Zur analogen Anwendung der Kündigungsbestimmungen des ABGB auf freie Dienstverträge

THOMASMATHY (INNSBRUCK)/JOHANNANADERHIRN (LINZ)
Vor dem Hintergrund der Angleichung der Kündigungsregeln von Arbeitern und Angestellten hat sich eine lebhafte Debatte darüber entsponnen, ob § 1159 ABGB nF analog auf das freie Dienstverhältnis anzuwenden ist. Der vorliegende Beitrag analysiert Entwicklungstendenzen im Kündigungsrecht und gelangt auf dieser Grundlage zu einem Verständnis des § 1159 ABGB nF, das dessen analoge Anwendung auf freie Dienstverhältnisse nicht bloß erlaubt, sondern vielmehr gebietet.
  1. Einleitung

  2. Zum gegenwärtigen Meinungsstand

  3. Analoge Anwendbarkeit des § 1159 ABGB nF auf freie Dienstverträge?

    1. Planwidrige Unvollständigkeit

    2. Zweck und Hintergrund der Kündigungsregeln des § 20 AngG

    3. Die Entwicklung der Kündigungsregeln vom AHGB bis zum AngG

    4. Sondergesetzliche Regelung des freien Dienstverhältnisses im HVertrG

    5. Schlussfolgerung

  4. Fazit

1.
Einleitung

Als jüngster Schritt im langwierigen und mühevollen Prozess zur Überwindung der (gleichheitswidrigen) Differenzierung zwischen Arbeitern und Angestellten erfolgte nunmehr per 1.10.2021 eine Angleichung der Kündigungsregelungen. Es entfielen neben dem für gewerbliche Hilfsarbeiter einschlägigen § 77 GewO 1859 auch die subsidiär anwendbaren Kündigungsregeln der §§ 1159a-1159c ABGB. Ein neu gefasster § 1159 ABGB regelt seither die Kündigungsfristen und -termine in weitgehender Anlehnung an § 20 AngG.*

Bislang wurden §§ 1159-1159b ABGB nach der Lehre analog auf freie Dienstverhältnisse angewendet,* auch hinsichtlich § 1159c ABGB 551

(Fristengleichheitsgebot) wurde die Analogie überwiegend bejaht.* In seiner Untersuchung der Rechtsstellung der freien DN sprach sich Wachter für eine analoge Anwendbarkeit der §§ 1159-1159b ABGB aus, weil die dort vorgesehenen Kündigungsfristen so kurz seien, dass sie auf keinen Fall mehr schützen als das legitime Interesse jedes Vertragspartners eines Dauerschuldverhältnisses über Arbeitsleistungen vor einer abrupten einseitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses durch den Kontrahenten. Hingegen diene § 1159c ABGB dem Ausgleich der Unterlegenheit des DN, welche bei den Parteien eines freien Dienstverhältnisses nicht typischerweise gegeben sei. Daher sei diese Regelung ebenso wenig analog anwendbar wie jene des § 1164 ABGB, die speziell auf die Bedürfnisse abhängiger DN abstelle.* Der OGH ist diesen Ausführungen im Wesentlichen gefolgt.* Vor dem Hintergrund seiner gefestigten Judikatur, wonach auf freie Dienstverträge nur jene arbeitsrechtlichen Normen analog anwendbar sind, die nicht vom persönlichen Abhängigkeitsverhältnis des DN ausgehen und den sozial Schwächeren schützen sollen,* sah er den Zweck der kurzen Kündigungsfristen des ABGB darin, die legitimen Interessen der Vertragspartner vor einer abrupten einseitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses durch den anderen zu schützen.* Zwar maß der OGH in einer E §§ 1159-1159b ABGB auch im Verhältnis zu freien DN relativ zwingende Wirkung bei,* zumindest vertrat er aber in stRsp die Ansicht, dass die Bestimmungen des AngG über Kündigungsfristen und -termine nicht anzuwenden seien.*

Die Kürze der Kündigungsfristen diente Judikatur und Lehre gleichermaßen zur Begründung der analogen Anwendung der §§ 1159-1159b ABGB. Tatsächlich waren diese äußerst knapp bemessen: Teilweise war die Kündigung sogar jederzeit für den folgenden Tag zulässig, in anderen Fällen spätestens am ersten Werktag für den Schluss der Kalenderwoche. In manchen Fällen betrug die Kündigungsfrist mindestens 14 Tage, die längste Mindestkündigungsfrist war mit vier Wochen vorgesehen.* Angesichts der Angleichung der Kündigungsregeln für Dienstverhältnisse im ABGB an jene des AngG stellt sich nunmehr die Frage, was für freie Dienstverhältnisse zu gelten hat.

2.
Zum gegenwärtigen Meinungsstand

Während es zu einer analogen Anwendung des § 1159 ABGB nF auf freie Dienstverhältnisse bislang noch an Judikatur fehlt, hat sich im Schrifttum bereits eine Kontroverse entsponnen. Befürworter und Gegner stehen sich in großer Zahl gegenüber.*

Das zentrale Argument jener Autoren, die sich gegen eine Analogie wenden, besteht darin, dass die Regelung des § 1159 ABGB nF als Ausfluss des sozialen Schutzprinzips zu begreifen sei. Dies leiten sie insb daraus ab, dass es der OGH unter Geltung der §§ 1159-1159b ABGB abgelehnt hat, die Kündigungsregeln des AngG auf freie Dienstverhältnisse anzuwenden. Der neue § 1159 ABGB entspreche aber gerade § 20 AngG. Vor dem Hintergrund der stRsp, die auf das freie Dienstverhältnis nur jene arbeitsrechtlichen Regelungen zur Anwendung bringt, die nicht vom persönlichen Abhängigkeitsverhältnis ausgehen und den sozial Schwächeren schützen, folge daher, dass die neuen Kündigungsfristen und -termine nur auf echte und nicht auch auf freie Dienstverhältnisse anzuwenden sind.*

An dieser Auffassung kritisieren jene Stimmen im Schrifttum, die sich für eine Analogie aussprechen, dass die Zuordnung des § 20 AngG zum sozialen Schutzprinzip losgelöst vom Kontext der Gesamtrechtsordnung vorgenommen und in weiterer Folge auch noch auf § 1159 ABGB nF übertragen werde. Sowohl der tiefgreifenden Umgestaltung der seit der III. TN unveränderten Kündigungsregeln für Dienstverhältnisse im ABGB als auch den sondergesetzlichen Kündigungsregelungen für freie Dienstverhältnisse im HVertrG werde damit jedwede Bedeutung dafür abgesprochen, ob eine Norm als Ausfluss des sozialen Schutzprinzips zu werten sei. Bestimme man den Normgehalt des § 1159 ABGB nF hingegen am Maßstab der gegenwärtigen Rechtsordnung, scheide dessen Qualifikation als Teil des sozialen Schutzprinzips aus und sei folglich die Analogie geboten.*

3.
Analoge Anwendbarkeit des § 1159 ABGB nF auf freie Dienstverträge?
3.1.
Planwidrige Unvollständigkeit

Das Schuldrecht des ABGB wird vom Prinzip der Privatautonomie geprägt, weshalb es den Rechtsunterworfenen 552 freisteht, auch gesetzlich nicht typisierte Schuldverhältnisse einzugehen. Freilich befinden sich diese sogenannten Innominatkontrakte nicht im rechtsleeren Raum, sie werden vielmehr „nach allgemeinen Regeln oder analog zu bestehenden Vertragstypen“ beurteilt.* Das freie Dienstverhältnis wird in der österreichischen Rechtsordnung nur punktuell geregelt, insb fehlen für dieses, anders als für das „reguläre“ Dienstverhältnis im ABGB Kündigungsregeln. Die diesbezügliche Lücke wurde von Lehre und Rsp bislang durch Rückgriff auf §§ 1159-1159b, teilweise auch § 1159c ABGB geschlossen, ohne dass dabei zwischen arbeitnehmerähnlichen freien Dienstverträgen und unternehmerischen freien Dienstverträgen unterschieden worden wäre. Da eine Analogie das Bestehen einer Lücke voraussetzt, kann man festhalten, dass eine Lücke bezüglich Kündigungsregelungen für freie Dienstverhältnisse in der Vergangenheit offenkundig von der Lehre und auch vom OGH bejaht wurde. Nun kann aber diese Lücke nicht wegen der Neuregelung der Kündigungsmodalitäten im ABGB weggefallen sein, da eine ausdrückliche gesetzliche Regelung für freie Dienstverhältnisse noch immer nicht existiert.*

Die Lücke besteht nach wie vor, und zwar sowohl im Hinblick auf arbeitnehmerähnliche freie Dienstverträge als auch im Hinblick auf unternehmerische freie Dienstverträge!* Die Frage ist daher „nur noch“, ob § 1159 ABGB nF zur Lückenfüllung herangezogen werden kann.

3.2.
Zweck und Hintergrund der Kündigungsregeln des § 20 AngG

Kernargument jener, die sich gegen eine analoge Anwendbarkeit des § 1159 ABGB nF auf freie Dienstverträge aussprechen, ist, dass die Kündigungsregeln des ABGB ebenso wie jene des AngG durch die persönliche Abhängigkeit des DN motiviert und daher Ausdruck des sozialen Schutzprinzips seien. Es soll daher untersucht werden, ob bei Schaffung des § 20 AngG tatsächlich die persönliche Abhängigkeit im Mittelpunkt stand.

Festzuhalten ist zunächst, dass nach der Stammfassung des AngG die Bestimmungen dieses Gesetzes nur dann galten, wenn das Dienstverhältnis die Erwerbstätigkeit des Angestellten hauptsächlich in

Anspruch nahm. Über die Beweggründe schweigen die Materialien, ausgeführt wird lediglich, dass dadurch „der hauptberufliche Charakter des Dienstverhältnisses als Voraussetzung festgestellt“ wird.* Jedenfalls ist aber zur Kenntnis zu nehmen, dass die persönliche Abhängigkeit allein den Schutzbereich des AngG nicht zu eröffnen vermochte. Auch der noch so stark persönlich Abhängige unterlag nicht dem AngG, wenn er seine Tätigkeit nicht hauptberuflich ausübte. Bei der Beurteilung, ob ein hauptberufliches Dienstverhältnis vorlag, musste nach Ansicht der Judikatur nach objektiven Gesichtspunkten geprüft werden, ob die Erwerbstätigkeit des Bediensteten die normale Arbeitszeit derart in Anspruch nimmt, dass „eine andere Tätigkeit gar nicht oder nur beschränkt möglich ist“.* Es wurde die Hälfte der üblichen Arbeitszeit als Richtschnur für eine hauptsächliche Inanspruchnahme der Erwerbstätigkeit angesehen.* Der OGH sprach zudem aus, dass die Höhe der Entlohnung dafür, ob ein Dienstverhältnis die Erwerbstätigkeit hauptsächlich in Anspruch nimmt, nicht ausschlaggebend ist. Entscheidend sei vielmehr „der Aufwand an Arbeitskraft im Verhältnis zur gesamten Arbeitskraft, wobei als Maßstab in erster Linie die Arbeitszeit“ zu gelten habe.* Allerdings maß der OGH der Entlohnung sehr wohl maßgebliche Bedeutung für die Hauptberuflichkeit der Tätigkeit bei, nämlich dann, wenn zwei Dienstverhältnisse vorlagen: Ausgehend von der Erwägung, dass die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz des DN als charakteristisches Merkmal des Angestelltenverhältnisses zu qualifizieren sei, ließ er den „Umstand, in welchem Ausmaße die Tätigkeit des Dienstnehmers dem einen oder dem anderen von zwei Dienstgebern tatsächlich zugute kommt“, hinter die „Erwägung, in welchem Ausmaße die geleistete Tätigkeit dem Erwerbscharakter mehr entspricht und dem wirtschaftlichen Zweck des Dienstverhältnisses vom Standpunkt des Dienstnehmers aus vorwiegend zu dienen geeignet ist“, zurücktreten. Zunächst sei die Höhe der Bezüge zu vergleichen. Es müsse aber ebenfalls geprüft werden, welcher DG die Beiträge zur Angestelltenversicherung leiste, denn auch dabei handle es sich um eine auf die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz gerichtete Leistung. Eine zweifache hauptberufliche Erwerbstätigkeit komme allenfalls dann in Betracht, wenn beide Dienstverhältnisse dem Zweck der Existenzsicherung in etwa gleichwertig dienen.* Dies zeigt, dass für den OGH bei der Beurteilung der Frage der Hauptberuflichkeit auch der Aspekt der Existenzsicherung durch das Dienstverhältnis eine Rolle gespielt hat.

Die Materialien zur III. TN des ABGB betonen im Zusammenhang mit der beabsichtigten Statuierung von Kündigungsregeln, die ebenfalls auf die hauptsächliche Inanspruchnahme der Erwerbstätigkeit des DN abstellten, dass ein erhöhter Schutz gegen plötzliche Auflösung des Dienstverhältnisses notwendig ist, wenn das Dienstverhältnis die Erwerbstätigkeit des DN vollständig* oder hauptsächlich in Anspruch nimmt. Dann könne sich nämlich weder der DG „die betreffenden Dienste in kurzer Zeit verschaffen“, noch sei der DN im 553

Stande „unverzüglich anderweitig Gelegenheit zur Verwertung seiner Dienste zu finden“.* Diese Äußerungen in den Materialien – und das lässt sich wohl auch auf das AngG übertragen – lassen den Schluss zu, dass der Gesetzgeber bei hauptsächlicher Inanspruchnahme der Erwerbstätigkeit durch das Dienstverhältnis davon ausgegangen ist, dass in einem solchen Fall die wechselseitige Bindung und Abhängigkeit größer ist. Der DG soll vor einem allzu plötzlichen Wegfall einer von ihm hauptberuflich in Anspruch genommenen Arbeitskraft geschützt werden (der Gesetzgeber ging offenbar davon aus, dass eine in geringerem Ausmaß beschäftigte Arbeitskraft leichter zu ersetzen bzw deren Fehlen leichter zu überbrücken ist), der DN vor einem zu abrupten Wegfall des Dienstverhältnisses. Bei hauptsächlicher Inanspruchnahme unterstellte der Gesetzgeber, dass der DN auf dieses Dienstverhältnis typischerweise auch wirtschaftlich angewiesen ist und deshalb nach der Kündigung mehr Zeit benötigt, eine neue Arbeitsstelle zu finden, aus der er seinen Lebensunterhalt decken kann. Er soll die Chance haben, möglichst nahtlos von der gekündigten in eine neue Beschäftigung überzuwechseln. Bei nicht hauptberuflich ausgeübten Tätigkeiten sah der Gesetzgeber die Chance auf ein möglichst nahtloses Überwechseln in eine neue Tätigkeit offenkundig nicht als so notwendig an, wahrscheinlich von dem Gedanken geleitet, dass diese DN ihren Lebensunterhalt zumindest typischerweise ohnehin aus anderen Quellen bezogen

Zu einer Änderung im AngG kam es in der Folge durch BGBl 1975/418. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Gesetzes war nunmehr eine Arbeitszeit bezogen auf den Monat von mindestens einem Fünftel des 4,3-fachen der durch Gesetz oder KollV vorgesehenen wöchentlichen Normalarbeitszeit. Diese Änderung ging auf einen Initiativantrag zurück, demgemäß es als unbefriedigend angesehen wurde, dass das AngG auf eine große Zahl von Teilzeitbeschäftigungsverhältnissen nicht Anwendung fand, weshalb ua die im Vergleich zum ABGB längeren Kündigungsfristen des AngG nicht galten. Diese als sachlich nicht gerechtfertigt angesehenen Differenzierungen sollten beseitigt werden. Bei den geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen iSd ASVG handle es sich hingegen „um atypische Arbeitsverhältnisse, die eine volle arbeitsrechtliche Gleichstellung mit den Vollbeschäftigungsverhältnissen nicht rechtfertigen“ würden.* Hinsichtlich des geringfügig beschäftigten DN wurde also auch im Zuge dieser Änderung des AngG keine Notwendigkeit gesehen, ihn in dieses Gesetz einzubeziehen, auch nicht bei noch so stark ausgeprägter persönlicher Abhängigkeit. Anzumerken ist, dass auch im ASVG die geringfügig Beschäftigten von der Vollversicherung ausgenommen wurden, „weil das einzelne geringfügige Beschäftigungsverhältnis für sich allein betrachtet eine zu schmale wirtschaftliche Basis für den Aufbau einer Sozialversicherung als einer Selbsthilfeeinrichtung abgeben würde“.*

Lediglich im Bereich der Land- und Forstwirtschaft wurden geringfügig beschäftigte DN unter bestimmten Voraussetzungen in die Vollversicherung einbezogen, da es ausweislich der Materialien besonders in der Landwirtschaft DN gebe, „die derart geringfügig entlohnten Tätigkeiten in rascher Aufeinanderfolge nachzugehen [...] und hieraus einen wesentlichen Teil ihres Lebensunterhaltes zu bestreiten pflegen“.* Auch in der Lehre wurde bereits der enge Zusammenhang der Geringfügigkeitsgrenze mit dem Kriterium der wirtschaftlichen Abhängigkeit nachgewiesen.*

Später wurde die gleichbehandlungsrechtliche Problematik dieser Ausnahme im AngG deutlich und sie wurde grundsätzlich durch BGBl 1992/833 beseitigt. Allerdings blieb sie just als Anwendungsvoraussetzung des § 20 AngG bestehen. Die Materialien halten dazu fest: „Ausgenommen bleiben weiterhin die Regelungen betreffend Kündigungsfristen und Termine, sodass für geringfügig beschäftigte Angestellte nach wie vor die entsprechenden Bestimmungen des ABGB gelten.“* Nun ist unbestritten, dass auch geringfügig Beschäftigte in einem Verhältnis persönlicher Abhängigkeit stehen können. Diese persönliche Abhängigkeit genügte dem Gesetzgeber auch bei der Novelle BGBl 1992/833nicht für eine Einbeziehung dieser Personengruppe in den Anwendungsbereich des § 20 AngG. Warum man dieses Mindestbeschäftigungsausmaß gerade in Bezug auf die Kündigungsregelungen aufrecht erhielt, ist aus den Materialien nicht ersichtlich. Der Grund liegt wohl darin, dass der Gesetzgeber davon ausging, DN mit geringerem Arbeitszeitausmaß seien „ohnehin weniger auf das Entgelt angewiesen“.* Daher sah er offenkundig eine längere Kündigungsfrist zur Eröffnung der Möglichkeit, nahtlos eine anderweitige Gelegenheit zur Verwertung der Arbeitskraft zu finden, als nicht notwendig an.*

Seit der Novelle BGBl I 2017/153 finden die Kündigungsregeln des § 20 AngG unabhängig vom Beschäftigungsausmaß Anwendung. Dies aber nicht deshalb, weil der Gesetzgeber jetzt nur mehr die persönliche und nicht mehr auch die wirtschaftliche Abhängigkeit als notwendige Voraussetzung für deren Geltung angesehen hätte, sondern aufgrund der gleichbehandlungsrechtlichen Notwendigkeit, dem fundamentalen Grundsatz, gleiches Entgelt für gleich(wertig)e Arbeit, Rechnung zu tragen. Es zeigt sich daher, dass in der Vergangenheit im AngG stark auf das Ausmaß der Beschäftigung abgestellt wurde, bis zuletzt gerade bei den Kündigungsregeln. Darin spiegelt sich aber wohl in Bezug auf den DN das Kriterium der wirtschaftlichen Abhängigkeit von diesem Beschäftigungsverhältnis wider. Dass aber auch freie DN trotz fehlender persönlicher Abhängigkeit einem DN vergleichbar wirtschaftlich 554 abhängig sein können und häufig auch sind, ist mittlerweile unbestritten.

3.3.
Die Entwicklung der Kündigungsregeln vom AHGB bis zum AngG

Auch die Entwicklung der Kündigungsregelungen vor Inkrafttreten des AngG verdeutlicht, dass der Gesetzgeber stets auch auf die wirtschaftliche Abhängigkeit bzw die Schwierigkeiten, eine neue Stelle zu erlangen, abgestellt und dabei zwingenden Mindestvorschriften besondere Bedeutung beigemessen hat:* Nach Art 61 AHGB (Allgemeines Handelsgesetzbuch, RGBl 1863/1) konnte das Dienstverhältnis des Handlungsdieners zwar beiderseits nur unter Einhaltung einer sechswöchigen Kündigungsfrist zum Ablauf eines jeden Kalendervierteljahres gekündigt werden. Es handelte sich dabei jedoch um eine dispositive Bestimmung. Bereits in der RV 1895 betreffend die Abänderung des Art 61 AHGB waren bezüglich der Kündigungsfristen und -termine zwingende Mindeststandards vorgesehen. In den Erläuternden Bemerkungen wird ua die auch im Handelsgewerbe fortschreitende Spezialisierung der Handlungsdiener ins Treffen geführt, die „die baldige Erlangung eines geeigneten Dienstpostens“ erschwere. Zudem wurde bemängelt, dass die „gangbaren vertragsmäßigen Verabredungen über die Auflösung der Lohnverträge der Handlungsdiener [...] das Interesse der letzteren an einer gewissen Sicherheit des Dienstverhältnisses nicht genügend [...] wahren und nicht selten die Gefahr in sich [...] schließen, dass das Dienstverhältnis ohne Kündigung oder mit äußerst kurzer Kündigungsfrist aufgehoben werden kann und dann den Handlungsdienern die Möglichkeit fehlt, sich rechtzeitig einen anderen Posten zu verschaffen, in den sie ohne Störung ihrer Einkommensverhältnisse übertreten könnten“. Vor diesem Hintergrund herrschte praktisch Übereinstimmung darüber, dass durch Einführung einer gewissen bindenden Minimalkündigungsfrist Abhilfe geschaffen werden sollte.* Auch zur RV 1901* betonen die Materialien, dass bisher die „Ordnung der Voraussetzungen für die Vertragslösung gänzlich der Parteiendisposition anheimgegeben war“, nunmehr aber „an verhältnismäßig enge Grenzen gebunden sein“ solle. Dabei wurde als Grund für die vorgesehene Normierung einer zwingenden vierwöchigen Mindestkündigungsfrist auf den Missbrauch verwiesen, „den einzelne Unternehmer mit der ihnen durch ihre wirtschaftliche Lage den Gehilfen gegenüber eingeräumten Macht trieben“.*

In den Materialien zur RV 1907* wird schließlich ausgeführt, dass die „Normen des Handelsgesetzbuches, die vor mehr als 50 Jahren entstanden sind, und in noch höherem Maße die doppelt so alten Bestimmungen des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches, den heutigen Verhältnissen auf dem Gebiet des Dienstvertrages nicht mehr entsprechen“. Sowohl die wirtschaftlichen als auch die sozialen Gegebenheiten hätten sich wesentlich gewandelt, was auch das Rechtsverhältnis des Handlungsgehilfen grundlegend verändert habe: „Nicht nur, dass die Arbeitskraft des Handlungsgehilfen heute in viel intensiverem Maße in Anspruch genommen wird als früher, vielmehr ist auch durch die fortschreitende Arbeitsteilung innerhalb der Betriebe und die dadurch verringerte Möglichkeit, eine allseitige Ausbildung zu erlangen, sowie durch das Vorwalten des Großbetriebs in einzelnen Geschäftszweigen die Aussicht des Angestellten, zu wirtschaftlicher Selbständigkeit [...] zu gelangen, beträchtlich gesunken.“ Das Gehilfenverhältnis sei „überwiegend Lebensberuf geworden“ und stelle zumeist „die einzige Einkommensquelle nicht nur für den Handlungsgehilfen, sondern auch für dessen Familie“ dar. Diese veränderten Gegebenheiten seien Anlass dafür, „das Privatrechtsverhältnis zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer in dem Sinne zu reformieren, dass dadurch die soziale Stellung des Handlungsgehilfen möglichst gesichert werde, und dass sich ungünstige Folgen des Überangebots von Arbeitskraft nur in beschränktem Maße äußern können“. Weiters betonen die Materialien zur RV 1907 erneut die Bedeutung zwingender Regelungen über die Vertragslösung zur Verhinderung eines Missbrauchs der den Unternehmern durch ihre wirtschaftliche Überlegenheit eingeräumten Macht.*

Durch das schließlich in Kraft getretene Handlungsgehilfengesetz (HGG, RGBl 1910/20) wurde die Regelung des Art 61 AHGB zwar vordergründig fortgeschrieben, erstmals normierte der Gesetzgeber jedoch einen zugunsten des DN zwingenden Mindeststandard in Bezug auf Kündigungsfrist und Kündigungstermin.* Zur Bewältigung der wirtschaftlichen Verwerfung während und nach dem Ersten Weltkrieg wurden diese Kündigungsregeln zunächst im Verordnungsweg und schließlich durch Schaffung des AngG weiter ausgebaut.* Im Antrag betreffend Abänderung des HGG von Pick et al wird betont, dass die Bestimmungen über die darin vorgesehene Kündigungsfrist der Notwendigkeit Rechnung tragen, „die wirtschaftliche Existenz der Privatangestellten wenigstens [...] einigermaßen sicherzustellen“.* Im Antrag der Abgeordneten Fischer et al wird darauf hingewiesen, dass ua die Kündigungsvorschriften „den Zeitverhältnissen“ anzupassen sind.* Der AB über die Anträge 19 der Beilagen sowie 50 der Beilagen hält fest, dass ein leitender Gedanke des Gesetzentwurfs ist, „vor allem dem älteren, schon viele Jahre im Betrieb tätigen Angestellten einen mit der Dauer seiner Dienstzeit wachsenden Schutz zu gewähren“.* Seit dem ersten Regierungsentwurf 555 im Jahre 1895 sei der Gedanke prägend, „dass das Dienstverhältnis des Angestellten eine gewisse Sicherheit haben müsse“, was seinen Niederschlag insb in der mittels Notverordnung erfolgten erheblichen Ausdehnung der Kündigungsfristen gefunden habe.* Die Sicherheit der Existenz wird zudem im Zusammenhang mit dem Anspruch auf Abfertigung betont.*

Auch dieser kurze Rückblick zeigt, dass sich der Aspekt der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz des Angestellten wie ein roter Faden durch die Geschichte zieht und eine wesentliche Rolle dabei auch die einseitig zwingende Wirkung der einschlägigen Regelungen spielte. Demgegenüber haben die Kündigungs(end)termine in erster Linie die Konzentration von Angebot und Nachfrage im Auge,* ein Aspekt, der wohl auch in Bezug auf freie Dienstverträge einschlägig ist (arg § 21 Abs 4 HVertrG).

3.4.
Sondergesetzliche Regelung des freien Dienstverhältnisses im HVertrG

Gem § 1 HVertrG ist Handelsvertreter, wer von einem anderen mit der Vermittlung oder dem Abschluss von Geschäften, ausgenommen über unbewegliche Sachen, in dessen Namen und für dessen Rechnung ständig betraut ist und diese Tätigkeit selbständig und gewerbsmäßig ausübt. Das Gesetz verlangt also ausdrücklich eine selbständige Ausübung der Tätigkeit. Selbständige Tätigkeit bedeutet beim Handelsvertreter, dass dieser seine Tätigkeit in persönlicher Unabhängigkeit erbringt.* Nicht die wirtschaftliche, sondern allein die persönliche Abhängigkeit entscheidet daher über die Abgrenzung zwischen selbständigem und angestelltem Handelsvertreter.* Nach Ansicht der Lehre ist der Handelsvertretervertrag als freier Dienstvertrag zu qualifizieren, der aber – anders als der freie Dienstvertrag an sich – im HVertrG eine gesetzliche Regelung erfahren hat.*

Vor diesem Hintergrund liegt der Schluss nahe, dass die Ausgestaltung der Kündigungsregeln im HVertrG als Orientierungshilfe für andere freie Dienstverhältnisse dienen kann. Dies nicht zuletzt deshalb, weil die Entwicklung der Rechtsstellung der Handelsvertreter einen eindrucksvollen Wandel der Anschauungen des Gesetzgebers zum freien Dienstvertrag widerspiegelt.

Ausgangspunkt eines eigenständigen österreichischen Handelsvertreterrechtes bildet das Handelsagentengesetz (HAG, BGBl 1921/348). Dieses normierte für beide Vertragsparteien die Möglichkeit zur Kündigung unter Einhaltung einer Frist von sechs Wochen zum Kalendervierteljahr (§ 19 Abs 2 HAG). Zwar wurden im Vorfeld der Schaffung des HAG Forderungen nach einer zwingenden Mindestkündigungsfrist erhoben. Diesen erteilte der Gesetzgeber jedoch unter Verweis auf die Stellung beider Vertragsteile als selbständige Unternehmer eine Absage. Neben einem Verbot der Kündigung zur Unzeit (§ 20 HAG) sollte ungerechtfertigter Parteiwillkür und schrankenloser Ausnützung dadurch ein Riegel vorgeschoben werden, dass in Anlehnung an § 20 Abs 4 HGG ein Kündigungsfristengleichheitsgebot zugunsten des Handelsagenten normiert wurde.*

An diesem eingeschränkten Schutzkonzept zugunsten der Handelsagenten hielt der Gesetzgeber lange Zeit fest: So wurde durch die HAG-Novelle 1960* die Kündigungsfrist nach fünfjähriger ununterbrochener Vertragsdauer auf drei Monate angehoben, der dispositive Charakter blieb jedoch unberührt. Erst im Zuge der Anpassung des Handelsvertreterrechtes an die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben erfolgte eine grundlegende Weiterentwicklung der Kündigungsregeln. Auch nach der RL 86/653/EWG* unterfallen nur selbständige Gewerbetreibende dem Begriff des Handelsvertreters (Art 1 Abs 2 RL 86/653/EWG). Dennoch sieht die RL sowohl zwingende Mindestkündigungsfristen (Art 15 Abs 2 RL 86/653/EWG) als auch ein Fristengleichheitsgebot zugunsten des Handelsvertreters (Art 15 Abs 4 RL 86/653/EWG) vor. Dementsprechend verfolgt die RL 86/653/EWG nicht nur das Ziel, Hemmnisse im Binnenmarkt zu beseitigen, sie ist vielmehr auch auf den Schutz des Handelsvertreters gerichtet.* Dies geht sogar so weit, dass Abweichungen vom Ziel der Harmonisierung erlaubt werden: Den Mitgliedstaaten steht es nämlich frei, längere Kündigungsfristen zu normieren und diesen auch zwingende Wirkung zuzuerkennen (Art 15 Abs 3 RL 86/653/EWG).

Der österreichische Gesetzgeber hat die Vorgaben der RL 86/653/EWG im HVertrG umgesetzt* und dabei den Spielraum, welchen das Unionsrecht in Bezug auf die Dauer der Kündigungsfristen einräumt, zugunsten der höchsten zulässigen Kündigungsfrist ausgeschöpft: § 21 HVertrG bestimmt sowohl für den Handelsvertreter als auch für den Unternehmer eine Kündigungsfrist, die mit zunehmender Vertragsdauer von einem Monat im ersten Jahr bis auf sechs Monate ab dem sechsten Jahr anwächst. Anders als der dispositive Kündigungsendtermin zum Ende eines Kalendermonats (§ 21 Abs 4 HVertrG) sind die Kündigungsfristen auch zugunsten des Handelsvertreters einseitig zwingend (§ 27 Abs 1 HVertrG).*

An dieser Entwicklung ist abzulesen, dass der Gesetzgeber seine ursprüngliche Scheu vor zwingenden Mindestkündigungsfristen zugunsten der Handelsvertreter – trotz ihrer nach wie vor 556 bestehenden Stellung als selbständige Unternehmer – abgelegt hat. Denn er hat sich im HVertrG nicht darauf beschränkt, die Mindestvorgaben der RL 86/653/EWG umzusetzen. Vielmehr hat er diesen den im Rahmen der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben größtmöglichen Schutz zukommen lassen.

3.5.
Schlussfolgerung

Vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung hat sich gezeigt, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung von Kündigungsregelungen nicht nur die einzuhaltenden Kündigungsfristen sukzessive verlängert, sondern diesen zunehmend auch relativ zwingende Wirkung beimisst. Diese Entwicklungstendenz lässt sich losgelöst vom Kriterium der persönlichen Abhängigkeit nachweisen, nämlich sowohl in Bezug auf gewerbliche Hilfsarbeiter (vgl § 77 GewO 1859 und nunmehr § 1159 ABGB nF) und Angestellte (vgl Art 61 AHGB und nunmehr § 20 AngG) als auch in Bezug auf Handelsvertreter (vgl § 19 HAG und nunmehr § 21 HVertrG). Wenn daher Drs aus der Normierung der Kündigungsfristen und -termine für Arbeiter im ABGB und nicht in der GewO 1859 schließt, dass es sich bei diesen Regelungen um „eine zeitgemäße neue allgemeine Regelung handelt, wie ein Dauerschuldverhältnis beendet werden kann“,* steht dies im Einklang mit den Entwicklungstendenzen im Kündigungsrecht von Dauerschuldverhältnissen über Arbeitsleistungen. Die zu beobachtende Ausweitung der Kündigungsfristen spiegelt die immer weiter fortschreitende Spezialisierung innerhalb einer arbeitsteiligen Wirtschaftswelt wider, die zwangsläufig auch das Verständnis dessen verändert, was zur technischen Abwicklung eines Dauerschuldverhältnisses erforderlich ist. Dementsprechend erweist sich § 1159 ABGB nF als passende Analogiebasis zur Ermittlung der Kündigungsregeln für das freie Dienstverhältnis.

Die zwischen DN und DG differenzierende Ausgestaltung der Kündigungsregeln lässt sich einer analogen Anwendung des § 1159 ABGB nF auf das freie Dienstverhältnis aus zweierlei Gründen nicht entgegenhalten. Einerseits steht diese Analogie einer symmetrischen Ausgestaltung der Kündigungsfristen durch die Parteien ohnehin nicht entgegen (vgl § 1159 Abs 4 S 2 ABGB nF). Andererseits wird der vermeintliche Grundsatz der Parität der Kündigungsfristen beim freien Dienstverhältnis auch an anderer Stelle durchbrochen: So räumt bereits der nach hA auf das freie Dienstverhältnis analog anzuwendende § 1158 Abs 3 ABGB*) nur dem (freien) DN ein Kündigungsrecht hinsichtlich eines auf Lebenszeit bzw für länger als fünf Jahre vereinbarten (freien) Dienstverhältnisses ein. Aber auch die einseitig zwingende Wirkung der Kündigungsfristen sowie des Fristengleichheitsgebotes im HVertrG bringen zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber asymmetrische Kündigungsregeln zugunsten des als freien DN zu qualifizierenden Handelsvertreters akzeptiert. Ein Festhalten an einer dem vermeintlichen Grundsatz der Parität verpflichteten Ausgestaltung der Kündigungsregeln für freie Dienstverhältnisse erweist sich daher als überschießend.*

Anders als die asymmetrische Ausgestaltung der Kündigungsregeln des § 1159 ABGB könnte allenfalls ihre zwingende Wirkung als Ausdruck des sozialen Schutzprinzips begriffen werden.* Allerdings weist auch insoweit das positive Recht in die gegenteilige Richtung: Nicht nur, dass auch typisch zivilrechtliche Normen einem Verständnis als relativ zwingendes Recht zugänglich sind.* Vielmehr erklärt § 27 HVertrG eine Vielzahl von Bestimmungen zu zwingendem Recht zugunsten des Handelsvertreters, ohne nach dem Kriterium der ANÄhnlichkeit zu differenzieren. Neben wirtschaftlich abhängigen Einzel-Firmen-Vertretern gelangen auch mit großer Marktmacht ausgestattete Mehr-Firmen-Vertreter in den Genuss der Unabdingbarkeit dieser Rechte.* Ausschlaggebend für den – einem DN vergleichbaren – Schutz des Handelsvertreters im Falle der Kündigung ist daher offenbar nicht eine pauschal angenommene AN-Ähnlichkeit seines Berufsstandes,* sondern allein der Aspekt der Dauerbindung, welcher dem Handelsvertretervertrag zugrunde liegt.* Diese Wertung lässt sich jedoch auch auf andere freie Dienstverhältnisse übertragen. In diese Richtung deutet im Übrigen auch jene E, in welcher der OGH den auf das freie Dienstverhältnis eines Vorstandsmitgliedes analog angewandten §§ 1159-1159b ABGB relativ zwingende Wirkung beigemessen hat,* obwohl er die AN-Ähnlichkeit von Vorstandsmitgliedern grundsätzlich verneint.* Vor diesem normativen Hintergrund erscheint der Schluss nicht gedeckt, dass die unmittelbar im Wortlaut des § 1159 ABGB nF zum Ausdruck kommende relativ zwingende Wirkung (arg: „Mangels einer für den Dienstnehmer günstigeren Vereinbarung [...]“) für Selbständige nicht zu rechtfertigen sei;* der relativ zwingende Charakter des § 1159 ABGB nF hat daher auch bei seiner analogen Anwendung erhalten zu bleiben.*

Wenn man den obigen Ausführungen nicht folgen sollte, wäre in Bezug auf die relativ zwingende 557 Wirkung des analog anzuwendenden § 1159 ABGB nF zwischen unternehmerischen freien DN und arbeitnehmerähnlichen freien DN zu unterscheiden. Bereits die Auseinandersetzung mit der Entwicklung der Kündigungsfristen hat nämlich gezeigt, dass der Gesetzgeber stets die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz des DN in den Mittelpunkt gestellt hat. In einer vergleichbaren wirtschaftlichen Abhängigkeit befinden sich aber auch arbeitnehmerähnliche freie DN. Dies verdeutlichen jene zahlreichen für arbeitnehmerähnliche freie DN (iSd § 4 Abs 4 ASVG) geschaffenen Regelungen, die nicht nur eine Gleichstellung zwischen diesen und regulären DN – etwa durch Ausdehnung der Dienstzettelpflicht (BGBl I 2004/77) oder durch Einbeziehung in das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz (BMSVG, BGBl I 2007/102BGBl I 2007/102) und das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz (IESG, BGBl I 2007/104) – herbeiführen, sondern auch einer vertraglichen Absenkung des Schutzniveaus vorbeugen (§ 1164a Abs 6 ABGB, § 1 Abs 1a iVm § 48 BMSVG). Hinter diesen Regelungen steht ein Schutzgedanke,* der es gebietet, § 1159 ABGB nF jedenfalls auch in Bezug auf arbeitnehmerähnliche freie DN einseitig zwingende Wirkung beizumessen.* Denn die bloße Geltung von Kündigungsregeln schützt nicht davor, dass der „stärkere“ Vertragsteil die Bedingungen vorgeben kann, in die der Beschäftigte aus wirtschaftlicher Not einwilligen muss. Tatsächlicher Schutz wird erst durch die zwingende Wirkung derselben erreicht.*

4.
Fazit

Die Angleichung der Kündigungsfristen und -termine der Arbeiter an jene der Angestellten ließ zwar die Lücke, welche hinsichtlich der auf freie Dienstverhältnisse anwendbaren Kündigungsregeln besteht, unberührt. Gleichzeitig macht sie allerdings eine Neubewertung erforderlich, inwieweit die bestehenden Kündigungsregelungen noch als Ausdruck des sozialen Schutzprinzips verstanden werden können. Denn § 1159 ABGB nF fügt sich nahtlos in eine Entwicklungslinie ein, die sich dadurch auszeichnet, dass gesetzliche Kündigungsregelungen – in Bezug auf DN ebenso wie in Bezug auf Selbständige – eine immer längere Bindungswirkung vorsehen und zunehmend auch mit zwingender Wirkung ausgestattet werden.

Angesichts dessen lässt sich bereits die Zuordnung des § 20 AngG zum sozialen Schutzprinzip nicht mehr aufrechterhalten. Umso weniger vermag es daher zu überzeugen, diese überholte Zuordnung des § 20 AngG auf § 1159 ABGB nF zu übertragen. Dieser ist vielmehr Ausdruck gewandelter Vorstellungen darüber, was zur technischen Abwicklung eines Dauerschuldverhältnisses erforderlich ist. Dementsprechend ist § 1159 ABGB nF analog auf das freie Dienstverhältnis anzuwenden. Gerade weil in Bezug auf das freie Dienstverhältnis sowohl asymmetrisch ausgestaltete Kündigungsregeln (§ 1158 Abs 3 ABGB analog, § 21 Abs 3 HVertrG) als auch zwingende Kündigungsregeln (§ 21 Abs 1 iVm § 27 HVertrG) anerkannt sind, führt diese Analogie nicht zu einem Widerspruch im Wertungssystem, sondern führt dessen Widerspruchsfreiheit vielmehr erst herbei. 558