164Bindung an das Anbot einer einvernehmlichen Auflösung beginnt erst mit dessen Zugang
Bindung an das Anbot einer einvernehmlichen Auflösung beginnt erst mit dessen Zugang
Die Kl war bei der Bekl als Sales Account Managerin beschäftigt. Die Bekl übersendete der Kl am 14.7.2020 einen von ihr unterfertigten Aufhebungsvertrag, mit dem sie der Kl die einvernehmliche Beendigung des Dienstverhältnisses zum 31.12.2020 samt einer Provisionsentschädigung von € 66.592,70 anbot. Noch am selben Tag wurde die Kl, die dieses Schreiben noch nicht erhalten hatte, wegen angeblich unerlaubter Abwesenheit vom Dienst entlassen. Tatsächlich konsumierte die Kl einen von ihrem Vorgesetzten genehmigten Urlaub. Am 10.8.2020 unterfertigte die Kl den Aufhebungsvertrag, der ihr in der Zwischenzeit zugegangen war.
Die Kl begehrt € 101.111,49 unter Berufung auf die Unwirksamkeit der Entlassung und die Vereinbarung im Aufhebungsvertrag. Das Erstgericht gab der Klage vollinhaltlich statt.
Mit dem angefochtenen Teilurteil wies das Berufungsgericht das Klagebegehren im bloß auf den Aufhebungsvertrag gestützten Teilbetrag von € 47.142,49 sA ab. Das Angebot zum Abschluss des Aufhebungsvertrags sei der Kl noch nicht zugegangen gewesen und durch die Entlassungserklärung hinfällig geworden. Im Übrigen verwies das Berufungsgericht die Rechtssache zur Entscheidung über die Kündigungsentschädigung an das Erstgericht zurück.
Der OGH erachtete die außerordentliche Revision der Kl mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO als nicht zulässig und führte aus:
Auch eine ungerechtfertigte Entlassung beendet das Dienstverhältnis eines DN, dem kein besonderer gesetzlicher Entlassungsschutz zukommt. Der Angestellte behält nach § 29 Abs 1 AngG aber seine vertragsmäßigen Ansprüche auf das Entgelt für jenen Zeitraum, der bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses durch ordnungsgemäße Kündigung durch den DG hätte verstreichen müssen. Darüber hinaus steht es dem Angestellten nach § 29 Abs 1 AngG frei, weitergehenden Schadenersatz geltend zu machen.
Die Kl meint, dass das Berufungsgericht von der Rsp zum Verlust einer Erwerbschance als positiver Schaden abgewichen sei, weil ihr im Zeitpunkt der unberechtigten Entlassung bereits eine gesicherte Rechtsposition zugekommen sei. Der Kl ist darin zuzustimmen, dass der Verlust einer Erwerbschance ein positiver Schaden ist, wenn eine rechtlich gesicherte Position besteht. Das ist insb dann der Fall, wenn ein bindendes Vertragsanbot vorliegt. Das trifft hier aber nicht zu.
Ein Anbot nach § 862 ABGB ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Die Bindung an das Anbot beginnt erst mit dessen Zugang, weshalb es bis dahin noch widerrufen werden kann. Nach der Rsp muss der Widerruf des Anbots beim Empfänger spätestens gleichzeitig mit dem Anbot eintreffen. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass das Vertragsanbot der Bekl im Zeitpunkt der Entlassungserklärung noch nicht verbindlich war und deshalb durch die Entlassungserklärung widerrufen werden konnte, ist schon deshalb von der bisherigen Rsp gedeckt.
Die außerordentliche Revision der Kl war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.