Schmidt-LauberLeistungsbestimmungsrechte und Arbeitsentgelt
Duncker & Humblot Verlag, Berlin 2020, 545 Seiten, broschiert, € 119,90
Schmidt-LauberLeistungsbestimmungsrechte und Arbeitsentgelt
Der Titel dieser von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg als Dissertation angenommenen Arbeit lässt an eine Abhandlung über alle entgeltrelevanten Flexibilisierungsklauseln denken. Der Untertitel „AGB-rechtliche Anforderungen an die Wirksamkeit und Ausgestaltung arbeitgeberseitiger Bestimmungsvorbehalte im Entgeltbereich“ schränkt das Untersuchungsfeld aber sogleich ein. Schmidt-Lauber fokussiert auf die Frage, wie arbeitgeberseitige Bestimmungsvorbehalte im Entgeltbereich in vorformulierten Arbeitsverträgen auszugestalten sind, um den in Deutschland geltenden Anforderungen an Allgemeine Geschäftsbedingungen zu genügen.
„Bestimmungsvorbehalte“ sind idZ als „einseitige Leistungsbestimmungsrechte des AG zur erstmaligen Festlegung einer geldwerten Leistung“ definiert (27). Das Wort „erstmalig“ kann jedoch entfallen, weil den Beispielen, die der Autor anführt, zu entnehmen ist, dass es idR um wiederholt auszuübende Gestaltungsrechte geht, zB „Der AG gewährt zusätzlich zur monatlichen Vergütung eine Weihnachtsgratifikation, deren Höhe jeweils pro Jahr vom AG festgelegt wird“
(31). Der AG verspricht zwar eine Zahlung, legt sich aber nicht auf eine bestimmte Höhe fest, weshalb weder ein Vorbehalt der Unverbindlichkeit noch der Änderung oder des Widerrufs vorliegt – der Autor spricht idZ einerseits von Freiwilligkeitsvorbehalten und andererseits von Vorbehalten des gänzlichen oder teilweisen Widerrufs (32 f). Das BAG und die wohl hA rücken Bestimmungsvorbehalte in die Nähe der Freiwilligkeitsvorbehalte, wohingegen es dem Autor sowohl darum geht, sie als den Widerrufsvorbehalten näherstehend zu erweisen, sodass ihre Zulässigkeit „strenger“ zu prüfen wäre, als auch darum, herauszuarbeiten, wovon ihre Rechtmäßigkeit abhinge (34, 52 ff, 501, 526 f). Klaus Firlei (Widerrufs- und Teilkündigungsrechte, in Brodil [Hrsg], Civiles im Arbeitsrecht [2012] 57) hat darauf aufmerksam gemacht, dass es sich bei einseitigen Gestaltungsrechten stets um Formen „teilweiser“ Unverbindlichkeit handelt: Der AG will sich „nur begrenzt“ binden.
Nach § 307 Abs 1 BGB ist eine Bestimmung in AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders wider Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (S 1). Eine solche Benachteiligung „kann“ sich daraus ergeben, dass sie nicht klar und verständlich ist (S 2). Schmidt-Lauber erklärt, dass Bestimmungsvorbehalte weder per se unangemessen benachteiligend iSd § 307 Abs 1 S 1 BGB noch ab initio intransparent iSd § 307 Abs 1 S 2 BGB sind (212 ff, 383 ff). Bei der Prüfung der Klarheit einer Klausel gehe es um ihre Verständlichkeit und um Benachteiligungen bei der Wahrnehmung von Rechten oder in Bezug auf eine informierte Vertragsabschlussentscheidung (148 ff), wohingegen die eigentliche Inhaltskontrolle die Ausgewogenheit betreffe (167 ff). Unangemessen und intransparent seien die hier in Rede stehenden Vorbehalte, wenn sie „tatbestandlich nicht konkretisiert“ seien (167-465). Demnach wären Klauseln, die bloß regeln, dass der AG die Leistung einseitig festlegt, entgegen der Rsp des BAG unwirksam. Stattdessen müssen sE der Umfang des Vorbehalts, die relevanten Entscheidungskriterien wie auch der Entscheidungsmaßstab konkretisiert werden (265 ff, 297 ff, 385 ff, 449 ff, 510, 520 ff). Im Ergebnis sei die Klausel nur dann wirksam, wenn sie den vier nachstehend angeführten Anforderungen genügt (527).
Erstens seien Entscheidungskriterien „dem Grunde nach“ anzuführen, wobei es sich um solche handeln 621 müsse, die Flexibilisierungsinteressen des AG betreffen (297 ff, 385 ff). Der Autor erachtet das Interesse an der Motivation der AN (Leistungsanreiz) und der Möglichkeit, auf unvorhersehbare wirtschaftliche Entwicklungen reagieren zu können, für ein gerechtfertigtes Interesse und fordert keine weitergehende Konkretisierung (306 ff). Die Einschränkung auf unvorhersehbare Entwicklungen dürfte überschießend sein, weil auch bei vorhersehbaren Änderungen ein Anpassungsbedarf bestehen kann.
Bei Bestimmungsrechten über sogenannte „nicht synallagmatische“ Sonderzahlungen, die keine „hypothetische Abschlussrelevanz“ haben (421 ff, 442 f, 452 ff), zB bei Zahlungen aus Anlass eines Geschäftsjubiläums oder bei Auszahlung von Hochzeitsgeld, seien gleichfalls „dem Grunde nach“ Kriterien anzuführen, doch würden „willkürfreie, zweckdienliche Kriterien“ genügen (344 ff). Die höheren Anforderungen bei Vergütungen mit Gegenseitigkeitscharakter laufen allerdings wohl idR auch nur auf „willkürfreie“ Entscheidungen hinaus. Dies verdeutlicht das Beispiel für eine zulässige Klausel (426 f): „Der AN erhält einen jährlichen Bonus, dessen Höhe der AG [...] in Abhängigkeit von der Länge der Betriebszugehörigkeit des AN, der Arbeitsleistung des AN und [...] den wirtschaftlichen Entwicklungen des Unternehmens festlegt.“
Ohne Konkretisierung besagt eine solche Klausel lediglich, dass „unternehmerisch“ zu entscheiden ist – das ergibt sich idR ohnehin aus der Vertragsauslegung.
Zweitens sei der Leistungsumfang so festzulegen, dass davon der Kernbereich des Arbeitsverhältnisses unberührt bleibe, der AN die Höhe der Leistung einschätzen und der Regelung entnehmen könne, ob die Leistung mit „0“ bestimmt werden könne (224 ff, 445 ff). Das läuft idR auf die Festlegung einer prozentuellen Obergrenze von 25 % der Gesamtvergütung bei synallagmatischen und 30 % bei sonstigen Leistungen sowie die Angabe eines Orientierungswertes oder eines Zahlungsrahmens hinaus (524, 527).
Zur Vorhersehbarkeit der Leistung trägt es gleichwohl kaum bei, wenn als Beispiel für eine zulässige Klausel ein „Bereich von 0 bis 10.000 €“ (528) genannt wird. Das Verbot des Eingriffs in den Kernbereich stützt der Autor auf § 307 Abs 2 Nr 2 BGB, wonach eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel dann vorliegt, wenn eine Bestimmung wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Vertragszweckerreichung gefährdet ist (233 ff).
Drittens müsse der AG in Anlehnung an die Rsp des BGH zu Preisanpassungsklauseln für den Fall, dass er bei der Bemessung der Leistung negative wirtschaftliche Entwicklungen berücksichtigen dürfe, auch positive Entwicklungen berücksichtigen, widrigenfalls ihm die Klausel eine Flexibilisierung ohne Rechtfertigung ermöglichen würde, insb könnte der AG so dem AN das Wirtschaftsrisiko „weitreichend auferlegen und zu frei in das Äquivalenzverhältnis eingreifen“ (288 ff, 306 ff, 318 ff, 338 ff). Hier ist zu bedenken, dass die Höhe der Leistung auch von anderen Faktoren, zB der Leistung des AN, abhängen kann und ein wirtschaftlicher Aufschwung dem AG nicht unbedingt mehr Kapital zur freien Verfügung belässt, zB könnten Ausgaben zur Hebung des Digitalisierungsgrades oder in Ausbildungsmaßnahmen für das Personal erforderlich sein.
Viertens müsse der Entscheidungsmaßstab ausdrücklich auf billiges Ermessen oder auf einen strengeren Maßstab festgelegt werden (265 ff, 449 ff). Da die Ausübungskontrolle der AGB-Kontrolle nachgelagert sei, könne die Möglichkeit, die Leistungsbestimmung gerichtlich überprüfen zu lassen, eine etwaige Unangemessenheit des Vorbehalts nicht kompensieren (353 ff). Auf die Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs 3 BGB geht der Autor nicht dezidiert ein (529 f).
Eine unangemessene bzw intransparente Klausel sei nicht geltungserhaltend zu reduzieren, sondern bezüglich des Leistungsversprechens aufrechtzuerhalten und bezüglich des Vorbehalts durch eine Regelung zu ersetzen, wonach „sich die Leistung eigenständig und dynamisch anpasst“ (466 ff, 525). Die Aufrechterhaltung kann auf die Anwendung des sogenannten „Blue-Pencil-Tests“ gestützt werden, die Ersetzung wäre Folge einer „ergänzenden“ Vertragsauslegung (480 ff, 490 ff). Schmidt-Lauber will vermeiden, dass die Auslegung im Ergebnis mit der geltungserhaltenden Reduktion der Klausel übereinstimmt, doch fällt es schwer, das vorgeschlagene Ergebnis als ein solches der ergänzenden „Vertragsauslegung“ zu verstehen, weil sich die Parteien auf eine „Entscheidung“ über die Höhe, nicht auf einen Automatismus geeinigt haben.
Am Ende seiner lesenswerten Arbeit wirft Schmidt-Lauber die Frage auf, ob bei den darin aufgestellten Ausgestaltungsanforderungen den Bestimmungsvorbehalten so viel Flexibilität verlorengehe, dass die Praxis von derartigen Vorbehalten gänzlich absehen würde. Die Antwort darauf bleibt er den Leserinnen und Lesern nicht schuldig: „Derart einschneidend sind die hier angelegten Maßstäbe an Bestimmungsvorbehalte bei weitem nicht“
(531).