168Ersatz des Verdienstentgangs aufgrund einer Verletzung der nachvertraglichen Fürsorgepflicht
Ersatz des Verdienstentgangs aufgrund einer Verletzung der nachvertraglichen Fürsorgepflicht
Der bei der Bekl beschäftigte Kl wurde gekündigt. Ein von der Bekl an den potentiellen neuen AG des Kl gerichtetes Schreiben führte dazu, dass eine bereits ausverhandelte Geschäftsführerposition nicht zugesprochen wurde.
Mit der gegen die Bekl eingebrachten Klage begehrte der Kl die Differenz zwischen dem von ihm ins Verdienen gebrachten Einkommens und dem, das er als Geschäftsführer lukrieren hätte können sowie die Feststellung der Haftung der Bekl für zukünftige Schäden, die er infolge des Schreibens der Bekl erleiden würde.
Im ersten Rechtsgang wurde mit mittlerweile rechtskräftigem Zwischen- und Teilurteil sowohl das Klagsbegehren dem Grunde nach als auch das Feststellungsbegehren stattgegeben.
Im fortgesetzten Verfahren wies das Erstgericht das Zahlungsbegehren der Höhe nach allerdings ab. Das Berufungsgericht sah hingegen das Klagebegehren auch der Höhe nach als berechtigt an. Es hob das erstgerichtliche Urteil daher auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Erstgericht habe dabei die von der Bekl geltend gemachte Gegenforderung auf Grund einer Verletzung der Schadensminderungspflicht des Kl zu prüfen.
Der gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts an den OGH gerichtete Rekurs der Bekl wurde mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung als unzulässig zurückgewiesen.
In seiner rechtlichen Beurteilung führte der OGH aus, dass sich aus § 1304 ABGB allgemein eine Verpflichtung des Geschädigten ergibt, den Schaden möglichst gering zu halten. Es liegt ein Verstoß gegen die Schadenminderungspflicht vor, wenn der Geschädigte Handlungen unterlassen hat, die geeignet wären, den Schaden abzuwehren oder zu verringern, die – objektiv beurteilt – von einem verständigen Durchschnittsmenschen gesetzt worden wären, um eine nachteilige Veränderung des eigenen Vermögens hintanzuhalten, bzw wenn er Handlungen gesetzt hat, die geeignet wären, den Schaden zu vergrößern und von einem verständigen Durchschnittsmenschen nicht gesetzt worden wären, und dies der Geschädigte bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte erkennen müssen und dieser Einsicht nach handeln hätte können.
Jedoch kann die Unterlassung der Schadensminderung dem Geschädigten nur dann vorgeworfen werden, soweit ihm ein konkretes Verhalten zugemutet werden kann. Was dem Geschädigten zumutbar ist, bestimmt sich nach den Interessen beider Teile, dem redlichen Verkehr. Insofern kommt es im Wesentlichen auf die Umstände des Einzelfalles an.365
Ergänzend führte der OGH aus, dass die Beweislast für eine Verletzung der Schadensminderungspflicht der Schädiger trägt. Er hat zu behaupten und zu beweisen, dass bestimmte Maßnahmen objektiv zumutbar gewesen wären und der Geschädigte diese schuldhaft nicht ergriffen hat. Hingegen hat der Geschädigte zu beweisen, dass ihm diese Maßnahmen subjektiv nicht zumutbar waren.
Auch im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Verdienstentgang trifft den Schädiger die Behauptungslast und Beweislast dafür, dass der Geschädigte seinen nachgewiesenen Verdienstentgang durch die Aufnahme einer anderen Tätigkeit hätte verringern können.
Dagegen hat der Geschädigte bei der Wiedererlangung seiner Erwerbsfähigkeit im früheren Ausmaß zu beweisen, nicht in der Lage zu sein, eine gleichwertige und zumutbare Tätigkeit auszuüben. Insofern ist es Sache des Geschädigten, zu behaupten und zu beweisen, dass er trotz wiedererlangter voller Erwerbsfähigkeit nicht in der Lage war bzw ist, einen Arbeitsplatz zu finden, an dem er einen seinem früheren Einkommen entsprechenden Verdienst erzielen hätte können.
Im gegenständlichen Fall vertrat der OGH die Rechtsauffassung, dass der Verdienstentgang des Kl unmittelbare Folge der schädigenden Handlung der Bekl ist und für eine Beweislastumkehr daher keine Grundlage besteht. Der OGH bestätigte auch die Ansicht des Berufungsgerichts, wonach eine Verletzung der Schadensminderungspflicht auf Seiten des Kl nicht feststellbar war. Der Kl hatte sich um eine Neuanstellung, ua durch Kontaktaufnahme – auch –, mit geeigneten Personalberatungsbüros bemüht, Initiativbewerbungen versendet und versucht, Kontakte zu knüpfen.
Das Berufungsgericht ist ferner vertretbar davon ausgegangen, dass eine Bindung des neuen AG an den Geschäftsführervertrag erst durch Unterfertigung des Geschäftsführerdienstvertrags erfolgen sollte, zu der es aufgrund des Schreibens der Bekl nicht gekommen ist. Dagegen spricht auch nicht, dass die internen Genehmigungen zunächst vorlagen und in der Folge widerrufen wurden. Das Zustandekommen eines Vertrags hängt nicht von der internen Willensbildung, sondern der Erklärung gegenüber dem Vertragspartner ab. Die Ansicht des Berufungsgerichts, bei dieser Sachlage könne dem Kl – abgesehen davon, dass das Schreiben der Bekl dazu geführt habe, dass er die Geschäftsführerposition nicht erhielt – nicht vorgeworfen werden, keinen Versuch zur Durchsetzung seiner Rechtsposition unternommen zu haben, ist nicht zu beanstanden. Zwar kann nach der Rsp auch im Nichtergreifen eines Rechtsmittels oder der Unterlassung einer Prozessführung eine Verletzung der Schadensminderungspflicht liegen; jedoch komme es im Wesentlichen auf die Umstände des Einzelfalles an. Jedenfalls ist der Geschädigte nicht zu gerichtlichen Schritten verpflichtet, die mit einem erheblichen Kostenrisiko verbunden sind oder geringe Erfolgsaussichten haben. Wenn die Rechtslage problematisch ist, liegt keine Verletzung der Schadensminderungspflicht vor, wenn der Rechtsweg nicht beschritten wird. Anders ausgedrückt: Das Nichtergreifen eines Rechtsmittels kann nach der Rsp zu einer Verletzung der Schadensminderungspflicht führen, wenn dies geeignet gewesen wäre, den Schaden abzuwenden. Eine solche Verletzung ist hingegen dann zu verneinen, wenn der Entschluss des Verletzten durch den haftungsbegründenden Vorgang herausgefordert wurde, er also erst durch das pflichtwidrige Verhalten des Schädigers in die Lage kam, eine solche Entscheidung treffen zu müssen. Zudem ist hypothetisch nachzuvollziehen und zu beurteilen, wie das Verfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit geendet hätte.
Aus all diesen Gründen war daher der Rekurs der Bekl zurückzuweisen.