Felten/Trost (Hrsg)Homeoffice
Manz Verlag, Wien 2021, XXVI, 420 Seiten, broschiert, € 79,–
Felten/Trost (Hrsg)Homeoffice
Mit „Homeoffice“ liegt ein detailreiches und zugleich gründliches Werk zu diesem Thema vor. Homeoffice hat – wie sich in der Realität zeigt – nach dem Anschub durch die Covid-19-Pandemie mittlerweile eine transpandemische Bedeutung erlangt. Die von einem Betriebssitz dezentralisierte, daheim verrichtete Arbeit und ihre Probleme werden uns daher wohl auch künftig begleiten. Dazu ist das vorliegende Sammelwerk 623 ein guter Wegweiser. Es stammt zur Gänze aus ein und derselben arbeits- und sozialrechtlichen „Denkwerkstatt“, nämlich aus der Feder aktueller und ehemaliger Forscher:innen des Instituts für Arbeitsrecht und Sozialrecht der Johannes Kepler Universität Linz mit Barbara Trost und Elias Felten an der Spitze.
Felten erläutert einleitend in Kürze das „Homeoffice-Maßnahmenpaket“ (BGBl I 2021/61). Die nachfolgenden Beiträge erörtern Forschungsfragen, die das Maßnahmenpaket aufwirft. Zu Homeoffice und „Work-Life-Balance“, einem besonderen Anliegen der aktuell jungen Generation gut Ausgebildeter, erarbeiteten Judith Schläger und Michaela Steinparz eine Art Praxisbericht aus der Ennskraftwerke AG. Trost spannt zunächst in einem bemerkenswerten rechtshistorischen Beitrag anhand der Gesetzgebung und der Rsp den Bogen von den Heimarbeitern, also von der in prekären Verhältnissen lebenden historisch ersten Gruppe von in den eigenen vier Wänden arbeitenden Menschen, zu heutigen Vorstellungen. In einem zweiten Beitrag leuchtet diese Autorin das Spannungsverhältnis des Schutzes der Privatsphäre mit dem Informationsbedürfnis des AG aus. Gemeinsam mit Thomas Mathy nimmt sie sich ferner betriebsverfassungsrechtlicher Fragen, insb der Reichweite der Mitbestimmungsrechte des BR und in einem weiteren Beitrag den Fragen des Aufwandersatzes an DN, an. Mit Johanna Naderhirn untersucht Trost die Risikosphären bei dislozierter Arbeit in Bezug auf das Unterbleiben der Arbeitsleistung. Felten bearbeitet die individualrechtlichen und die kollektivrechtlichen Grundlagen der Arbeit im Homeoffice, aber auch Haftungsfragen vor dem Hintergrund des Dienstnehmerhaftpflichtgesetzes. Mathy widmet sich den Fragen der Arbeitszeit und Alexandra Holzer untersucht einerseits den AN-Schutz und andererseits die Reichweite des unfallversicherungsrechtlichen Schutzes bei Unfällen im Homeoffice. Ein abschließender Beitrag von Trost über die Beendigung von Homeoffice-Vereinbarungen und Beendigung des Arbeitsverhältnisses rundet den Band ab.
Die Fülle des Gebotenen lässt es nicht zu, im Rahmen einer Rezension inhaltlich auch nur ansatzweise darauf näher einzugehen. Einige Stichworte und wenige Anmerkungen sollen die Vielfalt der Untersuchungen verdeutlichen: da geht es um die Ausstattung im Homeoffice, um die Anwendbarkeit historischer Erkenntnisse auf moderne „Heimarbeit“, um Bedeutung und Reichweite des Schriftformgebotes des § 2h Abs 2 AVRAG (wobei Felten die wohlbegründete Auffassung vertritt, dass ein Verstoß gegen das Schriftformgebot eine relative, nur vom DN aufzugreifende Nichtigkeit der Vereinbarung zur Folge hat). Grenzen des Fragerechts des AG werden ebenso untersucht wie jene der Bildung einer Betriebsstätte durch Homeoffice bzw der Zugehörigkeit einer dislozierten Arbeitsstätte zum (Stamm-)Betrieb. Es geht um Mitbestimmungsrechte des BR im Zusammenhang mit „Homeoffice“, um die Frage, wann die strengere Norm des § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG bei „Homeoffice“-bedingten Kontrollmaßnahmen greift und inwieweit Fragen der Erreichbarkeit des DN durch den DG in einer BV geregelt werden können. Im Zusammenhang mit dem Verhältnis von § 1155 ABGB zum Homeoffice gibt Trost einen weiteren spannenden rechtshistorischen Überblick über die Entwicklung der Risikosphären im Arbeitsrecht. Naderhirn Die Fülle des Gebotenen lässt es nicht zu, im Rahmen einer Rezension inhaltlich auch nur ansatzweise darauf näher einzugehen. Einige Stichworte und wenige Anmerkungen sollen die Vielfalt der Untersuchungen verdeutlichen: da geht es um die Ausstattung im Homeoffice, um die Anwendbarkeit historischer Erkenntnisse auf moderne „Heimarbeit“, um Bedeutung und Reichweite des Schriftformgebotes des § 2h Abs 2 AVRAG (wobei Felten die wohlbegründete Auffassung vertritt, dass ein Verstoß gegen das Schriftformgebot eine relative, nur vom DN aufzugreifende Nichtigkeit der Vereinbarung zur Folge hat). Grenzen des Fragerechts des AG werden ebenso untersucht wie jene der Bildung einer Betriebsstätte durch Homeoffice bzw der Zugehörigkeit einer dislozierten Arbeitsstätte zum (Stamm-)Betrieb. Es geht um Mitbestimmungsrechte des BR im Zusammenhang mit „Homeoffice“, um die Frage, wann die strengere Norm des § 96 Abs 1 Z 3 ArbVG bei „Homeoffice“-bedingten Kontrollmaßnahmen greift und inwieweit Fragen der Erreichbarkeit des DN durch den DG in einer BV geregelt werden können. Im Zusammenhang mit dem Verhältnis von § 1155 ABGB zum Homeoffice gibt Trost einen weiteren spannenden rechtshistorischen Überblick über die Entwicklung der Risikosphären im Arbeitsrecht. Naderhirn wirft ua Fragen von Homeoffice und Krankenstand auf (wobei der Einfluss eines Quarantänebescheides auf die Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung leider erst einige Seiten später behandelt wird), es geht aber auch um Covid-19-Fragen, um das Risiko von Betriebsstörungen, um Haftungsfragen bei Schadensverursachung durch Familienangehörige oder Haustiere, um Arbeitszeit und Wegzeiten zwischen Arbeitsorten sowie um Fragen der (Teil-)Geltung des AN-Schutzgesetzes in den eigenen vier Wänden sowie um den Treppensturz im „Homeoffice“ und seine unfallversicherungsrechtliche Behandlung.
Die Erörterung Naderhirns betreffend das Verhältnis von Absonderungsbescheid und Entgeltfortzahlungspflicht scheint mir insoweit überzeugend, als die Autorin davon ausgeht, dass der arbeitsrechtliche Anspruch bei Erkrankung primär und daher auf Ersatzansprüche nach dem Epidemiegesetz (arg „und [im Sinne von „wenn“] dadurch ein Verdienstentgang eingetreten ist“) anzurechnen ist und nicht etwa umgekehrt. Da die Infektion mit einer ansteckenden Krankheit als Dienstverhinderung wegen Krankheit anzusehen ist (zutreffend 7.63), kann es für den Anspruch auf Entgeltfortzahlung nicht darauf ankommen, ob überdies ein Absonderungsbescheid nach dem Epidemiegesetz ergangen ist, ob also die arbeitsrechtlich eingetretene Dienstverhinderung durch eine das Privatleben noch wesentlich weitreichender beeinträchtigende, öffentlich-rechtliche Quarantänepflicht überlagert wird oder nicht. Die bereits arbeitsunfähige Person erleidet durch diesen Bescheid im Allgemeinen keine arbeitsrechtlich relevante, weitreichendere Hinderung an der Erbringung der Arbeitsleistung.
Was den Aufwandersatz für Fahrtkosten betrifft, wäre mE davon auszugehen, dass (erforderliche) Fahrten zwischen dem Arbeitsplatz daheim und dem Unternehmenssitz idR Fahrten von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz und daher keine Privatfahrten sind (wie etwa der Weg vom und zum Arbeitsplatz iSd § 175 Abs 2 Z 1 ASVG). Im Zweifel handelt es sich um Dienstfahrten (bzw unfallversicherungsrechtlich um „Betriebswege“), für die im Zweifel und bei Fehlen einer (nach § 1014 ABGB zulässigen) anderslautenden vertraglichen oder kollektivvertraglichen Regelung Aufwandersatz gebührt, sofern die Fahrten mit (aus) Mitteln des DN bestritten werden (aA aber Mathy/Trost, 9.14).
Der Beitrag von Alexandra Holzer zur UV ist für den Rezensenten naturgemäß von besonderem Interesse: Er erfüllt alle Erwartungen, insb auch mit Blick auf einen Adressatenkreis, der sich möglicherweise bisher mit diesem Problemfeld kaum auseinandergesetzt hat. Die Rsp des OGH und des deutschen Bundessozialgerichts zu den „Treppensturzfällen“ (andere gibt es bisher nicht) ist gründlich aufgearbeitet. Die von der Autorin (wie auch vom Rezensenten) geübte Kritik an der Uneinheitlichkeit der österreichischen Rsp wurde mittlerweile vermutlich behoben, wie ein offensichtliches Einschwenken des OGH auf diese Kritik in einer nach Redaktionsschluss des vorliegenden Werkes ergangenen E zeigt (OGH 27.4.2021, 10 ObS 15/21k – Treppensturz in Privatwohnung als Dienstunfall iSd § 90 Abs 1 B-KUVG). Holzers These, dass mit der Gleichstellung von Wohnung und Arbeitsstätte in § 175 Abs 1a ASVG die Ausklammerung der Wohnung vom Schutzbereich des § 175 Abs 2 Z 7 ASVG (lebensnotwendige Verrich 624 tungen in der Arbeitspause) „obsolet“ sei, vermag ich allerdings nicht zu teilen. Die im Wortlaut der letztgenannten Bestimmung enthaltene ausdrückliche Ausnahme des eigenen Wohnbereichs bedarf unter keinem Gesichtspunkt einer teleologischen Reduktion: Gerade weil der Gesetzgeber „die berufliche Tätigkeit im Betrieb jener im Homeoffice in gewissen Bereichen gleich stellt“
(Holzer, 12.86), nicht aber darüber hinausgeht, ändert sich insoweit an der (bis zu einem gewissen Grad wohl auch kompetenzrechtlich vorgeformten) Trennung von privatem (ungeschützten) Bereich und beruflichem (geschützten) Bereich nichts. Anders gewendet: Warum soll ein Verbrühen beim Kaffeekochen in der häuslichen Küche nur deshalb unfallversicherungsrechtlich geschützt sein, weil für diesen Tag gerade Homeoffice vereinbart ist?
Diese wenigen kritischen inhaltlichen Anmerkungen sind jedoch nur dem eigenen Spaß an der Sache geschuldet und sollen den Wert des rezensierten Werkes in keiner Weise schmälern. Im Gegenteil: Eine wichtige Funktion der aktuellen Aufarbeitung der sich neu stellenden Rechtsfragen ist neben jener des Wegweisers auch jene der Anregung zur wissenschaftlichen Diskussion.
Die hervorragende Praxistauglichkeit des Werks zeigt sich an den „pädagogisch wertvollen“ Stellen: Um einen raschen Überblick im Ernstfall zu vermitteln, befinden sich innerhalb der Aufsätze grau unterlegte „Praxistipps“ und am Ende jedes Beitrages eine zusammenfassende Übersicht der wesentlichen Ergebnisse für den schnellen Leser. In die Texte eingewobene Fallbeispiele helfen dem besseren Verständnis auf die Sprünge. Auf diese Weise bietet die vorliegende Arbeit nicht nur Anreize für die weitere Forschungsarbeit, sondern vermittelt auch sehr gut zwischen wissenschaftlich fundierter Lehre und den Bedürfnissen der betrieblichen Praxis. Literaturverzeichnisse zu den Beiträgen und ein Stichwortverzeichnis ergänzen den über 400 Seiten starken Band. „Homeoffice“ ist ein unverzichtbarer Begleiter für Personalabteilungen, für Angehörige rechtsberatender Berufe, für wissenschaftlich Tätige und für all jene (also hoffentlich sehr viele), die an arbeits- und sozialrechtlichen Fragen unserer Tage interessiert sind.