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Zulässigkeit der Durchrechnung von Mehrarbeit

MAGDALENAMIßBICHLER (SALZBURG)
  1. Die Bestimmungen über die Verteilung der Normalarbeitszeit und ihre Durchrechnung (§ 4 AZG) sind auf Teilzeitarbeitsverhältnisse nicht sinngemäß anzuwenden.

  2. Pkt III.a. des KollV für Angestellte bei Steuerberatern und Wirtschaftstreuhändern kann sinnvollerweise nur dahin ausgelegt werden, dass damit die Ausnahme von der Zuschlagspflicht nach § 19d Abs 3b Z 1 AZG bei Zeitausgleich von einer Dreimonatsperiode auf maximal 52 Wochen abgeändert wird. Eine solche Regelung lässt § 19d Abs 3f AZG zu.

[...] Die Kl war vom 2.1.2002 bis 31.12.2019 bei der Bekl beschäftigt. Das Dienstverhältnis unterlag dem KollV für Angestellte bei Steuerberatern und Wirtschaftstreuhändern.

[2] Im Jänner 2015 vereinbarten die Streitteile eine schriftliche „Änderung zum Dienstvertrag“ mit folgendem hier wesentlichen Inhalt:

„... In Ergänzung des Dienstvertrages vom 2. Jänner 2008 wird einvernehmlich vereinbart, ab 1.1.2015 einen Durchrechnungszeitraum von 52 Wochen gemäß Art III lit a Kollektivvertrag zur Anwendung zu bringen.Die wöchentliche Normalarbeitszeit beträgt 12,5 Stunden und ist im Bedarfsfall (Urlaubsvertretung und Vertretung im Krankheitsfall) auf maximal 40 Stunden zu erhöhen. Bei einem länger andauernden Krankenstand (2 Wochen) wird die Arbeitszeit neu besprochen. Die Dauer der wöchentlichen Normalarbeitszeit wird jeweils im Vorhinein für drei Monate vereinbart. Innerhalb des gesamten Durchrechnungszeitraums darf die Normalarbeitszeit von 12,5 Stunden in der Woche nicht überschritten werden.“

[3] Für die Arbeit von 12,5 Stunden pro Woche, die von der Kl grundsätzlich am Dienstag und Donnerstag zu erbringen war, bezog sie zuletzt 835 € brutto monatlich.

[4] Es war zwischen den Streitteilen vereinbart, dass die Kl während des Urlaubs ihrer Vorgesetzten diese zu vertreten und dann ganztags zu arbeiten hatte. Es wurden dazu bereits bis 31.1. eines jeden Jahres möglichst viele konkrete Urlaubstage im Vorhinein festgelegt. Neben diesen Urlaubsvertretungen arbeitete die Kl auch an manchen anderen Tagen zusätzlich, wenn ihr von der Bekl kurzfristig mitgeteilt wurde, dass sie gebraucht werde.

[5] Insgesamt arbeitete die Kl in den Jahren von 2017 bis 2019 in etlichen Monaten (einzeln betrachtet) über das vereinbarte Teilzeitausmaß von 12,5 Wochenstunden hinaus, summiert ergeben sich daraus zusätzliche 548 Stunden. Davon hat die Bekl nach Durchrechnung über jeweils ein Jahr insgesamt 293,25 Stunden als nicht ausgeglichene Mehrstunden abgegolten.

[6] Die Kl begehrt die Bezahlung restlicher 254,75 Mehrstunden samt 50 %-igem Zuschlag gem § 19e AZG. Die gesetzlichen und kollektivvertraglichen Voraussetzungen für eine Durchrechnung der ungleichmäßigen Arbeitszeit seien in ihrem Fall nicht eingehalten worden, insb seien die Dauer der wöchentlichen Normalarbeitszeit und die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage nicht jeweils fristgerecht im Vorhinein vereinbart worden.

[7] Den Kollektivvertragsparteien komme nicht die Kompetenz zu, einen Durchrechnungszeitraum iSd § 4 AZG für Teilzeitbeschäftigte über einen Zeitraum von 52 Wochen zu eröffnen. Es sei unzulässig, wenn die Bekl geleistete Mehrarbeitsstunden mit Minusstunden der Sollarbeitszeit in der Weise verrechnet habe, dass die Mehrarbeit damit zur Normalarbeit mutiert wäre.

[8] Die Bekl wandte ein, mit der Kl sei dem KollV entsprechend ein Durchrechnungszeitraum von 52 Wochen vereinbart worden. Innerhalb dieses Zeitraums könnten Mehrstunden, soweit dafür nicht Zeitausgleich konsumiert wurde, und Normalarbeitsstunden ausgeglichen werden. Nur Mehrarbeitsstunden, die nach Ablauf des Durchrechnungszeitraums über das vereinbarte Teilzeitausmaß hinaus verblieben, seien zu bezahlen. Die Kl gehe bei der Berechnung ihrer Sollarbeitszeit außerdem teilweise von falschen Voraussetzungen aus. Ein KollV dürfe Abweichungen von § 19d Abs 3a bis 3e AZG zulassen, dies sei hier der Fall. [...]

[16] 1. Die Bekl vertritt in ihrem Rechtsmittel den Standpunkt, ein Durchrechnungszeitraum von 52 Wochen könne nicht nur für die Zuschlagspflicht, sondern generell für die Anzahl der abzugeltenden Mehrstunden wirksam vereinbart werden. Bereits in der E 9 ObA 18/13g habe der OGH erklärt, dass eine Durchrechnung auf Basis kollektiver Rechtsgestaltung geeignet sei, den Mehrarbeitszuschlag zu vermeiden.

[17] 2. Zur Behandlung des Rekurses ist zunächst die einschlägige Regelung des KollV für Angestellte bei Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern (in der zum 1.1.2015 geltenden Fassung [...]) in Erinnerung zu rufen:

„III. Arbeitszeit1. Unter dem Begriff ‚Arbeitszeit‘ ist die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ohne Einrechnung der Ruhepausen zu verstehen.2. Die Arbeitszeit beträgt für die Angestellten 40 Stunden wöchentlich.(...)III.a. Durchrechenbare Arbeitszeiten(...)2. Die Normalarbeitszeit kann innerhalb eines Zeitraums von maximal 52 Wochen bis zu 9 Stunden täglich und 45 Stunden wöchentlich ausgedehnt werden, wenn innerhalb dieses Durchrechnungszeitraums die wöchentliche Normalarbeitszeit 40 Stunden nicht überschreitet. (...)3. Ein Durchrechnungszeitraum muss zu dessen Gültigkeit durch Betriebsvereinbarung – in Betrieben, in denen kein Betriebsrat errichtet ist, durch schriftliche Einzelvereinbarung – einvernehmlich festgelegt werden.

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4. Die Dauer der wöchentlichen Normalarbeitszeit im Durchrechnungszeitraum ist im Vorhinein zu vereinbaren. Bei einem Durchrechnungszeitraum von mehr als 13 Wochen muss die Dauer der wöchentlichen Normalarbeitszeit zumindest für jeweils 13 Wochen im Vorhinein vereinbart werden.5. Die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage ist für mindestens zwei Wochen im Vorhinein zu vereinbaren.(...)7. Ein sich nach dem Durchrechnungszeitraum ergebender Stundenüberhang ist mit einem Zuschlag von 50 % zur Auszahlung zu bringen. Eine Zeitschuld verfällt.7. a) Bei Teilzeitbeschäftigten gelten diese Regelungen mit der Maßgabe, dass als Mehrarbeitsstunden nur jene Arbeitsstunden zu bezahlen sind, die nach Ablauf des Durchrechnungszeitraums über das vereinbarte Teilzeitausmaß hinausgehen. Im Übrigen gelten für Teilzeitbeschäftigte die Bestimmungen des § 19 lit d Arbeitszeitgesetz idF des BGBl I Nr71/2013.“ [...]

[25] 5. Eine (sinngemäße) Anwendung der Bestimmungen über die Verteilung der Normalarbeitszeit und ihre Durchrechnung (§ 4 AZG) auf Teilzeitarbeitsverhältnisse wird in der – überwiegenden – Literatur wie auch in der höchstgerichtlichen Rsp abgelehnt. [...]

[30] 6. Im vorliegenden Fall trifft der anzuwendende KollV in seinem Pkt III.a. einerseits für die Normalarbeitszeit die Regelung, dass ein Durchrechnungszeitraum von maximal 52 Wochen vereinbart werden kann (Z 2) und legt für Teilzeitbeschäftigte fest, dass diese Regelungen für sie mit der Maßgabe gelten, dass als Mehrarbeitsstunden nur jene Arbeitsstunden zu bezahlen sind, die nach Ablauf des Durchrechnungszeitraums über das vereinbarte Teilzeitausmaß hinausgehen, im Übrigen gelte § 19d AZG.

[31] Diese Bestimmung kann nach dem gesamten Inhalt und Zusammenhang sinnvollerweise nur dahin ausgelegt werden, dass damit die Ausnahme von der Zuschlagspflicht nach § 19d Abs 3b Z 1 AZG leg cit bei Zeitausgleich von einer Dreimonatsperiode auf maximal 52 Wochen abgeändert wird. Eine solche Regelung, auf deren Grundlage die Parteien einen Durchrechnungszeitraum von 52 Wochen vereinbart haben, lässt § 19d Abs 3f AZG zu (vgl ua Winkler, DRdA 2015, 458 [460]; Heilegger in Gasteiger/Heilegger/Klein, AZG5 § 19d Rz 89).

[32] Innerhalb der Periode nach § 19d Abs 3b Z 1 AZG – ursprünglich oder durch KollV verlängert – ist eine Abgeltung von Mehrarbeit durch Zeitausgleich ohne Zuschlag möglich.

[33] Es kommt innerhalb dieser Periode aber insoweit auch nicht darauf an, wie lange im Vorhinein und für welche Zeiträume die tatsächliche Arbeitszeit eingeteilt wurde. Die Frage einer zulässigen ungleichmäßigen Verteilung der vereinbarten Arbeitszeit ist nämlich dafür relevant, ob im Rahmen der anzustellenden Durchschnittsbetrachtung überhaupt Mehrstunden entstehen. Ist dies zu bejahen, dann richtet sich ihre Abgeltung nach § 19d Abs 3a bis 3e AZG.

[34] 7. Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall, dass von der Kl geleistete Mehrstunden innerhalb eines Zeitraums von 52 Wochen (nach dem Dienstvertrag ident mit einem Kalenderjahr), in dem sie angefallen sind, durch Zeitausgleich ohne Berücksichtigung eines Zuschlags abgegolten werden konnten. Nur Mehrstunden, die nach Ende des Jahres danach noch offen verblieben sind, waren mit Zuschlag zu entlohnen.

[35] 8. Um die Klagsansprüche auf dieser Rechtsgrundlage abschließend beurteilen zu können, reicht der festgestellte Sachverhalt nicht aus. [...]

[37] In jedem Fall bedarf es auch einer Feststellung der vorgebrachten Minusstunden nach Ausmaß und zeitlicher Lagerung, mit denen innerhalb des Kalenderjahres eine Abgeltung von Mehrstunden durch Zeitausgleich erfolgt sein soll.

[38] Im Ergebnis hat es daher bei der aufhebenden Entscheidung des Berufungsgerichts zu bleiben.

[...]

ANMERKUNG
1.
Einleitung

In der vorliegenden E hatte sich der OGH einmal mehr mit dem Verhältnis des durch BGBl I 2007/61 in § 19d AZG eingeführten Zuschlags für Mehrarbeit im Rahmen von Teilzeitarbeitsverhältnissen und einer (diesmal aber kollektivvertraglich vorgesehenen) Durchrechnungskonstruktion zu beschäftigen. Dabei stand neben der Interpretation ebendieser kollektivvertraglichen Regelung wiederum die Frage, ob die „klassische“ Durchrechnung gem § 4 Abs 6 AZG auch bei Mehrarbeit von Teilzeitbeschäftigten Anwendung finden kann, im Mittelpunkt der Problemstellung. Der OGH folgte (scheinbar um Erklärung der offensichtlich nicht unkomplizierten Thematik bemüht) im Wesentlichen seiner bisherigen Judikaturlinie.

2.
Grundlagen der Abgeltung von Mehrleistungen im Rahmen von Teilzeitbeschäftigungen

Zum Zweck der verständlicheren Erläuterung der obigen E erscheint es zunächst sinnvoll, die Grundlagen und (tatsächlich oftmals nicht unkomplizierten) Abgrenzungen der arbeitszeitrechtlichen Regelungen in diesem Zusammenhang in Erinnerung zu rufen.

2.1.
Teilzeitarbeit

Die rechtlichen Grundlagen der Teilzeitarbeit finden sich vornehmlich in § 19d AZG. § 19d Abs 1 AZG definiert sie zunächst über die vertraglich vereinbarte Normalarbeitszeit. Nur wenn diese unter dem Maß der gesetzlichen Normalarbeitszeit (gem § 3 Abs 1 AZG 40 Stunden) oder der kollektivvertraglich (bzw bei entsprechender kollektivvertraglicher Ermächtigung auch durch BV; vgl zB Heilegger in Gasteiger/Heilegger/Klein, AZG7 § 19d AZG 49

Rz 3) normierten (wiederum unter dem gesetzlichen Maß liegenden) Normalarbeitszeit zurückbleibt, liegt Teilzeitarbeit vor.

Dieses Ausmaß, aber auch die konkrete Lage, ist gem § 19d Abs 2 AZG Gegenstand einer Vereinbarung, die darüber hinaus auch eine im Vorhinein erfolgende ungleichmäßige Verteilung der Arbeitszeit auf einzelne Tage und Wochen enthalten kann. Vereinbarungen über Änderungen des Ausmaßes der regelmäßigen Arbeitszeit bedürfen nach dieser Bestimmung ferner der Schriftform.

2.2.
Die Durchrechnung der Arbeitszeit gem § 4 Abs 6 AZG

Grundsätzlich unabhängig vom vereinbarten Arbeitszeitausmaß eröffnet § 4 Abs 6 AZG mit der „Durchrechnung“ der Arbeitszeit die Möglichkeit, die Normalarbeitszeit in einzelnen Wochen bis auf ein gesetzlich oder kollektivvertraglich festgelegtes Maß auszudehnen, wenn bei Gesamtbetrachtung des Durchrechnungszeitraums im Durchschnitt die Normalarbeitszeit von 40 Stunden (bzw die kollektivvertragliche Normalarbeitszeit) nicht überschritten wird. Innerhalb des Durchrechnungszeitraums wird die „Mehrleistung“ in weiterer Folge 1:1, also ohne Anfall von Überstundenzuschlägen, abgegolten. Der Einsatz dieses Flexibilisierungsinstruments erfordert jedoch abseits des von § 4 Abs 4 AZG erfassten Personals von Verkaufsstellen iSd Öffnungszeitengesetzes 2003 eine entsprechende kollektivvertragliche Zulassung.

Die grundsätzliche Anwendbarkeit dieser Bestimmung auf Teilzeitbeschäftigte und deren als Überstunden zu qualifizierenden Mehrleistungen war und ist jedenfalls unbestritten (vgl Heilegger, Keine Durchrechnung bei Teilzeitbeschäftigten, DRdA 2008, 283). Dennoch fraglich erschien aber längere Zeit die Möglichkeit, diese Regelung auch für die Mehrarbeit iSd § 19d Abs 3 AZG und dem dafür anfallenden Mehrarbeitszuschlag nutzbar machen zu können (siehe dazu sogleich unter Pkt 3.).

2.3.
Mehrarbeit und Mehrarbeitszuschlag

Wird im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung über das vertraglich vereinbarte Arbeitszeitausmaß hinaus gearbeitet, liegt – bis zum Erreichen der durch die gesetzliche Normalarbeitszeit bestimmten Überstundengrenze – Mehrarbeit vor. Keine Mehrarbeit entsteht, wenn sich die Arbeitsleistung des Teilzeitbeschäftigten im Rahmen einer Vereinbarung unregelmäßig verteilt.

Anders als für Überstunden, für die gem § 10 AZG zwingend ein Zuschlag von 50 % zusteht, gebührt für die Mehrarbeit von Teilzeitbeschäftigten grundsätzlich ein 25 %-iger Zuschlag (vgl § 19d Abs 3a AZG).

Von der Grundregel dieses Zuschlagsanspruchs bestehen jedoch einige Ausnahmen: Einerseits entfällt die Zuschlagspflicht für Mehrarbeitsstunden gem § 19d Abs 3b AZG dann, wenn die betreffenden Mehrstunden entweder innerhalb des Quartals, in dem sie entstanden sind, oder einem anderen festgelegten, dreimonatigen Zeitraum, in dem sie angefallen sind, im Verhältnis 1:1 ausgeglichen werden. Andererseits fällt auch für Mehrarbeitsstunden im Rahmen einer Gleitzeitvereinbarung kein Zuschlag an, sofern innerhalb der Gleitzeitperiode die vereinbarte Arbeitszeit nicht überschritten wird.

Daneben erlaubt § 19d Abs 3f AZG, durch kollektivvertragliche Regelungen Abweichungen von den vorangehenden Regelungen zur Mehrarbeit (konkret den Abs 3a bis 3e) zuzulassen.

3.
Zur „Flexibilisierung“ im Bereich der Mehrarbeit

Gerade der letztgenannte kollektivvertragliche Regelungsspielraum spielt in der Diskussion um die Durchrechenbarkeit von Mehrarbeit eine zentrale Rolle:

In einer OGH-E aus dem Jahr 2013 (9 ObA 18/13gDRdA 2014/8, 58 [Eypeltauer]) hatte sich das Höchstgericht bereits mit der Frage auseinanderzusetzen, inwieweit die Mehrarbeit Teilzeitbeschäftigter, auf deren Arbeitsverhältnis keine Normen kollektiver Rechtsgestaltung anzuwenden waren, Gegenstand einer Durchrechnung bzw einer Vorausvereinbarung gem § 19d Abs 2 AZG sein konnten. In diesem Fall war einzelvertraglich eine „Durchrechnung“ der Arbeitszeit über einen Zeitraum von 52 Wochen vereinbart worden. Konkrete Dienstpläne wurden den Beschäftigten allerdings maximal ein Monat (zT auch nur zwei Wochen) im Vorhinein ausgehändigt.

Damals erachtete der OGH zum einen die Ansicht des AG, mit dieser Durchrechnungsvereinbarung eine Vorausvereinbarung iSd § 19d Abs 2 AZG über einen Zeitraum von 52 Wochen getroffen zu haben, angesichts der erst wenige Wochen vor Arbeitsanfall ausgehändigten Dienstpläne für unzutreffend. Dabei traf das Gericht im Übrigen aber keine Aussage darüber, ob es einen maximalen Zeitrahmen für derartige Vorausvereinbarungen gibt und – falls ja – wie groß dieser ausfällt (vgl zur Diskussion mwN Mißbichler, Rechtsprobleme kollektivvertraglicher Regelungen zur Flexibilisierung der Arbeitszeit [2018] 76 f ).

Zum anderen wies das Gericht darauf hin, dass der Gesetzgeber mit der detaillierten Regelung des § 19d AZG wohl darauf abzielte, die Teilzeitarbeit abschließend und umfassend zu regeln. Durchrechnungskonstrukte, die den Vorgaben dieser Norm nicht entsprechen, seien daher unzulässig. Die Vereinbarung einer ungleichmäßigen Verteilung der Arbeitszeit nach § 19d AZG dürfe nicht mit den Durchrechnungsregelungen des § 4 AZG verwechselt werden, da diese unter Bezugnahme auf die maximal zulässige tägliche und wöchentliche Normalarbeitszeit lediglich die Frage regeln, ob Überstunden anfallen und ein entsprechender Zuschlag zu leisten ist.

Insofern konnte bereits aus dieser E des OGH geschlossen werden, dass eine „Durchrechnung“ der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten jedenfalls bei gänzlichem Fehlen einer diesbezüglichen kollektivvertraglichen Regelung nicht geeignet ist, den Mehrarbeitszuschlag zu vermeiden. 50

Damit blieb jedoch die Frage nach dem Spielraum der kollektiven Rechtsetzung doch weitestgehend unbeantwortet. Die vorliegende E des OGH schließt nun diese Lücke in einer klaren Fortsetzung der bisherigen Judikaturlinie zur Durchrechnung der Mehrarbeit.

Zutreffenderweise ging das Gericht im vorliegenden Fall zunächst auf die Frage nach dem eigentlichen Entstehen von Mehrarbeit ein und verdeutlichte einmal mehr die Relevanz der Unterscheidung zwischen der vorgelagerten Frage, ob überhaupt Mehrarbeit im gesetzlichen Sinne vorliegt und der dieser nachgelagerten, ob für Mehrstunden nun ein entsprechender Zuschlag fällig wird.

Schon beim ersten Prüfungsschritt scheitert der Anspruch auf Mehrarbeitszuschlag mangels Vorliegens von Mehrarbeit dann, wenn vertraglich (in diesem Falle bedarf es gem § 19d Abs 2 AZG auch der Schriftform) für einen bestimmten Zeitraum ein höheres Arbeitszeitausmaß vereinbart wird. Gleiches gilt für den Fall einer vertraglichen unregelmäßigen Vorausverteilung der vereinbarten Arbeitszeit, wobei in diesem Fall aber zur Vermeidung des Entstehens von Mehrarbeit notwendig ist, dass schon im Zeitpunkt dieser Vereinbarung feststeht, dass das vereinbarte Arbeitszeitausmaß im Verteilungszeitraum erreicht wird (vgl Winkler, Kollektivvertragliche Durchrechnungsmodelle und Teilzeitbeschäftigung, DRdA 2015, 458[460] ).

Erst wenn nach diesen Grundsätzen der Anfall von Mehrarbeit feststeht, bestehen wiederum verschiedene Möglichkeiten ihrer Abgeltung. Zum einen kann ein zuschlagsfreier Ausgleich gem § 19d Abs 3b Z 1 AZG (Ausgleich im Quartal oder Dreimonatszeitraum, siehe auch oben unter Pkt 2.3.) oder innerhalb der Gleitzeitperiode (§ 19d Abs 3b Z 2 AZG) erfolgen. Mit 25 % Zuschlag kann ein Ausgleich auch außerhalb des Dreimonatszeitraums erfolgen – daneben besteht aber natürlich auch die Möglichkeit, den Zuschlag schlicht auszuzahlen.

Der im vorliegenden Fall anzuwendende KollV für Angestellte bei Steuerberatern und Wirtschaftstreuhändern enthält in seinem Pkt III.a allerdings nicht nur Regelungen zur Zulassung einer (Überstunden-)Durchrechnung iSd § 4 Abs 6 AZG, sondern enthält darüber hinaus noch eine (in der Kollektivvertragslandschaft doch noch seltene, vgl Mißbichler, Rechtsprobleme 73 f ) ausdrückliche Bezugnahme auf Teilzeitbeschäftigte in dessen Z 7a. Danach sollen die zuvor aufgestellten Durchrechnungsregelungen auf Beschäftigte mit Teilzeitarbeitsverhältnis mit der Maßgabe gelten, dass als Mehrarbeitsstunden nur jene Arbeitsstunden zu bezahlen sind, die nach Ablauf des Durchrechnungszeitraums über das vereinbarte Teilzeitausmaß hinausgehen.

Aus dieser Formulierung kann schon nach dem Wortlaut und der systematischen Stellung dieser Anordnung, wie der OGH zutreffend ausführt, nur gefolgert werden, dass die rechtsetzenden Kollektivvertragsparteien in diesem Fall von ihrer Regelungskompetenz nach § 19d Abs 3f AZG Gebrauch gemacht haben. Da diese Zulassungsnorm sämtliche Regelungen zum Mehrarbeitszuschlag, wie eben auch jene zu den zulässigen Ausgleichszeiträumen in § 19d Abs 3b Z 1 AZG erfasst, ist auch die so erfolgte Ausweitung des „Durchrechnungszeitraums“ für Mehrarbeitsstunden auf 52 Wochen zulässig.

Aus dieser klaren Abgrenzung zwischen kollektivvertraglicher Regelungsbefugnis zur Durchrechnung gem § 4 Abs 6 AZG und jener nach § 19d Abs 3f leg cit verdeutlicht der OGH in weiterer Folge seinen schon in 9 ObA 18/13g (DRdA 2014/8, 58 [Eypeltauer]) angeklungenen Standpunkt, dass sich erstere Bestimmung lediglich auf Überstunden und gerade nicht auf Mehrarbeit beziehen kann.

Sollten im Rahmen eines so kollektivvertraglich verlängerten (oder auch bloß im gesetzlichen) Dreimonatszeitraum Mehrstunden entstanden sein, können diese innerhalb dieses Rahmens mittels Zeitausgleich im Verhältnis 1:1 ausgeglichen werden.