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Nachfrage beim Betriebsrat bezüglich Kündigungsgrund stellt keine Aufforderung zur Kündigungsanfechtung dar – Voraussetzung für subsidiäres Anfechtungsrecht des Arbeitnehmers nicht erfüllt

LYNNROTHFISCHER
§ 105 Abs 4 dritter Satz ArbVG

Die Kl war seit 1.4.2020 bei der Bekl als Angestellte beschäftigt. Am 15.4.2021 sprach die Bekl gegenüber der Kl die Kündigung aus. Der BR widersprach der Kündigung. Einen Tag nach Zugang der Kündigung erkundigte sich die Kl beim Vorsitzenden des BR per Mail nach dem Kündigungsgrund, woraufhin der BR ein persönliches Gespräch in Aussicht stellte. Weitere Korrespondenzen mit dem BR fanden nicht statt.

Die Klage, mit der die Kl die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung wegen Sozialwidrigkeit bzw dem Vorliegen eines verpönten Motivs anstrebte, wurde von den Vorinstanzen mangels Aktivlegitimation abgewiesen, weil die Kl es verabsäumt habe, vom BR eine Kündigungsanfechtung zu verlangen.

Der OGH wies die außerordentliche Revision der Kl mangels erheblicher Rechtsfrage zurück:

Nach § 104 [richtig: § 105; Anm der Bearbeiterin] Abs 4 zweiter Satz ArbVG kann der BR auf Verlangen des gekündigten AN binnen einer Woche nach Verständigung vom Ausspruch der Kündigung diese beim Gericht anfechten, wenn er der Kündigungsabsicht ausdrücklich widersprochen hat. Nach § 104 [richtig: § 105] Abs 4 dritter Satz ArbVG kann der AN, wenn der BR diesem Verlangen nicht nachkommt, innerhalb von zwei Wochen nach Ablauf der für den BR geltenden Frist die Kündigung selbst beim Gericht anfechten.

Damit steht das Recht zur Anfechtung im Fall eines Widerspruchs des BR gegen die Kündigung primär dem BR zu, während das Anfechtungsrecht des AN voraussetzt, dass er den BR erfolglos aufgefordert hat, die Anfechtung vorzunehmen. An das „Verlangen“ des AN an den BR, die Kündigung anzufechten, sind keine besonderen formellen Ansprüche zu stellen. Wesentlich ist, dass aus den Erklärungen des AN insgesamt hervorgeht, dass er möchte, dass seine Kündigung durch Ausübung des Anfechtungsrechts nach § 105 ArbVG wieder aufgehoben wird.

Nach Ansicht der Kl sei aus ihrem Wunsch, die Gründe der Kündigung zu erfahren, „logisch“ abzuleiten, dass sie eine Anfechtung der Kündigung anstrebe. Dem ist entgegenzuhalten, dass es nicht ungewöhnlich ist, dass ein AN die Kündigung akzeptiert, aber trotzdem die Gründe dafür erfahren möchte, weshalb aus dem Wunsch der Kl, die Gründe ihrer Kündigung zu erfahren, nicht geschlossen werden muss, dass sie den BR zum Tätigwerden auffordern wollte. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass dem Schreiben der Kl, mit welchem sie sich beim BR nach den Gründen der Kündigung erkundigte, kein Verlangen auf Ausübung des Anfechtungsrechts entnommen werden kann, ist dementsprechend nicht korrekturbedürftig. 287