1

Verpflichtung zur Zahlung eines doppelten Zuschlags für an einem Sonntag geleistete Überstunden

FRANKHUSSMANN
Abschnitt XVIII KollV für Arbeiter der Elektrizitätsversorgungsunternehmen

Der Kl leistete bei der Bekl am Sonntag, den 13.2.2022, im Rahmen seiner Rufbereitschaft von 16:05 Uhr bis 18:00 Uhr Überstunden und erhielt dafür eine Überstundenvergütung von 100 %. Gestützt auf den anzuwendenden KollV für Arbeiter der Elektrizitätsversorgungsunternehmen begehrte der Kl darüber hinaus die Vergütung des im KollV normierten Zuschlags von 100 % für Sonntagsarbeit, was die Bekl ablehnte.

Abschnitt XVIII (Zulagen und Zuschläge, Überstundenzuschläge, Zuschläge für Sonn- und Feiertagsarbeit) des einschlägigen KollV stipuliert Folgendes:

6. a) Als Überstunde gilt jede Arbeitszeit, welche außerhalb der auf Grundlage der geltenden wöchentlichen Normalarbeitszeit, Abschnitt VI Punkt 1, sowie der Mehrarbeit gemäß Abschnitt VIa vereinbarten täglichen Arbeitszeit liegt. Bei anderer Verteilung der Normalarbeitszeit im Sinne des Abschnittes VI, Punkte 16–23 liegen Überstunden erst dann vor, wenn die aufgrund der anderen Verteilung der Normalarbeitszeit auf die einzelnen Wochen vereinbarte tägliche Arbeitszeit sowie die Mehrarbeit gemäß VIa überschritten werden.

...

c) Für Überstunden, die nicht in die Zeit von 19 bis 6 Uhr fallen und nicht Sonn- oder Feiertagsüberstunden sind, gebührt ein Zuschlag von 50 %. Für die 11. und 12. Stunde an einem Tag gebührt, ausgenommen Arbeitsstunden im Rahmen gleitender Arbeitszeit, ein Zuschlag von 100 %. Dies gilt auch bei gleitender Arbeitszeit, sofern Überstunden angeordnet werden.

Fallen die Überstunden in die Zeit von 19 Uhr bis 6 Uhr oder sind diese an Sonn- oder Feiertagen zu leisten, gebührt ein Zuschlag von 100 %.

...

7. a) Für Sonntagsarbeit gebührt ein Zuschlag von 100 %.

Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zur Auslegung von kollektivvertraglichen Bestimmungen zu.

Der OGH wies die Revision der Bekl als zulässig, aber unbegründet zurück.

In seiner E führte der OGH zu Abschnitt XVIII des einschlägigen KollV zunächst aus, dass der normative Teil eines KollV gem §§ 6 und 7 ABGB nach seinem objektiven Inhalt auszulegen ist. Maßgeblich dabei ist, welchen Willen des Normgebers der Leser dem Text entnehmen kann. In erster Linie ist der Wortsinn – auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen – zu erforschen und die sich aus dem Text des KollV ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen. Die Normadressaten, denen nur der Text des KollV zur Verfügung steht, können die Vorstellungen, welche die Kollektivvertragsparteien beim Abschluss vom Inhalt der Normen besessen haben, weder kennen noch feststellen. Sie müssen sich vielmehr darauf verlassen können, dass die Absicht der Parteien in erkennbarer Weise im Vertragstext ihren Niederschlag gefunden hat. Den Kollektivvertragsparteien ist dabei zu unterstellen, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollten. So wie es aber nicht Sache der Rsp ist, eine unbefriedigende Regelung des Gesetzes zu korrigieren, darf auch einem KollV nicht zu diesem Zweck eine Deutung gegeben werden, die dem klaren und unzweideutig formulierten Wortlaut der Norm zuwiderliefe.

Dazu stellte der OGH fest, dass die Vorinstanzen zutreffend davon ausgegangen sind, dass der KollV schon nach seinem Wortlaut für Überstunden, die an einem Sonntag geleistet werden, einen doppelten Zuschlag von 100 % vorsieht. Zum einen normiert Abschnitt XVIII Pkt 6 lit c) KollV einen Zuschlag von 100 % für an einem Sonntag geleistete Überstunden und zum anderen sieht Abschnitt XVIII Pkt 7 lit a) KollV für Arbeiten am Sonntag einen Zuschlag von 100 % vor. Der Zuschlag für die Sonntagsarbeit in Abschnitt XVIII Pkt 7 lit a) KollV unterscheidet nicht zwischen einer sonntäglichen Leistung innerhalb der Normalarbeitszeit oder der Erbringung von Überstundenarbeit. Der Sonntagszuschlag von 100 % gebührt für jede Sonntagsarbeit. Die Kollektivvertragsparteien wollen hier offenkundig mit dem Zuschlag von 100 % für die Sonntagsarbeit (auch wenn sie nicht Überstundenarbeit ist) die Beeinträchtigung der dem AN im Regelfall gebührenden Wochenendruhe, in die gem § 3 Abs 1 ARG der Sonntag zu fallen hat, abgelten. Die geleistete Überstundenvergütung (bzw der gewährte Zuschlag) bezweckt dagegen, im Regelfall bloß die absolute Arbeitsbelastung ab einer bestimmten Arbeitszeitgrenze bzw Arbeitszeitlänge 6 besonders abzugelten. Die Kollektivvertragsregelung stuft die Mehrarbeit betreffend bestimmter Arbeitszeiten als besonders belastend ein, wobei die finanzielle Mehrbelastung eines AG wohl auch dazu dienen soll, den AG dazu anzuhalten, wirklich nur in begründeten Fällen davon Gebrauch zu machen. Hätten die Kollektivvertragsparteien dies nicht gewollt, hätten sie wohl – wie in § 5 Abs 10d des gleichnamigen Angestellten-KollV vorgesehen – beim Zusammentreffen mehrerer Zuschläge eine Deckelung mit dem höchsten Zuschlag festgelegt.

Auch wenn der Revisionswerberin laut OGH zuzugestehen ist, dass die Regelungen des hier anzuwendenden KollV zu den Überstunden die Sonntagsarbeit schon mit einem höheren Zuschlag besonders berücksichtigt ist, ändert dies aber nichts daran, dass die Kollektivvertragsparteien offensichtlich in der Mehrarbeit am Sonntag, aber auch in der Zeit zwischen 19:00 bis 6:00 Uhr und an Feiertagen eine besondere Arbeitsbelastung erblicken und diese daher zusätzlich zu vergüten ist.

Entsprechend den Ausführungen des OGH war der Revision der Bekl somit nicht Folge zu leisten.