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Kein Anspruchsverlust bei fehlender Begründung für Zuweisung zu einer Wiedereingliederungsmaßnahme als Vorbereitungsmaßnahme zur Beschäftigung

BIRGITSDOUTZ

Einer seit 1.1.2013 – mit nur einer kurzen Unterbrechung durch eine Beschäftigung in der Dauer von weniger als einem Monat – im Bezug von Leistungen aus der AlV stehenden Notstandshilfebezieherin wurde seitens des Arbeitsmarktservice (AMS) ein „Einladungsschreiben“ übermittelt, in dem ihr eine „Vorbereitungsphase“ im Rahmen eines Sozialökonomischen Betriebes (SÖB) mit Aussicht auf eine anschließende befristete Beschäftigung in diesem SÖB angeboten und sie zu einem Vorstellungsgespräch am 14.5.2019 aufgefordert wurde. Es kam jedoch nicht zur Aufnahme in den SÖB; da die Versicherte beim Vorstellungsgespräch die Beantwortung der Frage nach ihrer Wohnsituation, nämlich ob sie in einer Gemeinde- oder Genossenschaftswohnung bzw alleine oder mit Mitbewohnern lebe und ob Mieten offen seien, unter Hinweis auf den Datenschutz auch nach wiederholter Aufforderung und Übergabe eines „Datenschutzblattes“ verweigerte.

Das AMS verhängte deshalb mit Bescheid vom 28.5.2019 eine sechswöchige Sperre des Notstandshilfebezugs gem § 38 iVm § 10 AlVG, da die Beschwerdeführerin das Zustandekommen der Beschäftigung in SÖB vereitelt habe.

Das AMS wies die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung ab. Dagegen brachte die Beschwerdeführerin fristgerecht einen Vorlageantrag ein.

Das BVwG bestätigte die Rechtsansicht des AMS und folgerte in rechtlicher Hinsicht, die geplante Beschäftigung beim SÖB sei zumutbar gewesen. Hinsichtlich des Einwands der Beschwerdeführerin, sie wäre nicht zu einem konkreten Arbeitsverhältnis zugewiesen worden, sei zu entgegnen, dass eine Vorbereitungsmaßnahme „mit der Möglichkeit“ eines anschließenden befristeten Dienstverhältnisses angeboten worden sei. Die Beschwerdeführerin sei daher zur Bewerbung verpflichtet gewesen. Aber auch wenn man davon ausgehe, dass kein Dienstverhältnis, sondern eine Maßnahme angeboten worden sei, sei die Beschwerdeführerin laut BVwG zu einer Teilnahme verpflichtet gewesen, da ihr iSd § 9 Abs 8 AlVG bewusst sein hätte müssen, dass ihre lange Abstinenz vom Arbeitsmarkt einer neuerlichen Arbeitsaufnahme im Wege stehe. Die Beschäftigung in einem SÖB diene der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Es sei daher erforderlich, Problemlagen, die sich etwa auch aus einer prekären Wohnsituation ergeben könnten, zu erkennen. Weiters führte das BVwG aus, dass die Beschwerdeführerin vor diesem Hintergrund zur Beantwortung der an sie gerichteten Fragen verpflichtet gewesen sei, zumal nach dem an sie übergebenen Datenschutzblatt die Informationen nicht an künftige DG weitergegeben worden wären. Die Verweigerung der Beantwortung sei kausal für das Nichtzustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses mit dem SÖB geworden, wobei die Beschwerdeführerin zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt habe. Der Tatbestand des § 10 Abs 1 Z 1 AlVG sei daher in objektiver und subjektiver Hinsicht erfüllt.

Der VwGH erklärte die gegen diese E eingebrachte Revision für zulässig und hob das Erkenntnis des BVwG auf. Nach den Feststellungen des BVwG hat das AMS der Beschwerdeführerin eine „Vorbereitungsphase“ in einem SÖB angeboten, damit sie anschließend ein befristetes Dienstverhältnis antreten könne. Ausgehend von diesen Feststellungen wurde der Beschwerdeführerin kein Beschäftigungsverhältnis angeboten. Wie die Revision zutreffend aufzeigt, wurde daher der Tatbestand des § 10 Abs 1 Z 1 AlVG schon mangels Zuweisung zu einer Beschäftigung nicht erfüllt (vgl VwGH 19.3.2021, Ra 2019/08/0103).

Insoweit sich das BVwG auch darauf gestützt hat, dass zumindest eine Maßnahme zur Wiedereingliederung nach § 10 Abs 1 Z 3 AlVG angeboten worden sei, wobei der Revisionswerberin bewusst sein habe müssen, dass ihre lange Abstinenz vom Arbeitsmarkt einer „Arbeitsaufnahme im Wege stehe“, verweist der VwGH auf seine stRsp, wonach es nicht im freien Belieben des AMS steht, Arbeitslosen entweder eine Arbeitsstelle zu vermitteln oder sie zu einer Wiedereingliederungsmaßnahme zuzuweisen. Voraussetzung für die Zuweisung zu einer solchen Maßnahme ist vielmehr, dass die Kenntnisse der arbeitslosen Person für die Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nach Lage des in Betracht kommenden Arbeitsmarktes nicht ausreichend sind. Eine Wiedereingliederungsmaßnahme ist nur dann erforderlich und zumutbar iSd § 9 AlVG, wenn sie allein oder gemeinsam mit anderen Maßnahmen im Hinblick auf eine tatsächliche Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt Erfolg versprechend erscheint (VwGH 31.7.2014, 2013/08/0279).

Gem § 9 Abs 8 AlVG hat das AMS bei Maßnahmen zur Wiedereingliederung der arbeitslosen Person die Gründe anzugeben, die eine Teilnahme an einer derartigen Maßnahme als zur Verbesserung der Wiederbeschäftigungschancen notwendig oder 391nützlich erscheinen lassen, soweit diese nicht auf Grund der vorliegenden Umstände wie insb einer längeren Arbeitslosigkeit in Verbindung mit bestimmten bereits zB im Betreuungsplan (§ 38c AMSG) erörterten Problemlagen, die einer erfolgreichen Arbeitsaufnahme entgegen stehen, als bekannt angenommen werden können. Daraus ergibt sich, dass – bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen – eine (ausführlichere) Begründung der Maßnahme vor Zuweisung entfallen und sohin die Begründung der Notwendigkeit oder auch Nützlichkeit der Maßnahme noch im Verwaltungsverfahren nachgeholt werden kann. Ein Ausschluss vom Bezug der Geldleistung setzt aber jedenfalls voraus, dass entsprechende Gründe für die Zuweisung zu einer Maßnahme vorliegen (VwGH 9.5.2022, Ra 2020/08/0185). Auch wenn gem § 9 Abs 8 dritter Satz AlVG eine Belehrung über diese Voraussetzungen vor Zuweisung also allenfalls entfallen kann, ist nach der Rsp des VwGH dennoch bei Verhängung einer Sanktion nach § 10 Abs 1 Z 3 AlVG im Bescheid des AMS bzw gegebenenfalls im Erkenntnis des BVwG darzulegen, dass die Voraussetzungen für eine Zuweisung zu einer Maßnahme gegeben waren, dass also eine Problemlage iSd § 9 Abs 8 AlVG vorlag und die Maßnahme zur Behebung dieser Problemlage notwendig und nützlich erschien. Bei Fehlen einer derartigen Begründung ist nämlich der VwGH an einer Prüfung des Bescheides bzw des Erkenntnisses auf seine Rechtmäßigkeit gehindert (VwGH 28.3.2012, 2010/08/0250).

Auch eine Maßnahme, durch die eine spätere Beschäftigung in einem SÖB vorbereitet wird, könnte bei Erfüllung der genannten Voraussetzungen eine zulässige Wiedereingliederungsmaßnahme sein (VwGH 13.11.2013, 2013/08/0157). Im vorliegenden Fall hat das BVwG laut VwGH jedoch nicht festgestellt, was Inhalt der „Vorbereitungsphase“, zu der die Revisionswerberin zugewiesen wurde, gewesen wäre und warum diese sich daher zur Behebung einer Problemlage iSd § 9 Abs 8 AlVG notwendig und nützlich erwiesen hätte. Damit ergibt sich auch nicht, dass gegenüber der Revisionswerberin nach § 9 Abs 8 AlVG eine (nähere) Angabe der Gründe für die Zuweisung zu dieser Maßnahme – aufgrund der berechtigten Annahme ihrer Bekanntheit – entfallen hätte können. Das BVwG hat daher die Voraussetzungen der Verhängung eines Anspruchsverlustes nach § 10 Abs 1 AlVG verkannt, ohne dass es fallbezogen noch darauf ankäme, ob die Revisionswerberin (ausnahmsweise) zur Beantwortung der Fragen zu ihrer Wohnsituation verpflichtet war. Der VwGH hat daher das angefochtene Erkenntnis gem § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.