StocksDienst- und gesellschaftsvertragliche nachvertragliche Wettbewerbsverbote für Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH. Analyse der Prüfungsmaßstäbe und Zulässigkeitskriterien mit einem Fokus auf Karenzentschädigungen und Maximaldauer

Duncker & Humblot Verlag, Berlin 2022, 207 Seiten, € 89,90

VERENAVINZENZ (GRAZ)

Schutz vor Konkurrenzklauseln auch für Nicht-AN? So oder so ähnlich könnte man den Titel der vorliegenden Arbeit, einer Dissertation, welche an der Bucerius Law School – Hochschule für Rechtswissenschaft, Hamburg – angenommen und in der Schriftenreihe zum Wirtschaftsrecht publiziert wurde, ins Österreichische transkribieren.

Die Arbeit unterteilt sich in drei Abschnitte. In einem ersten Teil (S 20-87) beschäftigt sich die Verfasserin mit möglichen Rechtsgrundlagen, Prüfungsmaßstäben und Zulässigkeitsgrenzen für ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot. Wie auch in Österreich gibt es dafür letztlich nur eine einzige mögliche Basis, nämlich eine Parteienvereinbarung. Gesetzliche Wettbewerbsverbote hingegen binden die Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH nur für die Dauer ihrer jeweiligen Tätigkeit bzw Stellung. Hier kommt die besondere Rolle des Gesellschafter- Geschäftsführers ins Spiel: Da dieser sowohl einen Anstellungsvertrag mit der Gesellschaft als auch einen Gesellschaftsvertrag mit den übrigen Gesellschaftern abschließt, sind Konkurrenzklauseln auch aus beiderlei Perspektiven zu beurteilen. Was jedoch in dieser Einführung fehlt und das Nachvollziehen der dogmatischen Aufarbeitung erschwert, sind Begriffsbestimmungen: Weder definiert Stocks, was genau sie mit „dienst- und gesellschaftsvertraglichen Wettbewerbsverboten“ meint, noch findet man in der Arbeit eine fundierte rechtliche Einordnung des Gesellschafter-Geschäftsführers der GmbH. In Österreich ist die Rechtslage dahingehend klar, dass ein derartiger Gesellschafter-Geschäftsführer je nach konkreter Gestaltung der Rechtsbeziehungen im Innenverhältnis sowohl AN als auch Unternehmer – in aller Regel freier DN der GmbH – sein kann. Ein „dienstvertragliches“ (iS von „arbeitsvertragliches“) Wettbewerbsverbot kann sich nach österreichischem Verständnis nur auf AN beziehen. Dementsprechend wäre bereits der Untersuchungsgegenstand wohl insofern zu präzisieren gewesen, als geprüft wird, ob sich die zu derartigen Wettbewerbsverboten bestehende Judikaturlinie des dBGH – dieser ist zuständig für die (freien) Dienstverträge der Nicht-AN – auf eine dogmatisch überzeugende Basis rückführen lässt.

Aus arbeitsrechtlicher Perspektive ist in der Folge überraschend, dass Stocks die Anwendung der §§ 74 ff dHGB, die konkrete Grenzen für einzelvertragliche nachvertragliche Wettbewerbsverbote vorgeben, von vornherein ausschließt. Die Verfasserin räumt auf S 42 f zwar ein, dass es zur Frage, ob Gesellschafter-Geschäftsführer als AN zu qualifizieren sind, eine rege Diskussion in der deutschen Literatur gibt, in der zumindest die arbeitsrechtlich orientierte Meinung die Möglichkeit

eines Arbeitsverhältnisses von Organmitgliedern grundsätzlich bejaht. Eine genauere Auseinandersetzung mit dieser vermeidet die Autorin mit Hinweis auf die ablehnende Ansicht der gesellschaftsrechtlich orientierten Lehre sowie der stRsp des dBGH. So gelangt Stocks zum Schluss, dass die §§ 74 ff dHGB auf die sie interessierenden Fälle nicht direkt angewendet werden können. Es wäre mE sauberer gewesen, bei Gesellschafter- Geschäftsführern ohne relevanten Einfluss auf die Gesellschaft die AN-Eigenschaft und damit die direkte Anwendbarkeit der §§ 74 ff dHGB zu bejahen (für Österreich vgl dazu Laimer/Wieser, Der GmbH-Geschäftsführer als Angestellter2 [2023] Rz 2.22 ff; Hahn in Geiger/Huber/Sindelar [Hrsg], Handbuch Managervergütungen Rz 2.5 [Stand 1.1.2019, rdb.at]). Für alle anderen Gesellschafter-Geschäftsführer hingegen ist der von Stocks eingeschlagene Weg zunächst nachvollziehbar.

Warum die Autorin in weiterer Folge auch eine analoge Anwendung der §§ 74 ff dHGB auf Nicht-AN verneint, erschließt sich wiederum nicht zur Gänze. Stocks zeigt in einer Analyse der einschlägigen Judikatur und Literatur auf, dass es Argumente in diese Richtung gibt, präferiert im Endeffekt aber, und dies mE ohne großartige Begründung (vgl dazu S 43-58), jene Judikaturlinie des dBGH, in der die in § 138 Abs 1 dBGB enthaltene (und im Wesentlichen § 879 ABGB entsprechende) Sittenklausel als einziger Prüfungsmaßstab für die Vereinbarung von Konkurrenzklauseln mit Gesellschafter- Geschäftsführern verbleibt.

Dem bloßen Rekurs auf § 138 dBGB vorzuziehen ist – auch angesichts der in der Folge vorgenommenen Argumentationen der Autorin – eine Rechtsanalogie zu den §§ 74 ff dHGB, zumal – wie oben angesprochen – im gegebenen Zusammenhang offenbar eine Regelungslücke vorliegt. Insb der Maßstab der „unbilligen Erschwerung des Fortkommens“ lässt sich nämlich kaum auf die Sittenklausel stützen, schützt dieser doch bereits berücksichtigungswürdige Interessen des Arbeitenden, während § 138 dBGB oder § 879 ABGB bloß bei grober Interessenverletzung eingreift (so zum Thema Reissner, Die arbeitsrechtliche Konkurrenzklausel [1996] 173). Eine Lückenfüllung mittels Rechtsanalogie ermöglicht es also, die „Grundwertungen (der §§ 74 ff dHGB) zu verallgemeinern, ohne jedoch ihre Einzelausformung in jedem Fall mitzuübernehmen“ (Reissner, Konkurrenzklausel 170). Eine Anwendung der §§ 74 ff dHGB wäre demgegenüber zu starr, würde dies doch zB die Geltung von § 74 Abs 2 leg cit mit sich bringen, der bei sonstiger Nichtigkeit der Klausel eine verpflichtende (Mindest-) Karenzentschädigung enthält. Des Weiteren wird in § 74a Abs 1 S 3 dHGB eine Maximaldauer von zwei Jahren ab Beendigung des Dienstverhältnisses vorgeschrieben.

Im Ergebnis genau den Weg einer Rechtsanalogie beschreitet die Autorin dann im zweiten Teil der vorliegenden Arbeit, genannt „Hintergründe“ (S 87-151), in dem sie sich an eine dogmatische Begründung der in der stRsp des dBGH geltenden Prüfungsmaßstäbe wagt. Stocks untersucht, ob die §§ 74 ff dHGB allgemeine Rechtsgrundsätze enthalten, die verallgemeinert werden können. Wenig überraschend gelangt sie zum Ergebnis, dass sowohl das Verbot der unbilligen Erschwernis des 74

Fortkommens, gemessen am zeitlichen, örtlichen und sachlichen Umfang des Wettbewerbsverbots, als auch das berechtigte geschäftliche Interesse des AG, in diesem Fall der Gesellschaft, als allgemeine Grundsätze bestehen, und dementsprechend als Faktoren für die von ihr zu Grunde gelegte Sittenwidrigkeitsprüfung nach § 138 Abs 1 dHGB zu berücksichtigen sind. Die bereits angesprochene Maximaldauer von zwei Jahren sowie der dezidierte Anspruch auf bezahlte Karenz seien dagegen nicht verallgemeinerungsfähig. Dieser Gedankengang ist nachvollziehbar, stellen die §§ 74 ff dHGB doch auf die spezielle Interessenlage der AN ab, etwa die persönliche Abhängigkeit vom AG, die bei anderen Vertragsverhältnissen regelmäßig nicht in gleicher Art und Weise ausgeprägt sind.

In einem abschließenden dritten Teil (S 152-192) legt Stocks die von ihr entwickelten Generalklauseln auf den Untersuchungsgegenstand um, mit dem Ziel, für die Praxis verwertbare Schlüsse ziehen zu können. Diese lassen sich wohl darin zusammenfassen, dass die Autorin davon ausgeht, dass bei Gesellschafter- Geschäftsführern von GmbH weder das Fehlen einer Karenzentschädigung noch eine Überschreitung der Maximaldauer von zwei Jahren per se zur Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbots führt. Diese Faktoren seien nur im Rahmen einer Angemessenheitsprüfung ausschlaggebend. Unterliegt der Gesellschafter-Geschäftsführer etwa einem umfassenden Tätigkeitsverbot, ist er aber gleichzeitig nur marginal an der Gesellschaft beteiligt, so müssten die Belastungen im Zusammenhang mit der Beeinträchtigung der Berufsfreiheit durch eine Ausgleichsleistung abgemildert werden.

Der Autorin ist mit dem vorliegenden Werk eine detaillierte Analyse der bisherigen Rsp des dBGH gelungen. Auch die Ambition, sich an dogmatische Begründungen für eine vom Höchstgericht selbst nicht sauber entwickelte Judikaturlinie zu wagen, ist positiv hervorzuheben. Interessant sind aus arbeitsrechtlicher Perspektive vor allem die Wertungen aus benachbarten Rechtsgebieten, etwa welche Erkenntnisse aus dem Kartellrecht für die Diskussion fruchtbar gemacht werden können. Angemerkt werden muss jedoch auch, dass die Arbeit formal (zahlreiche nicht bereinigte Druckfehler, zB auf den S 29, 35, 42, um nur einige wenige zu nennen) nicht vollständig ausgereift wirkt. Sätze wie „Insbesondere zeigt das explizite Einbeziehen des geschäftlichen Interesses in den Prüfungsmaßstab, dass [...] Beschränkungen [...] nur zulässig sind, wenn und soweit sie durch ein berechtigtes geschäftliches Interesse gerechtfertigt sind.“ auf S 103 lesen sich auch nach mehrmaliger Lektüre schlicht und ergreifend sinnbefreit. Eine genaue Nachkontrolle der Fahnen hätte hier zu einem befriedigenderen Ergebnis geführt.