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Anteilsmäßiger Familienzeitbonus nach Geburt in einem Geburtshaus mit einer Übernachtung

KRISZTINAJUHASZ
§ 2 Abs 1 Z 4 iVm Abs 3 FamZeitbG

Die Entbindung der Tochter des Kl erfolgte am 9.6.2020 in einem Geburtshaus. Nach der gegen 8:40 Uhr erfolgten Geburt legte sich die Familie ins Bett. Die Hebamme bereitete ihnen ein Frühstück zu. Anschließend wurde das Kind von einer Ärztin, die ins Geburtshaus kam und rund 20 Minuten blieb, untersucht. Die Hebamme blieb bis ca 14:00 Uhr und erbrachte bis dahin keine weiteren Betreuungsleistungen. Da die Mutter des Kindes zu erschöpft für die Heimfahrt war, blieb die Familie über Nacht (allein) im Geburtshaus und begab sich erst am 10.6.2020 zu ihrem Hauptwohnsitz.

Der Antrag des Kl auf Familienzeitbonus für den Zeitraum von 9.6.2020 bis 6.7.2020 wurde von der bekl Österreichischen Gesundheitskasse mit der Begründung abgelehnt, dass die Anspruchsvoraussetzung eines gemeinsamen Haushalts nicht erfüllt sei, da die Mutter bis 10.6.2022 in stationärer Behandlung war.

Das Erstgericht wies die auf Zuerkennung gerichtete Klage des Kl ab. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die außerordentliche Revision des Kl war zulässig, weil die Vorinstanzen von der jüngeren Rsp des OGH zur Möglichkeit der anteiligen Auszahlung des Familienzeitbonus abgewichen sind. Diese war auch teilweise berechtigt.

Dass sich der Kl im gesamten von ihm gewählten Anspruchszeitraum in Familienzeit befunden hat, bezweifelte die Bekl nicht. Sie stellte auch nicht in Abrede, dass ab dem 10.6.2020 ein gemeinsamer Haushalt vorlag und ab diesem Zeitpunkt die Anspruchsvoraussetzungen des § 2 Abs 1 FamZeitbG gegeben waren. Strittig war nur, ob der gemeinsame Haushalt allenfalls schon am 9.6.2020 – also schon im Geburtshaus – begründet wurde.

Der OGH hat zu Geburten im Krankenhaus mehrfach klargestellt, dass während des Krankenhausaufenthaltes – selbst in einem Familienzimmer – kein gemeinsamer Haushalt iSd § 2 Abs 3 FamZeitbG vorliegt (RS0132377). Begründet wird diese Ansicht damit, dass der Vater während dieser Zeit keine Betreuungsleistungen erbringt, sodass der vom Gesetzgeber intendierte Leistungszweck während eines Krankenhausaufenthalts nicht erreichbar ist (OGH 20.11.2018, 10 ObS 109/18d). Der OGH geht in seinen Entscheidungen davon aus, dass die „klassischen Haushaltsleistungen“ – wie Nahrungsversorgung der Mutter, Hilfestellungen bei der Säuglingspflege – ausschließlich durch das Krankenhauspersonal erbracht werden (OGH 13.9.2019, 10 ObS 115/19p; OGH 30.7.2019, 10 ObS 101/19d). Dagegen wird bei einer Hausgeburt der Familienzeitbonus ab dem Tag der Ge403burt gewährt (OGH 28.7.2020, 10 ObS 69/20z; OGH 20.11.2018, 10 ObS 109/18d).

Obwohl der vorliegende Sachverhalt sich von den bisher entschiedenen Fällen unterscheidet, da nachweislich der Vater und nicht Dritte jene Betreuungsleistungen erbrachte, die auch im Rahmen einer Hausgeburt zu erbringen wären, kann dennoch kein gemeinsamer Haushalt in einem Geburtshaus begründet werden. Nach § 2 Abs 3 FamZeitbG liegt ein gemeinsamer Haushalt nur dann vor, wenn der Vater, das Kind und der andere Elternteil in einer dauerhaften Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft an derselben Wohnadresse leben und alle drei an dieser Adresse auch hauptwohnsitzlich gemeldet sind (wobei eine bis zu 10 Tagen verspätet erfolgte Hauptwohnsitzmeldung des Kindes an dieser Wohnadresse nicht schadet). Somit übersieht der Kl bei seiner Argumentation, wonach ein gemeinsamer Haushalt auch schon im Geburtshaus bestanden habe, dass die Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft an der jeweiligen Wohnadresse auf Dauer ausgerichtet sein muss (OGH 25.1.2022, 10 ObS 82/21p). Nach dem Sachverhalt lag aber eine solche Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft im Geburtshaus nicht vor.

In seiner E 10 ObS 161/21f vom 29.3.2022 ist der OGH jedoch von seiner früheren Rsp, wonach eine anteilige Auszahlung des Familienbonus ebenso ausgeschlossen ist wie eine spätere Änderung des Anspruchszeitraums, abgegangen. Aus dem für die Anspruchsberechtigung maßgeblichen § 2 FamZeitbG ergibt sich nicht zwingend, dass der Anspruch auf Familienzeitbonus materiell nicht auch für einen kürzeren Zeitraum als den nach der verfahrensrechtlichen Bestimmung des § 3 Abs 3 FamZeitbG gewählten bestehen kann. Die Festlegung eines verbindlichen Anspruchszeitraums gem § 3 Abs 3 FamZeitbG ist allein für das Verwaltungsverfahren maßgeblich, nicht jedoch für die Frage der Anspruchsberechtigung. Der gänzliche Wegfall des Anspruchs im Fall des Fehlens der Anspruchsvoraussetzungen auch nur an einem Tag des gewählten Bezugszeitraums steht überdies in Widerspruch zum Zweck der Gewährung eines Familienzeitbonus. Dem FamZeitbG ist eine rechtmäßige anteilige Auszahlung, wie sich etwa aus § 7 Abs 3 letzter Satz FamZeitbG ergibt, auch nicht fremd. Zudem entspricht es weder den Intentionen des FamZeitbG noch der RL (EU) 2019/1158, den Anspruch gänzlich zu verneinen, wenn sich der Vater im gesamten gewählten Zeitraum in Familienzeit befand und sich ausschließlich der Familie widmete und bloß an einzelnen Tagen nicht alle Anspruchsvoraussetzungen vorlagen.

Der OGH hält fest, dass der beantragte Anspruchszeitraum zwischen 28 und 31 Tagen zu betragen hat und sich der Antragsteller währenddessen auch in Familienzeit gem § 2 Abs 4 FamZeitbG befinden muss. Zur anteiligen Auszahlung kommt daher nur dann, wenn eine der sonstigen Voraussetzungen des § 2 FamZeitbG – etwa der gemeinsame Haushalt – zeitweise fehlt. Auf Basis dieser Grundsätze, an denen auch im Anlassfall festzuhalten ist, gebührt dem Kl daher ein Familienzeitbonus für jene Tage innerhalb des von ihm gewählten Anspruchszeitraums, in dem sämtliche Anspruchsvoraussetzungen des § 2 FamZeitbG erfüllt waren. Das war hier unstrittig ab 10.6.2020 der Fall. Somit wurde der Familienzeitbonus ab diesem Zeitpunkt zugesprochen.