich die Bekl in der außerordentlichen Revision auf die Anwendung des KollV Handelsarbeiter, dies mit der Argumentation, 286 dass bei der Ermittlung des anwendbaren KollV nach § 9 Abs 4 ArbVG nicht nur die Wirtschaftsbereiche einzubeziehen wären, deren gleichwertige wirtschaftliche Bedeutung für den Betrieb die ansonsten vorrangige Anwendung des § 9 Abs 3 ArbVG verhindert, sondern auch Wirtschaftsbereiche von untergeordneter Bedeutung. Dieser Auffassung hat der OGH jedoch bereits im ersten Rechtsgang (OGH 29.6.2020, 8 ObA 14/20x) eine rechtliche Absage erteilt.

Ergänzend führt er aus:

Die Auswahlregeln des § 9 Abs 3 und 4 ArbVG verfolgen das Ziel, dass in einem organisatorisch nicht getrennten Mischbetrieb der fachlich am besten entsprechende KollV gelten soll, weil dessen normativer Inhalt zur Regelung der Beziehungen der Arbeitsvertragsparteien auch am besten geeignet – fachlich adäquat – ist. Nur wenn nach Anwendung der Kriterien des § 9 Abs 3 ArbVG wegen besonderer betrieblicher Verhältnisse immer noch mehr als ein KollV in Frage kommt, ist die Zuordnung subsidiär nach einem überbetrieblichen Kriterium, nämlich der Menge der insgesamt den jeweiligen KollV „Normunterworfenen“, zu treffen.

Mit der von der Bekl vertretenen Auslegung, dass dabei nicht nur die nach § 9 Abs 3 noch um das „Gepräge“ konkurrierenden, sondern auch Kollektivverträge zu betrieblich völlig unbedeutenden Gewerbeberechtigungen in den Vergleich einzubeziehen wären, würde dieser Gesetzeszweck verfehlt. Im Ergebnis einer solchen Auslegung wäre dann auch – und gerade im vorliegenden Fall – ein KollV heranzuziehen, der dem in § 9 Abs 1 ArbVG definierten vorrangigen Kriterium der fachlichen Entsprechung am allerwenigsten gerecht wird und zur Regelung der Rechtsbeziehungen der Arbeitsvertragsparteien besonders schlecht geeignet ist.

Die außerordentliche Revision der Bekl war daher mangels einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.